Volker Späth
Zusammenfassung
Das Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2016, die globale Erwärmung der Erdatmosphäre auf maximal 2,0 °C und möglichst auf 1,5 °C
zu begrenzen, wird offenkundlich verfehlt. Umso wichtiger ist es, in Hinblick auf den Klimawandel in Deutschland und die damit
einhergehende zunehmende Sommertrockenheit die Art von Wäldern zu schützen, die großes Potenzial besitzen, den sich ändernden
Klimabedingungen standzuhalten. Auenwäldern kommt hierbei eine große Bedeutung zu: Sie leisten nicht nur einen wichtigen Beitrag zum
Hochwasserschutz, sondern erfüllen auch weitere wichtige Ökosystemleistungen wie bspw. die Sauerstoffproduktion oder die Kühlung
benachbarter Siedlungen. Außerdem können Auenwälder große Mengen Kohlenstoff binden und stellen damit bedeutende CO2-Senken
dar. Trotz ihrer offensichtlichen Systemrelevanz sind Auenwälder jedoch gefährdet und werden am Oberrhein für den Kiesabbau gerodet. Um
einen weiteren Verlust dieser wichtigen Ökosysteme zu verhindern, müssen umgehend Vorgaben der Raumordnung angepasst und
Ersatzstandorte für den Kiesabbau gefunden werden.
Auenwald – Kohlenstoffsenke – Kiesabbau – Oberrhein – Klimawandel – Waldzerstörung – ÖkosystemAbstract
The goal of the 2016 Paris climate agreement to limit global warming of the atmosphere to a maximum of 2.0 °C and, if possible, to
1.5 °C is clearly being missed. This makes it all the more important, in view of climate change in Germany and the associated increase
in summer drought, to preserve the types of forests that have great potential to withstand changing climatic conditions. Floodplain
forests are of great importance in this respect: They not only make an important contribution to flood protection, but also deliver
other vital ecosystem services such as oxygen production or cooling neighbouring human settlements. In addition, floodplain forests can
sequester large amounts of carbon and thus represent significant CO2 sinks. Despite their obvious systemic relevance,
however, floodplain forests are endangered and are being cleared in the Upper Rhine Valley for gravel extraction. In order to prevent
further loss of these important ecosystems, spatial planning guidelines must be adapted immediately and substitute sites for gravel
extraction must be found.
Floodplain forest – Carbon sink – Gravel extraction – Upper Rhine – Climate change – Forest degradation – EcosystemInhalt
1 Einleitung
Die extreme Trockenheit und Hitze der Sommer in den Jahren 2018, 2019 und 2020 haben in den deutschen Wäldern in Kombination mit
Sturmereignissen und Massenvermehrungen von Borkenkäfern zu schweren forstwirtschaftlichen Schäden geführt, deren Gesamtumfang sich erst
in den kommenden Jahren abschließend beziffern lassen wird. Auf bundesweit schätzungsweise 285.000 ha Waldfläche – meist ehemalige
Reinbestände aus Fichten (Picea abies) und Kiefern (Pinus spec.) – sind die Bäume abgestorben (Höltermann 2021). Besonders
der Ausfall der Kiefer in der Rheinebene ist erstaunlich, da diese Baumart selbst in den wärmsten und trockensten Teilen
Baden-Württembergs – in der sog. Trockenaue zwischen Basel und Breisach – von 1960 bis heute gewachsen ist (Abb. 1) und auf der Niederterrasse zwischen Karlsruhe und Frankfurt große Flächen einnimmt. Während
die Wälder auf relativ trockenen Standorten damit häufig ihre Bedeutung für den Klimaschutz verlieren, leisten die überschwemmten
Auenwälder auch in Zeiten des Klimawandels einen effektiven Beitrag zum Klima- und Hochwasserschutz. Die regelmäßigen Überflutungen in
Auenwäldern verbessern die Kohlenstoffspeicherung und gleichen auf diese Weise CO2-Emissionen in besonderem Maß aus.
Ein großer Anteil ehemaliger Auenflächen in Deutschland ist jedoch inzwischen verloren gegangen (BMU, BfN
2021) – das betrifft insbesondere auch die Auenwälder am Oberrhein, die im Folgenden betrachtet werden. Nur 1 – 2 % der
ursprünglichen Auenflächen am Oberrhein beherbergen noch auentypische Lebensgemeinschaften (Landesanstalt
für Umweltschutz Baden-Württemberg 1993). Ein durchgängiger Biotopverbund ist damit nicht mehr gewährleistet (Harms et al. 2018). Einer der Gründe für den Rückgang der Auenwälder ist der fortschreitende
Kiesabbau.
Abb. 1: Wassermangel und hohe Temperaturen töten selbst die Wald-Kiefer (Pinus sylvestris) wie hier bei Neuenburg am
Rhein.
Fig. 1: Lack of water and high temperatures kill even the Scots pine (Pinus sylvestris), e. g. here near Neuenburg on
the Rhine.
2 Ökologie der Auen und Auenwälder am Oberrhein
2.1 Standortbedingungen und Vegetation
Auen sind komplexe Ökosysteme, die im Wesentlichen durch den Wechsel der Wasserstände mit Trockenfallen und Überflutungen
charakterisiert sind (Dister 1985a). Die Dynamik von Fließgewässern und des Wasserhaushalts
sowie die große Strukturvielfalt der Vegetation sorgen für eine hohe Biodiversität. Naturnahe Auen stellen einen Lebensraum für viele
seltene und gefährdete Tier- und Pflanzenarten dar (Konold, Schaich 2006). Sie beherbergen die
europaweit gefährdeten Auenwälder, die auf diese Standorte angewiesen sind (BMU, BfN 2021) sowie
etwa zwei Drittel der heimischen Pflanzengesellschaften, obwohl sie nur 6 – 8 % der Fläche Deutschlands einnehmen (Mößmer 2000). Auen gehören somit zu den vielfältigsten und naturschutzfachlich wertvollsten
Lebensräumen Mitteleuropas (Tockner et al. 2009).
Die tiefe Weichholzaue mit Silber-Weiden (Salix alba) und Schwarz-Pappeln (Populus nigra) am Oberrhein wird
während der Vegetationsperiode (1.4. – 30.9.) im Mittel an mehr als 60 Tagen im Jahr überschwemmt (siehe Tab. 1 für einen Überblick über die Überflutungsdauer für alle Auenzonen). Ihre untere Grenze wird durch die
Mittelwasserlinie bestimmt, die in Karlsruhe einem Abfluss von 1.250 m3/s entspricht. Die tiefe Hartholzaue wird im
Mittel 15 – 33 Tage während der Vegetationsperiode überflutet. Hier wachsen Bäume wie Stiel-Eiche (Quercus robur), Feld- und
Flatter-Ulme (Ulmus minor und U. laevis). Esche (Fraxinus excelsior), Hainbuche (Carpinus betulus) und Linde
(Tilia spp.) finden sich in der mittleren Hartholzaue, die im Mittel 4 – 15 Tage überflutet wird. Die hohe
Hartholzaue steht zwischen einem Tag und bis zu 4 Tagen unter Wasser. Die oberste Hartholzaue wird im Mittel weniger als
einen Tag überschwemmt und enthält weniger hochwassertolerante Arten wie Buche (Fagus sylvatica) und Spitz-Ahorn (Acer
platanoides) (Regierungspräsidium Freiburg 2017). Neben den Überflutungen mit Höhen von
bis zu 2,2 m in der tiefen Hartholzaue und über 2,7 m in der tiefen Weichholzaue prägen auch Niedrigwasserphasen die Standorte am
Oberrhein. Während der Niedrigwasserphasen hat der Boden wieder eine gute Sauerstoffversorgung mit einer Begünstigung des Wurzelwachstums.
Die Wasserstandsschwankungen in der Aue unterhalb von Iffezheim betragen bis zu 5 m (Regierungspräsidium
Freiburg 2017).
Auenzone
|
Mittlere Überflutungsdauer 1.4. – 30.9. [Tage]
|
Maximale Überflutungsdauer 1.4. – 30.9. [Tage]
|
Mittlere Überflutungsdauer im Jahr [Tage]
|
Maximale Überflutungsdauer im Jahr [Tage]
|
Pegel Maxau [m]
|
Überflutungshöhe [m]
|
Tiefe Weichholzaue | > 60 | > 140 | > 90 | > 190 | 4,80 – 5,40 | > 2,70 |
Übergang Weichholz-/Hartholzaue | 60 – 33 | 140 – 110 | 90 – 50 | 190 – 130 | 5,40 – 5,90 | 2,70 – 2,20 |
Tiefe Hartholzaue | 33 – 15 | 110 – 65 | 50 – 25 | 130 – 80 | 5,90 – 6,40 | 2,20 – 1,70 |
Mittlere Hartholzaue | 15 – 4 | 65 – 35 | 25 – 7 | 80 – 42 | 6,40 – 7,20 | 1,70 – 0,90 |
Hohe Hartholzaue | 4 – 1 | 35 – 10 | 7 – 3 | 42 – 15 | 7,20 – 7,80 | 0,90 – 0,30 |
Oberste Hartholzaue | < 1 | < 10 | 3 − 1 | < 15 | 7,80 – 8,10 | 0,30 – 0,00 |
Die Silberweidenwälder der Weichholzaue sind nach der Fauna-Flora-Habitat(FFH)-Richtlinie als prioritärer Lebensraumtyp (LRT)
Auenwälder mit Erle, Esche und Weide* (LRT 91E0*) geschützt. Prägend sind periodische Überflutungen, wodurch eine hohe Strukturvielfalt
entsteht, die für Pionierarten eine besondere Bedeutung hat. Auch die auf den höher gelegenen Standorten stockenden naturnahen
Hartholzauenwälder sind als LRT 91F0 geschützt. Die Rheinauenwälder des LRT 91E0* und 91F0 sind im Gebiet häufig eng miteinander verzahnt
und nehmen etwa gleich große Flächenanteile ein.
2.2 Klimastabilität der Auenwälder am Oberrhein
Im Gegensatz zu den Auenstandorten gefährdet wochenlange Trockenheit in Verbindung mit Temperaturen von bis zu 40 °C v. a. Wälder in
der Oberrheinebene auf sandig-kiesigen Böden ohne Grundwasseranschluss. Betroffen sind insbesondere die sog. Hardtwälder auf der
geologischen Niederterrasse zwischen Rastatt und Mannheim. Hier sind praktisch alle Baumarten inkl. der Douglasie (Pseudotsuga
menziesii) von Trocken- und Hitzeschäden betroffen (Erbacher 2022). Während auf der
Niederterrasse die sandigen Böden schnell austrocknen und das Grundwasser in einer Tiefe von über 10 m von den Baumwurzeln nicht mehr
erreicht wird, wachsen die Auenwälder in Rheinnähe vielerorts auf lehmigen Böden, die das Wasser sehr gut speichern. Zudem steht das
Grundwasser in wenigen Metern Tiefe an und ist in der Regel für die Baumwurzeln gut erreichbar. Außerdem werden viele Standorte im Sommer
regelmäßig vom Rhein überschwemmt, sodass für die Auenwälder auch derzeit noch günstige Wuchsbedingungen mit viel Wasser, Wärme und Sonne
zur Verfügung stehen.
Dass auch die Rheinauenwälder zwischen Breisach und Mannheim zu den überwiegend klimastabilen Wäldern zählen könnten,
zeigt das Beispiel der Rhône: Wie der Rhein kommt die Rhône aus den Alpen und hat statistisch die höchsten Wasserstände zur
Hauptwachstumszeit der Wälder im Mai und Juni (Abb. 2). Die Rhône fließt zum Mittelmeer und
durchfließt unterhalb von Valence in Südfrankreich ein Gebiet mit sommerlicher Trockenheit und hohen Temperaturen bis über 40 °C wie im
Sommer 2019 am Oberrhein. Wer die Auenwälder entlang der Rhône besucht, wird feststellen, dass auch hier wüchsige Waldbestände aus Weiden
(Salix spp.), Pappeln (Populus spp.) und Baumarten der Hartholzaue auftreten. Überflutungswasser, Grundwasser und die
hohe Speicherkapazität der Auenlehme ermöglichen die üppigen Vegetationsverhältnisse (Olivier et al.
2009). Dies spricht auch für eine Klimastabilität der Auenwälder am Oberrhein. Im Bereich der ausgebauten Rheinstrecke wird
deren Wasserversorgung und Wuchskraft durch die ökologischen Flutungen in den Rückhalteräumen des Integrierten Rheinprogramms (IRP) noch
verbessert, sodass sie weitgehend unabhängig von den Sommertemperaturen sind.
Abb. 2: An den Ufern der Rhône wie hier bei Montélimar wachsen üppige Auenwälder – trotz Klimawandel.
Fig. 2: On the banks of the Rhône, such as here near Montélimar, lush floodplain forests grow – despite climate
change.
Im letzten Trockensommer 2022 konnten in der Rheinaue die Erfahrungen aus dem Trockenjahr 2003 bestätigt werden. Waldbäume auf den
höher gelegenen Flächen mit kiesigem Untergrund entwickelten Schäden infolge lang anhaltender Trockenheit, weil in der Kiesschicht ein
Kapillaraufstieg von Grundwasser nicht möglich und der lehmige Wurzelhorizont nur gering ausgeprägt ist. Im Gegensatz dazu konnte auf den
Flächen mit mächtigen Auenlehmschichten überwiegend eine gute Vitalität und Wüchsigkeit beobachtet werden. Ein positiver Begleiteffekt
langer sommerlicher Niedrigwasserphasen ist dabei die generative Verjüngung der Silberweide (Salix alba). So kam es 2003 und 2022
(extremes Niedrigwasser) erstmals wieder zu einer Weidenverjüngung in der Rheinaue zwischen Rastatt und Karlsruhe.
2.3 Ökosystemleistungen von Auenwäldern
Bedeutsame Ökosystemleistungen von Auenwäldern sind Sauerstoffproduktion, Kühlung benachbarter Siedlungen durch Frischluftentstehung
und Luftaustausch sowie der Immissionsschutz von Wohnstätten und landwirtschaftlichen Nutzflächen durch die enorme Filterwirkung der
Auenwälder. Außerdem binden Auenwälder mit ihrer enormen Wuchskraft überdurchschnittlich viel CO2. Am Centrum für
Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg wurde von Heger et al.
(2021) eine Studie über den Kohlenstoffgehalt der Böden der Flussauen der mittleren Elbe veröffentlicht. Hierbei wurde
festgestellt, dass ausgedeichte Flächen in ihren Böden 33 % weniger Kohlenstoff enthielten als die von der Elbe überschwemmten Flächen.
Eine mit altem Auenwald bewachsene Überflutungsfläche speicherte am meisten Kohlenstoff. Bis in eine Tiefe von einem Meter enthielt der
Boden in Auenwäldern der Elbe durchschnittlich 124 t Kohlenstoff pro ha. Andere Wälder in Deutschland speichern durchschnittlich nur
99 t Kohlenstoff pro ha (Heger et al. 2021) und damit deutlich weniger als Auenwälder.
Überschwemmte Flussauen leisten hierdurch einen effektiven Beitrag zum Klima- und Hochwasserschutz. Bei Überschwemmungen geben Auenwälder
dem Wasser Platz und nehmen es wie ein Schwamm auf.
3 Auswirkungen des Klimawandels auf den Abfluss des Rheins
Um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserwirtschaft in Süddeutschland wissenschaftlich zu erforschen, arbeiten
Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz seit vielen Jahren gemeinsam mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) in der Kooperation„KLIWA –
Klimaveränderung und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft“ zusammen (Arbeitskreis KLIWA 2016,
2018a, 2018b; Kooperation KLIWA 2019a, 2019b). Für die internationale
Flussgebietseinheit Rhein bearbeitet die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) das Thema Klimawandel mit dessen
Auswirkungen auf den Rhein und dessen Einzugsgebiet (IKSR 2015). Die wesentlichen Aussagen
beider Organisationen zum Status-quo sowie zu künftigen Entwicklungen lauten: Im hydrologischen Winterhalbjahr ist mit einer Zunahme der
Niederschläge und der Abflüsse zu rechnen. Die frühzeitige Schmelze von Schnee und Eis kann zu einer Vorverlagerung der höheren Abflüsse
im Sommerhalbjahr beitragen, was aber mit einer früher beginnenden Vegetationsperiode einhergeht. Im hydrologischen Sommerhalbjahr ist mit
einer Abnahme der Niederschläge (aber mit einer Zunahme der Häufigkeit von Starkregenereignissen) und einer Zunahme der
Niedrigwasserperioden zu rechnen. Die Zunahme der positiv auf die Vegetation wirkenden kleineren bis mittleren Hochwasser nach
Starkregenereignissen ist in ihrem Ausmaß nicht zweifelsfrei quantifizierbar. Am Oberrhein wurde bspw. im August 2022 der Abfluss nach
Starkregen in der Schweiz und in Südbaden schlagartig von extremem Niedrigwasser (ca. 400 m3/s) auf fast Mittelwasser
(ca. 1.000 m3/s) erhöht und die Auengewässer wurden fast bis zu den tief stehenden Silberweiden aufgefüllt.
4 Gefährdungen der Auen und Auenwälder am Oberrhein
Zwei Drittel der ehemaligen Auenflächen in Deutschland sind nach den Ergebnissen des Auenzustandsberichts aus dem Jahr 2021 verloren
gegangen (BMU, BfN 2021). Am Rhein sind teilweise nur noch 10 – 20 % der ursprünglichen
Auenflächen vorhanden. Am Oberrhein gingen oberhalb der letzten Staustufe Iffezheim fast alle freien Überflutungsflächen durch den
Kraftwerksausbau verloren (BMU, BfN 2021). Diese nicht mehr natürlich überfluteten Flächen
verloren ihren Charakter, der durch regelmäßige Überflutungen geprägt war (Dister
1985b).
Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich entlang des Rheins viele Kiesabbaufirmen angesiedelt. Zu den Standortvorteilen
zählte die Möglichkeit zum Schiffstransport, die geringe Betroffenheit landwirtschaftlicher Flächen und der relativ große Abstand zu
Siedlungen (Abb. 3). In der „Schutzkonzeption für die südliche Oberrheinniederung“ sind in den
Rheinauen zwischen Neuenburg am Rhein und Iffezheim insgesamt 22 Kiesgruben aufgelistet (Landesamt für
Umweltschutz Baden-Württemberg, Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein 1999).
Abb. 3: Blick auf die „Schweizer-Käse-Landschaft“ bei Rheinmünster im Landkreis Rastatt mit den wassergefüllten Becken mehrerer
Kiesabbauflächen, die zum Teil aufgelassen sind, zum Teil in Betrieb.
(Foto: Klaus-Jürgen Boos)
Fig. 3: View of the “Swiss cheese landscape” near Rheinmünster in the district of Rastatt with the water-filled basins of
several gravel extraction sites, some abandoned, some in operation.
Bisher wurden in diesem Rheinabschnitt auf rund 900 ha Kies abgebaut. Der Abbau ist meist mit dem Verlust alter Auenwälder
verbunden (Abb. 4). Weitere rund 480 ha sind für den Rohstoffabbau zwischen Neuenburg am
Rhein und Iffezheim und für die Rohstoffsicherung vorgesehen (MLW BW 2020). Dabei sind rund
120 ha Auenwald über den laufenden Abbau oder einen künftigen Abbau auf dafür vorgesehenen Rohstoffsicherungsflächen betroffen.
Als konkrete Beispiele für die kritisierte Auenwaldzerstörung können die gegenwärtige Entwicklung und Kiesabbauplanung in Breisach, in
Rheinau nördlich von Kehl und im Umfeld der Staustufe Iffezheim angeführt werden. Hier sind rund 24 ha bzw. 27 ha Auenwald vom Abbau und
23 ha Auenwald von der Rohstoffsicherung für den Kiesabbau betroffen (Regionalverband Südlicher Oberrhein
2019). Tab. 2 gibt eine Übersicht zu den Abbauflächen und Rohstoffsicherungsflächen
in den einzelnen Gemeinden, die den Auenwald betreffen.
Abb. 4: Die Rodung alter Auenwälder (hier bei Iffezheim im Jahr 2014) zugunsten des Kiesabbaus muss der Vergangenheit angehören.
Fig. 4: The clearing of old floodplain forests (here near Iffezheim in 2014) for the purpose of gravel extraction must become a
thing of the past.
Gemarkungsgemeinde
|
Von Kiesabbau betroffene Auenwaldfläche [ha]
|
Von Rohstoffsicherung betroffene Auenwaldfläche [ha]
|
Breisach am Rhein | 24,0 | 3,0 |
Schwanau | 0,2 | — |
Kehl | 3,4 | 12,0 |
Rheinau | 27,0 | — |
Lichtenau | 17,0 | — |
Rheinmünster | 8,0 | — |
Iffezheim/Hügelsheim | 11,0 | 23,0 |
Summe
|
90,6
|
38,0
|
Tab. 2: Abbauflächen und Rohstoffsicherungsflächen im Auenwald zwischen Neuenburg am Rhein und Karlsruhe.
(Quelle: MLW BW 2020)
Table 2: Gravel extraction areas and raw material priority areas in the floodplain forest between Neuenburg on the Rhine and
Karlsruhe.
(source: MLW BW 2020)
5 Fazit
Auenwälder sind systemrelevant für die Stabilisierung der Lebensräume in Auen und tragen insbesondere am Oberrhein dazu bei, ein auch
für den Menschen günstiges Klima zu erhalten (Abb. 5). Sie sollten daher vorrangig erhalten und
wirksam geschützt werden. Ihre Rodung, Zerstörung und Umwandlung in andere Nutzungen beeinträchtigen ihre Funktion als Kohlenstoffspeicher
und sollten aus diesem Grund unterbleiben (Abb. 6). Auenwälder besitzen in Europa einen
besonderen Stellenwert als Kohlenstoffspeicher und sind ein wichtiger Baustein für eine konsistente und erfolgreiche Klimaschutzpolitik.
Die europäischen Auenwälder bilden in gewisser Weise das europäische Gegenstück zu den tropischen Regenwäldern am Amazonas. Aus Sicht des
Autors ist es widersprüchlich, für die Erhaltung der Amazonaswälder einzutreten und die Auenwälder am Rhein zu zerstören.
Abb. 5: Blick auf die Rastatter Rheinaue – die bisher vom Kiesabbau verschonten üppigen Auenwälder am Rhein sind systemrelevant.
(Foto: Klaus-Jürgen Boos)
Fig. 5: View of the Rhine floodplain near Rastatt – the lush floodplain forests along the Rhine, which have so far been spared
from gravel extraction, are systemically important.
Abb. 6: Auenwälder sind die „Regenwälder der gemäßigten Zone“ (hier eine Aufnahme des Auenwalds bei Rheinmünster im Jahr 2014);
ihre Zerstörung darf nicht hingenommen werden.
Fig. 6: Floodplain forests are the “rainforests of the temperate zone” (here a picture of the floodplain forest near
Rheinmünster in 2014); their destruction is inacceptable.
Für den Klimaschutz werden an großen Flüssen wie Rhein und Donau durch Deichrückverlegungen neue Auenflächen geschaffen (Damm et al. 2011; BMU, BfN 2021). Diese Zielsetzungen des
IRP (Rahmenkonzept II) aus den 1990er-Jahren sind aus Sicht des Landesbetriebs Gewässer verstärkt voranzutreiben und umzusetzen (Oberrheinagentur 1996). Deichrückverlegungen stützen den Grundwasserkörper. Überflutungen im
Winterhalbjahr können die zurückgehenden Überflutungen im Sommerhalbjahr teilweise kompensieren. Die durch Deiche vom Wasser getrennten
Flächen enthalten in ihren Böden deutlich weniger Kohlenstoff als die vom Fluss regelmäßig überschwemmten Flächen. Die vom
Wasser mitgeschwemmten Partikel tragen somit viel Kohlenstoff ein – siebenmal mehr als die gefallenen Blätter im Herbst. Auch tiefer
gelegene Flächen, die häufiger überflutet werden, speichern 50 % mehr Kohlenstoff als höher gelegene Flächen in der Aue. Denn je feuchter
der Boden, desto mehr Kohlenstoff ist enthalten, da organisches Material unter diesen Bedingungen langsamer zersetzt wird (Heger et al. 2021).
Vor dem Hintergrund der großen Bedeutung der Auenwälder am Rhein ist die Politik gefordert, vorhandene ausgewiesene
Rohstoffsicherungsflächen in Auenwäldern aufzuheben und zu verlagern. Erste Ansätze hierzu gibt es bspw. bei Neuried südlich von Kehl. Die
Maßgaben für die Raumordnung und insbesondere für die Fortschreibung der Regionalpläne am südlichen und mittleren Oberrhein bieten hier
die Möglichkeit für rasch umsetzbare Änderungen, die die bestehenden Auenwälder besser schützen. Zusätzlich sollte geprüft werden,
inwieweit bestehende Konzessionen und Abbauflächen, die Auenwälder betreffen, ebenfalls verlagert werden können. Gleichzeitig sind
mögliche Deichrückverlegungen für Hochwasserschutz, Grundwasserstützung und die Kohlenstoffspeicherung als Klimaschutz und
Klimaanpassungsmaßnahmen so schnell wie möglich umzusetzen.
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