Wiltrut Koppensteiner, Johannes
Wegmann, Maike Ischebeck, Andreas Laggner und Bärbel Tiemeyer
Zusammenfassung
Aufgrund der derzeit hohen Treibhausgasemissionen aus entwässerten Moorböden und der Dringlichkeit der Umsetzung von Maßnahmen
sowohl zum Klimaschutz als auch zur Förderung der moortypischen Biodiversität ist eine rasche Identifizierung geeigneter
Potenzialgebiete für den Moor(boden)schutz notwendig. Das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben (F + E-Vorhaben) „Grundlagen zur
Umsetzung einer nationalen Moorschutzstrategie – Teil 2“ zielte darauf ab, auf Grundlage konsistent ermittelter Indikatoren für die
Rahmenbedingungen Gebiete mit vergleichsweise hohen Potenzialen für die kurz- bis mittelfristige Umsetzung von Moorschutzmaßnahmen
aufzuzeigen. Die Indikatoren adressieren die Bereiche Hydrologie/Topographie, rechtlicher Status, aktuelle Nutzung und
Wertschöpfungspotenzial. Daraus werden Gesamtbewertungen für „Umsetzungschancen“ und „potenzielle maximale Effekte“ abgeleitet. In
diesem Beitrag wird die verwendete Methodik erläutert, es werden Anwendungsbeispiele gezeigt und Limitierungen kritisch
diskutiert.
Moorschutz – Überregionales Screening – GIS-Analysen – Indikatoren – Klimaschutzmaßnahmen – BiodiversitätAbstract
In view of the high emissions of greenhouse gases from drained organic soil and the urgent need to take action for both climate
change mitigation and biodiversity conservation, swift identification of target areas for peatland protection measures is essential.
The research and development project “Background information for the implementation of a German Peatland Protection Strategy – Part 2”
aimed to identify areas with comparatively good prospects of short- and medium-term implementation of peatland protection measures
using consistent indicators of both restricting and enabling framework conditions. The indicators address hydrology/topography, legal
status, current land use and agricultural value added. All indicators are combined to derive “prospects of implementation” and
“potential maximum effects of peatland protection measures”. This article explains the methods used, presents examples of their
application and discusses limitations.
Peatland protection – Nationwide screening – GIS analyses – Indicators – Climate mitigation measures – BiodiversityInhalt
1 Einleitung
Moorböden und weitere organische Böden in Deutschland sind größtenteils entwässert. Dies führte und führt zu Torfschwund in Form
hoher Kohlendioxidemissionen, zu Degradierung der Böden und zu einem starken Rückgang moortypischer Arten. Eine Wiedervernässung bietet
die Möglichkeit, Treibhausgas(THG)-Emissionen stark zur mindern und gleichzeitig die moortypische Biodiversität zu fördern. Vor dem
Hintergrund der Dringlichkeit dieser Ziele zum Klima- und Biodiversitätsschutz ist eine rasche Identifizierung geeigneter Potenzialgebiete
für den Moor(boden)schutz notwendig.
Allerdings liegen Daten und Karten zum Zustand der Moorböden in Deutschland nur fragmentiert vor. Dies liegt u. a. an
unterschiedlichen Anteilen von Moorböden in den Bundesländern und damit an einer unterschiedlichen Priorität der Thematik. Vielfältige
Kartierungsansätze und Zuständigkeiten verschiedener Fachgebiete für relevante Daten kommen erschwerend hinzu. Dennoch sind in einigen
Bundesländern schon spezifische Kulissen, insbesondere für Paludikulturen, erstellt worden (LM M-V
2017; Närmann et al. 2021; Tanneberger et al. 2022). Ökonomische Analysen sind dagegen nicht mehr auf einem aktuellen Stand oder auf Einzelgebiete
beschränkt (Drösler et al. 2012).
Während Indikatoren für die Bewertung der Biodiversität oder der Standorteigenschaften relativ verbreitet sind (z. B. für abgetorfte
Hochmoore: Blankenburg 2004; für Waldmoore: DSS-WAMOS, Zeitz et al. 2009), wurde den Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Moorschutzmaßnahmen
bisher vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Im Forschungs- und Entwicklungsvorhaben (F + E-Vorhaben) „Moorschutz in Deutschland“
wurden Indikatorensets entwickelt, die neben der Bewertung der Ökosystemleistungen auch eine Beurteilung der Rahmenbedingungen erlauben
(Tiemeyer et al. 2017). Bisher fehlt allerdings eine länderübergreifende Anwendung
dieser Methoden, die eine entscheidende Grundlage für die Identifizierung von Potenzialgebieten für den Moor(boden)schutz wäre.
Das F + E-Vorhaben „Grundlagen zur Umsetzung einer nationalen Moorschutzstrategie – Teil 2“ zielte darauf ab, auf Grundlage
konsistent ermittelter Indikatoren Gebiete mit vergleichsweise hohen standörtlichen und sozioökonomischen Potenzialen für die kurz- bis
mittelfristige Umsetzung von Moorschutzmaßnahmen aufzuzeigen, während Teil 1 des F + E-Vorhabens anhand von Literaturrecherchen und
Expertenworkshops den Stand des Wissens zusammengefasst hat (Nitsch, Schramek 2021).
Hierfür wurde eine Auswahl von auf verschiedenen räumlichen Ebenen verfügbaren Indikatoren zur Bewertung von Rahmenbedingungen (Tiemeyer et al. 2017) erstmals bundesweit angewendet und die Indikatoren wurden zu einer
Gesamtbewertung der Umsetzungschancen von Moorschutzmaßnahmen und der potenziellen maximalen Effekte, die durch Wiedervernässung erzielt
werden können, auf Ebene der Landkreise bzw. kreisfreien Städte (LK) zusammengeführt. Im vorliegenden Beitrag wird die
verwendete Methodik erläutert und kritisch diskutiert. Ein ausführlicher Abschlussbericht (BfN-Schriften) wird nach Projektabschluss
veröffentlicht.
2 Material und Methoden
Als erster Schritt wurde ein bundesweites Screening durchgeführt, dessen Ergebnisse in einem Workshop mit Vertreterinnen und
Vertretern u. a. von Behörden der Länder und LK, von Stiftungen und Verbänden sowie aus der Forschung diskutiert wurden mit dem Ziel einer
fachlichen Absicherung der Bewertungsmethoden (Abb. 1). Danach wurden acht Beispiel-LK
näher beleuchtet, die aufgrund ihres beim Workshop angemeldeten Interesses unter Beachtung einer ausgewogenen bundesweiten Verteilung
ausgewählt wurden. Diese Ergebnisse wurden beim Abschlussworkshop mit Vertreterinnen und Vertretern der entsprechenden LK und der
zuständigen Landesbehörden diskutiert.
Abb. 1: Ablauf des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens (F + E-Vorhabens) „Grundlagen zur Umsetzung einer nationalen
Moorschutzstrategie – Teil 2“. Die Punkte 1 – 5 wurden im Zuge des ersten Arbeitspakets „Überregionales Screening“ erarbeitet.
Auf Grundlage der Ergebnisse des Feedback-Workshops (5) wurden die Punkte 1 – 3 durch die Detailanalyse der Beispiel-Landkreise
erweitert (Punkte 6 – 8), erneut durchgeführt und in einem Abschlussworkshop (9) diskutiert.
Fig. 1: Workflow of the project titled “Background information for the implementation of a German Peatland Protection
Strategy – Part 2”. Steps 1 – 5 are part of the nationwide screening process. Based on the results of the feedback workshop (5),
steps 1 – 3 were expanded upon during the detailed analysis of selected districts (steps 6 – 8) and discussed at a final
workshop (9).
Das Screening erfolgte auf LK-Ebene (Abb. 1). Dies ist für deutschlandweite Analysen
der einzig praktikable Weg der Datenakquise, da ein Großteil der benötigten Daten spezifisch für Bundesländer oder LK vorliegt (z. B.
Raumordnungsprogramme). Moorböden und ihre Einzugsgebiete überschreiten Grenzen; allerdings existiert keine bundesweite Abgrenzung von
Moorgebieten. Da zahlreiche LK nur wenige Moorböden aufweisen, wurde das Screening auf LK mit mindestens 5.000 ha Moorboden oder mit
mindestens 5 % der LK-Fläche und mindestens 500 ha Moorboden beschränkt. Diese 102 von insgesamt 431 LK beherbergen rund 90 % der gesamten
Moorbodenfläche Deutschlands.
Da der Begriff „Moorschutz“ je nach Fachgebiet und Akteursgruppen unterschiedlich verwendet wird, findet sich in Kasten 1 eine projektspezifische Definition. Auch die Begriffe „Umsetzungschancen“ und
„potenzielle maximale Effekte“ (unterschiedliche Betrachtungsrichtungen) werden hier definiert. Die verwendete Kulisse (Wittnebel et al. in Vorb.) umfasst neben Moorböden auch weitere organische Böden (Kasten 1); zur besseren Lesbarkeit wird durchgängig der Begriff „Moorböden“ verwendet.
Kasten 1: Im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens (F + E-Vorhaben) „Grundlagen zur Umsetzung einer nationalen
Moorschutzstrategie – Teil 2“ verwendete Definitionen von Moorschutz, Moorböden, Umsetzungschancen und potenziellen maximalen
Effekten durch Moorschutzmaßnahmen.
Box 1: Definitions of “peatland protection”, “organic soils”, “prospects of implementation” and “potential maximum
effects of peatland protection measures” used in the “Background information for the implementation of a German Peatland Protection
Strategy” project.
Moorschutz im Sinne des Projekts ist die Bewahrung oder Wiederherstellung der moortypischen Biodiversität oder die
Etablierung einer standortangepassten Paludikultur
● bei reduziertem Verlust oder Erhaltung des Torfkörpers oder Wiederanregung des Torfwachstums und
● durch Etablierung eines standorttypischen Wasser- und Stoffhaushalts.
Moorböden umfassen neben allen Bodentypen der Abteilung Moore (Ad-hoc-AG Boden 2005) auch weitere organische bzw.
moorähnliche Böden. Moor- und Anmoorgley, Hochmoor-, Niedermoor- und Anmoorstagnogleye und deren Subtypen, Varietäten und Subvarietäten
sowie Treposole werden als „sonstige organische Böden“ zusammengefasst. Daneben werden flach überdeckte organische Böden
berücksichtigt. Die hier verwendete Moorbodenkulisse basiert auf Wittnebel et al. (in Vorbereitung) und fasst die jeweils aktuellsten
und am höchsten aufgelösten Kartenwerke der Bundesländer zusammen.
Umsetzungschancen für Moorschutzmaßnahmen: Identifizierung von Flächen, die auf Grundlage einer Bewertung der gesamten hier
erfassten für die Moorbodenkulisse relevanten Rahmenbedingungen günstige Voraussetzungen (sehr gute oder gute Umsetzungschancen) oder
auch ungünstige, konfliktträchtige Voraussetzungen (mäßige oder schlechte Umsetzungschancen) für die kurz- bis mittelfristige
Durchführung von Moorschutzmaßnahmen aufweisen.
Potenzielle maximale Effekte durch Moorschutzmaßnahmen: Identifizierung von Flächen, auf denen – basierend auf der
Bewertung und Wichtung ausgewählter Indikatoren (z. B. Wasserstand, Nutzung) – durch Maßnahmen für den Moorschutz sehr hohe, hohe,
mäßige oder geringe maximale Wirkungen in Hinblick auf die Minderung der Treibhausgasemissionen und/oder die Förderung der
moortypischen Biodiversität erzielt werden können, ungeachtet möglicher Restriktionen durch weitere regionale Rahmenbedingungen (z. B.
Vorranggebiete).
2.1 Indikatoren
Aufgrund der räumlichen Skala der Analysen werden Indikatoren, die auf Bundes- bzw. Länderebene ermittelbar sind, im Folgenden als
„überregionale Indikatoren“ und jene auf LK- oder Projektebene als „regional-lokale Indikatoren“ bezeichnet. Nicht für alle Indikatoren
aus Tiemeyer et al. (2017) waren Daten verfügbar; zusätzlich wurden Geodaten der
Lebensraumtypen nach Anhang I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-LRT), der Überschwemmungsgebiete, des Paludikulturpotenzials
(LM M-V 2017; Närmann et al. 2021)
und der küstennahen Moorböden in das Screening einbezogen, in die Detailanalyse zudem weitere naturschutzfachlich bedeutende Flächen
(z. B. anhand der Landschaftsrahmenplanung) und umgesetzte bzw. geplante Moorschutzmaßnahmen.
Indikatoren wurden in die Bereiche Hydrologie und Topographie, rechtlicher Status, Nutzung, Wertschöpfung und Betroffenheit der
Nutzerinnen und Nutzer bzw. Eigentümerinnen und Eigentümer aufgeteilt. Daten wurden von den zuständigen Institutionen bereitgestellt oder
konnten auf Basis der bereitgestellten Daten berechnet werden. Daten zu den Eigentumsverhältnissen konnten nur im Einzelfall
bereitgestellt werden. Eine komplette Auflistung der verwendeten Indikatoren und Datenquellen findet sich in Tab. A und Abschnitt 4 im
Online-Zusatzmaterial.
Die bereitgestellten Geodaten wurden innerhalb der Moorbodenkulisse (Kasten 1)
selektiert und falls notwendig aufbereitet. Grundsätzlich wurde versucht, die Grunddaten (v. a. die Geometrien) nicht zu verändern. In
manchen Fällen (z. B. bei großen Flächenüberlappungen) waren Anpassungen oder Kombinationen der ursprünglichen Geodaten notwendig. Die
Analysen wurden mit PostGIS® (Version 4.20, pgAdmin 4), ArcGIS Map® (Version 10.6) und QGIS®
(Version 3.10) durchgeführt. Für die Veranschaulichung der Methode werden einige exemplarische Indikatoren (Abb. 2) sowie zur Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse und kompletten Auflistung der verwendeten
Indikatoren (Tab. A im Online-Zusatzmaterial)
komplexere Indikatoren näher erläutert.
2.1.1 Beispiele verwendeter Indikatoren
Die verwendete klimatische Wasserbilanz des hydrologischen Sommerhalbjahrs (KWB) gibt die Differenz aus Niederschlagssumme und
Summe der Grasreferenzverdunstung (Löpmeier 1994) gemittelt über den Zeitraum 1981 – 2010
an. Aufgrund der groben räumlichen Auflösung (1-km-Raster) und des Datenmangels zur tatsächlichen Verdunstung von Moorstandorten wurde
eine neutrale KWB mit ± 50 mm definiert.
Flächige Schutzgebietstypen nach dem Naturschutzrecht wurden auf dem Stand von 2018 bis 2020 in die Analyse einbezogen und
nach Tiemeyer et al. (2017) bewertet. Die Kartierungen der FFH-LRT der Bundesländer
wurden in Abstimmung mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) homogenisiert. Die FFH-LRT der Kategorie „moortypisch“ entsprechen den
„Moor-LRT im engeren Sinn“ nach Vischer-Leopold et al. (2015) bzw. den „wesentlichen
Lebensraumtypen der Moore in Deutschland […]“ nach BMUV (2022). Eine Ausnahme bildet der
FFH-LRT „6410 Pfeifengraswiesen [...]“, der hier als „intermediär“ eingestuft wird, da er auch auf Mineralböden verschiedener
Feuchtestufen vorkommt und immer nutzungsgeprägt ist. Weitere FFH-LRT, die zwar nicht auf organische Böden angewiesen sind, dort jedoch
vorkommen können, aber nicht zwingend Moorschutzmaßnahmen erschweren, wurden ebenfalls als „intermediär“ eingestuft (Abb. 2).
Die Analyse der Landnutzung sowie der Nutzungsanteile erfolgte auf Grundlage des ATKIS®-Basis-DLM (AdV 2019). Hierfür wurde die Landnutzung entsprechend UBA (2020) kategorisiert und nach Tiemeyer et al. (2017) aggregiert
(Abb. 2). Für die Betroffenheit der Landnutzerinnen und -nutzer ist von großer
Relevanz, wie groß der Anteil der Moorböden an ihrer Betriebs- bzw. Pachtfläche ist und ob somit Ausweichmöglichkeiten bestehen. Um dies
anzunähern, wurde berechnet, wie groß der Anteil der Moorböden an der gesamten als Acker bzw. Grünland genutzten Fläche eines LK
ist.
Die Höhe der aktuellen Wertschöpfung bzw. die potenziellen Opportunitätskosten für Moorschutzmaßnahmen wurden durch die
Standarddeckungsbeiträge (SDB) nach Röder et al. (2022) angenähert. Der SDB
wird hier pro ha angegeben und ergibt sich aus den mittleren Erlösen abzüglich der mittleren variablen Kosten (z. B. Dünger, Saatgut) der
Betriebe in einer Region. SDB bilden somit den Betrag ab, der zur Deckung der Fixkosten (z. B. Pacht, Gebäudeunterhalt) und als
Betriebsgewinn zur Verfügung steht. Öffentliche Transferzahlungen wie Prämien der ersten und zweiten Säule der Gemeinsamen
Agrarpolitik wurden nicht berücksichtigt (Röder et al. 2022). Um regionaltypische
Nutzungsstrukturen zu reflektieren, wurden SDB für Grünland und Acker getrennt auf Gemeindeebene berechnet, wobei die jeweiligen
Tierhaltungsverfahren auf die Fläche umgelegt wurden. Dazu wurden verschiedene Datenquellen zusammengeführt und eine Modellierung auf
Basis der Angaben zum Umfang von Pflanzenbau- und Tierhaltungsverfahren (2016) sowie zu den mittleren Naturalerträgen (2014 – 2018)
durchgeführt (Details in Abschnitt 1 im Online-Zusatzmaterial). Aufgrund des Fehlens von Daten aus dem Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem (InVeKoS) konnten
keine Aussagen auf Flurstück- oder Schlagebene getroffen werden. Zur Berechnung der SDB auf LK-Ebene wurden die SDB der Gemeinden mit den
jeweiligen Moorbodenflächen unter Grünland- und Ackernutzung gewichtet, um eine Verzerrung durch Werte mineralbodendominierter Gemeinden
zu verringern.
2.1.2 Weitere komplexe Indikatoren
Neben bundes- und landesweit verfügbaren Daten der Raumordnung wurden auch die auf LK-Ebene erarbeiteten regionalen Raumordnungspläne
(RROP) in Niedersachsen einbezogen. Aus den Raumordnungsplänen wurden für die Umsetzbarkeit von Moorschutzmaßnahmen als relevant bewertete
flächige Vorranggebiete selektiert. Vorbehaltsgebiete wurden wegen ihres nicht rechtsverbindendlichen Charakters nicht einbezogen.
Aufgrund der Anzahl und Heterogenität der Begriffe in den RROP wurden die Vorranggebiete in Themenbereiche kategorisiert und dadurch
teilweise aggregiert (Tab. A im Online-Zusatzmaterial). Auf Ebene der Detailanalyse wurden auch weitergehende Flächenkategorien der Landschaftsplanung (z. B.
Landschaftsrahmenplan, Biotopverbund) einbezogen, wenn diese für den jeweiligen LK relevant sind. Wenn sich an einem Punkt unterschiedlich
kategorisierte Vorranggebiete überlagerten, wurden als restriktiv für Moorschutzmaßnahmen bewertete Vorranggebiete für die weiteren
Berechnungen verwendet, auch wenn auf derselben Fläche zusätzlich als günstig oder ambivalent kategorisierte Vorranggebiete
vorkommen.
Für die Berechnung des Abstands von Siedlungen und Infrastruktur wurde ein 25-m-Punkteraster über die Moorbodenkulisse gelegt.
Im Falle von Siedlungsstrukturen (ATKIS®-Basis-DLM) wurde zwischen Hochmoor- sowie Niedermoorböden und weiteren organischen
Böden unterschieden. Grundlage für die Entfernungsberechnung von Moorböden zu Straßen war OpenStreetMap (Geofabrik 2013), da hier Straßen unterschiedlicher Kategorien als Flächen dargestellt sind,
während im ATKIS®-Basis-DLM Straßen teilweise nur als Linien vorliegen.
Für die Einbeziehung umgesetzter und geplanter Moorschutzmaßnahmen in die Detailanalyse wurden Geodaten ausgewählter LK
ausgewertet. Um auch linearen und punktförmigen Informationen einen Flächenbezug zuzuweisen, wurden diese mit zwei Datensätzen des
Flächenzustands kombiniert: mit den von Barthelmes et al. (2021) evaluierten
Wiedervernässungsflächen sowie dem frei verfügbaren „Wetlands Layer“ der OpenStreetMap (Geofabrik
2022). Sofern die Linien und Punkte in einer Fläche lagen, für die beide Datensätze auf eine Vernässung hinweisen, wurde
diese Fläche als wiedervernässt angenommen.
2.2 Bewertung der Indikatoren
Die Bewertung aller Indikatoren erfolgte anhand einer dreistufigen Skala („Ampelschema“; Tiemeyer et al. 2017, angepasst) und wurde in Steckbriefen für jeden LK grafisch dargestellt. Günstige Rahmenbedingungen für
die kurz- bis mittelfristige Umsetzung von Moorschutzmaßnahmen wurden grün, Herausforderungen bzw. bestehende Restriktionen rot
dargestellt. Sofern für eine Bewertung detailliertere Informationen notwendig waren, wurde der Indikator als ambivalent eingestuft
(Abb. 2). Die vollständige Liste der Indikatoren und Klassengrenzen findet sich in
Tab. A im Online-Zusatzmaterial. Die Einstufung in
die drei Klassen erfolgte anhand von Kategorien (z. B. FFH-LRT) oder numerischen Werten (z. B. KWB). In vielen Fällen ist eine absolute
Festlegung von Klassengrenzen nicht sinnvoll und/oder erfordert eine regionale Differenzierung. In diesen Fällen wurden aus der Verteilung
der Indikatorwerte entweder der gesamten Kulisse, der Teilräume oder des spezifischen LK das 25 %- und 75 %-Perzentil abgeleitet. Bspw.
wurden Flächen als günstig bewertet, bei denen der SDB zu den niedrigsten 25 % aller Werte in Nordwestdeutschland gehört. Umgekehrt wurden
die höchsten 25 % als ungünstig eingeschätzt. Des Weiteren eignen sich einige Indikatoren wie der Moorbodentyp, die (angenäherte) Größe
der Moorkörper sowie das Paludikulturpotenzial aufgrund ihres deskriptiven Charakters nur für eine qualitative Beschreibung der
LK-Spezifika. Das Ampelschema wurde erweitert, um geplante oder bereits umgesetzte Moorschutzmaßnahmen in den Analysen berücksichtigen zu
können. Diese wurden kategorisiert und, falls sie nach Informationen zur Art der Maßnahme oder zum Biotoptyp als optimal einzustufen
waren, dunkelgrün gekennzeichnet (Tab. A im Online-Zusatzmaterial).
2.3 Gesamtbewertung von Umsetzungschancen und potenziellen maximalen Effekten
Für eine quantitative Gesamtbewertung ist eine Kombination aller Indikatoren notwendig (Tab. A im Online-Zusatzmaterial). Dafür wurde ein Raster
(100 m × 100 m) über die Moorbodenkulisse gelegt und alle Geodaten der quantitativ bewertbaren Indikatoren in dieses Raster konvertiert.
Anschließend wurde jedem Indikator eine Bewertungsstufe (0 – 2) entsprechend dem Ampelschema zugewiesen. Danach wurde die Relevanz des
jeweiligen Indikators eingeschätzt, d. h., der Indikator wurde gewichtet. Diese Gewichtung beruht auf einer Expertenschätzung und wurde
intensiv mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Workshops diskutiert und ggf. angepasst (Tab. A im Online-Zusatzmaterial). Der Wichtungsfaktor (0 – 5)
wurde mit den Bewertungsstufen je Bewertungsrichtung multipliziert. Bspw. unterscheidet sich der Indikator „Moorwasserstand“ in seiner
Bewertungsrichtung: Zur Ableitung von Umsetzungschancen wird ein tiefer Wasserstand als „ungünstig“ (Bewertungsstufe 0) bewertet, für die
potenziellen maximalen Effekte mit „günstig“ (Bewertungsstufe 2). In beiden Fällen wurde ein Wichtungsfaktor von 3 zugewiesen, da der
Wasserstand zwar eine entscheidende Größe darstellt, aber aufgrund der Herleitung aus einem statistischen Modell für einen einzelnen Punkt
mit hohen Unsicherheiten behaftet ist. Anschließend erfolgte eine Normierung der Werte je Rasterzelle auf die Anzahl der jeweils
vorliegenden Indikatoren, um die Gesamtbewertung zwischen LK vergleichbar zu machen (Kasten 2). Die Anzahl der berechenbaren Indikatoren variierte zwischen den Bundesländern und LK. Auf Bundeslandebene konnten
zwischen 17 und 21 der geplanten quantitativ bewertbaren Indikatoren berechnet werden. Limitierend war hier insbesondere die Verfügbarkeit
von Daten zur Raumordnung.
Kasten 2: Beispiele der Berechnung der Gesamtbewertung für die Betrachtungsrichtungen „Umsetzungschancen“ und „potenzielle
maximale Effekte“ der Moorschutzmaßnahmen anhand der angeführten Indikatoren.
Box 2: Calculation example of “prospects of implementation” and “potential maximum effects” of peatland protection
measures.
Berechnung der Gesamtbewertungen (G)
Die Anwendung von Formel 1 wird an drei Beispielen verdeutlicht. Für die Gesamtbewertung wurden immer alle zur Verfügung stehenden
Indikatoren berücksichtigt. Die vollständige Auflistung der Bewertungsstufen und Wichtungsfaktoren ist im Online-Zusatzmaterial (Abb. A) zu finden.
a) Unterschiede zwischen den Bewertungsrichtungen am Beispiel naturnaher Moorwasserstände:
G (Umsetzungschancen) = (2 × 3) ÷ 4 = 1,5
G (potenzielle maximale Effekte) = (0 × 3) ÷ 4 = 0
b) Unterschiede zwischen den Wichtungen am Beispiel der Naturschutzgebiete (NSG):
G (Umsetzungschancen) = (2 × 5) ÷ 3 = 3,3
G (potenzielle maximale Effekte) = (2 × 2) ÷ 3 = 1,3
c) Beispiel der gemeinsamen Betrachtung der Beispiele a) und b):
G (Umsetzungschancen) = [(2 × 3) + (2 × 5)] ÷ (4 + 3) = 2,3
G (potenzielle maximale Effekte) = [(0 × 3) + (2 × 2)] ÷ (4 + 3) = 0,6
Die beiden Gesamtbewertungen wurden jeweils entsprechend ihrer 25 %-Perzentile in vier Kategorien eingeteilt. Je höher die
Gesamtbewertung, desto besser bzw. höher sind die Umsetzungschancen bzw. die maximalen potenziellen Effekte durch Moorschutzmaßnahmen. Die
Ergebnisse in Form separater Rasterkarten für die Umsetzungschancen und die potenziellen maximalen Effekte lieferten durch eine
Landschaftsstruktur-Analyse einen Vergleich der überregionalen Rahmenbedingungen. Im Rahmen der Detailanalyse wurde die Gesamtbewertung
auf Grundlage des umfangreicheren Indikatorensets (überregionale und regional-lokale Indikatoren) auf einem engeren Raster (25 m × 25 m)
für 8 LK beispielhaft wiederholt.
3 Ergebnisse und Diskussion
3.1 Beispiele verwendeter Indikatoren
Die Betrachtung der Ergebnisse für die exemplarisch beschriebenen Indikatoren ermöglicht Aussagen zur Situation der Rahmenbedingungen
für die Bereiche Hydrologie, rechtlicher Status, Nutzung und Wertschöpfungspotenzial.
Die Verteilung der KWB des hydrologischen Sommers zeigt, dass sowohl für die Hochmoorböden als auch für Niedermoor- und weitere
organische Böden die Mehrheit der Punkte auf Moorböden eine neutrale bis positive KWB aufweist (Abb. 3). Da dies für Hochmoorstandorte von besonderer Bedeutung ist, ist die Einstufung der
entsprechenden Punkte farblich hervorgehoben. Niedermoorstandorte und weitere organische Böden wurden ebenfalls bewertet, sind hier
allerdings aufgrund der geringeren Gewichtung des Indikators für diese Böden in Grau gehalten. Die stark schiefe Verteilung ist durch die
räumliche Verteilung der Hochmoorböden (Niedersachsen vs. Alpenvorland) bedingt. In Bayern weisen die Hochmoorböden eine neutrale bis
positive KWB von 481 mm im Mittel (Median) auf. Fast 50 % der Hochmoorböden mit einer negativen KWB liegen in Niedersachsen, machen hier
aber gleichzeitig nur 12 % der Hochmoorböden aus. Kritische Werte der KWB bedeuten nicht, dass eine Vernässung solcher Standorte unmöglich
ist, sondern zeigen erhöhte Herausforderungen in Bezug auf den Wasserrückhalt.
Abb. 3: Verteilung des 30-jährigen Mittels (1981 – 2010) der klimatischen Wasserbilanz (1-km²-Raster des Deutschen
Wetterdienstes) im hydrologischen Sommerhalbjahr auf Moorböden und Bewertung für Hochmoorböden.
Fig. 3: Distribution of the 30-year mean (1981 – 2010) of the climatic water balance (1 km² grid of the German Weather Service)
of the hydrological summer at organic soils and evaluation of bog peat sites.
In Abb. 4 ist die Verteilung der Schutzgebietsstatus sowie der FFH-LRT dargestellt.
Der Anteil unter Schutz stehender Moorböden ist regional sehr unterschiedlich, wobei der Median aller LK bei über 50 % geschützter Flächen
liegt, während moortypische FFH-LRT mit durchschnittlich 1 % sehr selten sind. Ein Vorhandensein auch eines strengen Schutzstatus bedingt
somit noch keine moortypischen FFH-LRT. Dabei ist auffällig, dass der Anteil moortypischer FFH-LRT an der Schutzgebietskulisse
regional extrem unterschiedlich ausfällt (Abb. 4c – d). Gründe können in
Eigentumsverhältnissen, Naturschutzzielen, finanziellen oder personellen Kapazitäten in Verwaltung und Umsetzung oder hydrologischen
Gegebenheiten liegen. Auch können weitere wertvolle Biotoptypen oder auch FFH-LRT vorhanden sein, da die Analyse nur auf den FFH-LRT
beruht und nicht alle Kartierungen auf dem aktuellsten Stand sind.
Abb. 4: Schutzgebiete und FFH-LRT auf Moorböden. Boxplots der Flächenanteile a) nach Schutzgebietsstatus und b) nach
kategorisierten FFH-LRT an der Gesamtmoorbodenfläche je LK. c) Anteil der kategorisierten FFH-LRT in NSG, FFH-G und VSG (nicht
dargestellt: 4 LK mit Anteilen > 50 %). d) Anteil der kategorisierten FFH-LRT in NLP, LSG, BR, NP sowie Gebieten außerhalb von
SG (kein SG; nicht dargestellt: 4 LK mit Anteilen > 10 %). BR = Biosphärenreservat, FFH-G = Schutzgebiet gemäß der
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, FFH-LRT = Lebensraumtyp nach Anhang I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, LK = Landkreise,
LSG = Landschaftsschutzgebiet, NLP = Nationalpark, NP = Naturpark, NSG = Naturschutzgebiet, VSG = Vogelschutzgebiet.
Fig. 4: Protected areas and habitat types according to the Habitats Directive on organic soils. Boxplots of the area share of
organic soils per district subdivided by a) different protection categories, and b) habitat types according to the Habitats
Directive that are typical, intermediate and not typical of peatland. Area share of these habitat types in c) NSG, FFH-G and VSG
(4 districts with shares > 50 % are not shown), and d) NLP, LSG, BR, NP and areas outside protected areas (no SG; 4 districts
with shares > 10 % are not shown). BR = biosphere reserve, FFH-G = Special Areas of Conservation, FFH-LRT = habitat types listed
in Annex I to the Habitats Directive, kein SG = organic soils outside protected areas, LK = districts, LSG = landscape protection
areas, NLP = national parks, NP = nature parks, NSG = nature protection areas, VSG = Special Protection Areas.
Auch die Analyse der Landnutzung illustriert die Notwendigkeit eines regional differenzierten Herangehens an Moorschutzmaßnahmen: Wie
erwartet stellt Grünland den wichtigsten Landnutzungstyp dar, jedoch gibt es zwischen den LK erhebliche Unterschiede (Abb. 5a). Die Bedeutung der Moorböden für die Grünlandnutzung der einzelnen LK ist sehr
heterogen und übersteigt in einigen LK 50 %, so dass, insbesondere in Regionen mit entsprechend hoher Wertschöpfung, Landwirtinnen und
Landwirte wenige Optionen zum Ausweichen auf Mineralböden haben (Abb. 5b). Dagegen
sind Moorböden für die Ackernutzung nur in vereinzelten LK von größerer Bedeutung (Abb. 5c). Wie zu erwarten, sind die SDB für Grünlandstandorte in Nordostdeutschland niedriger als in den anderen Regionen
(Abb. 5d – f), was jedoch nicht zur Schlussfolgerung führen kann, nur in dieser Region
Moorschutzmaßnahmen zu verfolgen. Zum einen ist der SDB nur ein Indikator unter vielen, zum anderen befinden sich auch in Nordwest- und
Süddeutschland LK mit ähnlich niedrigen bzw. in Relation zu allen betrachteten LK der Region niedrigen SDB. Da sich die Daten auf die
Gemeinde des Betriebssitzes beziehen, Flächen eines Betriebs aber auch in anderen Gemeinden liegen können, können wenige große Betriebe in
einem LK räumliche Verschiebungen und einzelne extrem hohe SDB verursachen.
Abb. 5: Verteilung und Bewertung von Indikatoren in den Bereichen Nutzung und Wertschöpfungspotenzial: a) Nutzungsverteilung auf
Moorböden in den analysierten 102 LK, b) Anteil von Grünland auf Moorböden am Gesamtgrünland pro LK, c) Anteil von Acker auf
Moorböden an der Gesamtackerfläche pro LK. SDB für Grünland in LK in d) NW-D, e) NO-D und f) S-D. LK = Landkreise,
NO-D = Nordostdeutschland; NW-D = Nordwestdeutschland, S-D = Süddeutschland, SDB = Standarddeckungsbeitrag, gestrichelte
Linie = Median.
Fig. 5: Distribution and evaluation of indicators regarding land use and potential agricultural value added: a) Land-use
distribution on organic soils in the 102 districts analysed, b) area share of grassland on organic soils in each district's total
grassland area, c) area share of cropland on organic soils in each district's total cropland area, standard gross margins for
grassland in districts in d) North-Western Germany (NW-D), e) North-Eastern Germany (NO-D) and f) Southern Germany (S-D).
LK = districts, NO-D = North-Eastern Germany, NW-D = North-Western Germany, S-D = Southern Germany, SDB = standard gross margins,
dashed line = median.
3.2 Steckbriefe
Die Steckbriefe werden nach Projektabschluss auf der BfN-Seite veröffentlicht. Zur Veranschaulichung ist in Abb. 6 der Steckbrief eines fiktiven LK mit den enthaltenen Bewertungen aller Indikatoren
dargestellt. Die dazugehörige Beschreibung der Moorbodenflächen und -größen sowie der Nutzungsverhältnisse findet sich in Abb. A im Online-Zusatzmaterial. Der Steckbrief lässt sich
folgendermaßen interpretieren: Im LK treten überwiegend tief entwässerte (Bechtold et al.
2014) Niedermoor- und sonstige organische Böden und eine neutrale KWB auf. Der hohe Flächenanteil mit unbekannten
Moorwasserständen lässt sich durch Unterschiede zwischen den hier (Wittnebel et al. in
Vorb.) und von Bechtold et al. (2014) verwendeten Moorbodenkulissen
erklären. Etwa 20 % der Moorböden haben einen Schutzgebietsstatus, dennoch sind FFH-LRT nur vereinzelt auf Moorböden nachgewiesen, so dass
ein deutlich höherer Anteil an nassen Flächen als von Bechtold et al. (2014) geschätzt
unwahrscheinlich ist. Die Vorranggebiete im LK bieten auf ca. 28 % der Moorböden überwiegend günstige, aber auch auf knapp 19 %
restriktive Rahmenbedingungen der Raumplanung. Die Nutzung der Moorböden im LK ist intensiv, Grünlandnutzung überwiegt auf Moorböden
deutlich und macht auch insgesamt den höchsten Flächenanteil aus. Die SDB sowohl der Acker- als auch der Grünlandnutzung liegen selbst
über dem nordwestdeutschen Durchschnitt, wobei Moorböden ungefähr die Hälfte aller Grünlandstandorte ausmachen (Abb. A im Online-Zusatzmaterial). Insgesamt ist also mit größeren
Herausforderungen in diesem fiktiven LK zu rechnen. Dieser anhand der bundes- bzw. landesweit verfügbaren Daten erstellte Steckbrief
könnte auf LK-Ebene z. B. mit Daten zu den Eigentumsverhältnissen präzisiert werden.
Abb. 6: Überregionale Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Moorschutzmaßnahmen in einem fiktiven Beispiel-Landkreis. Naturnahe
Moorwasserstände sind auf Grund der geringen Flächenanteile nicht sichtbar. Bei Indikatoren, deren Bewertung zwischen Hochmoor-,
Niedermoorböden und weiteren organischen Böden aufgeteilt ist, sind die prozentualen Anteile der jeweiligen Moorbodentypkategorie
an der gesamten Kulisse organischer Böden im Landkreis in Klammern angegeben, z. B. „Topographic Wetness Index Niedermoor −
u. w. org. Böden (72 %)“. Indik. = Indikator, FFH-LRT = Lebensraumtyp nach Anhang I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie,
u. w. org. Böden = und weitere organische Böden.
Fig. 6: Enabling and restricting conditions (regional scale) for the implementation of peatland protection measures in a
fictitious district. Near-natural water levels are extremely rare and can thus not be shown. Indicators with different assessments
for different categories of organic soils show information on the percentage of the respective organic soil category within the
district, e. g. Topographic Wetness Index Niedermoor- u. w. org. Böden (72 %). Indik. = indicator, FFH-LRT = habitat types listed in
Annex I to the Habitats Directive, u. w. org. Böden = and other organic soils.
3.3 Beispielhafte Darstellung der Gesamtbewertung
Anhand der Beispielkarten der Gesamtbewertung (Abb. 7) zeigt sich, dass
Umsetzungschancen und potenzielle maximale Effekte auf denselben Flächen sowohl sehr gut bzw. sehr hoch sein als auch gegensätzliche
Ergebnisse liefern können. Auch zeigt sich, dass Maßnahmen größtenteils in Gebieten durchgeführt wurden, für die die Analyse auf hohe
Umsetzungschancen hindeutet. Da die bereits umgesetzten Moorschutzmaßnahmen nicht in die Gesamtbewertung der Indikatoren einfließen,
stellt dies eine Bestätigung der gewählten Methodik dar.
Abb. 7: Beispiele der Gesamtbewertung der Umsetzungschancen (links) und der potenziellen maximalen Effekte (rechts). Die bereits
umgesetzten Maßnahmen sind zur Illustration schraffiert dargestellt.
Fig. 7: Examples of overall assessments of “prospects of implementation” (left side) and “potential maximum effects” (right
side). Hatched areas indicate measures already implemented.
Der Einfluss einzelner Indikatoren auf das Gesamtergebnis hängt von den Wichtungsfaktoren ab, so dass die Ergebnisse einer gewissen
Subjektivität unterliegen. Durch die Einbeziehung von Moorexpertinnen und -experten wurden sowohl die Bewertungsstufen als auch die
Wichtungsfaktoren einer kritischen Prüfung unterzogen und diese Subjektivität minimiert (Abb. 1).
3.4 Neuerungen und Einschränkungen
Aufgrund der Vielzahl einbezogener Indikatoren gehen unsere Arbeiten über bisherige Analysen hinaus und stellen eine erstmalige
einheitliche Betrachtung der Rahmenbedingungen auf LK-Ebene dar, indem bisher nicht zusammen analysierte Daten systematisch ausgewertet
wurden. Bspw. wurden zur Herleitung der Paludikulturkulissen (Närmann et al. 2021,
Tanneberger et al. 2022) Daten zur Verbreitung organischer Böden, zur Landnutzung und
zum naturschutzfachlichen Flächenstatus genutzt, während weitere naturwissenschaftliche, raumplanerische und ökonomische Indikatoren nicht
eingegangen sind. Eine Studie zur Identifizierung prioritärer Flächen für die Minderung von THG-Emissionen aus Moorböden in Finnland
konnte zwar InVeKoS-Daten einbeziehen, hydrometeorologische und raumplanerische Indikatoren blieben aber unberücksichtigt (Kekkonen et al. 2019).
Trotz des Umfangs der einbezogenen Daten können die Analysen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da wichtige Indikatoren
nicht oder nur teilweise zur Verfügung standen: Aufgrund von Datenschutzauflagen konnte nur in einzelnen LK mit Daten zur
Eigentumsstruktur gearbeitet werden. Auch standen keine Daten zu Boden- bzw. Pachtpreisen zur Verfügung. Zusätzliche
naturwissenschaftliche Indikatoren zur Ausdehnung und Nutzung der (unterirdischen) Einzugsgebiete oder zu Torfmächtigkeiten sowie
einheitlich definierte „Moorkörper“ könnten die Aussagekraft der Analysen deutlich steigern. Weitere Verbesserungsmöglichkeiten liegen in
der Einbeziehung von Daten zu Biotoptypen und zu Verantwortungsarten der Flora und Fauna. Insbesondere Letzteres ist aufgrund
artspezifischer Raumansprüche höchst komplex.
Ebenso ersetzen diese Potenzialanalysen nicht die Notwendigkeit flächenspezifischer detaillierter Untersuchungen im Vorfeld von
Moorschutzmaßnahmen. Dies ergibt sich u. a. aus dem Maßstab der zugrunde liegenden Karten (Wittnebel et al. in Vorb.) und aus Modellen (Bechtold et al. 2014), die
nicht für Aussagen zu bspw. einzelnen Schlägen konzipiert sind, sowie aus dem Fehlen der InVeKoS-Daten. Auch sind nicht alle Daten aktuell
und bilden unterschiedliche Zeiträume ab.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch in LK mit einem geringen Anteil an Moorflächen, die aufgrund des nicht leistbaren
Arbeitsumfangs hier nicht analysiert wurden, erfolgreich Moorschutz betrieben werden kann und wird – ggf. sogar einfacher als in solchen
mit einem hohen Anteil an Moorflächen, da der Flächenzugriff bzw. -tausch einfacher sein kann.
Trotz der diskutierten Einschränkungen können unsere Methoden und Ergebnisse Daten- bzw. Monitoringbedarf aufzeigen. Zudem können sie
Anregungen geben sowohl für konkrete Gebiete als auch für weitergehende systematische Analysen mit ggf. besseren Daten im Rahmen einer
Flächenauswahl oder -priorisierung.
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Förderung und Dank
Wir bedanken uns beim Bundesamt für Naturschutz und beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und
Verbraucherschutz für die Förderung des F + E-Vorhabens „Grundlagen zur Umsetzung einer nationalen Moorschutzstrategie – Teil 2“
(FKZ 351980030A), bei Karin Ullrich (Bundesamt für Naturschutz) für die fachliche Betreuung, bei allen Institutionen für die
Datenbereitstellung und bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Workshops für wertvolle Rückmeldungen.
Zusatzmaterial zum Beitrag
Zusatzmaterial (1 Details zur Berechnung der
Standarddeckungsbeiträge als Näherung der Wertschöpfung und Opportunitätskosten, 2 Charakterisierung der Landnutzung in einem fiktiven
Beispiel-Landkreis als Teil des Steckbriefs, 3 Überblick über die Indikatoren der überregionalen und regional-lokalen Rahmenbedingungen
in Anlehnung an Tiemeyer et al. (2017), 4 Quellenverzeichnis aller verwendeter Geodaten und zusätzlicher Literatur zur Ermittlung der
überregionalen und regional-lokalen Indikatoren) als PDF herunterladen (PDF 451 kB)