Kyra Zembold, Fionn Pape, Ute Grothey, Erwin Bergmeier und Stefan Meyer
Zusammenfassung
Bereits seit Ende der 1980er-Jahre gibt es in Niedersachsen Agrarumweltmaßnahmen (AUM) zur Förderung gefährdeter
Ackerwildkräuter. In der Förderperiode von 2014 bis 2022 wurde hierzu die AUM BS 3 „Mehrjährige Schonstreifen für
Ackerwildkräuter“ angeboten. Im Landkreis Göttingen wurde mithilfe leitfadengestützter Interviews eine Befragung der an dieser AUM
teilnehmenden Landwirtinnen und Landwirte durchgeführt. Ziel war es, ihre Erfahrungen mit der Maßnahme sowie die Motivation für
ihre Teilnahme zu evaluieren. Zudem wurde die Wahrnehmung der Befragten zur Entwicklung der lokalen Biodiversität dokumentiert.
Für eine Teilnahme der Landwirtinnen und Landwirte am BS-3-Programm waren primär die ausreichende finanzielle Ausstattung und eine
individuelle Biodiversitätsberatung ausschlaggebend. Darüber hinaus wurden bestehende Pachtverhältnisse und die Einstellung der
Flächeneigentümerinnen und -eigentümer als Faktoren für die Entscheidungsfindung benannt. Die BS-3-Maßnahme und ihre Ausgestaltung
wurde von den Landwirtinnen und Landwirten überwiegend positiv wahrgenommen. Konkrete Verbesserungsvorschläge für die Umsetzung in
der kommenden Förderperiode waren u. a. eine digital gestützte Ausmessung der Förderflächen durch die Kontrollinstanzen, ein
früherer Bewilligungsbescheid und die Möglichkeit der „Blindbestellung“ (Bearbeitung ohne Neueinsaat).
Ackerrandstreifen − Agrarumweltmaßnahmen – Agrobiodiversität − Bewirtschafterperspektive − Landwirtschaft − Niedersachsen – SegetalfloraAbstract
Measures to promote endangered segetal plants have been funded in Lower Saxony since the late 1980s. In the 2014 – 2022
funding period, the agri-environmental measure BS 3 “Perennial conservation strips for segetal plants” was offered for this
purpose. In the Göttingen district (Lower Saxony, Germany), semi-structured interviews with farmers participating in the measure
were conducted. The aim was to evaluate their experience with the measure as well as the motivation for their participation. In
addition, the perception of the respondents on the development of local biodiversity was documented. The main reasons for farmers
to participate in the BS 3 programme were sufficient financial compensation and individual biodiversity consultation. In addition,
existing lease relationships and the mindset of the landowners were named as factors in the decision-making process. The BS 3
measure and its design are predominantly perceived positively by the farmers. Specific suggestions for improvements in the next
funding period comprised digitally supported measurement of the subsidised areas by the supervisory authorities, earlier
notification of approval and the option of “blind tilling” (tilling without reseeding).
Farming field margin − Agri-environmental measures − Agrobiodiversity − Stakeholder perception − Agriculture −
Lower Saxony − Segetal floraInhalt
1 Einleitung
Seit den 1960er-Jahren führte die landwirtschaftliche Intensivierung mit dem Ziel der Ertragssteigerung zu einem drastischen
Rückgang der Biodiversität in Agrarökosystemen (Meyer et al. 2014b; Carmona et al. 2020). Der Teilindikator „Agrarland“ des Indikators „Artenvielfalt und
Landschaftsqualität“ der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt zeigt, dass dieser Abwärtstrend in Deutschland weiterhin
anhält (BMU 2021a, b). Um den
Biodiversitätsrückgang in der Agrarlandschaft zu stoppen oder wieder umzukehren, kommt v. a. den Flächenbewirtschafterinnen und
-bewirtschaftern eine Schlüsselrolle zu (de Snoo et al. 2013; Dessart et al. 2019; Stupak et al. 2019), da sie mit
ihrer Bewirtschaftungspraxis die Landschaft und die Habitate agrarisch gebundener Arten prägen. Bereits seit mehreren Jahrzehnten wird
daher mit Agrarumwelt(klima)-maßnahmen (AU[K]M) versucht, diesen Akteuren einen finanziellen Anreiz zur Förderung der
Agrobiodiversität zu geben. Als erste AUM in Deutschland wurde zu Beginn der 1980er-Jahre das Ackerrandstreifenprogramm in
Nordrhein-Westfalen etabliert (Schumacher 1984). Ziel dieses Programms war es, durch
Unterlassen der chemischen und mechanischen Unkrautbekämpfung und der Düngung im Randbereich der Felder, Ackerwildkräuter zu erhalten
und zu fördern. Auf diesen Streifen erfolgt eine reguläre Einsaat mit der Kulturart, aber das spontane Aufkommen der Segetalflora wird
zugelassen. Ackerrandstreifen sind zu unterscheiden von den aktuell häufig angelegten Blühstreifen, bei denen eine Einsaat mit ein-
oder mehrjährigen Blühpflanzen erfolgt, aber keine Kulturart mit dem Ziel der Produktion eingebracht wird.
In den Folgejahren übernahmen zahlreiche weitere Bundesländer diesen Ansatz (Meyer et al.
2013). In Niedersachsen werden seit Ende der 1980er-Jahre Maßnahmen zur Förderung von Ackerwildkräutern umgesetzt (siehe
Kasten 1). In der Förderperiode 2014 – 2022 der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wurde
hierzu die AUM BS 3 „Mehrjährige Schonstreifen für Ackerwildkräuter“ angeboten. In den letzten Jahren hat sich die
ackerwildkrautfreundlich bewirtschaftete Fläche kontinuierlich erhöht (Abb. 1): Im
Jahr 2019 umfasste die Vertragskulisse für die BS-3-Maßnahme (d. h. Betriebe, die in diesem Jahr einen Antrag auf Auszahlung stellten)
niedersachsenweit insgesamt 917 ha und im Landkreis Göttingen 68 ha (MU Niedersachsen 2022). Bis zum Jahr 2021 stieg die
Vertragskulisse auf 1.331 ha (Niedersachsen) bzw. 96 ha (Göttingen) an. Die gesamte potenzielle Förderkulisse für BS 3 im Landkreis
Göttingen beträgt aktuell 964,5 ha (1,6 % der gesamten ackerbaulichen Nutzfläche). In der Kulisse (siehe Kartendienst im Internet
abrufbar unter https://bit.ly/NI-Naturschutzgerechte-Bewirtschaftung-Acker) werden reale Fundorte gefährdeter und sel-tener
Ackerwildkräuter abgebildet, die entlang von Ackerrändern entdeckt wurden und deswegen nur als schmale Streifen in die BS-3-Kulisse
integriert werden. Da aber alle Schläge, die von einem solchen Fundort-Polygon angeschnitten werden, nach BS 3 gefördert werden
können, ist die potenzielle Förderfläche im Grunde wesentlich größer als die offiziell angegebenen Hektarzahlen.
Kasten 1: Das niedersächsische Ackerwildkrautprogramm: Agrarumweltmaßnahme (AUM) BS 3 „Mehrjährige
Schonstreifen für Ackerwildkräuter“.
Box 1: The Lower Saxony programme for the conservation of segetal plants: Agri-environmental measure (AUM)
BS 3 “Perennial conservation strips for segetal plants”.
Schonstreifen zur Förderung von Ackerwildkräutern werden in Niedersachsen seit 1987 eingerichtet (Schacherer 1989). Hierbei wird auf einem Teil des sonst regulär mit Raps oder Getreide
bestellten Schlags auf chemische Pflanzenschutzmittel und Düngung verzichtet und so das Aufkommen der Ackerbegleitflora
ermöglicht. In der Förderperiode 2014 – 2022 der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wurden die Schonstreifen in Niedersachsen über
Teil III der Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen Niedersachsen (NiB-AUM) gefördert. Die Teilnahme an der Maßnahme konnte von
konventionell wirtschaftenden Landwirtinnen und Landwirten beantragt werden.
Förderbedingen der AUM BS 3 von 2014 bis 2022 (NMELV 2016):
● Zuschlag von 545 €/ha für Verzicht auf Ernte, dann Einarbeitung des Bestands in den Boden frühestens am 1.8. oder
Möglichkeit, den Aufwuchs bis zur Sommerung im Frühjahr stehen zu lassen. Zuschlag von 100 €/ha für Beteiligung der
Unteren Naturschutzbehörde (UNB) an der konkreten Flächenlage, Gesamtförderung bis zu 1.395 €/ha/Jahr. ● Zuwendungsfähig sind nur Ackerflächen, die zumindest teilweise in der festgelegten Förderkulisse liegen.
● Schonstreifen mit einer Breite von mindestens 6 m und maximal 30 m, bei besonderer naturschutzfachlicher Bedeutung
und mit Zustimmung der UNB auch ganze Schläge. ● Anbau von Sommer-/Wintergetreide (kein Mais) oder Raps. Anbau von Zwischenfrüchten ist zulässig, die Aussaat von
Wildkräutern hingegen untersagt. ● Es dürfen keine mechanische Wildkrautregulierung sowie kein Eggen und Striegeln der jungen Saaten
erfolgen. ● Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln, die Stickstoff enthalten, ist untersagt.
Abb. 1: Entwicklung der BS-3-Förderfläche (BS 3 = Agrarumweltmaßnahme „Mehrjährige Schonstreifen für Ackerwildkräuter“)
in Niedersachsen und im Landkreis Göttingen (MU Niedersachsen 2021, 2022). Die Gesamtfläche des Landkreises beträgt 175.329 ha (Landkreis Göttingen 2021). Fig. 1: Development of the BS 3 area (BS 3 = agri-environmental measure “Perennial conservation strips for segetal
plants”) in Lower Saxony and the Göttingen district (
MU Niedersachsen 2021,
2022). The total area of the district is 175,329 ha (
Landkreis Göttingen 2021).
Auch vor dem Hintergrund der steigenden Nachfrage am Ackerwildkrautprogramm war es das Ziel der Autorinnen und Autoren, neben
einer ökologischen Evaluation (siehe Pape et al. 2023) auch die Perspektive der Landwirtinnen und Landwirte abzubilden.
Insbesondere die Motivation zur Teilnahme am Programm und bisherige Erfahrungen standen im Fokus unseres Interesses.
2 Methoden
Im Jahr 2019 nahmen im Landkreis Göttingen insgesamt zehn Landwirtinnen/Landwirte an der AUM BS 3 teil. Mit neun von ihnen wurden
im Sommer 2019 qualitative Interviews auf ihrem jeweiligen Betriebssitz durchgeführt. Die Befragten sind hierbei identisch mit den
Flächenbewirtschafterinnen und -bewirtschaftern der von Pape et al. (2023) untersuchten BS-3-Ackerflächen. Die Befragten bewirtschafteten zwischen
18 ha und 450 ha Ackerland mit einem Anteil von 0,4 – 4,2 % BS-3-Flächen (siehe Tab. 1).
Die Kontaktaufnahme erfolgte über den Landschaftspflegeverband Göttingen e. V., der eine langjährige Zusammenarbeit mit den örtlichen
Landwirtinnen und Landwirten pflegt.
Die Befragungen wurden mithilfe eines Leitfadens strukturiert, wobei die Reihenfolge der Fragen variierte („semi-strukturiertes
Interview“ bzw. „Leitfadengespräch“; vgl. Schnell et al. 2011). Der Leitfaden enthielt
vorwiegend offene Fragen zu Erfahrungen mit dem Ackerwildkrautprogramm (siehe Kasten 2).
Zusätzlich wurden zu Beginn des Interviews Rahmendaten zur Betriebsgröße und zur Dauer der Teilnahme am Programm erfragt. Die Länge
der Interviews variierte zwischen 45 und 120 Minuten. Während der Interviews wurden die Antworten der Befragten schriftlich in Form
eines selektiven Protokolls dokumentiert (vgl. Mayring 2016). Hierbei lag der Fokus auf den
inhaltlichen Kernaussagen mit direktem Bezug zur Fragestellung (vgl. Kasten 2,). Eine
Tonaufnahme war von den meisten Interviewten nicht erwünscht.
Anschließend wurden die einzelnen Protokolle ausgewertet und die genannten Motive zur Teilnahme an der BS-3-Maßnahme, die
beschriebenen Verbesserungsvorschläge bzw. Erfahrungswerte und Äußerungen zur Wahrnehmung der Biodiversität zusammengetragen.
LW
|
Bewirtschaftete Flächen [ha]
|
Anteil BS-3-Flächen
|
Anteil gepachteter Flächen [%]
|
Acker
|
Grünland
|
Gesamt
|
[ha]
|
[%]
|
1 | 450,0 | 0,0 | 450 | 12,0 | 2,7 | 90 |
2 | NA | NA | 290 | 4,0 | 1,4 | NA |
3 | 125,0 | 25,0 | 150 | 0,5 | 0,3 | 50 |
4 | 18,3 | 7,1 | 25 | 0,4 | 1,6 | 100 |
5 | 125,0 | 22,0 | 147 | 15,0 | 10,2 | 65 |
6 | NA | NA | 340 | 14,0 | 4,1 | 88 |
7 | 119,3 | 0,7 | 120 | 0,8 | 0,7 | 20 |
8 | 45,0 | 0,0 | 45 | 0,6 | 1,3 | 26 |
9 | 40,0 | 70,0 | 110 | 2,0 | 1,8 | 85 |
NA = nicht angegeben |
Tab. 1: Größe der bewirtschafteten Flächen der neun befragten Landwirtinnen und Landwirte (LW) und jeweiliger Anteil
der BS-3-Flächen (BS 3 = Agrarumweltmaßnahme „Mehrjährige Schonstreifen für Ackerwildkräuter“) und der gepachteten
Flächen. Im Durchschnitt sind 65,5 % (± 28,6) der bewirtschafteten Gesamtfläche gepachtet
(Quelle: Eigenaussage der Befragten).
Table 1: Size of farmed areas of the nine surveyed farmers (LW) and respective share of BS 3 areas
(BS 3 = agri-environmental measure “Perennial conservation strips for segetal plants”) and respective share of leased areas.
On average, 65.5 % (± 28.6) of the total farmed area is leased.
(source: respondents' own statements)
Kasten 2: Leitfaden zur Befragung der Landwirtinnen und Landwirte aus dem Landkreis Göttingen, die im
Jahr 2019 an der Agrarumweltmaßnahme (AUM) BS 3 „Mehrjährige Schonstreifen für Ackerwildkräuter“ teilnahmen.
Box 2: Guideline for the interviews with farmers in the Göttingen district who participated in the
agri-environmental measure BS 3 “Perennial conservation strips for segetal plants” in 2019.
Motivation zur Teilnahme am Ackerwildkrautprogramm
● Was hat Sie dazu bewogen, an der AUM BS 3 bzw. am Ackerwildkrautprogramm teilzunehmen?
Erfahrungen mit dem Ackerwildkrautprogramm
● Welche Eindrücke haben Sie von den Flächen seit der Teilnahme im Programm (z. B. welche Arten nehmen zu oder
ab)? ● Wie verwenden Sie die Ernte der BS-3-Flächen und wie entwickelt sich der Ertrag, seitdem die Flächen im Programm
sind? ● Gibt es strukturelle Probleme im Ackerwildkrautprogramm, die Sie über einen Ausstieg haben nachdenken lassen? Wenn
ja, welche? ● Haben Sie Verbesserungsvorschläge für die praktische Umsetzung des Ackerwildkrautprogramms? Wenn ja,
welche? ● Haben Sie vor, auch zukünftig am Ackerwildkrautprogramm teilzunehmen?
Wahrnehmung von Biodiversität und Maßnahmenwirkung
● Haben Sie selbst in den Jahren Ihrer Tätigkeit als Landwirtin/Landwirt einen Rückgang der Artenvielfalt
beobachtet? Wenn ja, welche Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach am zielführendsten, um dem Artenverlust
entgegenzusteuern? ● Haben Sie Wertschätzung für Ihre Teilnahme am Ackerwildkrautprogramm erfahren oder im Gegenteil Kritik?
● Würden Sie sich eine stärkere und kontinuierliche Beratung („Biodiversitätsberatung für Landwirtinnen und
Landwirte“) wünschen?
3 Ergebnisse
Im Folgenden werden die Antworten der befragten Landwirtinnen und Landwirte in zusammengefasster Form wiedergegeben. Aufgrund der
geringen Anzahl der Interviews wurde bei wörtlichen Zitaten auf eine (anonymisierte) Zuordnung zu den einzelnen Interviewpartnerinnen
und -partnern verzichtet, um keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen zu ermöglichen.
3.1 Motivation für die Teilnahme am Ackerwildkrautprogramm
Zwei Drittel der Befragten gaben an, dass die Ausgleichzahlung der Hauptgrund für ihre Teilnahme am Ackerwildkrautprogramm sei.
Insbesondere auf ackerbaulichen Grenzertragsstandorten oder auf Flächen mit gelegentlichen Ernteausfällen (z. B. durch Wilddruck an
Waldrändern) wurde die Maßnahme als finanzielle Absicherung empfunden: „Die Wildschweine spielen dann keine Rolle mehr.“ So auch im
Dürrejahr 2018: „Wenn dann Mitte Mai das Wasser weg war, war das [Ackerwildkrautprogramm] das Beste, was den Flächen passieren
konnte.“ Auf Böden mit geringer Ertragsmesszahl rentiere sich die Teilnahme an der BS-3-Maßnahme besonders, da hier ohnehin keine
hohen Erträge zu erwarten seien. Auch wenn der finanzielle Aspekt als Begründung häufig genannt wurde, war dies nie das alleinige
Motiv. In jedem Fall wurde zusätzlich einer der folgenden Aspekte benannt.
Als zweithäufigster Teilnahmegrund wurde der persönliche Kontakt zu Vertreterinnen und Vertretern des
Landschaftspflegeverbands Landkreis Göttingen e. V., der Biologischen Schutzgemeinschaft Göttingen e. V. und der Unteren
Naturschutzbehörde des Landkreises Göttingen genannt. Vier Landwirtinnen/Landwirte gaben an, dass sie durch engagierte
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zuvor seltene Arten auf den Flächen entdeckt hatten, von der Teilnahme am Ackerwildkrautprogramm
überzeugt worden seien.
An dritter Stelle folgt eine intrinsische Motivation für den Naturschutz. Ein Drittel der Befragten nannte dies als Motiv für ihre
Teilnahme. Weitere Punkte waren, dass AUM als Teil der Wildhege interpretiert werden (die Landwirtin/der Landwirt ist im Besitz eines
Jagdscheins) oder dass die Fläche genutzt wird, um neue Anbaumethoden und Feldfrüchte zu erproben. Die ertragsunabhängige BS-3-Prämie
stellt auch in diesem Fall eine Art „Versicherung“ dar.
Einfluss des Pachtverhältnisses
Durchschnittlich waren zwei Drittel der bewirtschafteten Flächen nicht Eigentum der befragten Landwirtinnen und Landwirte, sondern
gepachtet. In vier Fällen waren es mehr als 75 % der Betriebsfläche (Tab. 1). Auch wenn im
Interview-Leitfaden ursprünglich keine Frage zum Einfluss des Pachtverhältnisses auf die Teilnahme am Ackerwildkrautprogramm
vorgesehen war, wurde dieser Aspekt von acht Befragten angesprochen. In drei Fällen wurde von negativen Reaktionen gegenüber der
BS-3-Maßnahme berichtet (Abb. 2). Es sei schwierig gewesen, die Eigentümerinnen/Eigentümer
von der Maßnahme zu überzeugen, insbesondere „wenn da oben dann Kräuter oder gar Disteln rausgucken, wird das überhaupt nicht gerne
gesehen“. Dies sei besonders bei Verpächterinnen und Verpächtern mit einer konservativen Einstellung zur Landwirtschaft ein Hindernis.
Einer der Befragten gab zudem an, dass die steigenden Pachten den finanziellen Druck auf die Landwirtinnen und Landwirte erhöhen
würden und für die Teilnahme an AUM daher „immer weniger finanzieller Spielraum“ bestehe. Andererseits wurde auch von Verpächterinnen
und Verpächtern berichtet, die es begrüßen würden, dass die Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter sich im Naturschutz engagieren.
Insgesamt sei die Motivation für nachhaltiges Wirtschaften auf den eigenen Flächen größer als auf Pachtflächen. Dies läge u. a. am
größeren Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem eigenen Grundbesitz, aber auch daran, dass die erreichten Erfolge von einer
Nachpächterin/einem Nachpächter eventuell wieder zunichte gemacht werden könnten.
Abb. 2: Reaktionen verschiedener Akteure auf die Teilnahme der neun Landwirtinnen und Landwirte am
Ackerwildkrautprogramm; „neutral“ = keine Reaktion, z. B. weil die Flächen nicht gut einsehbar sind.
Fig. 2: Reactions of different stakeholders to the participation of nine farmers in the conservation programme for segetal
plants; “neutral” = no reaction, e. g. because the areas are not easily visible.
3.2 Verbesserungsvorschläge der Befragten zur BS-3-Maßnahme
Insgesamt waren die Erfahrungen der Befragten mit der BS-3-Maßnahme gut: Alle gaben an, künftig weiter am Programm teilnehmen zu
wollen. Dennoch wurden einige Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge geäußert, die nachfolgend kurz dargestellt werden.
Ausmessen der Flächengröße und Kontrolle
Während sich die Landwirtinnen und Landwirte im Allgemeinen verständnisvoll über Kontrollen äußerten, gab es wiederholt Kritik
bezüglich der Überprüfung der Flächengröße. Hier wurde berichtet, dass verschiedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuständigen
Kontrollinstanzen zu unterschiedlichen Ergebnissen in Bezug auf die Flächengröße gekommen seien. Da die Landwirtinnen und Landwirte
bei einer zu geringen Größe eine Rückzahlung leisten müssen, führt diese Ungenauigkeit zu Verunsicherung. Zudem sei das selbstständige
Ausmessen der Flächengrößen für Landwirtinnen und Landwirte ohne professionelle Vermessungstechnik sehr aufwändig, wodurch
Kleinbetriebe überproportional belastet würden. Es wurde angeregt, das Ausmessungsverfahren zu digitalisieren und eine
luftbildgestützte Abmessung der Bewilligungsflächen zu ermöglichen.
Einsaat
Mehrere Befragte berichteten, dass sie die alljährliche Wiedereinsaat der Schonstreifen mit Kulturarten als überflüssig ansähen,
da bei der BS-3-Variante mit Ernteverzicht sehr viel keimfähiges Saatgut auf der Ackerfläche verbleibe und im kommenden Jahr neu
aufkommen könne. Eine erneute Aussaat führe teilweise zu extrem hohen Aufwuchsdichten, die wiederum die Entwicklung der
Ackerwildkräuter beeinträchtigen könnten (Abb. 3). Drei Landwirtinnen/Landwirte säten mit
verringerter Stärke aus, um dieser Problematik entgegenzuwirken. Als mögliche Lösung wurde von den Befragten eine turnusmäßige
„Blindbestellung“ vorgeschlagen, also eine Bearbeitung des Ackers ohne Ausbringung von neuem Saatgut, falls auf ein Beernten der
Fläche verzichtet würde.
Abb. 3: Hohes Aufkommen von Acker-Rittersporn (Consolida regalis) in der Drilllücke eines Weizenackers. Einige
Landwirtinnen und Landwirte berichten, dass Konkurrenz durch Feldfrüchte die Entwicklung der Segetalflora behindert.
Fig. 3: High densitiy of field larkspur (Consolida regalis) in the drilling lane of a wheat field. Some farmers
report that competition from field crops impedes the development of segetal flora.
Ackerunkräuter
Einige Landwirtinnen und Landwirte fürchteten, dass sich durch die extensive Bewirtschaftung ackerbauliche Problemunkräuter wie
Acker-Kratzdistel (Cirsium arvense) und Acker-Fuchsschwanz (Alopecurus myosuroides) auf dem Feld etablieren und auch
nach Beendigung des Programms zum dauerhaften Problem werden könnten. Diese Sorge werde durch die öffentliche Diskussion um mögliche
Herbizidverbote weiter verstärkt. Mechanische Unkrautbekämpfung durch Pflügen vor der Neueinsaat wurde von einem Landwirt ebenfalls
kritisch gesehen: „Da macht man sich das ganze Bodenleben kaputt und das will man ja auch nicht.“
Ertrag und Absatz der Ernte
Keine/r der Befragten plante für die folgende Förderperiode das Abernten der Flächen. Als Grund wurde zum einen der finanziell
attraktive Zuschlag von 545 €/ha für den Ernteverzicht genannt. Zum anderen berichteten viele Landwirtinnen und Landwirte, dass die
Ernte der BS-3-Flächen zu stark mit Ackerwildkräutern verunreinigt sei, um sie zu verkaufen: „Das würden wir so gar nicht los werden.“
Die Nachfrage nach „großen Mengen in gleichmäßiger Qualität“ erschwere es den Landwirtinnen und Landwirten, ihre „verunreinigte“ Ernte
zu verkaufen. Darüber hinaus habe das Getreide durch den Verzicht auf Düngung und den resultierenden geringeren Proteingehalt keine
Backweizenqualität. Als einzige mögliche Nutzung des Ertrags wurde die Ganzpflanzensilage für den Eigenbedarf genannt.
Ein Landwirt mit besonders großer Wirtschaftsfläche gab an, dass die Ernte der BS-3-Schonstreifen zwar stark
verunreinigt sei, dies aber nicht mehr auffalle, wenn er sie mit der Ernte der angrenzenden wildpflanzenarmen Felder vermische. Doch
auch in diesem Fall entschied sich der Landwirt letztlich für die Sonderprämie mit Ernteverzicht.
Bürokratische Hürden
Da der finanzielle Zuschlag für den Ernteverzicht gesondert beantragt werden muss, kam es in einigen Fällen dazu, dass die
Maßnahme zwar mit einem Ernteverzicht beantragt wurde, das Kreuzchen für die Beantragung des Zuschlags aber fehlte. In diesem Fall ist
es den Landwirtinnen und Landwirten verboten, die Fläche abzuernten, aber sie erhalten dafür keine Ausgleichszahlung.
Ein weiterer Kritikpunkt an den administrativen Aspekten der BS-3-Maßnahme ist, dass die Bearbeitungsdauer für Anträge auf die
Fördermaßnahme nach Ansicht der Befragten zu lang sei: Im Antragsjahr der insgesamt fünfjährigen Verpflichtungslaufzeit müsse der
Antrag bereits im Frühsommer eingereicht werden, eine verbindliche Zusage für die Teilnahme an der AUM gebe es jedoch erst zum Ende
des Jahres. Falls es aufgrund einer hohen Nachfrage zu einer Deckelung der Antragsbewilligung komme, erführen die Landwirtinnen und
Landwirte erst entsprechend spät, dass sie an der Maßnahme nicht teilnehmen könnten. Dann sei es für die Bestellung mit einer
Winterfrucht schon zu spät und auf den häufig schlechten Böden „hat man mit einer Sommerung [ökonomisch] verloren“. Es sei für die
Anwenderinnen und Anwender der AUM somit wichtig, bis spätestens Mitte September eine verbindliche Zusage zu erhalten.
Sonstiges
Ein Landwirt schlug vor, die Höhe der Förderung von der Bodenfruchtbarkeit abhängig zu machen. Denn im Moment lohne es sich zwar
sehr, auf Grenzertragsstandorten beim Ackerwildkrautprogramm mitzumachen, aber „Felder auf guten Böden bekommt man so nicht ins
Programm“.
3.3 Wahrnehmung von Artenvielfalt und Biodiversitätsberatung
Zwei Drittel der Befragten nahmen keinen eindeutigen Rückgang der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft wahr: „Jein. Grundsätzlich
merkt man's schon [den Rückgang]. Das kommt aber auf die Fläche an – auf manchen Flächen wird es eher mehr [Artenvielfalt]“ oder „Das
ist doch alles Panikmache“. Dennoch bestätigen alle Landwirtinnen und Landwirte eine Zunahme der Ackerwildkräuter auf den
BS-3-Flächen. Vier Befragte beobachteten zudem eine Veränderung der Ackerbegleitflora nach ca. zwei bis drei Jahren im Programm: „Der
Blühaspekt sieht jetzt ganz anders aus.“ Zugleich gaben fast alle Befragten (sieben Landwirtinnen/Landwirte) an, dass sie sich die
Flächen nicht im Detail anschauen würden, insbesondere weil dort nicht geerntet würde.
Zwei Drittel der Befragten äußerten sich interessiert an einer (verstärkten) Biodiversitätsberatung zu naturschutzfachlichem
Grundlagenwissen („Wie genau ist denn nun der Zusammenhang zwischen dem Insektensterben und der konventionellen Landwirtschaft?“) und
zur Frage, wie man Naturschutz und gute Erträge miteinander vereinbaren kann. Hier wurden insbesondere praktisch orientierte
Anleitungen gewünscht. Für die Landwirtinnen und Landwirte böte eine solche Beratung zudem eine Hilfe, um das „Maßnahmenchaos“ zu
durchblicken und die verwendete Terminologie („Was ist eine Hecke?“) besser zu verstehen. In Bezug auf die Vielzahl angebotener AUM
besteht bei manchen Landwirtinnen und Landwirten Verwechslungsgefahr, zumal wenn sie an mehreren AUM-Optionen gleichzeitig teilnehmen.
In mehreren Fällen musste beim Interview zunächst geklärt werden, dass die Schonstreifen der BS-3-Maßnahme nicht den eingesäten
einjährigen (BS 1) oder mehrjährigen (BS 2) Blühstreifen entsprechen.
Einige Landwirtinnen und Landwirte nahmen die bisherige Beratung als zu stark an ökonomischem Wachstum orientiert wahr („Immer
größer, immer mehr“) und wünschten sich hierzu eine Alternative. Mehrere Landwirtinnen und Landwirte waren auch an einer
Biodiversitätsführung auf den eigenen BS-3-Flächen interessiert, um ihre Artenkenntnis zu verbessern.
4 Diskussion
Die hier dargestellten Interviews wurden ergänzend zur Untersuchung der ökologischen Wirkung des Ackerwildkrautprogramms
im Land-kreis Göttingen (siehe Pape et al. 2023) durchgeführt. Da im Untersuchungsgebiet nur wenige Landwirtinnen und Landwirte an der untersuchten
Maßnahme teilnahmen, können die ausgewerteten Interviews nur einen begrenzten Einblick in die Perspektive der BS-3-Anwenderinnen und
-Anwender geben. Innerhalb des geographischen Rahmens konnte jedoch die Mehrheit der Landwirtinnen und Landwirte, die am BS-3-Programm
teilnahmen, interviewt werden. Es zeigte sich, dass die drei am häufigsten genannten Gründe für eine Teilnahme am
Ackerwildkrautprogramm (finanzieller Anreiz, persönliche Beratung, intrinsische Motivation) mit den in der wissenschaftlichen
Literatur bekannten Gründen für die Teilnahme von Landwirtinnen und Landwirten an AUM übereinstimmen (Dessart et al. 2019; Brown et al. 2021). Die teils konkret beschriebenen
Verbesserungsvorschläge für die AUM BS 3 in Niedersachsen geben einen Einblick in die Praxiserfahrungen von Landwirtinnen und
Landwirten bei der Umsetzung von AUM.
Die AUM BS 3 wird durch die Landwirtinnen und Landwirte überwiegend positiv bewertet und alle Befragten planten zum Zeitpunkt der
Befragung, die Teilnahme am Ackerwildkrautprogramm fortzusetzen. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei die als angemessen empfundene
Vergütung. Eine gute finanzielle Ausstattung des Programms ist somit eine essenzielle Voraussetzung für die Teilnahme der
Landwirtinnen und Landwirte und folglich für die ökologische Wirksamkeit der Maßnahme. Dies entspricht auch den Ergebnissen von
Güthler, Waltz (2018) und Offenberger (2018)
aus den Befragungen zum bayerischen Acker-Vertragsnaturschutzprogramm und es spiegelt sich in den Erfahrungen in den Jahren
2007/2008 wider, als eine Senkung der Förderhöhe einen massiven Rückgang der Teilnahme an der damaligen
niedersächsischen Ackerwildkraut-AUM zur Folge hatte (Fink 2012).
Die zunehmende ökonomische Belastung der Landwirtinnen und Landwirte durch steigende Pachtpreise (LSN 2021) wurde in den Befragungen als ein Hemmnis für die Teilnahme an AUM benannt. Vor diesem Hintergrund scheint es
besonders kritisch, dass ein Drittel der Landwirtinnen und Landwirte von negativen Reaktionen der Flächeneigentümerinnen und
-eigentümer auf ihre Teilnahme am BS-3-Programm berichtete. Dies zeigt, dass Initiativen, die das Thema Biodiversität stärker in das
Blickfeld der Verpächterinnen und Verpächter rücken − bspw. das Projekt FairPachten vom Naturschutzbund (NABU) Deutschland, https://www.fairpachten.org − dringend notwendig und dauerhaft fortzuführen
sind.
Positiv nahmen die befragten Landwirtinnen und Landwirte wahr, dass Ernteausfälle durch Wetterextreme oder Wildschäden weniger ins
Gewicht fallen, wenn nicht nur durch den Verkauf der Ernte, sondern auch durch Fördergelder Einnahmen generiert werden. So kann die
Teilnahme an AUM als Instrument zum betrieblichen Risikomanagement betrachtet werden, da die wirtschaftliche Resilienz durch eine
Diversifizierung der Einkommensquellen gesteigert wird (Dörschner, Musshoff 2013; Mouysset et al. 2013). Auch die bayerischen Landwirtinnen und Landwirte erkennen dieses
Potenzial (Offenberger 2018). Hervorzuheben ist, dass hier positive Synergien zwischen
einer Verbesserung der wirtschaftlichen und ökologischen Resilienz im Agrar(öko)system erreicht werden.
4.1 Option auf Ernteverzicht
Das Abernten der BS-3-Flächen galt den befragten Landwirtinnen und Landwirten als unattraktiv, da der Verkauf des Ernteguts an
reguläre Abnehmerinnen und Abnehmer aufgrund der heterogenen Qualität nicht möglich gewesen sei. Aus ökologischer Sicht hat eine lange
Standzeit der Vegetationsbestände (bei Ernteverzicht Bearbeitung nach dem 1.8.) einen hohen Nutzen, etwa für das Rebhuhn (Perdix
perdix) und andere Feldvögel (Gottschalk, Beeke 2014) oder als Refugium für
Insekten wie z. B. Wildbienen (Westrich 2019). Für das Rebhuhn würde eine Verschiebung des
erlaubten Bearbeitungszeitpunkts auf den 15.8. zusätzliche Synergieeffekte bewirken (Gottschalk,
Beeke 2014). Nutzungsformen wie die Ganzpflanzensilage mit frühen Ernteterminen bis zur Milchreife des Getreides würden
hingegen die Ziele des Ackerwildkrautschutzes und des Schutzes von Tiergruppen wie Feldvögeln oder Insekten konterkarieren. Die Samen
von Segetalarten können hier nicht ausreifen und es erfolgt keine Auffüllung der Diasporenbank (vgl. Meyer et al. 2014a). Der Zuschlag für den Ernteverzicht sollte daher unbedingt fakultativ beibehalten werden. Zugleich
ist die Bewirtschaftung der BS-3-Flächen ohne Nutzung des Ertrags nicht Teil einer integrativ-nachhaltigen Produktionsstrategie. Daher
wäre eine Absatzmöglichkeit für kleinere Mengen heterogenen Ernteguts – ohne Biozertifizierung – ein wesentliches Element, um eine
biodiversitätsfreundliche Agrarwirtschaft im Landkreis Göttingen zu befördern.
4.2 Administrative Optimierung der BS-3-Maßnahme
Einige der befragen Landwirtinnen und Landwirte machten auf Grundlage ihrer persönlichen Erfahrungen mit der AUM BS 3 konkrete
Vorschläge für die administrative Verbesserung der Maßnahme. Es wurde eine turnusmäßige „Blindbestellung“ angeregt. Ein solches
Vorgehen könnte − bspw. als einmalige Option innerhalb der fünfjährigen BS-3-Laufzeit − für kommende Förderperioden in Betracht
gezogen werden. Eine ähnliche Möglichkeit besteht auch in Förderprogrammen anderer Bundesländer, z. B. Bayern (StMELF, StMUV 2019). Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass durch das Nicht-Aussäen von
Feldfrüchten die Kosten für die Landwirtinnen und Landwirte bei der Bewirtschaftung geringer wären und deswegen bei einer solchen
Option voraussichtlich eine Neuberechnung der Förderhöhe erfolgen müsste. Aus Sicht der Autorinnen und Autoren sollte die Förderhöhe
jedoch keinesfalls abgesenkt werden.
Der in den Interviews beschriebene Fall, dass bei der Maßnahmenbeantragung aufgrund falsch bzw. nicht gesetzter Häkchen ein
Ernteverzicht eingehalten werden müsse, gleichzeitig aber der entsprechende Zuschlag nicht ausgezahlt werde, stellt eine vermeidbare
bürokratische Hürde für eine Teilnahme an der BS-3-Maßnahme dar. Hier sollte eine Möglichkeit gefunden werden, das Antragsformular so
zu programmieren, dass automatisch der entsprechende Zuschlag beantragt wird, wenn ein Ernteverzicht ausgewählt wurde. Zugleich sollte
die Bewilligung der Maßnahmen beschleunigt werden, sodass ab September eine verbindliche Zusage vorliegt und Landwirtinnen und
Landwirte im Falle einer Ablehnung alternative Bewirtschaftungsstrategien verfolgen können.
4.3 Rolle der Biodiversitätsberatung
Auch wenn ökonomische Gründe bei den meisten Befragten eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für die Teilnahme an der
BS-3-Maßnahme spielten, waren sie in keinem Fall das alleinige Motiv. Über die Hälfte der befragten Landwirtinnen und Landwirte nannte
die gezielte Beratung des Landschaftspflegeverbands Göttingen und anderer Akteure als einen (Mit)grund für die Teilnahme am
Ackerwildkrautprogramm (Abb. 4); in einem Fall war dies sogar der alleinige Grund für die
Umsetzung der Maßnahme. Die wichtige Rolle der Biodiversitätsberatung bei der Motivation von Landwirtinnen und Landwirten, an AUM
teilzunehmen, wurde in der Literatur bereits mehrfach beschrieben (u. a. Gabel et al. 2018;
Offenberger 2018; Stupak et al. 2019).
Soziale Faktoren sind bei der Entscheidung für oder gegen AUM bei Landwirtinnen und Landwirten von großer Bedeutung und das Vertrauen
in Informationsquellen aus den sozialen Netzwerken und auf benachbarte Landwirtinnen und Landwirte ist oft größer als das in
staatliche oder wissenschaftliche Quellen (Alló et al. 2015; Brown et al. 2021; Rose et al. 2018).
Abb. 4: Biodiversitätsberatung auf einem Schonstreifen für Ackerwildkräuter. (Naturschutz)fachkundige
Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter können gute Entscheidungen für ihren Betrieb und die Biodiversität unter sich
wandelnden Umweltbedingungen treffen.
(Foto: Landschaftspflegeverband Göttingen)
Fig. 4: Biodiversity consultation on a conservation strip for segetal plants. Farmers with expertise in nature
conservation can make good decisions for their farm and for biodiversity under changing environmental conditions.
Unter den Befragten besteht ein großes Interesse, mehr über Biodiversität und AUM zu erfahren. Dies ist zu begrüßen, da ein
besseres Verständnis für die ökologischen Zusammenhänge helfen kann, AUM realistisch einzuschätzen sowie Ängste und
Vorurteile – bspw. in Hinblick auf Ackerunkräuter – abzubauen (Stupak et al. 2019). Dieses
Potenzial an (naturschutz)fachkundigen Bewirtschafterinnen und Bewirtschaftern kann jedoch nur abgerufen werden, wenn es ein
kontinuierliches und qualitativ hochwertiges Beratungsangebot gibt, das die bestehende Nachfrage nach diesem Wissen abdeckt. Für ein
Fazit für Politik und Verwaltung zum zukünftigen Umgang mit der AUM BS 3 siehe Kasten 3.
Kasten 3: Fazit für Politik und Verwaltung in Bezug auf die Agrarumweltmaßnahme (AUM) BS 3 „Mehrjährige
Schonstreifen für Ackerwildkräuter“.
Box 3: Conclusions for policymaking and administration regarding the agri-environmental measure BS 3
“Perennial conservation strips for segetal plants”.
● Das Interesse an einer Biodiversitätsberatung war unter den Befragten sehr hoch. Angebote für eine
landwirtschaftliche Biodiversitätsberatung sollten ausgebaut und verstetigt werden, um dieses Potenzial an
(naturschutz)fachkundigen Landwirtinnen und Landwirten zu nutzen. ● Die angemessene finanzielle Ausstattung der Maßnahme ist ein wesentlicher Grundpfeiler für die Teilnahme von
Landwirtinnen und Landwirten und sollte beibehalten werden. ● Im Zuge der Digitalisierung der Landwirtschaft sollte eine einheitliche, luftbildgestützte Ausmessung von
Förderflächen durch die zuständigen Kontrollinstanzen angestrebt werden. ● In der fünfjährigen Laufzeit des BS-3-Programms könnte eine einmalige „Blindbestellung“ (Bearbeitung des Ackers
ohne Ausbringung von neuem Saatgut) bei Ernteverzicht zugelassen werden. So würden extrem hohe Aufwuchsdichten der
Kulturarten vermieden, die die Entwicklung der Ackerwildkräuter beeinträchtigen können. ● Es müssen Absatzmöglichkeiten für heterogenes Erntegut ohne Biozertifizierung geschaffen werden. Gleichzeitig
sollte der Zuschlag für den Ernteverzicht unbedingt beibehalten werden, da lange Standzeiten ökologisch besonders
vorteilhaft sind. Eine Verschiebung des frühesten Bearbeitungszeitpunkts zu späteren Terminen (etwa auf den 15.8.)
würde weitere Synergieeffekte z. B. für das Rebhuhn (Perdix perdix) bewirken. ● Die Bewilligung der Maßnahmen sollte beschleunigt werden, sodass ab September eines Jahres eine verbindliche
Zusage vorliegt und Landwirtinnen und Landwirte im Falle einer Ablehnung alternative Bewirtschaftungsstrategien
verfolgen können.
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Westrich P. (2019): Die Wildbienen Deutschlands. 2. Aufl. Ulmer. Stuttgart: 824 S.
Dank
Wir bedanken uns herzlich bei den befragten Landwirtinnen und Landwirten für ihre Offenheit und die spannenden, lehrreichen
Interviews. Außerdem danken wir dem NLWKN und den anonymen Gutachterinnen/Gutachtern für die wertvollen Hinweise zum Manuskript. Dem
Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz danken wir für die Bereitstellung der Daten zum Flächenumfang
der BS-3-Maßnahme.