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Die Zukunft des Access and Benefit-sharing: Was folgt auf die Verabschiedung des Globalen Biodiversitätsrahmens und die Entscheidung zu digitalen Sequenzinformationen?

The future of Access and Benefit-sharing: What next after the adoption of the Global Biodiversity Framework and the decision on Digital Sequence Information?

DOI: 10.19217/NuL2024-03-05 • Manuskripteinreichung: 19.6.2023, Annahme: 11.12.2023

Amber Hartman Scholz, Genuar Núñez, Lily Weissgold und Konstantin Wußmann

Zusammenfassung

Die jüngsten Beschlüsse der 15. Konferenz der Vertragsstaaten (Conference of the Parties – COP 15) des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity – CBD) zum Zugang und Vorteilsausgleich (Access and Benefit-sharing – ABS) eröffnen neue Möglichkeiten. Aktuell bestehen die zentralen Herausforderungen darin, die Fallstricke des bilateralen ABS-Ansatzes des Nagoya-Protokolls zu überwinden und digitale Sequenzinformationen in einen funktionierenden Mechanismus für einen Vorteilsausgleich zu integrieren, der mit dem Nagoya-Protokoll kompatibel ist. Zudem müssen Lösungen für die bisher schwierige, jedoch seit der COP 15 durch den Globalen Biodiversitätsrahmen erforderliche, Erfassung des Vorteilsausgleichs gefunden werden. Die Beschlüsse der COP 15 bieten zwar keine simplen und schnellen Antworten auf diese Herausforderungen. Mit ihren Ansätzen zur Quantifizierung und Vereinfachung des Vorteilsausgleichs könnten sie jedoch die Grundlage für eine effektive Weiterentwicklung von ABS bilden.

Zugang und Vorteilsausgleich – digitale Sequenzinformationen – Nagoya-Protokoll – Übereinkommen über die biologische Vielfalt – Globaler Biodiversitätsrahmen

Abstract

Recent decisions at the 15th Conference of the Parties (COP 15) to the Convention on Biological Diversity (CBD) on Access and Benefit-sharing (ABS) open up new opportunities. Currently, key ABS challenges are to overcome the pitfalls of the Nagoya Protocol's bilateral ABS approach and to integrate Digital Sequence Information into a functioning benefit-sharing mechanism compatible with the Nagoya Protocol. In addition, solutions must be found for the difficult task of measuring benefit-sharing required by the Global Biodiversity Framework, adopted at COP 15. The relevant COP 15 decisions do not provide simple and quick answers to these challenges. However, with their approaches on quantifying and simplifying benefit-sharing, they could form the basis for the effective further development of ABS.

Access and Benefit-sharing – Digital Sequence Information – Nagoya Protocol – Convention on Biological Diversity – Global Biodiversity Framework

Inhalt

1 Einleitung

1.1 ABS als ein wichtiger Baustein des Globalen Biodiversitätsrahmens

1.2 Digitale Sequenzinformationen bei der 15. Vertragsstaatenkonferenz

1.3 ABS bleibt eine Baustelle

2 Die Leerstelle der digitalen Sequenzinformationen und wie andere Foren der Vereinten Nationen mit ihr umgehen

2.1 ABS für Biodiversität in Gebieten außerhalb nationaler Hoheitsgewalt

2.2 Die Weltgesundheitsorganisation und das Abkommen zur Pandemievorsorge

2.3 Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGRFA)

2.4 Welcher kollektive Trend zeichnet sich bei neuen und bestehenden ABS-Systemen ab?

3 ABS-Indikatoren im Globalen Biodiversitätsrahmen – eine Herausforderung

3.1 Sollten wir erlassene ABS-Gesetze messen? Können wir geteilte Vorteile messen?

3.2 Der aktuelle Stand bei ABS-Indikatoren im Globalen Biodiversitätsrahmen

4 Ausblick: eine Gelegenheit zur Verbesserung von ABS

5 Literatur

1 Einleitung

Wenn auf der Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties – COP) des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity – CBD) das Scheinwerferlicht erstrahlt, dann beleuchtet es meist nicht das komplexe Thema der Regelung des Zugangs zu genetischen Ressourcen (GR) und der Aufteilung von Vorteilen, die sich aus der Nutzung dieser Ressourcen ergeben – besser bekannt unter dem Begriff Access and Benefit-sharing (ABS). Obwohl ABS eines der drei Hauptziele der CBD ist, steht es oft im Schatten der anderen Ziele – der Erhaltung sowie der nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt. Auf der 15. COP im Dezember 2022 bildete ABS jedoch eines der vier Hauptziele des neuen Globalen Biodiversitätsrahmens (Global Biodiversity Framework – GBF). ABS war zudem Teil des finalen politischen Deals. So bildete die Einigung zum Vorteilsausgleich für die Nutzung digitaler Sequenzinformationen (DSI) einen wesentlichen Bestandteil des Gesamtpakets am Ende der Verhandlungen.

ABS ist im Zusammenhang mit der CBD v. a. durch das Nagoya-Protokoll (NP) von 2010 bekannt. Mit diesem wurde ein rechtsverbindliches ABS-Instrument für GR (jedes nichtmenschliche biologische Material, das funktionale Erbeinheiten enthält) geschaffen. Eine offene und ungelöste Frage auf internationaler Ebene war jedoch, ob die Daten, die aus GR abgeleitet werden können, einschließlich DSI, ebenfalls einen Vorteilsausgleich erfordern sollten. DSI ist dabei ein Platzhalterbegriff, der viele Arten biologischer Daten – von Daten über Nukleotidsequenzen bis hin zu Daten über Proteine oder Metabolite – abdecken könnte. Bisher wurde durch das NP nur in geringem Umfang ein Vorteilsausgleich geleistet, was für viele Vertragsstaaten zu einer Quelle der Frustration wurde. Die zunehmende Abhängigkeit von DSI in Forschung und Entwicklung gab zudem Anlass zu der Sorge, dass der offene Zugang zu DSI den Vorteilsausgleich weiter aushöhlen könnte.

1.1 ABS als ein wichtiger Baustein des Globalen Biodiversitätsrahmens

Das GBF ist in 4 langfristige Statusziele (Goals) bis 2050 und 23 Handlungsziele (Targets) bis 2030 aufgeteilt. Die ABS-Ziele im GBF beinhalten eine „erhebliche“ (Handlungsziel 13) bzw. „deutliche“ (Statusziel C) Steigerung des Vorteilsausgleichs. Zudem erweitern sie den Anwendungsbereich für einen Vorteilsausgleich über die Nutzung von GR und traditionellem Wissen hinaus und beziehen nun auch DSI ein (CBD 2022a). Die Berücksichtigung von DSI war eine Forderung von Parteien aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Bruttonationaleinkommen pro Kopf und stellt eine Abkehr von der bisherigen strengen Auslegung der CBD und des NP durch Vertragsstaaten mit hohem Bruttonationaleinkommen pro Kopf dar. Da das derzeitige ABS-Modell nur sehr eingeschränkt einen Anstieg der teilbaren Vorteile bewirken konnte, was weiter unten eingehender betrachtet wird, wird die Einbeziehung von DSI als wesentlich für die Erreichung der anvisierten Steigerung des Vorteilsausgleichs bis 2030 und 2050 angesehen.

1.2 Digitale Sequenzinformationen bei der 15. Vertragsstaatenkonferenz

Nach der Aufnahme von DSI in das GBF und nach der COP-Entscheidung 15/9 zu DSI sind noch viele Punkte bezüglich des Vorteilsausgleichs bei der Nutzung von DSI ungeklärt. Theoretisch werden die DSI-Entscheidungen der COP 15 implizit zu einem Anstieg des monetären und nichtmonetären Vorteilsausgleichs führen, da der Ausgangswert für den Vorteilsausgleich bei DSI derzeit nahe Null ist. Allerdings sind Vorhersagen über den Umfang und die Art des Vorteilsausgleichs bei DSI aktuell nicht möglich. In Montreal konnten sich die CBD-Vertragsstaaten auf keine der zuvor ausgearbeiteten politischen Optionen für den künftigen Umgang mit DSI einigen. Die Verhandlungen zogen sich bis in die letzten Tage der COP 15 hin und waren schließlich Bestandteil der Diskussionen auf Ebene der Ministerinnen und Minister – dem so genannten High-Level-Segment. Letztendlich handelt es sich bei der DSI-Vereinbarung größtenteils um einen „Prozessbeschluss“, wodurch die endgültige Entscheidung auf die COP 16 verschoben wurde.

Der Beschluss 15/9 (CBD 2022b) zu DSI enthält drei Kernelemente: Das erste Element sind Kriterien, die eine künftige Regelung zu DSI erfüllen muss. Dazu gehören u. a. eine ausreichende Praktikabilität, Rechtssicherheit und Effizienz sowie die Vereinbarkeit mit dem offenen Zugang zu Daten und die Vermeidung einer Behinderung von Forschung und Entwicklung. Das zweite Element ist eine Vereinbarung zur Einrichtung eines, noch nicht konzipierten, multilateralen Mechanismus für den Ausgleich von Vorteilen aus der Nutzung von DSI. Dieser soll auch einen globalen Fonds umfassen. Das dritte Element der Entscheidung der COP 15 zu DSI legt den weiteren Prozess fest, hin zu einem umsetzbaren Mechanismus für den Vorteilsausgleich bei der Nutzung von DSI.

1.3 ABS bleibt eine Baustelle

Eine Lösung für DSI reicht allein noch nicht aus, um den Vorteilsausgleich tatsächlich zu steigern. Die Diskussionen auf der COP 15, sowohl zu den ABS-Zielen des GBF als auch zu DSI, haben eines immer wieder deutlich gemacht: Es herrscht weit verbreitete Frustration beim Thema ABS. Das NP sollte sowohl den Bereitstellerländern als auch den Nutzerinnen und Nutzern von GR den Weg zu mehr Rechtssicherheit beim Zugang zu GR ebnen und im Gegenzug einen ausgewogenen und gerechten Vorteilsausgleich ermöglichen. Weder die Hoffnungen der Nutzerinnen und Nutzer noch die der Bereitstellerländer haben sich jedoch erfüllt (Michiels et al. 2022). Die Nutzerinnen und Nutzer genetischer Ressourcen aus nichtkommerzieller und kommerzieller wissenschaftlicher Forschung sind frustriert über den Mangel an Informationen und unzureichende Vorhersehbarkeit bei der Befolgung nationaler ABS-Vorschriften. Sie verweisen auf undurchsichtige, langsame und unrealistische Verfahren hinsichtlich erforderlicher ABS-Genehmigungen. Dies wirkt abschreckend auf internationale Kooperationen. Gleichzeitig gibt es auch unerfüllte Erwartungen seitens der Bereitstellerländer hinsichtlich des Umfangs der im Rahmen des NP generierten Vorteile (Heinrich et al. 2020).

Die allgemeine Frustration ist auf einen zentralen Grundsatz der CBD und des NP zurückzuführen: das souveräne Recht der Staaten hinsichtlich ihrer genetischen Ressourcen (siehe hierzu auch Kamau 2024 in dieser Ausgabe). Dies hat zu einer immensen Vielfalt an nationalen ABS-Regelungen sowie zu unterschiedlichen Erwartungen an das, was das NP tatsächlich leisten kann, geführt. Für die Nutzerinnen und Nutzer, die sich an die Vorschriften halten wollen, gibt es oft nur wenige Informationen zu den jeweiligen nationalen Gesetzen. Gleichzeitig haben die Bereitstellerländer oft komplexe Systeme eingerichtet, um Kontrolle und Überwachung ihrer GR zu gewährleisten. Je komplexer ein ABS-System jedoch ist, desto geringer ist die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer, die bereit sind, durch dieses ABS-System zu navigieren. Damit sinkt jedoch gleichermaßen die Zahl teilbarer Vorteile. Eine große Herausforderung für die CBD bis 2030 und darüber hinaus wird darin bestehen, die Garantie der souveränen Rechte an der biologischen Vielfalt mit dem Vorteilsausgleich in Einklang zu bringen. Schließlich werden die geteilten Vorteile, seien sie monetär oder nichtmonetär, für die Erhaltung der biologischen Vielfalt gebraucht. Während DSI wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei dieser Versöhnung spielen werden, müssen grundlegende Ineffizienzen und unerfüllte Erwartungen endlich angegangen werden, wenn die Vertragsstaaten der CBD das dritte Ziel des Übereinkommens wirklich erreichen wollen.

2 Die Leerstelle der digitalen Sequenzinformationen und wie andere Foren der Vereinten Nationen mit ihr umgehen

Der Vorteilsausgleich bei DSI ist ein kontroverses Thema über die CBD hinaus. Verschiedene internationale Foren befassen sich intensiv mit der komplexen Frage einer Ausweitung des Vorteilsausgleichs auf DSI. Zentrale Herausforderung ist dabei, dass die bestehenden ABS-Systeme bislang unvereinbar mit einer effektiven Einbeziehung von DSI sind. In den nächsten zwei Jahren und darüber hinaus (siehe Abb. 1) stehen daher in verschiedenen Foren Entscheidungen zu DSI an. Dazu gehören u. a. das UN-Hochseeschutzabkommen im Rahmen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (United Nations Convention on the Law of the Sea; UNCLOS 2023), das noch zu verhandelnde Pandemieabkommen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), bekannt als WHO CA+ (WHO 2023), und der Internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture – ITPGRFA) der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization of the United Nations – FAO). Im Vorfeld der CBD COP 15 warteten die meisten Foren auf die CBD-Entscheidung zu DSI, um im Anschluss ihre eigenen Entscheidungen auszuhandeln. Die Instrumente anderer Foren zielen darauf ab, alternative multilaterale Mechanismen zur CBD und zum NP zu schaffen oder bestehende zu erweitern. Da eine endgültige Entscheidung zu DSI im Rahmen der CBD nun frühestens Ende 2024 erwartet wird, beginnen diese Foren mittlerweile damit, ihre Prozesse zum Vorteilsausgleich bei der Nutzung von GR und darauf basierenden DSI selbstständig voranzutreiben.

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Abb. 1: ABS-Entwicklungen im zweijährigen Zeitraum zwischen CBD COP 15 (2022) und CBD COP 16 (2024) sowohl bei der CBD als auch bei anderen internationalen Abkommen wie dem ITPGRFA der FAO, dem BBNJ-Abkommen und dem WHO CA+. In Rot abgebildet sind die jeweils wichtigsten Konferenzen und Gremiensitzungen: COP, GB, IGC und WHA. In Dunkelgrau abgebildet sind Arbeitsgruppen zum Vorteilsausgleich aus der Nutzung von DSI (OEWG) sowie zur Verbesserung der Funktionsweise des multilateralen Systems (OWG) und das Verhandlungsgremium INB. In Hellblau abgebildet sind Unterkonferenzen (AHTEG für GBF-Indikatoren). Der Unterzeichnungs- und Ratifizierungsprozess des BBNJ-Abkommens ist durch zwei graue Pfeile dargestellt. Das Übereinkommen liegt zur Unterzeichnung durch die Staaten aus und wird 120 Tage nach der 60. Ratifizierung in Kraft treten. Die Dauer dieses Prozesses ist offen.
Fig. 1: ABS developments in the COP 15 – 16 biannual inter-seasonal period 2023 – 2024 in the CBD and in other international treaties such as ITPGRFA within the FAO, the BBNJ Agreement and WHO CA+. The main conferences and bodies (COP, GB, IGC and WHA) are shown in red. Working groups on benefit-sharing from the use of DSI (OEWG) as well as on enhancing the functioning of the multilateral system (OWG) and the negotiation body INB are shown in dark grey. Sub-meetings (AHTEG on GBF indicators) are depicted in light blue. The ratification process of the BBNJ agreement is shown in the grey arrows. The agreement will be open for signatures by the states and will enter into force 120 days after the 60th ratification. The duration of this process is unclear.

2.1 ABS für Biodiversität in Gebieten außerhalb nationaler Hoheitsgewalt

Das UN-Hochseeschutzabkommen, das noch formell ratifiziert werden muss, befasst sich mit der besonderen ABS-Herausforderung in Bezug auf Biodiversität in Gebieten außerhalb nationaler Hoheitsgewalt (Biodiversity Beyond National Jurisdiction, BBNJ; siehe hierzu auch Schnell 2024 in dieser Ausgabe), wo bisher kein Vorteilsausgleich für die Nutzung mariner genetischer Ressourcen vorgeschrieben war. Eine zentrale Maßnahme in diesem Zusammenhang ist die Einrichtung eines Clearing-House-Mechanismus, der Informationen über die Nutzung entsprechender meeresgenetischer Ressourcen und daraus resultierender DSI sammeln soll. Der Clearing-House-Mechanismus erfordert eine Meldung, wenn BBNJ-GR oder -DSI genutzt wurden, z. B. bei der Veröffentlichung oder Kommerzialisierung. Aus dem Abkommen geht jedoch nicht hervor, ob oder wie der Vorteilsausgleich an diese Meldungen geknüpft ist. Der Mechanismus für den Vorteilsausgleich wird noch von einem BBNJ-Ausschuss für ABS erarbeitet werden. Das genannte Notifizierungssystem könnte ein hohes Maß an Transparenz in Bezug auf die Nutzung von GR und DSI ergeben. Gleichzeitig brächte es jedoch nur ein geringes Maß an Rechtssicherheit bei der Einhaltung von Vorteilsausgleichsvereinbarungen. Das BBNJ-Abkommen unterscheidet klar zwischen nichtmonetärem und monetärem Vorteilsausgleich. Der monetäre Vorteilsausgleich soll vorerst durch einen jährlichen Beitrag der Industrieländer unter den BBNJ-Vertragsstaaten erfolgen. Dieser Ansatz wird fortbestehen, bis die Vertragsstaaten ein anderes Vorgehen beschließen. Interessanterweise wird der offene Zugang zu DSI ausdrücklich als nichtmonetärer Vorteil genannt, ein Schritt, der bei der CBD (noch) nicht vorgesehen ist. Beim BBNJ-Abkommen wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass künftige Modalitäten andere ABS-Instrumente unterstützen und an diese anschlussfähig sein sollten. Dies wird von vielen als klarer Hinweis auf die parallelen Prozesse bei der CBD verstanden.

2.2 Die Weltgesundheitsorganisation und das Abkommen zur Pandemievorsorge

Die WHO arbeitet derzeit an einem neuen Abkommen zur Pandemie-prävention und -vorsorge – dem WHO CA+. Im so genannten Zero Draft sieht Art. 10 ein System für den Zugang zu Krankheitserregern und den entsprechenden Vorteilsausgleich vor, das Pathogen Access and Benefit-sharing System (PABS-System). Der Geltungsbereich des PABS-Systems umfasst Krankheitserreger mit pandemischem Potenzial und schließt ausdrücklich deren genomische Sequenzen ein. Das System soll einen schnellen und offenen Zugang zu Krankheitserregern mit Pandemiepotenzial ermöglichen. Daher müssten die genomischen Sequenzen innerhalb weniger Stunden nach der Identifizierung eines Erregers mit Pandemiepotenzial in eine oder mehrere öffentlich zugängliche Datenbanken hochgeladen werden. Die Aufteilung der Vorteile wird über eine Standard-Materialtransfervereinbarung geregelt, die verschiedene Optionen enthält. Diese Optionen sind noch nicht näher definiert, mit einer Ausnahme: Die Bereitstellung und Erleichterung des Zugangs zu 20 % der pandemiebezogenen Produkte (z. B. Impfstoffe) für die WHO zur gerechten Verteilung, insbesondere an Entwicklungsländer, muss in jedem Fall als Option enthalten sein. Die WHO will zudem das PABS-System als spezialisiertes internationales ABS-Instrument im Rahmen des NP anerkennen lassen. Genau diese Anerkennung künftiger spezialisierter internationaler ABS-Instrumente war jedoch ein zentraler Streitpunkt, auf den sich die NP-Vertragsstaaten bei ihrer letzten Tagung im Dezember 2022 in Montreal nicht einigen konnten.

2.3 Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGRFA)

Der ITPGRFA ist ein spezielles multilaterales Instrument mit folgenden Zielen: Erhaltung und nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft sowie ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus deren Nutzung ergebenden Vorteile. Dies soll in Übereinstimmung mit der CBD geschehen und eine nachhaltige Landwirtschaft und Ernährungssicherheit stärken (FAO 2001; siehe hierzu auch Brink et al. 2024 in dieser Ausgabe). Im Gegensatz zur CBD beinhaltet der ITPGRFA von Beginn an ein multilaterales System (MLS) zum Vorteilsausgleich für die Nutzung von GR. Enthalten ist auch ein entsprechender Fonds, der trotz seiner geringen Größe als positiv bewertet wird. Im Jahr 2019 konnten sich die ITPGRFA-Vertragsstaaten jedoch nicht auf eine Weiterentwicklung des Systems einigen, u. a. auf Grund des ungeklärten Umgangs mit DSI. Im Jahr 2022 setzten die Vertragsstaaten erneut eine Arbeitsgruppe ein mit dem Ziel der Weiterentwicklung des MLS (FAO 2022). Ähnlich dem Wunsch der CBD, bilaterale Systeme beizubehalten, sind die ITPGRFA-Vertragsstaaten auf Grund des bisherigen Mangels an Vorteilen zurückhaltend bei der Erweiterung der Liste der Kulturpflanzen innerhalb des MLS. In Anbetracht der CBD-Entscheidung zu DSI auf der COP 15 werden die Vorteile aus der Nutzung von DSI, wenn sie nicht im Rahmen des ITPGRFA geteilt werden, wahrscheinlich im künftigen MLS der CBD geteilt. Die Vertragsstaaten haben bei den Zielen des ITPGRFA festgehalten, dass diese im Einklang mit der CBD erreicht werden sollen. Damit einher geht im Fall von DSI, dass die Entscheidungen der CBD bei der Weiterentwicklung der eigenen Systeme Berücksichtigung finden werden.

2.4 Welcher kollektive Trend zeichnet sich bei neuen und bestehenden ABS-Systemen ab?

Die intensive Arbeit der CBD zum Thema DSI hat sich auf andere UN-Instrumente ausgewirkt, etwa bei der Betonung des offenen Zugangs zu DSI und der Forderung nach einer Verbesserung der Effizienz. Gleichzeitig wurden jedoch Unterschiede deutlich, etwa hinsichtlich möglicher Triggerpunkte für einen Vorteilsausgleich bei DSI und in Bezug auf etwaige Compliance-Mechanismen. Bei den anstehenden Verhandlungen der COP 16 zu DSI werden sich die unterschiedlichen Ansätze und Instrumente anderer Foren sehr wahrscheinlich auf den finalen Text der CBD-Entscheidung auswirken und es werden neue Ideen berücksichtigt werden. Dies wäre ein positives Ergebnis, da die CBD in ihrer Entscheidung zu DSI auch erklärt hat, dass eine Lösung andere Instrumente und Foren unterstützen und anschlussfähig sein sollte. Darüber hinaus könnte eine Lösung der Frage der Harmonisierung aus Sicht der Nutzerinnen und Nutzer, die den gesamten DSI-Datensatz häufig in integrativer Weise nutzen und dabei auf DSI aus allen entsprechenden UN-Foren gleichzeitig zurückgreifen, zur nächsten Triebfeder für wissenschaftliches Engagement werden.

3 ABS-Indikatoren im Globalen Biodiversitätsrahmen – eine Herausforderung

Im GBF, dem strategischen Plan der CBD für die nächsten drei Jahrzehnte, werden auch Ziele für ABS festgelegt. Während viele der wissenschaftsbasierten, auf die biologische Vielfalt ausgerichteten Ziele gut etablierte Indikatoren mit einer breiten institutionellen Unterstützung haben, sind die Indikatoren für ABS unterentwickelt. Hierfür gibt es v. a. zwei Gründe. Erstens gab es bisher keine politische Notwendigkeit, ABS zu messen. Das GBF schafft diese politische Motivation. Zweitens, und das ist vielleicht der wichtigste Grund, sind ABS-Transaktionen und die daraus resultierenden Vorteile auf Grund des bilateralen Ansatzes für ABS im Rahmen der CBD und des NP auf internationaler Ebene weitgehend unsichtbar. ABS ist zumeist in einem Vertrag zwischen einem Bereitstellerland und einer Nutzerin oder einem Nutzer festgehalten. Die entsprechenden Dokumente sollten sich nach dem NP in der Veröffentlichung eines international anerkannten Konformitätszertifikats (internationally recognized certificate of compliance – IRCC) widerspiegeln. Ein IRCC wird erstellt, wenn ein Land eine nationale ABS-Genehmigung an die von der CBD betriebene ABS-Informationsstelle (ABS Clearing-House) übermittelt. Anschließend wird das IRCC auf der Internetseite der ABS-Informationsstelle veröffentlicht. Viele Länder führen jedoch nur den ersten Schritt aus und erteilen eine nationale ABS-Genehmigung, ohne dies der ABS-Informationsstelle mitzuteilen. Folglich wird kein IRCC von dieser ABS-Genehmigung erstellt und veröffentlicht. Bei den Ländern, die ein IRCC erstellen lassen, sind jedoch die Vereinbarungen über den Vorteilsausgleich in der Regel vertraulich. Daher sind Vorhandensein und Umfang von ABS nur den Bereitstellerländern sowie den Nutzerinnen und Nutzern bekannt, nicht aber der Öffentlichkeit oder auf internationaler Ebene.

3.1 Sollten wir erlassene ABS-Gesetze messen? Können wir geteilte Vorteile messen?

Eine zentrale Herausforderung bei der Messung von ABS besteht darin, dass das grundlegende Vorhandensein einer ABS-Genehmigung oder eines ABS-Vertrags – und auch eines IRCC – keine Messung der geteilten Vorteile ermöglicht. Vielmehr würde hier die Messung einer gesetzgeberischen Aktivität erfolgen, die jedoch nicht erkennen lässt, welche (monetären oder nichtmonetären) Vorteile daraus hervorgegangen sind. Im Anhang des NP sind zwar mehrere beispielhafte monetäre und nichtmonetäre Vorteile aufgeführt, diese sind jedoch nicht ohne weiteres messbar. Im vergangenen Jahr wurde versucht, Methoden zur Quantifizierung der „einfachsten“ Arten von Vorteilen zu entwickeln. Dazu zählen z. B. gemeinsame Forschungsergebnisse, internationale Kooperationen und Zugang zu wissenschaftlichen Infrastrukturen, die teilweise im Bereich der offenen Wissenschaft erfasst werden können (siehe Kasten 1).

Kasten 1: Entwicklung neuer Methoden zur Quantifizierung des nichtmonetären Vorteilsausgleichs.
Box 1: Developing new methods to quantify non-monetary benefit-sharing.

Der Globale Biodiversitätsrahmen (Global Biodiversity Framework – GBF) fordert eine Steigerung des monetären und nichtmonetären Vorteilsausgleichs im nächsten Jahrzehnt (Statusziel C). Die Abteilung Wissenschaftspolitik und Internationalisierung des Leibniz-Instituts DSMZ – Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen leitet ein vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesumweltministeriums (BMUV) finanziertes Projekt mit dem Titel „Examining trends in non-monetary benefit-sharing“ (ET-NMBS), in dem Pilotmethoden und Instrumente zur Quantifizierung und Bewertung einiger Formen des nichtmonetären Vorteilsausgleichs (non-monetary benefit-sharing, NMBS) entwickelt werden. Das auf mehr als drei Jahre angelegte Projekt begann im Jahr 2022 mit folgenden Hauptzielen:

1. NMBS für dokumentierbare Access-and-Benefit-sharing(ABS)-Fälle in Forschungsinfrastrukturen zu quantifizieren,
2.

NMBS indirekt im globalen Maßstab zu messen,

3. die Bedeutung von NMBS in konkreten Ergebnissen abzubilden.

Länder wie Deutschland investieren erhebliche Mittel in Forschung, internationale Zusammenarbeit, gemeinsame Veröffentlichungen und andere Aktivitäten im Zusammenhang mit der Nutzung genetischer Ressourcen, die zu nichtmonetären Vorteilen führen. Diese Vorteile sind jedoch im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt und des Nagoya-Protokolls schwer erkennbar und messbar. In einem ersten Schritt zur Verbesserung der Sichtbarkeit wurde im ET-NMBS-Projekt eine Datenbank erstellt, die ein mögliches NMBS abbildet. Für diese Datenbank wurden wissenschaftliche Arbeiten ermittelt, in denen ABS-Genehmigungen angegeben wer-den.

Die Erstellung der Datenbank basiert auf der Untersuchung einer Teilmenge von etwa 5.000 der 4.729.721 Open-Access-Forschungsartikel im Webdienst Europe PubMed Central (EPMC). Wird eine nationale ABS-Genehmigung in das ABS Clearing-House hochgeladen, so wird ein international anerkanntes Konformitätszertifikat (internationally recognized certificate of compliance – IRCC) erstellt, das über einen standardisierten Code verfügt. Diese Codes wurden im EPMC mit Hilfe von Schlagwörtern gesucht. Anschließend wurde nach der Erwähnung nationaler ABS-Genehmigungscodes gesucht. Dies war jedoch mit großem Aufwand verbunden, da diese Codes nicht standardisiert und daher je nach Land in ihrer Struktur unterschiedlich sind. Im Anschluss an diese Suchen wurden die relevanten Metadatenfelder, darunter das Land, das die Genehmigung erteilt hat, der Artikelabschnitt, in dem die Genehmigung zitiert wurde, und die Affiliation der Autorinnen und Autoren, vermerkt. Die Zahl der Einträge in der Datenbank nimmt weiter zu, da immer mehr Varianten nationaler ABS-Genehmigungscodes ermittelt werden. Im Rahmen des ET-NMBS-Projekts wurden 476 Forschungsartikel mit 698 zugehörigen ABS-Genehmigungen aus 24 verschiedenen Ländern verknüpft (siehe Abb. K1-1).

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Abb. K1-1: Zusammensetzung und geographische Verteilung der ABS-Genehmigungen (via nationaler ABS-Genehmigungscodes und IRCC-Codes), die im Rahmen des Projekts ET-NMBS in wissenschaftlichen Artikeln gefunden wurden. Die Farben Lila und Grün stehen für Länder, die eine in den wissenschaftlichen Artikeln der ET-NMBS-Datenbank erwähnte ABS-Genehmigung erteilt haben. Von den lila eingefärbten Ländern wurden ausschließlich nationale ABS-Genehmigungscodes in den Forschungsartikeln angegeben. Bei grün eingefärbten Ländern wurde außerdem mindestens ein IRCC-Code in den Forschungsartikeln genannt. Bei nur drei Artikeln wurden sowohl IRCC-Codes als auch nationale ABS-Genehmigungscodes gefunden. Die Anzahl der Forschungsartikel pro Land in der Datenbank ist mit einer Ziffer angegeben. Grau eingefärbt sind die Länder, für die in der Datenbank keine Informationen vorliegen.
Fig. K1-1: Composition and geographical distribution of ABS permits (national ABS permit codes and IRCC codes) compiled as part of the “Examining trends in non-monetary benefit sharing” (ET-NMBS) project. Colours green and purple represent countries issuing an ABS permit that was mentioned in the scientific articles in the ET-NMBS database. Of the countries coloured purple, only national ABS permit codes were mentioned in the research articles. Green colour indicates countries where in addition at least one IRCC code was mentioned in the research articles. Three articles identify both IRCC and national ABS permit codes together in the same article. The number of articles per country in the database is shown inside the polygons. Countries with missing information in the database are grey coloured.

Zum Vergleich: Seit 2014 wurden mehr als 4.000 IRCC vom ABS Clearing-House ausgestellt, aber allein 18 (0,6 %) davon wurden in den Forschungsartikeln der ET-NMBS-Datenbank erwähnt. Dies könnte darauf hindeuten, dass nationale ABS-Genehmigungscodes in wissenschaftlichen Artikeln häufiger genutzt werden als IRCC-Codes, um auf Genehmigungen mit einem Vorteilsausgleich zu verweisen. Die Daten aus dem ET-NMBS-Projekt zeigen, dass die derzeitige Praxis zur Angabe von ABS-Genehmigungen heterogen ist. Die Identifizierung der Muster nationaler ABS-Genehmigungscodes war dabei für die Verknüpfung von Forschungsergebnissen mit ABS-Genehmigungen effektiver als die Suche nach IRCC-Codes, da Letztere in wissenschaftlichen Artikeln selten angegeben werden. Erschwerend kommt hinzu, dass Forscherinnen und Forscher in der Regel auf die nationale ABS-Behörde und nicht auf den Genehmigungscode verweisen. Zudem gibt es kein einheitliches Vorgehen dazu, an welcher Stelle der wissenschaftlichen Veröffentlichung eine ABS-Genehmigung angeführt wird. In 45,5 % der Artikel erfolgte die Nennung im Abschnitt „Material und Methoden“, gefolgt von „Danksagungen“ (25,5 %), „Anmerkungen“ (15,9 %) und „Zusätzliche Informationen und Erklärungen“ (6,5 %). Über alle Artikel hinweg wurden 22 verschiedene Abschnitte für die Angabe einer Genehmigung verwendet.

Im Rahmen des ET-NMBS-Projekts werden empirische Daten verwendet, um NMBS sichtbar zu machen und neue Methoden für einen künftigen GBF-Indikator zu diesem Thema zu entwickeln. Es sollte eine einheitliche Berichterstattung zum Vorteilsausgleich entwickelt und in wissenschaftlichen Arbeiten verwendet werden, um NMBS in der wissenschaftlichen Gemeinschaft besser sichtbar zu machen. Darüber hinaus sollten neu zu etablierende Handlungsanleitungen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Orientierung hinsichtlich des Vorgehens beim Einholen von ABS-Genehmigungen und beim Vorteilsausgleich bieten. Diese neuen Anleitungen sollten zudem klarstellen, in welcher Form und an welcher Stelle in wissenschaftlichen Artikeln Angaben zum Vorteilsausgleich, einschließlich der Nennung des IRCC-Codes, gemacht werden sollen.

Letztlich bieten die im Rahmen des NP (und noch mehr im Rahmen der CBD) zur Verfügung stehenden Compliance- und Berichtsmechanismen nicht viele eindeutige Möglichkeiten, um die auf nationaler oder globaler Ebene geteilten Vorteile zu messen. Dies war auch zum Zeitpunkt des jeweiligen Beschlusses kein politisches Ziel. Um Statusziel C und Handlungsziel 13 des GBF zu erreichen, werden daher letztlich neue Methoden und Verfahren benötigt. In Ermangelung von Standardindikatoren verfügen der CBD- und der GBF-Prozess hier über zwei komplementäre Ansätze.

3.2 Der aktuelle Stand bei ABS-Indikatoren im Globalen Biodiversitätsrahmen

Sowohl zu Statusziel C als auch zu Handlungsziel 13 liegen bislang nur Platzhalter für Leitindikatoren vor. Das heißt, dass diese Platzhalter durch zukünftige Textvorschläge ersetzt werden. Dies ist Aufgabe einer technischen Ad-hoc-Expertengruppe (Ad Hoc Technical Expert Group, AHTEG). Sie soll Methoden zur Erhebung von Daten für Leitindikatoren (falls diese fehlen) vorschlagen und die Leitindikatoren bis zur COP 16 verfeinern. Das CBD-Sekretariat hat zudem eine Studie in Auftrag gegeben, um die Durchführbarkeit und Praktikabilität vorhandener und hypothetischer ABS-Indikatoren oder anderer verwandter Indikatoren zu analysieren. Die Studie wird spätestens im Frühjahr 2024 öffentlich zur Verfügung gestellt und von der AHTEG berücksichtigt werden. Die vollständige Einführung von ABS-Indikatoren wird wahrscheinlich ein mehrjähriger Prozess sein.

Trotz der oben beschriebenen Unbekannten und Einschränkungen enthält das GBF eine Reihe nennenswerter Komplementärindikatoren zu ABS, die in Tab. 1 analysiert werden. Die meisten Indikatoren sind entweder ein Maß für gesetzgeberische Aktivitäten, wie das Vorhandensein von ABS-Gesetzen selbst, oder sie sind auf die direkte Messung des Vorteilsausgleichs ausgerichtet. Allerdings gibt es bislang keine Methodik, um die für den Indikator erforderlichen Daten zu generieren. Während die Indikatoren für gesetzgeberische Aktivitäten einen Anstieg im Laufe der Zeit zeigen könnten (mehr ABS-Gesetze werden erlassen), könnten die tatsächlichen Vorteile entweder stagnieren oder gar abnehmen, da nationale Regelungen für den Vorteilsausgleich mitunter recht restriktiv sind und daher eher nicht zu einem Anstieg des Vorteilsausgleichs beitragen. Dies stellt zudem eine Herausforderung für die Interpretation der erhobenen Daten dar, da ein fehlender, in Statusziel C und Handlungsziel 13 anvisierter, Anstieg der generierten Vorteile mehrere Ursachen haben könnte.

Tab. 1: Komplementärindikatoren des GBF für Statusziel C und Handlungsziel 13 und erste Beobachtungen sowie Fragen zu ihrer Umsetzbarkeit und Nützlichkeit hinsichtlich der Messung geteilter Vorteile.
Table 1: GBF complementary indicators for Goal C and Target 13 and initial observations and questions on their feasibility and utility in measuring benefits shared.
Komplementärindikatoren Beobachtungen/Fragen
Statusziel C
– Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer, die den benannten NP-Kontrollstellen (Checkpoints) Informationen über die Nutzung genetischer Ressourcen zur Verfügung gestellt haben
– Unklar, ob sie sich von den Checkpoint-Kommuniqués unterscheiden
– Wer wird dies erfassen? Aus welcher Quelle? EU-DECLARE-System?
Statusziel C und Handlungsziel 13
– Gesamtzahl der im ABS Clearing-House veröffentlichten international anerkannten Zertifikate (nur Statusziel C)
– Anzahl der international anerkannten Konformitätszertifikate für nichtkommerzielle Zwecke (Statusziel C und Handlungsziel 13)
– Durch ABS Clearing-House einfach global zu messen, aber keine Messung der geteilten Vorteile
– Lässt Länder unbeachtet, die keine IRCC veröffentlichen (bisher die Mehrheit), könnte aber mehr Länder dazu ermutigen, dies zu tun
– Bei IRCC nicht immer klar, ob kommerziell oder nichtkommerziell
Statusziel C
– Anzahl der im ABS Clearing-House veröffentlichten Checkpoint-Kommuniqués
– Leicht zu messen, aber bisher nur sehr wenige; kein Maß für die geteilten Vorteile
Statusziel C
– Integration der biologischen Vielfalt in die nationalen Bilanz- und Berichterstattungssysteme, definiert als Umsetzung des Systems der umweltökonomischen Gesamtrechnung
– Unklar, wie/ob Bezug zu ABS-Vereinbarungen
Handlungsziel 13
– Gesamtzahl der in einem Land erhaltenen Transfers von Pflanzenmaterial aus dem multilateralen System des ITPGRFA
– Nützlich für die Einbeziehung anderer ABS-Instrumente in das GBF
– Ist der Transfer von Pflanzenmaterial gleichbedeutend mit einem Vorteilsausgleich?
Handlungsziel 13
– Gesamtzahl der für den Zugang zu genetischen Ressourcen erteilten Genehmigungen bzw. deren Äquivalent
– Daten können nicht global erhoben werden, aber Bereitstellerländer und Nutzerinnen/Nutzer könnten auf nationaler/individueller Ebene Bericht an das ABS Clearing-House erstatten, auch zum erfolgten Vorteilsausgleich
Handlungsziel 13
– Anzahl der Länder, die eine auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung verlangen und legislative, administrative oder politische Maßnahmen zum Zugang und Vorteilsausgleich im ABS Clearing-House veröffentlicht haben
– Quantifiziert gesetzliche Maßnahmen, aber nicht die geteilten Vorteile
– Kann manuelle Bearbeitung zur Bewertung erfordern
– Große Ähnlichkeit zum nächsten Indikator; potenzielle Dopplung
– Rein quantitative Indikatoren zu bestehenden ABS-Regelungen ignorieren die Tatsache, dass restriktive und komplexe Regelungen oft ein Haupthindernis für einen effektiven ABS-Prozess und damit für die Generierung teilbarer Vorteile sind
Handlungsziel 13
– Anzahl der Länder, die eine auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung verlangen und Informationen im ABS Clearing-House über die Verfahren für den Zugang und den Vorteilsausgleich veröffentlicht haben
– Dürfte sowohl den Bereitstellerländern als auch den Nutzerinnen/Nutzern mehr Klarheit verschaffen
– Würden Zugangsmaßnahmen und Maßnahmen zur Einhaltung der Vorschriften gleichermaßen gezählt werden?
Handlungsziel 13
– Anzahl der Länder, die legislative, administrative und politische Rahmenbedingungen geschaffen haben, um eine ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile zu gewährleisten
– Sind Maßnahmen zur Einhaltung von ABS hier inbegriffen?
– Erfasst Gesetze und andere Rahmenbedingungen, aber nicht die geteilten Vorteile
Handlungsziel 13
– Geschätzter Prozentsatz der monetären und nichtmonetären Vorteile, die auf die Erhaltung und die nachhaltige Nutzung biologischer Vielfalt ausgerichtet sind
– Würde geteilte Vorteile erfassen, aber bisher gibt es hierzu keine Methodik
– Berichterstattung auf nationaler Ebene erforderlich, aber die Methoden zur Schätzung würden variieren
ABS = Access and Benefit-sharing (Zugang und Vorteilsausgleich), EU = Europäische Union, GBF = Global Biodiversity Framework (Globaler Biodiversitätsrahmen), IRCC = internationally recognized certificate of compliance (international anerkanntes Konformitätszertifikat), ITPGRFA = International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture (Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft), NP = Nagoya-Protokoll

Das GBF fasst alle drei Ziele der CBD in einem integrierten Plan zusammen. Eng verbunden mit der Umsetzung des GBF ist die Aktualisierung der nationalen Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne (National Biodiversity Strategies and Action Plans, NBSAP), die von den Ländern zur Bewertung ihrer Fortschritte bei der Umsetzung des GBF verwendet werden. Da ABS ein Teil des GBF ist, müssen die Länder auch über die Fortschritte bei Statusziel C und Handlungsziel 13 berichten. Jedoch sind der Mechanismus, die Ontologie und die zu meldenden Informationen noch nicht festgelegt. Da die NBSAP das zentrale Instrument zur Sammlung von Informationen über die Fortschritte bei der Umsetzung des GBF sind, ist dies auch eine wertvolle und bisher ungenutzte Möglichkeit, an Informationen über den Vorteilsausgleich auf nationaler Ebene zu gelangen.

4 Ausblick: eine Gelegenheit zur Verbesserung von ABS

Der Globale Biodiversitätsrahmen verspricht nicht nur, Verbesserungen bei der Erreichung der drei übergeordneten Ziele der CBD zu quantifizieren und sichtbar zu machen. Er bietet darüber hinaus eine Gelegenheit, objektiv auf das Thema ABS und die zukünftige Entwicklung von Grundsätzen des Vorteilsausgleichs zu blicken. Die DSI-Entscheidung birgt zudem das Potenzial für eine Vereinfachung der Verfahren für den Vorteilsausgleich durch einen multilateralen Ansatz im Vergleich zum bilateralen Ansatz des NP und auch für eine deutliche Steigerung des Vorteilsausgleichs. Auf Grundlage der obigen Analyse lassen sich drei Trends für den breiteren Bereich des Vorteilsausgleichs ableiten:

    Erstens wird der Druck, die Ergebnisse des Vorteilsausgleichs zu überwachen und zu quantifizieren, in naher Zukunft sehr wahrscheinlich Auswirkungen auf die gute wissenschaftliche Praxis haben. Unklar ist dabei noch, ob neue politische Maßnahmen erforderlich sein werden, die auch zusätzliche Anforderungen an die Einhaltung der Vorschriften mit sich bringen, oder ob die wissenschaftliche Gemeinschaft eigenständig Ideen für den Nachweis des Vorteilsausgleichs vorschlagen wird. Eine noch nicht ausreichend erforschte Möglichkeit könnte die „Digitalisierung“ von ABS-Ergebnissen sein, um mehr Transparenz und Rechenschaft zu erreichen und ABS mit wissenschaftlichen Ergebnissen, wie etwa Veröffentlichungen und Datenbanken, sowie mit einem verbesserten Zugang zur Forschungsinfrastruktur zu verknüpfen. Eine solche „Digitalisierung“ könnte es den Nutzerinnen und Nutzern z. B. ermöglichen, in internationalen Datenbanken wie etwa dem Clearing-House-Mechanismus oder auch in Zeitschriften als Teil der Methoden oder Danksagungen über geteilte Vorteile zu berichten.
    Zweitens legt die DSI-Entscheidung den Grundstein für eine mögliche Vereinfachung der Verfahren zum Vorteilsausgleich durch den multilateralen Vorteilsausgleichsmechanismus. Sie öffnet potenziell die Tür für eine multilaterale Behandlung (auf freiwilliger Basis) von GR im Rahmen des CBD-Übereinkommens. Zusammengenommen könnten die Entwicklungen rund um DSI zu einem „politischen Experiment“ führen, bei dem die Parteien die Ergebnisse des neuen MLS sehen und mit den Ergebnissen der bestehenden nationalen Systeme gemäß NP vergleichen. Wenn ersteres System im Laufe der Zeit besser abschneidet als letztere, könnten die Parteien nach und nach mehr GR in das MLS überführen und auf eine stärkere Harmonisierung zwischen den verschiedenen UN-Foren drängen.
    Schließlich könnte ein robustes System des Vorteilsausgleichs auch dazu führen, dass der Vorteilsausgleich in umweltpolitischen Kreisen und darüber hinaus (z. B. in der Gesundheitspolitik oder Humanethik) als Querschnittsaufgabe behandelt und stärker wahrgenommen wird. Dies könnte zu „Dominoeffekten“ in der Wissenschaft, im Privatsektor und in der Politik führen, indem dort die Grundprinzipien des Vorteilsausgleichs auf viele weitere Disziplinen und Interaktionen weltweit angewendet werden. Am Ende könnte sich der Kreis in der Form schließen, dass ABS von einem strittigen, abseits des Scheinwerferlichts verhandelten Thema zu einem zentralen ethischen Grundsatz wird, der internationale Transaktionen zur nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt unseres Planeten anleitet und regelt.

5 Literatur

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  CBD/Convention on Biological Diversity (2022b): Digital sequence information on genetic resources. CBD/COP/DEC/15/9. CBD. Montreal: 5 S. https://www.cbd.int/doc/decisions/cop-15/cop-15-dec-09-en.pdf (aufgerufen am 31.5.2023).

  FAO/Food and Agriculture Organization (2001): International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture. Publiziert 2009. FAO. Rom: 56 S. https://www.fao.org/3/i0510e/i0510e.pdf (aufgerufen am 31.5.2023).

  FAO/Food and Agriculture Organization (2022): Enhancement of the Multilateral System of Access and Benefit-sharing. Resolution 3/2022. FAO. Rom: 3 S. https://www.fao.org/3/nk238en/nk238en.pdf (aufgerufen am 31.5.2023).

  Heinrich M., Scotti F. et al. (2020): Access and benefit sharing under the Nagoya Protocol – Quo vadis? Six Latin American case studies assessing opportunities and risk. Frontiers in Pharmacology 11: e765. DOI: 10.3389/fphar.2020.00765

  Kamau E.C. (2024): Access and Benefit-sharing und das Nagoya-Protokoll: Quid pro quo für die Nutzung der biologischen Vielfalt – eine kritische Bestandsaufnahme. Natur und Landschaft 99(3): 98 – 108. DOI: 10.19217/NuL2024-03-01

  Michiels F., Feiter U. et al. (2022): Facing the harsh reality of access and benefit sharing (ABS) legislation: An industry perspective. Sustainability 14(1): e277. DOI: 10.3390/su14010277

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  Scholz A.H., Núñez-Vega G. et al. (2024): The future of Access and Benefit-sharing: What next after the adoption of the Global Biodiversity Framework and decision on Digital Sequence Information? Diversity 16(1): e27. DOI: 10.3390/d16010027

  UNCLOS/United Nations Convention on the Law of the Sea (2023): Draft agreement under the United Nations Convention on the Law of the Sea on the conservation and sustainable use of marine biological diversity of areas beyond national jurisdiction. United Nations, General Assembly. New York: 54 S. https://bit.ly/UNCLOS_BBNJ (aufgerufen am 31.5.2023).

  WHO/World Health Organization (2023): Zero draft of the WHO CA+ for the consideration of the Intergovernmental Negotiation Body at its fourth meeting. A/INB/4/3. WHO. Genf: 32 S. https://bit.ly/WHO_CAplus (aufgerufen am 31.5.2023).

Fußnoten

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Dr. Amber Hartman Scholz

Korrespondierende Autorin

Leibniz-Institut DSMZ –

Deutsche Sammlung von

Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH

Inhoffenstraße 7B

38124 Braunschweig

E-Mail: amber.h.scholz@dsmz.de Die Autorin ist Mikrobiologin und Leiterin der Abteilung Science Policy und Internationalisierung am Leibniz-Institut DSMZ – Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen in Braunschweig. Sie leitet mehrere Forschungsprojekte zu Fragen rund um Access and Benefit-sharing, leistete Pionierarbeit für den Status der DSMZ als registrierte Sammlung im Rahmen der Verordnung der Europäischen Union zum Nagoya-Protokoll und ist Mitbegründerin des DSI Scientific Network (DSI = digitale Sequenzinformationen). Zuvor hatte sie wissenschaftspolitische Positionen in der Bundesregierung der Vereinigten Staaten von Amerika und in der Regierung des Bundesstaats Kalifornien inne.

NuL_03_2024_Hartman-Scholz_Wussman_Vita.jpg

Genuar Núñez

Leibniz-Institut DSMZ –

Deutsche Sammlung von

Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH

Inhoffenstraße 7B

38124 Braunschweig

E-Mail: genuar.nunez@dsmz.de

Lily Weissgold

Schendelgasse 8

10119 Berlin

E-Mail: lweissgold@gmail.com

Konstantin Wußmann

Lichtenrader Straße 14

12049 Berlin

E-Mail: konstantin.wussmann@gmail.com

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