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Seite 199 - 203

Jugend und Engagement für Naturschutz – quo vadis?

Ein Gespräch zur Zukunft des ehrenamtlichen Engagements im Naturschutz

Youth and commitment to nature conservation – Quo vadis?

A conversation about the future of volunteering commitment in nature conservation

DOI: 10.19217/NuL2022-04-06 • Manuskripteinreichung: 10.11.2021, Annahme: 14.1.2022

Ulrike Hoffmann und Beate Job-Hoben

Zusammenfassung

Ehrenamtliches Engagement hat für die Gesellschaft einen hohen Stellenwert und ist für die Bewältigung aktueller und künftiger Herausforderungen einer global vernetzten Welt unverzichtbar. Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen und technischer Fortschritte junge Menschen für ein freiwilliges Engagement im Naturschutz zu begeistern und damit das Ehrenamt weiter zu stärken, ist und bleibt eine wichtige Aufgabe des Naturschutzes. Dabei vertritt jede Generation eigene Werte, Wahrnehmungen und Lebensstile und kombiniert Traditionelles mit Neuem. Im Rahmen eines Interviews berichten vier junge Erwachsene sowie ein langjährig erfahrener Naturschutzakteur von ihrer persönlichen Motivation und den Problemen und Hindernissen im Ehrenamt. Alle Interviewten sehen die Klimakrise und den Rückgang der biologischen Vielfalt als die größte Herausforderung der Zukunft an. Hindernisse sehen sie v. a. in der fehlenden gesellschaftlichen Anerkennung ihres Einsatzes im Naturschutz und in der Gewinnung neuer engagierter Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner wünschen sich, dass bei den Diskussionen zur Klimakrise auch der Schutz der biologischen Vielfalt mitgedacht wird. Vor diesem Hintergrund sehen sie aktuell ein großes Potenzial, durch Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit weitere interessierte junge Menschen für ein Ehrenamt im Natur- und Umweltschutz zu gewinnen.

Jugend – Ehrenamt – Klimawandel – Nachhaltigkeit – Bildung – Naturbewusstsein – biologische Vielfalt – freiwilliges Engagement

Abstract

Volunteering is of great importance to society and is indispensable for coping with current and future challenges of a globally interconnected world. Against the backdrop of social changes and technical advances, inspiring young people to volunteer in nature conservation and thus further strengthening voluntary work is and remains an important task of nature conservation. Each generation represents its own values, perceptions and lifestyles and combines the traditional with the new. Within the framework of an interview, four young adults as well as a long-time experienced nature conservation actor report on their personal motivation and the problems and obstacles in voluntary work. All interviewees see the climate crisis and the decline in biodiversity as the greatest challenge of the future. They see obstacles mainly in the lack of social recognition of their commitment to nature conservation and in the recruitment of new, committed comrades in that endeavour. The interviewees hope that biodiversity conservation will be mainstreamed in all debates on the climate crisis. In this context, they currently see great potential to win over more interested young people for voluntary work in nature conservation and environmental protection through campaigns and public relations work.

Youth – Volunteering commitment – Climate change – Sustainability – Education – Nature awareness – Biodiversity – Dedication

Inhalt

Einleitung

Fazit und Ausblick

Einleitung

Engagement Jugendlicher und junger Erwachsener gibt es nicht erst seit Fridays for Future und äußert sich nicht nur in Form von Protesten. Engagement für die Natur hat viele Gesichter, sei es etwa im Privaten durch ein bewussteres Konsumverhalten, das Teilen von Informationen mit der Familie und Freunden oder auch öffentlich im Rahmen eines Freiwilligen Ökologischen Jahrs oder durch Mitgliedschaften in Naturschutzverbänden. Eines verbindet die „jungen Engagierten“: Zunehmend formulieren sie Ansprüche an Politik und Gesellschaft, wollen sich Gehör verschaffen und mitgestalten. Als Ehrenamtliche im Natur- und Umweltschutz sind junge Menschen schon lange nicht mehr als Randgruppe der „Ökos“ zu betrachten, vielmehr sind sie für viele Jugendliche Vorbilder, deren Tipps für ein nachhaltiges Leben ernst genommen und auch umgesetzt werden.

Im folgenden Gespräch berichten vier im Natur- und Umweltschutz engagierte junge Erwachsene (siehe Kasten 1) – Carolin Fröhlich (Fridays for Future, F4F), Gesche Kieb (Deutscher Jugendbund für Naturbeobachtung, DJN), Marvin Manzenberger (ehemaliger UN-Dekade-Jugendbotschafter) und Marco Lutz (Naturschutzjugend, NAJU) – aus ihrer Perspektive über persönliche Motivation, Mitgestaltung sowie die größten Herausforderungen und Hindernisse ihres ehrenamtlichen Engagements und formulieren Wünsche an die zukünftige Ausgestaltung ehrenamtlicher Tätigkeiten im Naturschutz. Ein weiteres Gespräch wurde mit Prof. Dr. Hubert Weiger vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) geführt (siehe Kasten 2).

Kasten 1: Die interviewten Personen.
Box 1: The persons interviewed.

Carolin Fröhlich

Fridays for Future, F4F

E-Mail: carolin.h.froehlich@web.de

Sie verbindet mit der Natur:

draußen sein

Hütten bauen im Wald

Zuschauen beim Vergehen der Zeit

Marvin Manzenberger

Ehemaliger UN-Dekade-Jugendbotschafter

E-Mail: mm@schloss-wolfstein.de

Er verbindet mit der Natur:

emotionale Verbundenheit

die Abhängigkeit des Menschen von intakten ökologischen Systemen

Lebensgrundlage und Resonanzraum

Gesche Kieb

Deutscher Jugendbund für Naturbeobachtung, DJN

E-Mail: oese@naturbeobachtung.de

Sie verbindet mit der Natur:

Kindheitserinnerungen auf dem Land an der Ostsee

Freiwilliges Ökologisches Jahr am Steinhuder Meer

einen unerschöpflichen Schatz an Entdeckungen und Erfahrungen

Marco Lutz

Naturschutzjugend, NAJU

E-Mail: marco.lutz@posteo.de

Er verbindet mit der Natur:

Geborgenheit und Verbundenheit

Existenzgrundlage

individuelle und faszinierende Menschen aus der Naturschutzarbeit

Kasten 2: Prof. Dr. Hubert Weiger, Ehrenvorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) – Rückblick auf über 40 Jahre Ehrenamt im Naturschutz.
Box 2: Prof. Dr. Hubert Weiger, honorary BUND chairman – Review of over 40 years of volunteering in nature conservation.

Prof. Dr. Hubert Weiger

Ehrenvorsitzender BUND

E-Mail: hubert.weiger@bund-naturschutz.de

Er verbindet mit der Natur:

die Vielfalt des Lebens

das wundervolle Wechselspiel zwischen belebter und unbelebter Um- und Mitwelt

Ulrike Hoffmann (UH), Beate Job-Hoben (BJH): Wenn Sie an früher denken, was waren für Sie die wichtigsten Gründe, sich im Natur- und Umweltschutz ehrenamtlich zu engagieren?

Hubert Weiger (HW): Seit frühester Kindheit und Jugend hatte ich als Förstersohn einen engen Kontakt zur Natur, verbrachte viel Zeit vor allem in den Wäldern, vertiefte mein Wissen als Gymnasiast durch Einarbeitung in die Botanik mit Hilfe meines Biologielehrers, der Flechtenexperte war. Meine Motivation zum Einsatz für den Naturschutz kam verstärkt durch das Studium der Forstwirtschaft und durch Hochschullehrer, die mich sehr prägten, wie Professor Leibundgut an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich oder Professor Otto Kraus an der Universität in München, der auch Leiter der Bayerischen Landesstelle für Naturschutz war. Als erster Zivildienstleistender (1971) im Umweltschutz in Deutschland bekam ich durch den damaligen Landesvorsitzenden des Bundes Naturschutz in Bayern e. V. (BN), Hubert Weinzierl, die Chance, mich im BN voll für den Naturschutz einsetzen zu können, und baute in drei Jahren organisatorisch den Verband in Nordbayern mit auf.

UH/BJH: Was waren Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen im Natur- und Umweltschutz, die Sie erlebt haben, und wie haben Sie diese durch Ihre Tätigkeit mitgestaltet?

HW: Die größten Herausforderungen waren der Bau der Atom- und Kohlekraftwerke seit den 1970er-Jahren, die Entwässerung und Begradigung der Gewässer und der Flächenverbrauch durch Infrastrukturmaßnahmen und Ausweisung von vor allem Gewerbegebieten. Mein jahrzehntelanger Einsatz gegen diese Fehlentwicklungen war zum Teil erfolgreich: siehe Ausstieg aus der Atomenergie und den Kohlekraftwerken und die beginnende Revitalisierung der Gewässer; er hatte aber kaum Erfolge im Kampf gegen den Flächenverbrauch, der bis heute fast ungebremst voranschreitet.

UH/BJH: Was sehen Sie heute als die größten Herausforderungen an?

HW: Trotz zahlreicher Gesetze und politischer Beschlüsse für den Schutz der Natur ist es weder weltweit noch national gelungen, den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen. Zentrale Herausforderung ist deshalb mehr denn je der Einsatz für den Klimaschutz und für den Schutz der biologischen Vielfalt. Das bedeutet die Erarbeitung von Lösungen, die diese beiden zentralen Ziele integrieren. Dabei müssen Fortschritte in einzelnen Bereichen öffentlich klarer als bisher herausgestellt werden, um damit zu verdeutlichen, dass es möglich ist, diese Ziele noch zu erreichen. Zentrale Themen sind vor allem die Durchsetzung des Ziels von Null-Hektar-Flächenverbrauch in Deutschland, die flächendeckende Ökologisierung der land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung und die Durchsetzung eines Nichtnutzungsziels von 10 % der Waldfläche, die Fließgewässerrevitalisierung und die Wiederherstellung vielfältiger, multifunktionaler Kulturlandschaften.

UH/BJH: Was waren rückblickend die größten Hindernisse bei Ihrer ehrenamtlichen Arbeit im Natur- und Umweltschutz?

HW: Die zentralen Hindernisse für ehrenamtliche Tätigkeiten im Naturschutz liegen nach meiner jahrzehntelangen Erfahrung vor allem in der nach wie vor fehlenden gesellschaftlichen Anerkennung, gerade auch auf örtlicher Ebene im ländlichen Raum. Naturschutz ist zwar als gesellschaftliches Anliegen generell anerkannt, stößt aber auf vielfältige Widerstände bei konkreten Umsetzungen von Maßnahmen und gerät leicht in Konflikte mit kommunalen oder privaten Wachstumsvorstellungen und Investitionsabsichten. Im Vergleich zum sozialen oder karitativen Engagement ist das ehrenamtliche Naturschutzengagement gesellschaftlich unterbewertet. Deshalb erfordert es nach wie vor viel Mut und großen Einsatz bei der Vertretung von Naturschutzpositionen vor Ort.

UH/BJH: Wie sehen Sie die Entwicklung des ehrenamtlichen Engagements im und für den Natur- und Umweltschutz in der Zukunft?

HW: Zentrale strategische Aufgabe ist es, die generell hohe gesellschaftliche Anerkennung des Naturschutzes auch im konkreten Einsatz zur Geltung zu bringen und dem Naturschutz insgesamt einen politisch höheren Stellenwert bei Abwägungsprozessen zu geben. Das bedeutet auch, dass Naturschutzbehörden als Ämter in Zukunft unabhängiger agieren können, um damit stärker als bisher konkrete Maßnahmen zur Erreichung der Ziele des Naturschutzes umzusetzen.

UH/BJH: Welche Empfehlung würden Sie jüngeren Menschen gerne mit auf den Weg geben?

HW: Eine zentrale Empfehlung ist, nicht mutlos zu werden, durchzuhalten und nicht darauf zu hoffen, dass sich Erfolge sofort einstellen. Man sollte sich nicht allein auf sich gestellt für Natur- und Umweltschutzziele einsetzen, sondern immer versuchen, gemeinsam mit anderen, ob innerhalb oder außerhalb von Organisationen, konkreten Fortschritt für den Naturschutz zu erzielen.

Ulrike Hoffmann (UH), Beate Job-Hoben (BJH): Viele junge Menschen engagieren sich aus persönlichen Gründen für Natur- und Umweltschutz. Was motiviert Sie, sich im Naturschutz zu engagieren?

Carolin Fröhlich (CF): Mein persönlicher Hintergrund und meine Motivation, mich bei Fridays for Future zu engagieren, liegt natürlich in der Klimakrise begründet. Für mich bedeutet Natur- und Umweltschutz auch, gegen die Klimakrise vorzugehen. Meiner Meinung nach können wir Menschen nur weiterhin ein „gutes“ Leben führen, wenn unsere Natur intakt bleibt. Unser gesellschaftliches Zusammenleben wird mehr von der Natur beeinflusst, als wir es uns oftmals eingestehen wollen. Deswegen müssen wir meiner Meinung nach endlich handeln, um unsere Lebensgrundlage nicht weiter zu zerstören – allen voran gilt das für die Industriestaaten.

Gesche Kieb (GK): Ich sehe das ähnlich wie Carolin und finde es viel besser, auf der Seite mitzuhelfen, die versucht, Lösungen für die gesellschaftlichen Herausforderungen wie den Klimawandel und den Verlust an biologischer Vielfalt zu finden. Ich engagiere mich beim Deutschen Jugendbund für Naturbeobachtung (DJN) und stelle immer wieder fest, dass vor allem Bildungsarbeit und die Vernetzung von Menschen grundlegende Bausteine für Lösungsansätze sind.

Marvin Manzenberger (MM): Ich möchte hier noch einen weiteren Aspekt hinzufügen. Ich war lange UN-Dekade-Jugendbotschafter [Anmerkung der Redaktion: UN-Dekade Biologische Vielfalt 2011 – 2020], und meine intrinsische Motivation, mich für Natur- und Umweltthemen zu engagieren, begründe ich mit moralischen Argumenten. Außerdem bin ich überzeugt, dass ein erfolgreicher Natur- und Umweltschutz gleichzeitig auch bei der Lösung sozialer Probleme hilft. Somit ist mein „ökologisches“ Engagement für mich auch ein moralischer Einsatz für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft.

Marco Lutz (ML): Ich habe meinen Zugang zu einem Engagement im Naturschutz über Freunde gefunden, mit denen ich anfangs einfach nur Zeit in der Natur verbracht habe. Erst durch die Beschäftigung mit Naturschutzthemen wurde mir dann auch bewusst, wie wenig Bedeutung diese Themen in unserer Gesellschaft haben. Das hat mich motiviert, mich über eigenes „Anpacken“ und Bildungsarbeit hinaus im politischen Naturschutz zu engagieren. Dabei gehen für mich Naturschutz und Jugendthemen im Sinne der Nachhaltigkeit und einer langfristigen Sicherung der Lebensgrundlagen Hand in Hand. Deswegen lag es für mich nahe, mich in einem Jugendumweltverband zu engagieren.

UH/BJH: Was sind für Sie die größten Herausforderungen im Natur- und Umweltschutz und welche Mitgestaltungsmöglichkeiten sehen Sie?

MM: Ich finde, in den Diskussionen um die größten Herausforderungen der Zukunft dominiert sehr häufig der Klimaschutz. Meines Erachtens ist nicht ausschließlich der Klimaschutz von enormer Bedeutung. Unsere Eingriffe in die Natur werden immer größer und damit nehmen auch die negativen Auswirkungen auf die Natur zu. Für mich spielt das Konzept der „ökologischen Belastungsgrenzen“ eine besonders große Rolle, da darin die wichtigsten Herausforderungen der Zukunft definiert sind. Meiner Meinung nach sind eine wichtige Säule der Mitgestaltung „starke Bündnisse“ für mehr Nachhaltigkeit. Zudem benötigen wir ein stärkeres Naturbewusstsein in der Gesellschaft. Ich finde es hierbei sehr wichtig, dass das Naturverständnis durch eine zielgruppengerechte und überzeugende Kommunikation weiter gefördert wird.

CF: Für mich ist klar: Wenn wir die Klimaziele auf der Erde nicht erreichen, wird das verheerende ökologische Folgen haben. Ein internationales Vorgehen, bei dem sich die Industriestaaten nicht ihrer Verantwortung entziehen, hat für mich die größte Bedeutung. Durch mein Mitwirken bei Fridays for Future versuche ich, in Deutschland und Europa auf eine Mobilitäts- und Energiewende hinzuwirken und politische Entscheidungen in Richtung einer klimagerechten Zukunft einzufordern. Außerdem bin ich ähnlicher Meinung wie Marvin, dass ein stärkeres Naturbewusstsein in unserer Gesellschaft notwendig ist. Meiner Meinung nach sollte allen Menschen ein Zugang zur Natur geboten und ein respektvoller Umgang mit der Natur beigebracht werden. Daher fordere ich alle auf, sich ihrer politisch-gesellschaftlichen Verantwortung zu stellen.

GK: Ja, das sehe ich genauso und stimme Carolin zu. Auch für mich liegen die größten Herausforderungen im Klimawandel und im Rückgang der biologischen Vielfalt. Ich hoffe, mit dem DJN über die Arbeit zu naturkundlichen Themen einen Beitrag dazu leisten zu können, dass es auch zukünftig noch Menschen gibt, die speziellere Artenkenntnisse besitzen.

ML: Ich schließe mich da ebenso an und finde, die größten Herausforderungen im Natur- und Umweltschutz sind die Eindämmung des Artenschwunds und der Klimawandel. Erschreckend finde ich, dass es immer noch am gesellschaftlichen Bewusstsein für die Wichtigkeit beider Probleme mangelt. Als Teil der Lösung sehe ich hier die Bewusstseinsbildung in Politik und Gesellschaft. Wir müssen unser Leben und Handeln nachhaltig umgestalten und bei dieser Transformation wirklich alle Menschen mitnehmen. Meinen Beitrag dazu sehe ich in der Umsetzung von NAJU-Bildungsprojekten und in der politischen Arbeit der NAJU. Ergänzend dazu überzeuge ich aber auch mein privates Umfeld von einem nachhaltigen Lebensstil.

UH/BJH: Auch das Ehrenamt wird vom gesellschaftlichen Wandel beeinflusst. Welche aktuellen Probleme und Hindernisse nehmen Sie bei Ihrer Tätigkeit wahr?

GK: Bei dieser Frage rückt für uns im DJN vor allem das Nachwuchsproblem in den Vordergrund. Meinen Erfahrungen nach finden viele junge Erwachsene erst über ein Studium zum DJN, nur wenige sind schon während der Schulzeit aktiv, obwohl der Verein junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren anspricht. Ich wünsche mir, dass vor allem in Lehrplänen von Schulen und Bildungseinrichtungen Natur- und Umweltthemen mehr Gewicht bekommen. In der heutigen Zeit sind auch die Anforderungen an die jungen Menschen gestiegen. Das ist meiner Meinung nach ein wesentlicher Grund, weshalb für ehrenamtliche Tätigkeiten oftmals keine zeitlichen Kapazitäten mehr bestehen.

MM: Ich würde bei dieser Frage gerne noch eine übergeordnete Ebene ansprechen. Meines Erachtens existieren innerhalb des Naturschutzes viele Zielkonflikte, die untereinander abgewogen und an konkreten Umsetzungsfragen diskutiert werden müssen. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, bedarf es eines intensiven Austauschs – auch oder gerade unter jungen ehrenamtlich Engagierten. Darüber hinaus finde ich auch, dass die Pandemie eine völlig neue Herausforderung für das ehrenamtliche Engagement war. Die Coronakrise hat durch die weggebrochenen Präsenzveranstaltungen viele Netzwerke auf die Probe gestellt. Umso wichtiger ist es, nach der Pandemie den Austausch der nachrückenden Engagierten umso mehr zu fördern – strukturell und finanziell.

CF: Ich schließe mich der Meinung von Marvin an und finde, dass die Coronapandemie viele strukturelle Probleme für das ehrenamtliche Engagement sichtbar gemacht hat. Diese unmittelbare Gesundheitskrise hat die Klimakrise und andere umweltökologische Themen überlagert, da sie für viele Menschen aus der Gesellschaft oft nicht so fassbar sind. Meiner Meinung nach ist es besonders wichtig, Menschen auch weiterhin für ein Engagement für Natur- und Umweltschutzthemen zu motivieren und am Ball zu halten – innerhalb der F4F-Bewegung, aber auch außerhalb.

ML: Bei dieser Frage möchte ich noch einen anderen Aspekt ansprechen, den ich in den letzten Jahren beobachtet habe. Ich nehme als eine zunehmende gesellschaftliche Herausforderung die Spaltung der Gesellschaft wahr, vor allem erkennbar in den sozialen Medien. Beiträge zu Umweltthemen, aber auch Genderfragen oder Themen wie Zuwanderung werden mit Hasskommentaren überschüttet. Ich sehe große Schwierigkeiten, Naturschutzthemen in den (sozialen) Medien angemessen zu platzieren und unter anderem auch für ein Engagement im Natur- und Umweltschutz zu werben.

UH/BJH: Wie sehen Sie die künftige Entwicklung des Ehrenamts im Naturschutz?

ML: Ich blicke zuversichtlich und hoffnungsvoll in die Zukunft des ehrenamtlichen Engagements junger Menschen im Naturschutz. Die Bereitschaft junger Menschen, sich für ihre eigene Zukunft einzusetzen, bestätigt sich z. B. in der Fridays-for-Future-Bewegung und in der Jugendnaturbewusstseinsstudie des Bundesamtes für Naturschutz. Die Mitgliederzahlen bei den Naturschutzverbänden steigen. Einige dieser neuen jungen Mitglieder engagieren sich vorerst auf Demos und finden dann ihren Platz im Ehrenamt. Bei anderen jungen Menschen, die sich für Umwelt- und Naturschutzthemen lediglich interessieren, sehe ich gerade in dieser Zeit großes Potenzial, sie durch Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit unseres Vereins als neue Ehrenamtliche zu gewinnen.

GK: Ich schließe mich Marco an und erwarte, dass in der Zukunft Umwelt- und Naturschutzthemen durch den Kontext des Klimawandels immer mehr in den Fokus rücken. Aus diesem Grund bin ich optimistisch, dass sich in den nächsten Jahren noch mehr Menschen für diese Themen engagieren werden. Mir ist hier besonders wichtig, dass dafür auch geeignete Ressourcen geschaffen werden, um sinnvoll organisieren und klug anleiten zu können.

MM: Ähnlich wie Gesche sehe ich das Entwicklungspotenzial des Natur- und Umweltschutzes vor allem auf der Handlungsebene und fordere dafür eine bessere Finanzierung. Der Naturschutz darf sich meiner Meinung nach nicht auf den „Schultern des Ehrenamts“ ausruhen, sondern muss weiterhin aktiv mitgestalten, umsetzen und finanzieren.

CF: Ich wünsche mir, dass die Themen Naturschutz und Klimagerechtigkeit vereint im öffentlichen Diskurs wahrgenommen werden. Ich möchte weiterhin auf eine Welt hinarbeiten, in der die biologische Vielfalt erhalten bleibt und Natur- und Lebensräume nicht zunehmend zerstört werden.

UH und BJH: Wir bedanken uns für das Gespräch zur Zukunft des ehrenamtlichen Engagements im Naturschutz.

Fazit und Ausblick

Die vier interviewten jungen Erwachsenen berichten hier über ihre persönliche Motivation, ihre aktive Mitgestaltung und über die größten Herausforderungen und Hindernisse ihres ehrenamtlichen Engagements im Natur- und Umweltschutz und sind zuversichtlich: In Zukunft werden sich immer mehr (junge) Menschen für die Bewältigung der Klimakrise einsetzen und sich zunehmend auch mit Fragen des Naturschutzes, wie dem Verlust der biologischen Vielfalt, auseinandersetzen. In den Augen der Interviewten ist es wichtig, die beiden großen Krisen – Klimawandel und Verlust der biologischen Vielfalt – miteinander zu denken und diese in der Bewältigung gemeinsam anzugehen. Der Bedarf an ehrenamtlichem Engagement in diesem Handlungsfeld wird zukünftig steigen, da im Zusammenhang mit der Klimakrise und dem Verlust der biologischen Vielfalt verstärkt Probleme zu erwarten sind, somit großer Handlungsdruck entsteht und im Sinne der Generationengerechtigkeit die Zukunft der jungen Generation unmittelbar betroffen ist. Die Anliegen Jugendlicher und junger Erwachsener ernst zu nehmen und sich mit deren Lebenswelten und Bedürfnissen zu befassen, ist für den Naturschutz und seine Ehrenamtlichen nicht nur wichtig, weil sich eine junge Generation für Natur- und Umweltschutzthemen interessiert, sondern weil Naturschutz grundsätzlich als intergenerationell zu begreifen ist.

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Dr. Ulrike Hoffmann

Korrespondierende Autorin

Bundesamt für Naturschutz

Fachgebiet I 2.2 „Naturschutz, Gesellschaft und soziale Fragen“

Konstantinstraße 110

53179 Bonn

E-Mail: ulrike.hoffmann@bfn.de Jahrgang 1980; von 2000 bis 2007 Studium der Geographie sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Physische Geographie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit Abschluss Diplom. Anschließend Promotion zum Dr. phil. Physiogeographie und Umweltwandel an der Universität Basel und Stipendium an der University of Calgary, Kanada (2007 – 2011). Seit 2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesamt für Naturschutz im Fachgebiet „Naturschutz, Gesellschaft und soziale Fragen“. Arbeitsschwerpunkte: Naturschutzkommunikation, Naturschutzverständnis, Weiterentwicklung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt, Akzeptanz im Kontext erneuerbarer Energien sowie Bürgerpartizipation und Ehrenamt.

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Beate Job-Hoben

Bundesamt für Naturschutz

Fachgebiet I 2.2 „Naturschutz, Gesellschaft und soziale Fragen“

Konstantinstraße 110

53179 Bonn

E-Mail: beate.job-hoben@bfn.de

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