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Insektenverluste durch den Einsatz von Konditionierern bei der Behandlung von Mähgut – ökologische und ökonomische Aspekte

Insect losses due to the use of conditioners in the treatment of mowed material – Ecological and economic aspects

DOI: 10.19217/NuL2022-02-03 • Manuskripteinreichung: 12.5.2021, Annahme: 16.11.2021

Lutz Philip Hecker, Klaus Birkhofer, Xueyan Yang, Lisa Querhammer, Ina Stöckmann und Frank Wätzold

Zusammenfassung

Das Insektensterben hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Einige der Ursachen sind bekannt, bei anderen besteht jedoch Forschungsbedarf. Eine der bisher wenig erforschten möglichen Ursachen des Insektensterbens im Grünland ist der Einsatz von Konditionierern bei der Wiesenmahd. Konditionierer, auch bekannt unter dem Begriff Aufbereiter, werden eingesetzt, um die Trocknung des Mähguts zu beschleunigen. Dabei wird das frisch geschnittene Gras gequetscht, um die verdunstungshemmende Wachsschicht zu zerstören und Pflanzenzellen aufzubrechen. Hierdurch kommt es jedoch auch zu einer erhöhten Mortalität von Insekten und weiteren Gliederfüßern. Unsere Studie untersuchte in ökologischen Feldversuchen die Auswirkungen des Konditionierereinsatzes auf die Insektenfauna und andere Arthropoden in der Vegetation im Landkreis Heidekreis in Niedersachsen. Der Anteil beschädigter Individuen nahm unter Konditionierereinsatz von 50 % auf 70 % zu und schädigte insbesondere Heuschecken, Fransenflügler, Käfer, Pflanzenläuse und Milben. Außerdem haben wir den Umfang des Konditionierereinsatzes und mögliche Kosten, die Betrieben durch einen Konditioniererverzicht entstehen würden, geschätzt. Aus unseren Ergebnissen haben wir naturschutzfachliche und -politische Empfehlungen abgeleitet.

Biodiversität – Insektensterben – Konditionierer – Mähaufbereiter – Wiesenbewirtschaftung – Gliederfüßer – Arthropoden

Abstract

Insect mortality has increased in recent decades. Some of the causes are well known, but research is needed to address knowledge gaps. A potential cause of insect mortality in grasslands that has previously received little attention is the use of conditioners during mowing. Mower conditioners are used to speed up the drying of the grass cuttings. This is accomplished by mechanically compressing the freshly cut grass, which crushes plant cells and destroys the protective wax layer that inhibits evaporation. This, however, also increases the mortality of insects and other arthropods. Our study investigated the effects on arthropod communities in ecological field trials in the Heidekreis district in Lower Saxony. The proportion of damaged individuals increased from 50 % to 70 % when the conditioner was used. Especially grasshoppers, thrips, beetles, plant lice and mites were negatively affected. In addition, we estimated the extent of conditioner use in meadow management in the region and the potential costs incurred by farmers if they do not use conditioners. We derived recommendations for conservation measures and policy from our results.

Biodiversity – Insect mortality – Mower conditioner – Meadow management – Arthropods

Inhalt

1 Einleitung

2 Ökologische Feldexperimente

2.1 Methoden

2.2 Ergebnisse

2.3 Diskussion

3 Agrarbetriebswirtschaftliche Betrachtungen

3.1 Methoden

3.2 Ergebnisse

3.3 Diskussion

4 Naturschutzfachliche und -politische Empfehlungen

Zusatzmaterial zum Beitrag

5 Literatur

Förderung

1 Einleitung

Die Studie von Hallmann et al. (2017), die eine Abnahme der Biomasse von Fluginsekten um bis zu 80 % in deutschen Naturschutzgebieten in den letzten 27 Jahren konstatiert, hat dem seit Jahrzehnten bekannten Rückgang von Insekten (Leather 2017) vielfältige Aufmerksamkeit in Politik und Öffentlichkeit verschafft. Einige der Ursachen des Insektenrückgangs sind bekannt und vergleichsweise gut erforscht. Hierzu gehören z. B. der Verlust von Lebensräumen, die zunehmende Monotonisierung von Landschaften, Stoffeinträge (Pflanzenschutzmittel, Stickstoff und Phosphor), die Lichtverschmutzung und die Folgen des Klimawandels (für eine ausführliche Diskussion zum Insektensterben siehe SRU, WBBGR 2018; Cardoso et al. 2020; Fartmann et al. 2021).

Andere Faktoren wie etwa die Wirkungen unterschiedlicher Mahdverfahren auf Insekten sind dagegen wenig untersucht (vgl. Van der Poel, Zehm 2014 für einen Überblicksartikel zum bisherigen Wissensstand zu den Auswirkungen unterschiedlicher Mahdverfahren auf die Wiesenfauna). Eine Stellungnahme des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) und des Wissenschaftlichen Beirats für Biodiversität und Genetische Ressourcen (WBBGR) zum Insektensterben verweist in diesem Zusammenhang explizit auf die Wirkungen des Einsatzes von Konditionierern auf Insekten als eine mögliche, bisher wenig erforschte Ursache für den Insektenrückgang im Grünland (SRU, WBBGR 2018: 20). Konditionierer, auch Aufbereiter genannt, werden in der Wiesenbewirtschaftung eingesetzt, um die Trocknung des Mähguts zu beschleunigen. Dies geschieht durch mechanische Komprimierung des frisch geschnittenen Mähguts durch Schlegel oder Walzen, wodurch die verdunstungshemmende Wachsschicht auf der Oberfläche der Pflanzengewebe zerstört wird und Zellflüssigkeit aus beschädigten Zellen austritt.

Allerdings ist zu vermuten, dass es durch den Einsatz von Konditionierern zu einer erheblichen zusätzlichen Mortalität von Insekten und anderen Arthropoden (Gliederfüßern) kommt, worauf erste Untersuchungen an Heuschrecken bereits hinweisen (Humbert et al. 2010; Van der Poel, Zehm 2014). Diese Schäden sind problematisch, da Grünland für sehr viele Insektenarten in der Agrarlandschaft ein äußerst wichtiger Lebensraum ist. Mehr als 50 % aller Tier- und Pflanzenarten, die in Deutschland leben, kommen im Grünland vor (UBA 2015) – daher ist die Bewahrung artenreichen Grünlands sehr bedeutsam. Bisherige Maßnahmen haben sich darauf konzentriert, das Grünland, insbesondere auch das sogenannten High-Nature-Value-Grünland, zu erhalten (BMEL 2015) sowie möglichst vielfältige Formen der Wiesenmahd und Beweidung zu fördern (Wätzold et al. 2016). Diese Maßnahmen sind ohne Zweifel wichtig, es stellt sich jedoch die Frage, ob deren Wirkungen nicht durch die Verarbeitung des Mähguts mit Konditionierern konterkariert oder zumindest abgeschwächt werden.

Um die bisherigen limitierten Kenntnisse der Auswirkungen des Konditionierereinsatzes auf wenige Insektengruppen zu vertiefen (Humbert et al. 2009; Van der Poel, Zehm 2014), haben die Autorinnen und Autoren in einer Fallstudie im Landkreis Heidekreis in Niedersachsen die Auswirkungen des Einsatzes von Konditionierern auf Insektengemeinschaften (und weitere Gliederfüßer) in der Vegetation untersucht. Hierbei wurden sowohl die direkten Auswirkungen des Einsatzes auf die Insektenfauna im Sinne einer physikalischen Beschädigung als auch dessen Umfang in der Wiesenbewirtschaftung in der Region untersucht. Außerdem wurden mögliche Kosten, die landwirtschaftlichen Betrieben durch einen Konditioniererverzicht entstehen, abgeschätzt. Im Folgenden stellen wir unsere ökologischen und agrarbetriebswirtschaftlichen Untersuchungen dar und leiten erste naturschutzfachliche und -politische Empfehlungen ab.

2 Ökologische Feldexperimente

2.1 Methoden

Direkte Auswirkungen des Konditionierereinsatzes auf Insektengemeinschaften (und andere wirbellose Tiere) wurden durch ökologische Feldversuche in Grünländern unterschiedlicher Nutzungsintensität im Landkreis Heidekreis analysiert (Abb. 1). Ziel der Untersuchungen war es, den prozentualen Anteil physikalisch beschädigter Individuen in verschiedenen vegetationsbewohnenden Gliederfüßergruppen mit und ohne Konditionierereinsatz zu ermitteln und zu untersuchen, ob die beobachteten Werte von der lokalen Bewirtschaftungsintensität abhängen.

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Abb. 1: Untersuchungsgebiet (markiert in Rot) in der Allerniederung im Landkreis Heidekreis in Niedersachsen.
Fig. 1: Study area (marked in red) in the Allerniederung area in the Heidekreis district in Lower Saxony.
(Quelle: Naturschutzstiftung Heidekreis/Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen – LGLN) (Source: Heidekreis Nature Conservation Foundation/Lower Saxony State Office for Geoinformation and Land Surveying)

Flächenauswahl

Die Beprobungen fanden an zwei Mahdterminen Anfang November 2019 und im Juni 2020 direkt im Anschluss an die Mahd in der Allerniederung im Landkreis Heidekreis statt. Ursprünglich war eine Beprobung im August 2019 geplant. Aufgrund der ungewöhnlich trockenen Wetterverhältnisse im Jahr 2019 konnte die Mahd allerdings erst außergewöhnlich spät Anfang November 2019 stattfinden. Es ist möglich, dass in Zukunft bedingt durch den Klimawandel ähnlich späte Mahdtermine vermehrt auftreten werden.

Die Allerniederung ist durch eine relativ naturnahe Wiesenlandschaft mit hoher Artenvielfalt geprägt (Landkreis Heidekreis 2020). Aus Zeitgründen und wegen Ressourcenknappheit erfolgte die Beprobung auf den Flächen eines einzigen landwirtschaftlichen Betriebs. Eine Untersuchung auf den Flächen mehrerer Betriebe wäre aufgrund der höheren Aussagekraft der Ergebnisse wünschenswert gewesen. Gleichzeitig ist aber davon auszugehen, dass die Effekte sich zwischen verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben lediglich geringfügig voneinander unterscheiden, da es sich bei einem Konditionierer um eine standardisierte Maschine handelt.

Insgesamt wurden 2019 3 intensiv und 5 extensiv sowie 2020 6 intensiv und 8 extensiv bewirtschaftete Flächen beprobt. Die intensive Wiesenbewirtschaftung erlaubt pro Hektar die Verwendung von bis zu 170 kg organischem Stickstoffdünger, darüber hinaus gibt es keine weiteren Vorschriften etwa zu Schnitthäufigkeit oder -zeitpunkt. In der extensiven Bewirtschaftung erfolgt keine Wiesenmahd vor dem 20. Juni. Zudem werden keine Pflanzenschutzmittel und kein Dünger eingesetzt, es wird auch keine Portions- und Umtriebsbeweidung praktiziert.

Die ausgewählten Flächen ähneln sich in Bezug auf Bodenfeuchte und Bodentyp. Bei den intensiven Flächen handelt es sich um Intensivgrünland im Überschwemmungsbereich (GIA), bei den extensiven Flächen um sonstiges mesophiles Grünland (GMS) und um mesophiles Grünland mäßig feuchter Standorte (GMF).

Beprobungsdesign

Auf den ausgewählten Flächen wurde ein Streifen von 9 m Breite ohne Konditionierer und ein zweiter Streifen der gleichen Breite mit einem Schlegel-Konditionierer gemäht. Pro Mahdstreifen wurden vier Proben Mähgut direkt entnommen. Das Mähgut wurde unmittelbar nach der Mahd aufgesammelt und in geschlossene Plastikbeutel verpackt (Abb. 2a). Ein Plastikbeutel enthielt ein Kilo Mähgut (Abb. 2b). Anschließend wurde der Plastikbeutelinhalt mittels eines Käfersiebs mit 8 mm Siebgröße 5 Minuten lang gesiebt. Das ausgesiebte Material wurde in Rundhalsflaschen mit 75 %igem Ethanol überführt (Abb. 2c) und zur Identifizierung des Tiermaterials ins Labor transportiert.

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Abb. 2: a) Aufsammeln des Mähguts, b) Einwiegen und Sieben mit einem Käfersieb und c) Konservieren des gesiebten Materials in Rundhalsflaschen in Ethanol während der Beprobung des Mähguts.
Fig. 2: a) Collection of mowed material, b) weighing and sieving with a beetle sieve, and c) preservation of the sieved material in round-neck bottles in ethanol during sampling of the mowed material.
(Fotos: Xueyan Yang)

Beprobungszeitpunkt und -ort, Wetterbedingungen, Mähgutstruktur und Vegetationshöhe wurden zu jeder Beprobung festgehalten und mit Fotos dokumentiert. Im Labor wurde das in den Proben verbliebene Mähgut aussortiert. Die Insekten aus den Proben wurden bis zum Niveau der Ordnungen bzw. Unterordnungen bestimmt und die Milben bis zum Niveau der Unterklassen. Alle Individuen wurden auf Verletzungen an Stereomikroskopen überprüft. Ein Individuum wurde gezählt, wenn ein Kopf vorhanden war (Abb. 3a – d). Individuen wurden als beschädigt bewertet, wenn eine deutliche Durchtrennung des Thorax oder Abdomens zu erkennen war (Abb. 3b, d).

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Abb. 3: Unbeschädigte Gliederfüßer: a) Zikade und c) Käfer; als beschädigt gezählte Gliederfüßer: b) Zikade und d) Käfer.
Fig. 3: Undamaged arthropods: a) cicada and c) beetle; arthropods counted as damaged: b) cicada and d) beetle.
(Fotos: Xueyan Yang)

2.2 Ergebnisse

Insgesamt wurden 21.584 Arthropoden gesammelt und untersucht. Die Bewirtschaftungsintensität hatte keinen signifikanten Einfluss auf den prozentualen Anteil beschädigter Individuen in verschiedenen Arthropodengruppen, allerdings wurden im extensiv bewirtschafteten Grünland pro Probe 1,7-mal mehr Arthropoden gezählt als im intensiv bewirtschafteten Grünland. Der Einsatz des Konditionierers beeinflusste den prozentualen Anteil beschädigter Individuen deutlich und erhöhte ihn über alle untersuchten Gruppen von 50 % ohne Konditionierereinsatz auf 70 % mit Konditionierereinsatz (Abb.  4a).

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Abb. 4: Einfluss des Konditionierereinsatzes während der Mahd auf den prozentualen Anteil beschädigter Individuen auf a) die gesamte Arthropodengemeinschaft, b) Heuschrecken, c) Fransenflügler, d) Käfer, e) Pflanzenläuse und f) Milben. Die Abbildungen zeigen den Mittelwert des Prozentanteils beschädigter Individuen ohne („Ohne“) und mit („Mit“) Einsatz der Konditionierer mit 95 %-Konfidenzintervallen.
Fig. 4: Influence of conditioner use during mowing on percentage figures of damaged individuals for a) total arthropod community, b) grasshoppers, c) fringe winged beetles, d) beetles, e) plant lice, and f) mites. Figures show the mean of the percentage of damaged individuals without (“Ohne”) and with (“Mit”) the use of conditioners with 95 % confidence intervals.

Die folgenden Arthropodengruppen wurden dabei in zunehmendem Maße signifikant beeinflusst (Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test): Heuschrecken (Orthoptera, p = 0,036, Abb. 4b, von 72 % auf 86 %), Fransenflügler (Thysanoptera, p < 0,001, Abb. 4c, von 32 % auf 56 %), Käfer (Coleoptera, p = 0,003, Abb. 4d, von 58 % auf 85 %), Pflanzenläuse (Sternorrhyncha, p < 0,001, Abb. 4e, von 52 % auf 78 %) und Milben (Acari, p < 0,001, Abb. 4f, von 18 % auf 48 %). Im Juni 2020 wurden durchschnittlich 4,4-mal mehr Arthropoden pro Probe gefangen als im November 2019, allerdings unterschieden sich die prozentualen Anteile beschädigter Individuen mit 54,6 % im Jahr 2019 und 61,8 % im Jahr 2020 nicht signifikant voneinander (Mann-Whitney-U-Test, p = 0,207).

Aufgrund der Kopplung unserer Probenahme an reale Mahdtermine und der statistischen Ähnlichkeit der prozentualen Anteile beschädigter Individuen erachten wir beide Beprobungen trotz des ungewöhnlich späten Mahdtermins im November 2019 als repräsentativ. Eine detaillierte Diskussion unserer statistischen Analyse der Daten findet sich in Hecker et al. (2022).

2.3 Diskussion

Methode und Frequenz der Mahd im Grünland wirken sich auf die Artenzusammensetzung und Diversität von Arthropodengemeinschaften aus (Birkhofer et al. 2015; Gossner et al. 2016). Die Wirkung unterschiedlicher Mahdtechnik wurde jedoch bisher selten und primär für einzelne Arthropodengruppen untersucht (Humbert et al. 2009; Humbert et al. 2010; Van der Poel, Zehm 2014). Der Anteil der durch die Mahd beschädigten Arthropoden lässt sich in unserer Studie bei identischem Mähwerk, aber Verzicht auf den Einsatz von Konditionierern um ca. 20 % reduzieren. Da Insektenpopulationen weltweit unter erheblichem Druck durch verschiedene menschliche Einflussgrößen stehen (Samways et al. 2020), können schonende Mahdtechniken zum Insektenschutz beitragen (Cardoso et al. 2020).

3 Agrarbetriebswirtschaftliche Betrachtungen

3.1 Methoden

Zur Abschätzung des Umfangs des Konditionierereinsatzes in der Wiesenbewirtschaftung wurden Agrartechnik- und Grünlandexpertinnen und -experten sowie Landwirtinnen und Landwirte im Heidekreis befragt. Parallel wurde mithilfe agrarbetrieblicher Berechnungen untersucht, welche betriebswirtschaftlichen Überlegungen dazu führen, dass Konditionierer eingesetzt werden. Literaturquellen wie Rohde (2005) legen nahe, dass Konditionierer in Deutschland zwar verbreitet sind, aber nicht flächendeckend zum Einsatz kommen. Um abschätzen zu können, in welchem Umfang Gefährdungen für Insekten und andere Gliederfüßer bestehen, ist ein Verständnis davon nötig, unter welchen landwirtschaftlichen und landschaftlichen Bedingungen (z. B. ob eher im Intensiv- oder Extensivgrünland) Konditionierer zum Einsatz kommen. Es lässt sich auch ableiten, welche Arten vom Einsatz von Konditionierern stärker betroffen sind. Wird beispielsweise der Konditionierer eher im Intensivgrünland eingesetzt, dann sind die dort lebenden Arten besonders betroffen. Darüber hinaus ist ein besseres Verständnis der betrieblichen Rentabilität wichtig, um bestimmen zu können, welche ökonomischen Verluste Landwirtinnen und Landwirte erleiden, falls sie einen Konditionierer nicht einsetzen dürfen. Diese Information kann etwa herangezogen werden, um die Höhe von Kompensationszahlungen zu bestimmen, sofern Landwirtinnen und Landwirte aus naturschutzpolitischen Gründen auf den Einsatz von Konditionierern verzichten sollen.

Um die Verbreitung des Konditionierereinsatzes abzuschätzen und agrarbetriebswirtschaftliche sowie andere Faktoren für den Konditionierereinsatz zu identifizieren, wurden Expertinnen und Experten aus der Herstellerbranche in semistrukturierten Interviews befragt und ein Fragebogen (siehe Online-Zusatzmaterial) im Februar 2020 an 752 im Heidekreis angesiedelte landwirtschaftliche Betriebe verschickt. Die Fragebögen enthielten Ankreuzfragen zur Betriebsstruktur (Betriebsgröße, ökologische oder konventionelle Bewirtschaftung), zur Art der Wiesenbewirtschaftung (intensiv versus extensiv) und zum Einsatz von Konditionierern.

3.2 Ergebnisse

Verbreitung des Konditionierereinsatzes

236 Betriebe beantworteten den Fragebogen. 49 (20,8 %) gaben an, Konditionierer zu verwenden. 31 verwendeten Konditionierer stets, 18 manchmal (je nach Wetterlage und Mähgutaufkommen). Zudem ergab die Befragung, dass Großbetriebe mit einer Flächenbewirtschaftung von über 100 ha Konditionierer überdurchschnittlich (30,8 %) und Kleinbetriebe unterdurchschnittlich (10,9 %) einsetzten. Das führt zu einer stärkeren Verbreitung, da Großbetriebe 62,3 % der landwirtschaftlichen Flächen im Heidekreis bewirtschaften (Destatis 2020). In der Regel bewirtschaften Großbetriebe größere Schläge und setzen dabei breitere Mähtechnik mit höherem Technisierungsgrad ein, die häufiger mit einem Konditionierer ausgestattet ist. Die Beauftragung einer Lohnunternehmerin bzw. eines Lohnunternehmers macht den Konditionierereinsatz ebenfalls wahrscheinlicher. Von den 41 Landwirtinnen und Landwirten, die schon einmal ein Lohnunternehmen beauftragt haben, gaben 39 % bzw. 34 % an, dass das Lohnunternehmen immer bzw. manchmal einen Konditionierer verwendet. Die Umfrage fand dagegen keine Anhaltspunkte für unterschiedlichen Konditionierereinsatz auf intensiv und extensiv gemanagten Flächen oder in der ökologischen und konventionellen Grünlandbewirtschaftung.

Laut Expertinnen und Experten aus der Herstellerbranche von Mähwerkstechnik beläuft sich die durchschnittliche Ausstattungsrate der auf dem deutschen Markt vertriebenen Mähwerke mit Konditionierern im langfristigen Trend zwischen 15 % und 20 %. Dabei gibt es Unterschiede zwischen den Mähwerkstypen. Bei Großflächenmähwerken wie den Schmetterlingskombinationen und bei Scheibenfrontmähwerken ist die Ausstattungsrate mit ca. 30 % überdurchschnittlich, bei angebauten Heckmähwerken bzw. 3-Punktmähwerken mit rund 10 % unterdurchschnittlich.

Agrarbetriebswirtschaftliche Rentabilität des Konditionierereinsatzes

Der wirtschaftliche Vorteil des Konditionierereinsatzes liegt in geringeren Verfahrenskosten und höheren Erträgen und einer höheren Energiedichte des gewonnenen Mähguts. Zwar ist das Mähen mit integriertem Konditionierer durch den höheren Maschineneinsatz teurer. Gleichzeitig trocknet das mit einem Konditionierer gemähte Mähgut leichter ab. Dadurch werden im Idealfall ein bis zwei Arbeitsgänge beim Zetten (gleichmäßige Verteilung des Mähguts auf der Wiese) und Wenden eingespart, was die Kosten bei der Mähgutgewinnung insgesamt senkt. Laut unseren Berechnungen auf Grundlage von Datenquellen des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL 2020) vermindert das die Kosten um bis zu 5 – 22 € pro Hektar, je nach eingesetzter Maschinentechnik und je nachdem, wie viele Arbeitsgänge beim Zetten und Wenden eingespart werden.

Zudem reduziert der Konditionierereinsatz die Atmungs-, Witterungs- und Bröckelverluste und verbessert dadurch den Mähgutertrag und die Energiedichte. Die Verluste werden vor allem durch eine kürzere Feldliegezeit und weniger Bearbeitungsgänge verringert (Fritz 2018). Bröckelverluste entstehen, wenn Mähgut unter die Grasnarbe fällt und dadurch für die Bergung nicht mehr zugänglich ist. Unter Atmungsverlusten versteht man Verluste, die durch die Enzymtätigkeit noch lebender Zellen im Mähgut entstehen.

In der Regel wird der Konditionierer nur während Gutwetterlagen eingesetzt. Folgt Regen auf die Behandlung, verlängert sich die Trocknungszeit und damit die Feldliegezeit erheblich, da das mit einem Konditionierer aufbereitete Mähgut leichter Wasser aufsaugt als nicht aufbereitetes Mähgut. Zudem werden wasserlösliche Nährstoffe aus dem aufbereiteten Mähgut leichter ausgewaschen, was dessen Qualität verschlechtert.

3.3 Diskussion

Thaysen et al. (1999) nehmen für die Silagegewinnung an, dass der Einsatz von Konditionierern die Verluste an Trockenmasse (TM) zwischen 1,5 % und 4 % reduziert und die Energiedichte zwischen 0,10 und 0,20 MJ NEL/kg TM (NEL = Netto-Energie-Laktation) erhöht. Gleicht man diese Verluste durch den Kauf von Kraftfutter aus und legt die Mähguterträge zugrunde, die KTBL-Datentabellen für verschiedene Bewirtschaftungsformen standardmäßig zur Verfügung stellen (KTBL 2020), lässt sich der wirtschaftliche Vorteil des Konditionierers auf ca. 35 – 120 € pro Hektar und Jahr schätzen.

4 Naturschutzfachliche und -politische Empfehlungen

Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass der Einsatz von Konditionierern den Schädigungsgrad mehrerer Insekten- bzw- Arthropodengruppen signifikant erhöht. Der Einsatz des Konditionierers bringt allerdings auch wirtschaftliche Vorteile mit sich und ein generelles Verbot führt möglicherweise zu Ausweichreaktionen auf andere Mähwerke, die ökologisch ebenfalls nachteilig sind. Wir sprechen uns deshalb hier für eine differenzierte Ausgestaltung und Umsetzung von Maßnahmen gegen den Konditionierereinsatz aus.

Konditioniererverzicht auf extensiv genutzten Flächen anstreben

Die Artenvielfalt und Abundanz von Insekten auf extensiv bewirtschaften Wiesenflächen ist signifikant höher als auf intensiv genutzten Flächen. Aufgrund der damit verbundenen höheren ökologischen Wirksamkeit und der geringeren wirtschaftlichen Opportunitätskosten im Vergleich zu intensiv genutzten Wiesen erscheinen Maßnahmen gegen den Konditionierereinsatz auf extensiv bewirtschafteten Wiesen erstrebenswert. Prinzipiell kann das auf zwei Weisen erfolgen:

    1.

    durch ein allgemeines Verbot des Konditionierereinsatzes oder

    2.

    durch Kompensationszahlungen an Landwirtinnen und Landwirte, die auf Konditionierer verzichten.

Ein Verbot erscheint problematisch, da die extensive Wiesenbewirtschaftung schon jetzt oft an der Grenze zur Rentabilität operiert. Entsprechend besteht die Gefahr, dass ein Verbot die Wirtschaftlichkeit der extensiven Wiesenbewirtschaftung unter ein akzeptables Niveau drückt und zur Nutzungsaufgabe führt, mit der Folge des kompletten Verlusts wertvoller Grünlandbiodiversität.

Es erscheint erstrebenswert, den Verzicht auf Konditionierereinsatz als weitere Teilnahmebedingung in bestehende Agrarumwelt- und Klimaprogramme in der extensiven Wiesenbewirtschaftung zu integrieren und in diesem Zusammenhang bestehende Kompensationsbeträge zu erhöhen. Wir schätzen, dass bei der extensiven Wiesenbewirtschaftung der Verzicht auf Konditionierer zu Ertragsverlusten im Wert von gemittelt 70 € pro Hektar und Jahr führen kann. Um Verzichtmaßnahmen zusätzlich auf einer kleinräumigeren Ebene umzusetzen, erscheint darüber hinaus die Integration des Konditioniererverzichts in den Vertragsnaturschutz sinnvoll, der häufig praktiziert wird, um naturschutzfachlich besonders wertvolle Gebiete auf lokaler Ebene zu schützen.

Unerwünschte Ausweichreaktionen im Blick behalten

Es ist zu bedenken, dass Landwirtinnen und Landwirte nach der Einführung von Maßnahmen gegen den Konditionierereinsatz auf andere Techniken ausweichen können, die ggf. auch erheblichen ökologischen Schaden anrichten. Beispielsweise gibt es Mähwerkstechniken mit integrierten Heuverteilern und -wendern, die den Einsatz von Konditionierern obsolet werden lassen. Nach jetzigem Stand des Wissens ist allerdings unklar, welche Auswirkung die integrierte Mähwerkstechnik auf Insekten hat. Zudem reduziert sich durch den Verzicht auf den Einsatz eines Konditionierers das Gewicht des Mähwerks, wodurch Mähwerke mit größerer Arbeitsbreite eingesetzt werden können. Beim Einsatz breiterer Mähwerke besteht allerdings die Gefahr, dass Schläge vergrößert werden, was beispielsweise zum Verlust von wichtigen Landschaftsstrukturelementen wie Hecken und Büschen führen könnte.

Konditioniererverzicht auf intensiv bewirtschafteten Wiesen nicht unbedingt notwendig

Der Verzicht auf den Konditionierer auf intensiv genutzten Flächen erscheint uns nicht unbedingt notwendig, da der ökologische Nutzen des Mähens ohne Konditionierer auf intensiv genutzten Flächen aufgrund der bereits reduzierten Artenvielfalt und Abundanz von Gliederfüßern geringer ist. Zudem fällt der wirtschaftliche Schaden des Konditioniererverzichts aufgrund der höheren Ertragslage höher aus als auf extensiv genutzten Flächen.

Aufnahme des Konditioniererverzichts in Managementpläne für Naturschutzgebiete

Es scheint sinnvoll, den Verzicht auf Konditionierer in Managementplänen für naturschutzfachlich wertvolle Gebiete (wie Naturschutzgebiete) festzuschreiben, um dort die besonders hohe Biodiversität zu schützen.

Weitere Forschung und weiteres Sammeln von Erfahrungen erforderlich

Wir sprechen uns für eine zeitnahe Umsetzung der Maßnahmen gegen den Konditionierereinsatz aus. Aufgrund fehlender Erfahrungen in der Praxis sollte die Umsetzung wissenschaftlich begleitet werden, um herauszufinden, inwiefern Maßnahmen zum Verzicht des Konditionierereinsatzes sinnvoll und zielführend in Agrarumwelt- und Klimaprogramme und den Vertragsnaturschutz integriert werden können. Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, die Auswirkungen von Mähtechnik auf gefährdete Arten generell intensiver zu erforschen.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass eine insektenfreundliche Mähtechnik nur ein Baustein für einen umfangreichen Schutz von Insekten im Grünland ist. Andere Bausteine sind z. B. insektenfreundliche Mahdtermine (Wätzold et al. 2016), die Erhaltung ausreichender Refugialhabitate, um zu verhindern, dass es zu hohen Verlusten in individuenreichen Insektengemeinschaften im Grünland durch Prädatoren (Vögel) in einheitlich kurzen Vegetationsflächen kommt (Van der Poel, Zehm 2014; Fartmann et al. 2021), sowie – als wichtigstes Element – die Erhaltung des extensiven Grünlands durch ausreichende Zahlungen an Landwirtinnen und Landwirte für eine entsprechende Bewirtschaftung etwa im Rahmen von Vertragsnaturschutzprogrammen.

Zusatzmaterial zum Beitrag

Hecker L.P., Birkhofer K., Yang X., Querhammer L., Stöckmann I., Wätzold F. (2022): Insektenverluste durch den Einsatz von Konditionierern bei der Behandlung von Mähgut – ökologische und ökonomische Aspekte. Natur und Landschaft 97(2): 78 – 84. DOI: 10.19217/NuL2022-02-03

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5 Literatur

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Förderung

Dieser Beitrag stellt die Ergebnisse des Förderprojekts „Insektenverluste durch den Einsatz von Konditionierern bei der Behandlung von Mähgut“ der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) vor.

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Dr. Lutz Philip Hecker

Korrespondierender Autor

Brandenburgische Technische Universität

Cottbus-Senftenberg (BTU)

Lehrstuhl Volkswirtschaftslehre,

insbesondere Umweltökonomie

Erich-Weinert-Straße 1

03046 Cottbus

E-Mail: lutzphilip.hecker@b-tu.de Der Autor ist Diplomvolkswirt, Magister der Philosophie, Romanistik sowie Wirtschaftswissenschaften und promovierte auf dem Gebiet der Umweltwissenschaften. Zurzeit ist er Postdoc am Lehrstuhl für Volkswirtschaft, insbesondere Umweltökonomie an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Sein Forschungsinteresse umfasst Betriebswirtschaftslehre, Kosten-Nutzen-Analysen in der Umweltbewertung, Ökonomie des Land- und Biodiversitätsschutzmanagements und Mensch-Tier-Konflikte in Schutzgebieten.

NuL_02_2022_Hecker_Vita.jpg

Prof. Dr. Klaus Birkhofer

Brandenburgische Technische Universität

Cottbus-Senftenberg (BTU)

Fachgebiet Ökologie

Konrad-Wachsmann-Allee 6

03046 Cottbus

E-Mail: klaus.birkhofer@b-tu.de

Dr. Xueyan Yang

Brandenburgische Technische Universität

Cottbus-Senftenberg (BTU)

Fachgebiet Ökologie

Konrad-Wachsmann-Allee 6

03046 Cottbus

E-Mail: xueyan.yang@b-tu.de

Lisa Querhammer

Brandenburgische Technische Universität

Cottbus-Senftenberg (BTU)

Fachgebiet Ökologie

Konrad-Wachsmann-Allee 6

03046 Cottbus

E-Mail: lquerhammer@gmail.com

Ina Stöckmann

Untere Naturschutzbehörde – Landkreis Heidekreis

Harburger Straße 2

29614 Soltau

E-Mail: i.stoeckmann@heidekreis.de

Prof. Dr. Frank Wätzold

Brandenburgische Technische Universität

Cottbus-Senftenberg (BTU)

Lehrstuhl Volkswirtschaftslehre,

insbesondere Umweltökonomie

Erich-Weinert-Straße 1

03046 Cottbus

E-Mail: waetzold@b-tu.de

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