Amber Hartman Scholz,
Genuar Núñez, Lily Weissgold und Konstantin Wußmann
Zusammenfassung
Die jüngsten Beschlüsse der 15. Konferenz der Vertragsstaaten (Conference of
the Parties – COP 15) des Übereinkommens über die biologische Vielfalt
(Convention on Biological Diversity – CBD) zum Zugang und Vorteilsausgleich
(Access and Benefit-sharing – ABS) eröffnen neue Möglichkeiten. Aktuell bestehen
die zentralen Herausforderungen darin, die Fallstricke des bilateralen
ABS-Ansatzes des Nagoya-Protokolls zu überwinden und digitale
Sequenzinformationen in einen funktionierenden Mechanismus für einen
Vorteilsausgleich zu integrieren, der mit dem Nagoya-Protokoll kompatibel ist.
Zudem müssen Lösungen für die bisher schwierige, jedoch seit der COP 15 durch
den Globalen Biodiversitätsrahmen erforderliche, Erfassung des
Vorteilsausgleichs gefunden werden. Die Beschlüsse der COP 15 bieten zwar keine
simplen und schnellen Antworten auf diese Herausforderungen. Mit ihren Ansätzen
zur Quantifizierung und Vereinfachung des Vorteilsausgleichs könnten sie jedoch
die Grundlage für eine effektive Weiterentwicklung von ABS bilden.
Zugang und Vorteilsausgleich – digitale Sequenzinformationen – Nagoya-Protokoll – Übereinkommen über die biologische Vielfalt – Globaler BiodiversitätsrahmenAbstract
Recent decisions at the 15th Conference of the Parties (COP 15)
to the Convention on Biological Diversity (CBD) on Access and Benefit-sharing
(ABS) open up new opportunities. Currently, key ABS challenges are to overcome
the pitfalls of the Nagoya Protocol's bilateral ABS approach and to integrate
Digital Sequence Information into a functioning benefit-sharing mechanism
compatible with the Nagoya Protocol. In addition, solutions must be found for
the difficult task of measuring benefit-sharing required by the Global
Biodiversity Framework, adopted at COP 15. The relevant COP 15 decisions do not
provide simple and quick answers to these challenges. However, with their
approaches on quantifying and simplifying benefit-sharing, they could form the
basis for the effective further development of ABS.
Access and Benefit-sharing – Digital Sequence Information – Nagoya Protocol – Convention on Biological Diversity – Global Biodiversity FrameworkInhalt
1 Einleitung
Wenn auf der Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties – COP) des
Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity –
CBD) das Scheinwerferlicht erstrahlt, dann beleuchtet es meist nicht das komplexe
Thema der Regelung des Zugangs zu genetischen Ressourcen (GR) und der Aufteilung von
Vorteilen, die sich aus der Nutzung dieser Ressourcen ergeben – besser bekannt unter
dem Begriff Access and Benefit-sharing (ABS). Obwohl ABS eines der drei Hauptziele
der CBD ist, steht es oft im Schatten der anderen Ziele – der Erhaltung sowie der
nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt. Auf der 15. COP im Dezember 2022
bildete ABS jedoch eines der vier Hauptziele des neuen Globalen
Biodiversitätsrahmens (Global Biodiversity Framework – GBF). ABS war zudem Teil des
finalen politischen Deals. So bildete die Einigung zum Vorteilsausgleich für die
Nutzung digitaler Sequenzinformationen (DSI) einen wesentlichen Bestandteil des
Gesamtpakets am Ende der Verhandlungen.
ABS ist im Zusammenhang mit der CBD v. a. durch das Nagoya-Protokoll (NP) von
2010 bekannt. Mit diesem wurde ein rechtsverbindliches ABS-Instrument für GR (jedes
nichtmenschliche biologische Material, das funktionale Erbeinheiten enthält)
geschaffen. Eine offene und ungelöste Frage auf internationaler Ebene war jedoch, ob
die Daten, die aus GR abgeleitet werden können, einschließlich DSI, ebenfalls einen
Vorteilsausgleich erfordern sollten. DSI ist dabei ein Platzhalterbegriff, der viele
Arten biologischer Daten – von Daten über Nukleotidsequenzen bis hin zu Daten über
Proteine oder Metabolite – abdecken könnte. Bisher wurde durch das NP nur in
geringem Umfang ein Vorteilsausgleich geleistet, was für viele
Vertragsstaaten zu einer Quelle der Frustration wurde. Die zunehmende Abhängigkeit
von DSI in Forschung und Entwicklung gab zudem Anlass zu der Sorge, dass der offene
Zugang zu DSI den Vorteilsausgleich weiter aushöhlen könnte.
1.1 ABS als ein wichtiger Baustein des Globalen Biodiversitätsrahmens
Das GBF ist in 4 langfristige Statusziele (Goals) bis 2050 und 23 Handlungsziele
(Targets) bis 2030 aufgeteilt. Die ABS-Ziele im GBF beinhalten eine „erhebliche“
(Handlungsziel 13) bzw. „deutliche“ (Statusziel C) Steigerung des
Vorteilsausgleichs. Zudem erweitern sie den Anwendungsbereich für einen
Vorteilsausgleich über die Nutzung von GR und traditionellem Wissen hinaus und
beziehen nun auch DSI ein (CBD
2022a). Die Berücksichtigung von DSI war eine Forderung von Parteien
aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Bruttonationaleinkommen pro Kopf und stellt
eine Abkehr von der bisherigen strengen Auslegung der CBD und des NP durch
Vertragsstaaten mit hohem Bruttonationaleinkommen pro Kopf dar. Da das derzeitige
ABS-Modell nur sehr eingeschränkt einen Anstieg der teilbaren Vorteile bewirken
konnte, was weiter unten eingehender betrachtet wird, wird die Einbeziehung von DSI
als wesentlich für die Erreichung der anvisierten Steigerung des Vorteilsausgleichs
bis 2030 und 2050 angesehen.
1.2 Digitale Sequenzinformationen bei der
15. Vertragsstaatenkonferenz
Nach der Aufnahme von DSI in das GBF und nach der COP-Entscheidung 15/9 zu DSI
sind noch viele Punkte bezüglich des Vorteilsausgleichs bei der Nutzung von DSI
ungeklärt. Theoretisch werden die DSI-Entscheidungen der COP 15 implizit zu einem
Anstieg des monetären und nichtmonetären Vorteilsausgleichs führen, da der
Ausgangswert für den Vorteilsausgleich bei DSI derzeit nahe Null ist. Allerdings
sind Vorhersagen über den Umfang und die Art des Vorteilsausgleichs bei DSI aktuell
nicht möglich. In Montreal konnten sich die CBD-Vertragsstaaten auf keine der zuvor
ausgearbeiteten politischen Optionen für den künftigen Umgang mit DSI einigen. Die
Verhandlungen zogen sich bis in die letzten Tage der COP 15 hin und waren
schließlich Bestandteil der Diskussionen auf Ebene der Ministerinnen und Minister –
dem so genannten High-Level-Segment. Letztendlich handelt es sich bei der
DSI-Vereinbarung größtenteils um einen „Prozessbeschluss“, wodurch die endgültige
Entscheidung auf die COP 16 verschoben wurde.
Der Beschluss 15/9 (CBD 2022b)
zu DSI enthält drei Kernelemente: Das erste Element sind Kriterien, die eine
künftige Regelung zu DSI erfüllen muss. Dazu gehören u. a. eine ausreichende
Praktikabilität, Rechtssicherheit und Effizienz sowie die Vereinbarkeit mit dem
offenen Zugang zu Daten und die Vermeidung einer Behinderung von Forschung und
Entwicklung. Das zweite Element ist eine Vereinbarung zur Einrichtung eines, noch
nicht konzipierten, multilateralen Mechanismus für den Ausgleich von Vorteilen aus
der Nutzung von DSI. Dieser soll auch einen globalen Fonds umfassen. Das dritte
Element der Entscheidung der COP 15 zu DSI legt den weiteren Prozess fest, hin zu
einem umsetzbaren Mechanismus für den Vorteilsausgleich bei der Nutzung von
DSI.
1.3 ABS bleibt eine Baustelle
Eine Lösung für DSI reicht allein noch nicht aus, um den Vorteilsausgleich
tatsächlich zu steigern. Die Diskussionen auf der COP 15, sowohl zu den ABS-Zielen
des GBF als auch zu DSI, haben eines immer wieder deutlich gemacht: Es herrscht weit
verbreitete Frustration beim Thema ABS. Das NP sollte sowohl den
Bereitstellerländern als auch den Nutzerinnen und Nutzern von GR den Weg zu mehr
Rechtssicherheit beim Zugang zu GR ebnen und im Gegenzug einen ausgewogenen und
gerechten Vorteilsausgleich ermöglichen. Weder die Hoffnungen der Nutzerinnen und
Nutzer noch die der Bereitstellerländer haben sich jedoch erfüllt (Michiels et al. 2022). Die Nutzerinnen
und Nutzer genetischer Ressourcen aus nichtkommerzieller und kommerzieller
wissenschaftlicher Forschung sind frustriert über den Mangel an Informationen und
unzureichende Vorhersehbarkeit bei der Befolgung nationaler ABS-Vorschriften. Sie
verweisen auf undurchsichtige, langsame und unrealistische Verfahren hinsichtlich
erforderlicher ABS-Genehmigungen. Dies wirkt abschreckend auf internationale
Kooperationen. Gleichzeitig gibt es auch unerfüllte Erwartungen seitens der
Bereitstellerländer hinsichtlich des Umfangs der im Rahmen des NP generierten
Vorteile (Heinrich et al.
2020).
Die allgemeine Frustration ist auf einen zentralen Grundsatz der CBD und des NP
zurückzuführen: das souveräne Recht der Staaten hinsichtlich ihrer genetischen
Ressourcen (siehe hierzu auch Kamau
2024 in dieser Ausgabe). Dies hat zu einer immensen Vielfalt an
nationalen ABS-Regelungen sowie zu unterschiedlichen Erwartungen an das, was das NP
tatsächlich leisten kann, geführt. Für die Nutzerinnen und Nutzer, die sich an die
Vorschriften halten wollen, gibt es oft nur wenige Informationen zu den jeweiligen
nationalen Gesetzen. Gleichzeitig haben die Bereitstellerländer oft komplexe Systeme
eingerichtet, um Kontrolle und Überwachung ihrer GR zu gewährleisten. Je komplexer
ein ABS-System jedoch ist, desto geringer ist die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer,
die bereit sind, durch dieses ABS-System zu navigieren. Damit sinkt jedoch
gleichermaßen die Zahl teilbarer Vorteile. Eine große Herausforderung für die CBD
bis 2030 und darüber hinaus wird darin bestehen, die Garantie der souveränen Rechte
an der biologischen Vielfalt mit dem Vorteilsausgleich in Einklang zu bringen.
Schließlich werden die geteilten Vorteile, seien sie monetär oder nichtmonetär, für
die Erhaltung der biologischen Vielfalt gebraucht. Während DSI wahrscheinlich eine
wichtige Rolle bei dieser Versöhnung spielen werden, müssen grundlegende
Ineffizienzen und unerfüllte Erwartungen endlich angegangen werden, wenn die
Vertragsstaaten der CBD das dritte Ziel des Übereinkommens wirklich erreichen
wollen.
2 Die Leerstelle der digitalen Sequenzinformationen und wie andere Foren der
Vereinten Nationen mit ihr umgehen
Der Vorteilsausgleich bei DSI ist ein kontroverses Thema über die CBD hinaus.
Verschiedene internationale Foren befassen sich intensiv mit der komplexen Frage
einer Ausweitung des Vorteilsausgleichs auf DSI. Zentrale Herausforderung ist dabei,
dass die bestehenden ABS-Systeme bislang unvereinbar mit einer effektiven
Einbeziehung von DSI sind. In den nächsten zwei Jahren und darüber hinaus (siehe
Abb. 1) stehen daher in
verschiedenen Foren Entscheidungen zu DSI an. Dazu gehören u. a. das
UN-Hochseeschutzabkommen im Rahmen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten
Nationen (United Nations Convention on the Law of the Sea; UNCLOS 2023), das noch zu verhandelnde
Pandemieabkommen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), bekannt als WHO CA+
(WHO 2023), und der
Internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und
Landwirtschaft (International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and
Agriculture – ITPGRFA) der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten
Nationen (Food and Agriculture Organization of the United Nations – FAO). Im Vorfeld
der CBD COP 15 warteten die meisten Foren auf die CBD-Entscheidung zu DSI, um im
Anschluss ihre eigenen Entscheidungen auszuhandeln. Die Instrumente anderer Foren
zielen darauf ab, alternative multilaterale Mechanismen zur CBD und zum NP zu
schaffen oder bestehende zu erweitern. Da eine endgültige Entscheidung zu DSI im
Rahmen der CBD nun frühestens Ende 2024 erwartet wird, beginnen diese Foren
mittlerweile damit, ihre Prozesse zum Vorteilsausgleich bei der Nutzung von GR und
darauf basierenden DSI selbstständig voranzutreiben.
Abb. 1: ABS-Entwicklungen im zweijährigen Zeitraum zwischen CBD COP 15
(2022) und CBD COP 16 (2024) sowohl bei der CBD als auch bei anderen
internationalen Abkommen wie dem ITPGRFA der FAO, dem BBNJ-Abkommen und
dem WHO CA+. In Rot abgebildet sind die jeweils wichtigsten Konferenzen
und Gremiensitzungen: COP, GB, IGC und WHA. In Dunkelgrau abgebildet
sind Arbeitsgruppen zum Vorteilsausgleich aus der Nutzung von DSI (OEWG)
sowie zur Verbesserung der Funktionsweise des multilateralen Systems
(OWG) und das Verhandlungsgremium INB. In Hellblau abgebildet sind
Unterkonferenzen (AHTEG für GBF-Indikatoren). Der Unterzeichnungs- und
Ratifizierungsprozess des BBNJ-Abkommens ist durch zwei graue Pfeile
dargestellt. Das Übereinkommen liegt zur Unterzeichnung durch die
Staaten aus und wird 120 Tage nach der 60. Ratifizierung in Kraft
treten. Die Dauer dieses Prozesses ist offen.
Fig. 1: ABS developments in the COP 15 – 16 biannual inter-seasonal
period 2023 – 2024 in the CBD and in other international treaties such as
ITPGRFA within the FAO, the BBNJ Agreement and WHO CA+. The main conferences
and bodies (COP, GB, IGC and WHA) are shown in red. Working groups on
benefit-sharing from the use of DSI (OEWG) as well as on enhancing the
functioning of the multilateral system (OWG) and the negotiation body INB
are shown in dark grey. Sub-meetings (AHTEG on GBF indicators) are depicted
in light blue. The ratification process of the BBNJ agreement is shown in
the grey arrows. The agreement will be open for signatures by the states and
will enter into force 120 days after the 60th ratification. The
duration of this process is unclear.
2.1 ABS für Biodiversität in Gebieten außerhalb nationaler
Hoheitsgewalt
Das UN-Hochseeschutzabkommen, das noch formell ratifiziert werden muss, befasst
sich mit der besonderen ABS-Herausforderung in Bezug auf Biodiversität in Gebieten
außerhalb nationaler Hoheitsgewalt (Biodiversity Beyond National Jurisdiction, BBNJ;
siehe hierzu auch Schnell 2024 in
dieser Ausgabe), wo bisher kein Vorteilsausgleich für die Nutzung mariner
genetischer Ressourcen vorgeschrieben war. Eine zentrale Maßnahme in diesem
Zusammenhang ist die Einrichtung eines Clearing-House-Mechanismus, der Informationen
über die Nutzung entsprechender meeresgenetischer Ressourcen und daraus
resultierender DSI sammeln soll. Der Clearing-House-Mechanismus erfordert eine
Meldung, wenn BBNJ-GR oder -DSI genutzt wurden, z. B. bei der Veröffentlichung oder
Kommerzialisierung. Aus dem Abkommen geht jedoch nicht hervor, ob oder wie der
Vorteilsausgleich an diese Meldungen geknüpft ist. Der Mechanismus für den
Vorteilsausgleich wird noch von einem BBNJ-Ausschuss für ABS erarbeitet werden. Das
genannte Notifizierungssystem könnte ein hohes Maß an Transparenz in Bezug auf die
Nutzung von GR und DSI ergeben. Gleichzeitig brächte es jedoch nur ein geringes Maß
an Rechtssicherheit bei der Einhaltung von Vorteilsausgleichsvereinbarungen. Das
BBNJ-Abkommen unterscheidet klar zwischen nichtmonetärem und monetärem
Vorteilsausgleich. Der monetäre Vorteilsausgleich soll vorerst durch einen
jährlichen Beitrag der Industrieländer unter den BBNJ-Vertragsstaaten erfolgen.
Dieser Ansatz wird fortbestehen, bis die Vertragsstaaten ein anderes Vorgehen
beschließen. Interessanterweise wird der offene Zugang zu DSI ausdrücklich als
nichtmonetärer Vorteil genannt, ein Schritt, der bei der CBD (noch) nicht vorgesehen
ist. Beim BBNJ-Abkommen wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass künftige
Modalitäten andere ABS-Instrumente unterstützen und an diese anschlussfähig sein
sollten. Dies wird von vielen als klarer Hinweis auf die parallelen Prozesse bei der
CBD verstanden.
2.2 Die Weltgesundheitsorganisation und das Abkommen zur
Pandemievorsorge
Die WHO arbeitet derzeit an einem neuen Abkommen zur Pandemie-prävention und
-vorsorge – dem WHO CA+. Im so genannten Zero Draft sieht Art. 10 ein System für den
Zugang zu Krankheitserregern und den entsprechenden Vorteilsausgleich vor, das
Pathogen Access and Benefit-sharing System (PABS-System). Der Geltungsbereich des
PABS-Systems umfasst Krankheitserreger mit pandemischem Potenzial und schließt
ausdrücklich deren genomische Sequenzen ein. Das System soll einen schnellen und
offenen Zugang zu Krankheitserregern mit Pandemiepotenzial ermöglichen. Daher
müssten die genomischen Sequenzen innerhalb weniger Stunden nach der Identifizierung
eines Erregers mit Pandemiepotenzial in eine oder mehrere öffentlich zugängliche
Datenbanken hochgeladen werden. Die Aufteilung der Vorteile wird über eine
Standard-Materialtransfervereinbarung geregelt, die verschiedene Optionen enthält.
Diese Optionen sind noch nicht näher definiert, mit einer Ausnahme: Die
Bereitstellung und Erleichterung des Zugangs zu 20 % der pandemiebezogenen Produkte
(z. B. Impfstoffe) für die WHO zur gerechten Verteilung, insbesondere an
Entwicklungsländer, muss in jedem Fall als Option enthalten sein. Die WHO will zudem
das PABS-System als spezialisiertes internationales ABS-Instrument im Rahmen des NP
anerkennen lassen. Genau diese Anerkennung künftiger spezialisierter internationaler
ABS-Instrumente war jedoch ein zentraler Streitpunkt, auf den sich die
NP-Vertragsstaaten bei ihrer letzten Tagung im Dezember 2022 in Montreal nicht
einigen konnten.
2.3 Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung
und Landwirtschaft (ITPGRFA)
Der ITPGRFA ist ein spezielles multilaterales Instrument mit folgenden Zielen:
Erhaltung und nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen für Ernährung und
Landwirtschaft sowie ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus deren Nutzung
ergebenden Vorteile. Dies soll in Übereinstimmung mit der CBD geschehen und eine
nachhaltige Landwirtschaft und Ernährungssicherheit stärken (FAO 2001; siehe hierzu auch Brink et al. 2024 in dieser Ausgabe).
Im Gegensatz zur CBD beinhaltet der ITPGRFA von Beginn an ein multilaterales System
(MLS) zum Vorteilsausgleich für die Nutzung von GR. Enthalten ist auch ein
entsprechender Fonds, der trotz seiner geringen Größe als positiv bewertet wird. Im
Jahr 2019 konnten sich die ITPGRFA-Vertragsstaaten jedoch nicht auf eine
Weiterentwicklung des Systems einigen, u. a. auf Grund des ungeklärten Umgangs mit
DSI. Im Jahr 2022 setzten die Vertragsstaaten erneut eine Arbeitsgruppe ein mit dem
Ziel der Weiterentwicklung des MLS (FAO
2022). Ähnlich dem Wunsch der CBD, bilaterale Systeme beizubehalten,
sind die ITPGRFA-Vertragsstaaten auf Grund des bisherigen Mangels an Vorteilen
zurückhaltend bei der Erweiterung der Liste der Kulturpflanzen innerhalb des MLS. In
Anbetracht der CBD-Entscheidung zu DSI auf der COP 15 werden die Vorteile aus der
Nutzung von DSI, wenn sie nicht im Rahmen des ITPGRFA geteilt werden, wahrscheinlich
im künftigen MLS der CBD geteilt. Die Vertragsstaaten haben bei den Zielen des
ITPGRFA festgehalten, dass diese im Einklang mit der CBD erreicht werden sollen.
Damit einher geht im Fall von DSI, dass die Entscheidungen der CBD bei der
Weiterentwicklung der eigenen Systeme Berücksichtigung finden werden.
2.4 Welcher kollektive Trend zeichnet sich bei neuen und bestehenden
ABS-Systemen ab?
Die intensive Arbeit der CBD zum Thema DSI hat sich auf andere UN-Instrumente
ausgewirkt, etwa bei der Betonung des offenen Zugangs zu DSI und der Forderung nach
einer Verbesserung der Effizienz. Gleichzeitig wurden jedoch Unterschiede deutlich,
etwa hinsichtlich möglicher Triggerpunkte für einen Vorteilsausgleich bei DSI und in
Bezug auf etwaige Compliance-Mechanismen. Bei den anstehenden Verhandlungen der
COP 16 zu DSI werden sich die unterschiedlichen Ansätze und Instrumente anderer
Foren sehr wahrscheinlich auf den finalen Text der CBD-Entscheidung auswirken und es
werden neue Ideen berücksichtigt werden. Dies wäre ein positives Ergebnis, da die
CBD in ihrer Entscheidung zu DSI auch erklärt hat, dass eine Lösung andere
Instrumente und Foren unterstützen und anschlussfähig sein sollte. Darüber hinaus
könnte eine Lösung der Frage der Harmonisierung aus Sicht der Nutzerinnen und
Nutzer, die den gesamten DSI-Datensatz häufig in integrativer Weise nutzen und dabei
auf DSI aus allen entsprechenden UN-Foren gleichzeitig zurückgreifen, zur nächsten
Triebfeder für wissenschaftliches Engagement werden.
3 ABS-Indikatoren im Globalen Biodiversitätsrahmen – eine
Herausforderung
Im GBF, dem strategischen Plan der CBD für die nächsten drei Jahrzehnte, werden
auch Ziele für ABS festgelegt. Während viele der wissenschaftsbasierten, auf die
biologische Vielfalt ausgerichteten Ziele gut etablierte Indikatoren mit einer
breiten institutionellen Unterstützung haben, sind die Indikatoren für ABS
unterentwickelt. Hierfür gibt es v. a. zwei Gründe. Erstens gab es bisher keine
politische Notwendigkeit, ABS zu messen. Das GBF schafft diese politische
Motivation. Zweitens, und das ist vielleicht der wichtigste Grund, sind
ABS-Transaktionen und die daraus resultierenden Vorteile auf Grund des bilateralen
Ansatzes für ABS im Rahmen der CBD und des NP auf internationaler Ebene weitgehend
unsichtbar. ABS ist zumeist in einem Vertrag zwischen einem Bereitstellerland und
einer Nutzerin oder einem Nutzer festgehalten. Die entsprechenden Dokumente sollten
sich nach dem NP in der Veröffentlichung eines international anerkannten
Konformitätszertifikats (internationally recognized certificate of compliance –
IRCC) widerspiegeln. Ein IRCC wird erstellt, wenn ein Land eine nationale
ABS-Genehmigung an die von der CBD betriebene ABS-Informationsstelle (ABS
Clearing-House) übermittelt. Anschließend wird das IRCC auf der Internetseite der
ABS-Informationsstelle veröffentlicht. Viele Länder führen jedoch nur den ersten
Schritt aus und erteilen eine nationale ABS-Genehmigung, ohne dies der
ABS-Informationsstelle mitzuteilen. Folglich wird kein IRCC von dieser
ABS-Genehmigung erstellt und veröffentlicht. Bei den Ländern, die ein IRCC erstellen
lassen, sind jedoch die Vereinbarungen über den Vorteilsausgleich in der Regel
vertraulich. Daher sind Vorhandensein und Umfang von ABS nur den
Bereitstellerländern sowie den Nutzerinnen und Nutzern bekannt, nicht aber der
Öffentlichkeit oder auf internationaler Ebene.
3.1 Sollten wir erlassene ABS-Gesetze messen? Können wir geteilte Vorteile
messen?
Eine zentrale Herausforderung bei der Messung von ABS besteht darin, dass das
grundlegende Vorhandensein einer ABS-Genehmigung oder eines ABS-Vertrags – und auch
eines IRCC – keine Messung der geteilten Vorteile ermöglicht. Vielmehr würde hier
die Messung einer gesetzgeberischen Aktivität erfolgen, die jedoch nicht erkennen
lässt, welche (monetären oder nichtmonetären) Vorteile daraus hervorgegangen sind.
Im Anhang des NP sind zwar mehrere beispielhafte monetäre und nichtmonetäre Vorteile
aufgeführt, diese sind jedoch nicht ohne weiteres messbar. Im vergangenen Jahr wurde
versucht, Methoden zur Quantifizierung der „einfachsten“ Arten von Vorteilen zu
entwickeln. Dazu zählen z. B. gemeinsame Forschungsergebnisse, internationale
Kooperationen und Zugang zu wissenschaftlichen Infrastrukturen, die teilweise im
Bereich der offenen Wissenschaft erfasst werden können (siehe Kasten 1).
Kasten 1: Entwicklung neuer Methoden zur Quantifizierung des
nichtmonetären Vorteilsausgleichs.
Box 1: Developing new methods to quantify non-monetary
benefit-sharing.
Der Globale Biodiversitätsrahmen (Global Biodiversity Framework – GBF)
fordert eine Steigerung des monetären und nichtmonetären Vorteilsausgleichs im
nächsten Jahrzehnt (Statusziel C). Die Abteilung Wissenschaftspolitik und
Internationalisierung des Leibniz-Instituts DSMZ – Deutsche Sammlung von
Mikroorganismen und Zellkulturen leitet ein vom Bundesamt für Naturschutz (BfN)
mit Mitteln des Bundesumweltministeriums (BMUV) finanziertes Projekt mit dem
Titel „Examining trends in non-monetary benefit-sharing“ (ET-NMBS), in dem
Pilotmethoden und Instrumente zur Quantifizierung und Bewertung einiger Formen
des nichtmonetären Vorteilsausgleichs (non-monetary benefit-sharing, NMBS)
entwickelt werden. Das auf mehr als drei Jahre angelegte Projekt begann im
Jahr 2022 mit folgenden Hauptzielen:
1. NMBS für dokumentierbare Access-and-Benefit-sharing(ABS)-Fälle
in Forschungsinfrastrukturen zu quantifizieren, 2. NMBS indirekt im globalen Maßstab zu messen,
3. die Bedeutung von NMBS in konkreten Ergebnissen
abzubilden.
Länder wie Deutschland investieren erhebliche Mittel in Forschung,
internationale Zusammenarbeit, gemeinsame Veröffentlichungen und andere
Aktivitäten im Zusammenhang mit der Nutzung genetischer Ressourcen, die zu
nichtmonetären Vorteilen führen. Diese Vorteile sind jedoch im Rahmen des
Übereinkommens über die biologische Vielfalt und des Nagoya-Protokolls schwer
erkennbar und messbar. In einem ersten Schritt zur Verbesserung der Sichtbarkeit
wurde im ET-NMBS-Projekt eine Datenbank erstellt, die ein mögliches NMBS
abbildet. Für diese Datenbank wurden wissenschaftliche Arbeiten ermittelt, in
denen ABS-Genehmigungen angegeben wer-den.
Die Erstellung der Datenbank basiert auf der Untersuchung einer Teilmenge
von etwa 5.000 der 4.729.721 Open-Access-Forschungsartikel im Webdienst Europe
PubMed Central (EPMC). Wird eine nationale ABS-Genehmigung in das ABS
Clearing-House hochgeladen, so wird ein international anerkanntes
Konformitätszertifikat (internationally recognized certificate of compliance –
IRCC) erstellt, das über einen standardisierten Code verfügt. Diese Codes wurden
im EPMC mit Hilfe von Schlagwörtern gesucht. Anschließend wurde nach der
Erwähnung nationaler ABS-Genehmigungscodes gesucht. Dies war jedoch mit großem
Aufwand verbunden, da diese Codes nicht standardisiert und daher je nach Land in
ihrer Struktur unterschiedlich sind. Im Anschluss an diese Suchen wurden die
relevanten Metadatenfelder, darunter das Land, das die Genehmigung erteilt hat,
der Artikelabschnitt, in dem die Genehmigung zitiert wurde, und die Affiliation
der Autorinnen und Autoren, vermerkt. Die Zahl der Einträge in der Datenbank
nimmt weiter zu, da immer mehr Varianten nationaler ABS-Genehmigungscodes
ermittelt werden. Im Rahmen des ET-NMBS-Projekts wurden 476 Forschungsartikel
mit 698 zugehörigen ABS-Genehmigungen aus 24 verschiedenen Ländern verknüpft
(siehe Abb. K1-1).
Abb. K1-1: Zusammensetzung und geographische Verteilung der
ABS-Genehmigungen (via nationaler ABS-Genehmigungscodes und
IRCC-Codes), die im Rahmen des Projekts ET-NMBS in
wissenschaftlichen Artikeln gefunden wurden. Die Farben Lila und
Grün stehen für Länder, die eine in den wissenschaftlichen Artikeln
der ET-NMBS-Datenbank erwähnte ABS-Genehmigung erteilt haben. Von
den lila eingefärbten Ländern wurden ausschließlich nationale
ABS-Genehmigungscodes in den Forschungsartikeln angegeben. Bei grün
eingefärbten Ländern wurde außerdem mindestens ein IRCC-Code in den
Forschungsartikeln genannt. Bei nur drei Artikeln wurden sowohl
IRCC-Codes als auch nationale ABS-Genehmigungscodes gefunden. Die
Anzahl der Forschungsartikel pro Land in der Datenbank ist mit einer
Ziffer angegeben. Grau eingefärbt sind die Länder, für die in der
Datenbank keine Informationen vorliegen.
Fig. K1-1: Composition and geographical distribution of ABS permits
(national ABS permit codes and IRCC codes) compiled as part of the
“Examining trends in non-monetary benefit sharing” (ET-NMBS) project.
Colours green and purple represent countries issuing an ABS permit that
was mentioned in the scientific articles in the ET-NMBS database. Of the
countries coloured purple, only national ABS permit codes were mentioned
in the research articles. Green colour indicates countries where in
addition at least one IRCC code was mentioned in the research articles.
Three articles identify both IRCC and national ABS permit codes together
in the same article. The number of articles per country in the database
is shown inside the polygons. Countries with missing information in the
database are grey coloured.
Zum Vergleich: Seit 2014 wurden mehr als 4.000 IRCC vom ABS Clearing-House
ausgestellt, aber allein 18 (0,6 %) davon wurden in den Forschungsartikeln der
ET-NMBS-Datenbank erwähnt. Dies könnte darauf hindeuten, dass nationale
ABS-Genehmigungscodes in wissenschaftlichen Artikeln häufiger genutzt werden als
IRCC-Codes, um auf Genehmigungen mit einem Vorteilsausgleich zu verweisen. Die
Daten aus dem ET-NMBS-Projekt zeigen, dass die derzeitige Praxis zur Angabe von
ABS-Genehmigungen heterogen ist. Die Identifizierung der Muster nationaler
ABS-Genehmigungscodes war dabei für die Verknüpfung von Forschungsergebnissen
mit ABS-Genehmigungen effektiver als die Suche nach IRCC-Codes, da Letztere in
wissenschaftlichen Artikeln selten angegeben werden. Erschwerend kommt hinzu,
dass Forscherinnen und Forscher in der Regel auf die nationale ABS-Behörde und
nicht auf den Genehmigungscode verweisen. Zudem gibt es kein einheitliches
Vorgehen dazu, an welcher Stelle der wissenschaftlichen Veröffentlichung eine
ABS-Genehmigung angeführt wird. In 45,5 % der Artikel erfolgte die Nennung im
Abschnitt „Material und Methoden“, gefolgt von „Danksagungen“ (25,5 %),
„Anmerkungen“ (15,9 %) und „Zusätzliche Informationen und Erklärungen“ (6,5 %).
Über alle Artikel hinweg wurden 22 verschiedene Abschnitte für die Angabe einer
Genehmigung verwendet.
Im Rahmen des ET-NMBS-Projekts werden empirische Daten verwendet, um NMBS
sichtbar zu machen und neue Methoden für einen künftigen GBF-Indikator zu diesem
Thema zu entwickeln. Es sollte eine einheitliche Berichterstattung zum
Vorteilsausgleich entwickelt und in wissenschaftlichen Arbeiten verwendet
werden, um NMBS in der wissenschaftlichen Gemeinschaft besser sichtbar zu
machen. Darüber hinaus sollten neu zu etablierende Handlungsanleitungen den
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Orientierung hinsichtlich des
Vorgehens beim Einholen von ABS-Genehmigungen und beim Vorteilsausgleich bieten.
Diese neuen Anleitungen sollten zudem klarstellen, in welcher Form und an
welcher Stelle in wissenschaftlichen Artikeln Angaben zum Vorteilsausgleich,
einschließlich der Nennung des IRCC-Codes, gemacht werden sollen.
Letztlich bieten die im Rahmen des NP (und noch mehr im Rahmen der CBD) zur
Verfügung stehenden Compliance- und Berichtsmechanismen nicht viele eindeutige
Möglichkeiten, um die auf nationaler oder globaler Ebene geteilten Vorteile zu
messen. Dies war auch zum Zeitpunkt des jeweiligen Beschlusses kein politisches
Ziel. Um Statusziel C und Handlungsziel 13 des GBF zu erreichen, werden daher
letztlich neue Methoden und Verfahren benötigt. In Ermangelung von
Standardindikatoren verfügen der CBD- und der GBF-Prozess hier über zwei
komplementäre Ansätze.
3.2 Der aktuelle Stand bei ABS-Indikatoren im Globalen
Biodiversitätsrahmen
Sowohl zu Statusziel C als auch zu Handlungsziel 13 liegen bislang nur
Platzhalter für Leitindikatoren vor. Das heißt, dass diese Platzhalter durch
zukünftige Textvorschläge ersetzt werden. Dies ist Aufgabe einer technischen
Ad-hoc-Expertengruppe (Ad Hoc Technical Expert Group, AHTEG). Sie soll Methoden zur
Erhebung von Daten für Leitindikatoren (falls diese fehlen) vorschlagen und die
Leitindikatoren bis zur COP 16 verfeinern. Das CBD-Sekretariat hat zudem eine Studie
in Auftrag gegeben, um die Durchführbarkeit und Praktikabilität vorhandener und
hypothetischer ABS-Indikatoren oder anderer verwandter Indikatoren zu analysieren.
Die Studie wird spätestens im Frühjahr 2024 öffentlich zur Verfügung gestellt und
von der AHTEG berücksichtigt werden. Die vollständige Einführung von ABS-Indikatoren
wird wahrscheinlich ein mehrjähriger Prozess sein.
Trotz der oben beschriebenen Unbekannten und Einschränkungen enthält das GBF
eine Reihe nennenswerter Komplementärindikatoren zu ABS, die in Tab. 1 analysiert werden. Die meisten
Indikatoren sind entweder ein Maß für gesetzgeberische Aktivitäten, wie das
Vorhandensein von ABS-Gesetzen selbst, oder sie sind auf die direkte Messung des
Vorteilsausgleichs ausgerichtet. Allerdings gibt es bislang keine Methodik, um die
für den Indikator erforderlichen Daten zu generieren. Während die Indikatoren für
gesetzgeberische Aktivitäten einen Anstieg im Laufe der Zeit zeigen könnten (mehr
ABS-Gesetze werden erlassen), könnten die tatsächlichen Vorteile entweder stagnieren
oder gar abnehmen, da nationale Regelungen für den Vorteilsausgleich mitunter recht
restriktiv sind und daher eher nicht zu einem Anstieg des Vorteilsausgleichs
beitragen. Dies stellt zudem eine Herausforderung für die Interpretation der
erhobenen Daten dar, da ein fehlender, in Statusziel C und Handlungsziel 13
anvisierter, Anstieg der generierten Vorteile mehrere Ursachen haben
könnte.
Tab. 1: Komplementärindikatoren des GBF für Statusziel C und
Handlungsziel 13 und erste Beobachtungen sowie Fragen zu ihrer
Umsetzbarkeit und Nützlichkeit hinsichtlich der Messung geteilter
Vorteile.
Table 1: GBF complementary indicators for Goal C and Target 13 and
initial observations and questions on their feasibility and utility in
measuring benefits shared.
|
Komplementärindikatoren
|
Beobachtungen/Fragen
|
Statusziel C | – Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer, die den benannten
NP-Kontrollstellen (Checkpoints) Informationen über die Nutzung
genetischer Ressourcen zur Verfügung gestellt haben | – Unklar, ob sie sich von den Checkpoint-Kommuniqués
unterscheiden – Wer wird dies erfassen? Aus welcher Quelle?
EU-DECLARE-System? |
Statusziel C und Handlungsziel 13 | – Gesamtzahl der im ABS Clearing-House veröffentlichten
international anerkannten Zertifikate (nur
Statusziel C) – Anzahl der international anerkannten
Konformitätszertifikate für nichtkommerzielle Zwecke
(Statusziel C und Handlungsziel 13) | – Durch ABS Clearing-House einfach global zu messen, aber
keine Messung der geteilten Vorteile – Lässt Länder unbeachtet, die keine IRCC veröffentlichen
(bisher die Mehrheit), könnte aber mehr Länder dazu ermutigen,
dies zu tun – Bei IRCC nicht immer klar, ob kommerziell oder
nichtkommerziell |
Statusziel C | – Anzahl der im ABS Clearing-House veröffentlichten
Checkpoint-Kommuniqués | – Leicht zu messen, aber bisher nur sehr wenige; kein Maß
für die geteilten Vorteile |
Statusziel C | – Integration der biologischen Vielfalt in die nationalen
Bilanz- und Berichterstattungssysteme, definiert als Umsetzung
des Systems der umweltökonomischen Gesamtrechnung | – Unklar, wie/ob Bezug zu ABS-Vereinbarungen |
Handlungsziel 13 | – Gesamtzahl der in einem Land erhaltenen Transfers von
Pflanzenmaterial aus dem multilateralen System des
ITPGRFA | – Nützlich für die Einbeziehung anderer ABS-Instrumente in
das GBF – Ist der Transfer von Pflanzenmaterial gleichbedeutend mit
einem Vorteilsausgleich? |
Handlungsziel 13 | – Gesamtzahl der für den Zugang zu genetischen Ressourcen
erteilten Genehmigungen bzw. deren Äquivalent | – Daten können nicht global erhoben werden, aber
Bereitstellerländer und Nutzerinnen/Nutzer könnten auf
nationaler/individueller Ebene Bericht an das ABS Clearing-House
erstatten, auch zum erfolgten Vorteilsausgleich |
Handlungsziel 13 | – Anzahl der Länder, die eine auf Kenntnis der Sachlage
gegründete vorherige Zustimmung verlangen und legislative,
administrative oder politische Maßnahmen zum Zugang und
Vorteilsausgleich im ABS Clearing-House veröffentlicht
haben | – Quantifiziert gesetzliche Maßnahmen, aber nicht die
geteilten Vorteile – Kann manuelle Bearbeitung zur Bewertung erfordern – Große Ähnlichkeit zum nächsten Indikator; potenzielle
Dopplung – Rein quantitative Indikatoren zu bestehenden
ABS-Regelungen ignorieren die Tatsache, dass restriktive und
komplexe Regelungen oft ein Haupthindernis für einen effektiven
ABS-Prozess und damit für die Generierung teilbarer Vorteile
sind |
Handlungsziel 13 | – Anzahl der Länder, die eine auf Kenntnis der Sachlage
gegründete vorherige Zustimmung verlangen und Informationen im
ABS Clearing-House über die Verfahren für den Zugang und den
Vorteilsausgleich veröffentlicht haben | – Dürfte sowohl den Bereitstellerländern als auch den
Nutzerinnen/Nutzern mehr Klarheit verschaffen – Würden Zugangsmaßnahmen und Maßnahmen zur Einhaltung der
Vorschriften gleichermaßen gezählt werden? |
Handlungsziel 13 | – Anzahl der Länder, die legislative, administrative und
politische Rahmenbedingungen geschaffen haben, um eine
ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile zu
gewährleisten | – Sind Maßnahmen zur Einhaltung von ABS hier
inbegriffen? – Erfasst Gesetze und andere Rahmenbedingungen, aber nicht
die geteilten Vorteile |
Handlungsziel 13 | – Geschätzter Prozentsatz der monetären und nichtmonetären
Vorteile, die auf die Erhaltung und die nachhaltige Nutzung
biologischer Vielfalt ausgerichtet sind | – Würde geteilte Vorteile erfassen, aber bisher gibt es
hierzu keine Methodik – Berichterstattung auf nationaler Ebene erforderlich, aber
die Methoden zur Schätzung würden variieren |
ABS = Access and Benefit-sharing (Zugang und
Vorteilsausgleich), EU = Europäische Union, GBF = Global
Biodiversity Framework (Globaler Biodiversitätsrahmen),
IRCC = internationally recognized certificate of compliance
(international anerkanntes Konformitätszertifikat),
ITPGRFA = International Treaty on Plant Genetic Resources for
Food and Agriculture (Internationaler Vertrag über
pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft),
NP = Nagoya-Protokoll |
Das GBF fasst alle drei Ziele der CBD in einem integrierten Plan zusammen. Eng
verbunden mit der Umsetzung des GBF ist die Aktualisierung der nationalen
Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne (National Biodiversity Strategies and
Action Plans, NBSAP), die von den Ländern zur Bewertung ihrer Fortschritte bei der
Umsetzung des GBF verwendet werden. Da ABS ein Teil des GBF ist, müssen die Länder
auch über die Fortschritte bei Statusziel C und Handlungsziel 13 berichten. Jedoch
sind der Mechanismus, die Ontologie und die zu meldenden Informationen noch nicht
festgelegt. Da die NBSAP das zentrale Instrument zur Sammlung von Informationen über
die Fortschritte bei der Umsetzung des GBF sind, ist dies auch eine wertvolle und
bisher ungenutzte Möglichkeit, an Informationen über den Vorteilsausgleich auf
nationaler Ebene zu gelangen.
4 Ausblick: eine Gelegenheit zur Verbesserung von ABS
Der Globale Biodiversitätsrahmen verspricht nicht nur, Verbesserungen bei der
Erreichung der drei übergeordneten Ziele der CBD zu quantifizieren und sichtbar zu
machen. Er bietet darüber hinaus eine Gelegenheit, objektiv auf das Thema ABS und
die zukünftige Entwicklung von Grundsätzen des Vorteilsausgleichs zu blicken. Die
DSI-Entscheidung birgt zudem das Potenzial für eine Vereinfachung der Verfahren für
den Vorteilsausgleich durch einen multilateralen Ansatz im Vergleich zum bilateralen
Ansatz des NP und auch für eine deutliche Steigerung des Vorteilsausgleichs. Auf
Grundlage der obigen Analyse lassen sich drei Trends für den breiteren Bereich des
Vorteilsausgleichs ableiten:
● Erstens wird der Druck, die Ergebnisse des Vorteilsausgleichs zu
überwachen und zu quantifizieren, in naher Zukunft sehr wahrscheinlich
Auswirkungen auf die gute wissenschaftliche Praxis haben. Unklar ist
dabei noch, ob neue politische Maßnahmen erforderlich sein werden, die
auch zusätzliche Anforderungen an die Einhaltung der Vorschriften mit
sich bringen, oder ob die wissenschaftliche Gemeinschaft eigenständig
Ideen für den Nachweis des Vorteilsausgleichs vorschlagen wird. Eine
noch nicht ausreichend erforschte Möglichkeit könnte die
„Digitalisierung“ von ABS-Ergebnissen sein, um mehr Transparenz und
Rechenschaft zu erreichen und ABS mit wissenschaftlichen Ergebnissen,
wie etwa Veröffentlichungen und Datenbanken, sowie mit einem
verbesserten Zugang zur Forschungsinfrastruktur zu verknüpfen. Eine
solche „Digitalisierung“ könnte es den Nutzerinnen und Nutzern z. B.
ermöglichen, in internationalen Datenbanken wie etwa dem
Clearing-House-Mechanismus oder auch in Zeitschriften als Teil der
Methoden oder Danksagungen über geteilte Vorteile zu berichten. ● Zweitens legt die DSI-Entscheidung den Grundstein für eine mögliche
Vereinfachung der Verfahren zum Vorteilsausgleich durch den
multilateralen Vorteilsausgleichsmechanismus. Sie öffnet potenziell die
Tür für eine multilaterale Behandlung (auf freiwilliger Basis) von GR im
Rahmen des CBD-Übereinkommens. Zusammengenommen könnten die
Entwicklungen rund um DSI zu einem „politischen Experiment“ führen, bei
dem die Parteien die Ergebnisse des neuen MLS sehen und mit den
Ergebnissen der bestehenden nationalen Systeme gemäß NP vergleichen.
Wenn ersteres System im Laufe der Zeit besser abschneidet als letztere,
könnten die Parteien nach und nach mehr GR in das MLS überführen und auf
eine stärkere Harmonisierung zwischen den verschiedenen UN-Foren
drängen. ● Schließlich könnte ein robustes System des Vorteilsausgleichs auch
dazu führen, dass der Vorteilsausgleich in umweltpolitischen Kreisen und
darüber hinaus (z. B. in der Gesundheitspolitik oder Humanethik) als
Querschnittsaufgabe behandelt und stärker wahrgenommen wird. Dies könnte
zu „Dominoeffekten“ in der Wissenschaft, im Privatsektor und in der
Politik führen, indem dort die Grundprinzipien des
Vorteilsausgleichs auf viele weitere Disziplinen und Interaktionen
weltweit angewendet werden. Am Ende könnte sich der Kreis in der Form
schließen, dass ABS von einem strittigen, abseits des Scheinwerferlichts
verhandelten Thema zu einem zentralen ethischen Grundsatz wird, der
internationale Transaktionen zur nachhaltigen Nutzung der biologischen
Vielfalt unseres Planeten anleitet und regelt.
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Fußnoten