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Seite 217 - 227

Hotspotuntersuchungen nationaler Verantwortungsarten der Gefäßpflanzen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein

Hotspot surveys of vascular plants in North Rhine-Westphalia and Schleswig-Holstein for which Germany has assumed special responsibility worldwide

DOI: 10.19217/NuL2023-05-01 • Manuskripteinreichung: 21.3.2022, Annahme: 20.2.2023

Peter Borgmann, Silvia Oevermann und Sabine Zachgo

Zusammenfassung

Die Vielfalt heimischer Wildpflanzen nimmt seit Jahrzehnten ab. Zur Einordnung der Gefährdungssituation einzelner Arten existieren Rote Listen (RL) des Bundes und der Länder. Weiterhin gibt es nationale Verantwortungsarten (VA) der Gefäßpflanzen, für die Deutschland weltweit eine besondere Verantwortung übernommen hat. Erstmalig werden bundesweit im Wildpflanzenschutzprojekt „WIPs-De“ seit 2013 Ex-situ-Maßnahmen wie Saatgutsammlungen und Erhaltungskulturen zusammen mit In-situ-Schutzmaßnahmen an Naturstandorten durchgeführt. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, am Beispiel der beiden Bundesländer Nordrhein-Westfalen (NW) und Schleswig-Holstein (SH) die räumlichen Artenschutzpotenziale der hier verorteten VA aufzuzeigen. Auf Basis der vom behördlichen Naturschutz bereitgestellten Ergebnisse floristischer Kartierungen des Zeitraums 1980 – 2020 und der 2018 – 2020 durchgeführten WIPs-Saatgutsammelfahrten wurden für 48 ausgewählte VA Verbreitungsdaten aus 504 Blättern topographischer Karten im Maßstab 1 : 25.000 und 162.447 Fundortmeldungen ausgewertet. Es wurden 34 VA-Hotspots  identifiziert, 16 in NW und 18 in SH, die als einzelne Hotspots vorliegen oder insgesamt 7 zusammenhängende VA-Hotspotregionen bilden.

Verantwortungsarten – Artenverbreitung – Hotspots – Saatgutsammlung – WIPs-De-Projekt – Wildpflanzenschutz

Abstract

The diversity of native wild plants has been decreasing for decades. Red Lists (RL) for Germany and its regional states exist to classify the endangerment situation of individual species. Furthermore, there are plant species of national responsibility (Verantwortungsarten – VA), for which Germany has assumed special responsibility worldwide. Since 2013, ex-situ measures such as seed collections and conservation cultures have been combined with in-situ protection measures at natural sites nationwide in the WIPs-De wild plant conservation project. This is the first time such an approach has been taken. The aim of the present study is to determine the spatial species conservation potential for VA species located in the two states of North Rhine-Westphalia (NW) and Schleswig-Holstein (SH) as examples. Based on the results of floristic mapping of 1980 – 2020 provided by official nature conservation agencies of these two states and the WIPs collection trips conducted from 2018 to 2020, distribution data for the area of 504 sheets of topographic maps at a scale of 1 : 25,000 and 162,447 reports on occurrences on single sites were evaluated for 48 selected VA species. Together, 34 VA hotspots were identified, 16 in NW and 18 in SH. These comprise single hotspots or are part of seven interconnected hotspot regions.

Plant species of national responsibility – Distribution of species – Hotspots – Seed collection – WIPs-De project – Wild plant conservation

Inhalt

1 Einleitung

2 Methoden

2.1 Verwendete Datensätze

2.2 Ermittlung von VA-Hotspots und Vergleich mit Hotspots der biologischen Vielfalt

2.3 Analyse der Verbreitungsdaten kartierter Akzessionen ausgewählter VA

2.4 WIPs-Saatgutsammelfahrten in den Bundesländern NW und SH 2018 – 2020

2.5 Vorkommen von VA mit RL-Kategorie innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten

3 Ergebnisse

3.1 Ermittlung von VA-Hotspots in NW und Vergleich mit Hotspots der biologischen Vielfalt

3.2 Verbreitungsanalyse ausgewählter VA-Akzessionen der letzten 20 Jahre in NW

3.3 WIPs-Saatgutsammelfahrten 2018 – 2020 in NW

3.4 Vorkommen von VA mit RL-Kategorie innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten in NW

4 Diskussion

4.1 VA-Hotspotanalysen identifizieren bekannte und neue Diversitätsregionen

4.2 Verbreitungsdaten kartierter Akzessionen

4.3 Vorkommen von VA mit RL-Kategorie innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten

4.4 Saatgutsammelfahrten im WIPs-De-Projekt

5 Fazit und Ausblick

6 Literatur

Förderung und Dank

1 Einleitung

Der weltweite Rückgang der Wildpflanzen mit Aussterberaten, die bis über 100-fach höher liegen als es natürlicherweise der Fall wäre, sind für den Naturschutz eine große Herausforderung (BfN 1998; De Vos et al. 2014). Gefährdungseinstufungen und Bestandsentwicklungen zeigen die Roten Listen (RL) der Bundesländer und die 2018 vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) erschienene RL gefährdeter Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands (Metzing et al. 2018, 2021). Ergänzend hat das BfN eine Liste von Tier- und Pflanzenarten erarbeitet, für deren Erhaltung und Schutz Deutschland im Rahmen der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) eine besondere Verantwortung trägt (https://bit.ly/Verantwortungsarten_Deutschland), da diese Verantwortungsarten (VA) global gesehen nur in Deutschland vorkommen oder ein bedeutender Teil der Weltpopulation hier vorkommt oder weil diese Arten weltweit gefährdet sind.

Hauptverursacher des globalen Artensterbens sind Aktivitäten des Menschen, insbesondere Landnutzungsänderungen und damit verbundene Stickstoffeinträge sowie der Klimawandel (Sala et al. 2000; Foley et al. 2005; Essl, Rabitsch 2013). Gerade in den letzten zehn Jahren wurde deutlich, dass In-situ-Naturschutzmaßnahmen wie die Unterschutzstellung von Lebensräumen und Biotopmanagementmaßnahmen allein nicht ausreichen, um gefährdete Wildpflanzen zu sichern. Die dringende Notwendigkeit ergänzender Ex-situ-Artenschutzmaßnahmen gewinnt daher in den Naturschutzbehörden der Länder im Rahmen ihrer Verpflichtungen zum Schutz der biologischen Vielfalt zunehmend an Bedeutung.

Um dem anhaltenden Artenschwund von Farn- und Gefäßpflanzen entgegenzuwirken, wurde im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt (BPBV) das nationale Projekt Wildpflanzenschutz Deutschland „WIPs-De I“ von 2013 bis 2018 gefördert. In dem modular aufgebauten Projekt wurden zwei Ex-situ-Erhaltungsstrategien − Saatgutgenbanken und Erhaltungskulturen in botanischen Gärten − mit einer In-situ-Maßnahme − der (Wieder)ansiedlung von VA − verknüpft (Borgmann et al. 2015). Insgesamt wurden in diesem Zeitraum bundesweit von 15 VA über 1.500 Saatgut- und Sporenproben an Wildstandorten gesammelt und in vier regionalen Saatgutgenbanken und einer zentralen Saatgutgenbank gesichert. 2017 wurde die Liste der VA im BPBV von 15 auf 92 Arten erweitert und 2018 wurde das fünfjährige Nachfolgeprojekt „WIPs-De II“ (https://www.wildpflanzenschutz.uni-osnabrueck.de) gestartet. Verbundpartner sind die botanischen Gärten in Berlin, Mainz, Osnabrück, Potsdam und Regensburg, die gemeinsam deutschlandweit diese umfangreiche Anzahl an VA schützen und damit die Ziele des Bundesnaturschutzgesetzes sowie wichtige Aspekte der NBS (BMU 2007) umsetzen. Um dies zu erreichen, bringen die fünf botanischen Gärten ihre jeweilige Expertise ein und koordinieren verschiedene Arbeitspakete wie Saatgutsammlung/-sicherung, Keimungsbiologie, Erhaltungskulturen, Ansiedlungsmaßnahmen und eine breite Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Der Botanische Garten der Universität Osnabrück koordiniert im WIPs-De-II-Verbund das Arbeitspaket Saatgutsammlung und Saatgutsicherung und ist für die Saatgutsammlung in der Projektregion Nordwest zuständig (Abb. 1).

/fileadmin/magazines/naturundlandschaft/current/2023_05/images/NuL_05_2023_Borgmann_01.jpg _01-Borgmann_ID27
Abb. 1: Die vier Projektregionen des Wildpflanzenschutzprojekts „WIPs-De II“ mit den fünf Verbundpartnern (Botanische Gärten Berlin, Mainz, Osnabrück, Potsdam und Regensburg).
Fig. 1: The four project regions of the WIPs-De II wild plant conservation project with the five partners collaborating in the project (Botanical Gardens of Berlin, Mainz, Osnabrück, Potsdam and Regensburg).

Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, am Beispiel von Nordrhein-Westfalen (NW) sowie Schleswig-Holstein (SH) die räumliche Verteilung der dort vorkommenden, ausgewählten VA zu ermitteln. Durch die Analyse der überwiegend von Naturschutzbehörden bereitgestellten Datensätze und umfangreicher Verbreitungsdaten zahlreicher Kartiererinnen und Kartierer wurden Gebiete mit einer vergleichsweise hohen Diversität an VA der Gefäßpflanzen ermittelt und auf diese Weise VA-Hotspots identifiziert. Weiterhin zeigt der Beitrag auf, in welchem Umfang VA mit Gefährdungseinstufung innerhalb bzw. außerhalb von Schutzgebieten vorkommen. Ergänzend wurden über 1.000 in den Jahren 2018 – 2020 durchgeführte WIPs-Saatgutsammelfahrten ausgewertet und es wurde ermittelt, inwieweit ehemals kartierte Vorkommen bestätigt werden konnten und eine Saatgutbeprobung möglich war. Die Ergebnisse für NW finden sich im vorliegenden Haupttext, die Ergebnisse für SH in Abschnitt 1 im Online-Zusatzmaterial unter https://www.natur-und-landschaft.de/extras/zusatzmaterial/.

2 Methoden

2.1 Verwendete Datensätze

Von den insgesamt 92 deutschen VA wurden für NW Verbreitungsdaten von 40 VA und für SH von 41 VA ausgewertet (Tab. 1, Tab. 2). Unberücksichtigt blieben VA ohne vorliegende Verbreitungsdaten oder verschollene Arten sowie Baumarten mit nicht austrocknungsresistentem (recalzitrantem) Saatgut, das für eine Genbanklagerung unter Tiefkühlbedingungen ungeeignet ist. Als Datengrundlage dienten Fundortdaten, die vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV), vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) des Landes Schleswig-Holstein (seit 1.1.2023 Landesamt für Umwelt des Landes Schleswig-Holstein – LfU), vom BfN und vom Netzwerk Phytodiversität Deutschland e. V. (NetPhyD) als sog. Layer bereitgestellt wurden. Art und Umfang der in Tab. 3 aufgeführten Auswertungen waren davon abhängig, inwieweit Fundortdaten bestenfalls punktgenau oder als Quadrant einer topographischen Karte im Maßstab 1 : 25.000 (TK25 mit einer Fläche von ca. 126,5 km2 bzw. ca. 11,5 km × ca. 11,0 km), als Polygon oder als Linie vorlagen. Die Layer wurden mit der Geoinformationssystemsoftware QGIS 3.10 zum Erfassen, Bearbeiten und Analysieren von Raster- und Vektordaten ausgewertet. Für die Analyse der Verbreitungsdaten wurden für NW 317 und für SH 187 TK25 untersucht (Abb. 2).

Es wurden in die Auswertungen keine Verbreitungsdaten vor dem Jahr 1980 einbezogen, da sich auf Grundlage eigener Kartiertätigkeiten und diverser Saatgutsammelfahrten zeigte, dass ältere Fundortangaben durch zunehmenden Landschaftswandel oftmals nicht mehr bestätigt werden konnten. Ebenso wurden keine öffentlich zugänglichen Daten aus Citizen-Science-Projekten wie bspw. „naturgucker“ berücksichtigt, da für die hier untersuchten VA zu wenig bis keine Verbreitungsdaten vorlagen. Zu berücksichtigen ist, dass Intensität und Zeitpunkt floristischer Kartierungen in den letzten Jahrzehnten regional stark schwankten und daher kein vollständiges Verbreitungsbild der Wildpflanzen wiedergegeben werden kann. Auch wurden Kartierungen nicht mit der gleichen Intensität flächendeckend in den Bundesländern durchgeführt.

2.2 Ermittlung von VA-Hotspots und Vergleich mit Hotspots der biologischen Vielfalt

Von den ausgewählten VA wurden aus dem Zeitraum 2000 – 2020 für NW und aus dem Zeitraum 1980 – 2020 für SH insgesamt 162.447 Fundortdaten ausgewertet, von denen 46.049 als punktgenaue Verortungen vorlagen (Tab. 3, Tab. 4, Auswertung I). Pro TK25 wurde die Verbreitung aller vorliegenden kartierten VA-Vorkommen (Akzessionen) ermittelt. Dies ermöglichte, die Verteilung von VA-Vorkommen pro TK25 darzustellen und VA-Hotspots in diesen beiden Bundesländern zu identifizieren. Für die Ermittlung der VA-Hotspots wurden fünf Häufigkeitsklassen abgeleitet: 0 VA, 1 – 6 VA, 7 – 12 VA, 13 – 18 VA und > 18 VA pro TK25 (Abb. 2). TK25, in denen mehr als 18 unterschiedliche VA verortet sind, wurden in dieser Arbeit als VA-Hotspots definiert, da sich anhand dieses Grenzwerts deutliche Diversitätsunterschiede zwischen den TK25 aufzeigen lassen. Als „Hotspotregionen“ wurden Gebiete definiert, in denen mindestens zwei TK25 mit VA-Hotspots über eine volle Seitenlänge eines Quadranten aneinandergrenzen. Die Ergebnisse wurden mit Daten aus einem Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur Identifizierung der Hotspots der biologischen Vielfalt in Deutschland verglichen (Ackermann et al. 2013), dessen georeferenzierte Daten für die vorliegende Auswertung vom BfN bereitgestellt wurden. In dieser Studie wurden breiter gefasste biologische Hotspots ermittelt. Es handelt sich um 30 Regionen mit einer besonders hohen Dichte und Vielfalt an charakteristischen Pflanzen- und Tierarten sowie Lebensraumtypen, die im Rahmen der Projektförderung zur Umsetzung der NBS von Bedeutung sind.

Wissenschaftlicher Name Deutscher Name RL-Kategorie D 20171 Verantwortlichkeit D2 RL-Kategorie in der Projektregion Nordwest1
SH3 NW3 HH3 NI3 HE3
Anthericum liliago
Trauben-Graslilie
V
! §
1
3
0
2
3
Arnica montana
Berg-Wohlverleih
3
! §
1
3S
0
2
2
Arnoseris minima
Lämmersalat
2
!
1
1S
1
2
1
Arum maculatum
Gefleckter Aronstab
*
!
*
*
*
*
*
Atriplex calotheca
Pfeilblättrige Melde
2
!
2
Blechnum spicant
Rippenfarn
*
!
3
*
1
*
*
Botrychium matricariifolium
Ästiger Rautenfarn
2
!
0
0
0
1
1
Calamagrostis villosa
Wolliges Reitgras
*
!
*
Campanula baumgartenii
Lanzettblättrige Glockenblume
3
!!
3
Carex arenaria
Sand-Segge
*
!
V
3
3
*
Carex brizoides
Zittergras-Segge
*
!
2
*
R
*
*
Carex pseudobrizoides
Reichenbach-Segge
3
!!
R
2
G
2
Carex trinervis
Dreinervige Segge
2
!
0
2
Cirsium acaulon
Stängellose Kratzdistel
V
!
1
3
0
2
V
Cochlearia anglica
Englisches Löffelkraut
V
!!
*
*
Cochlearia pyrenaica
Pyrenäen-Löffelkraut
2
!
R
1
Corydalis intermedia
Mittlerer Lerchensporn
*
!
*
3
2
*
*
Corydalis pumila
Zwerg-Lerchensporn
V
!
R
Crepis mollis
Weicher Pippau
3
!!
3S
1
2
Dactylorhiza majalis
Breitblättrige Fingerwurz
3
!
2
3S
2
2
3
Dactylorhiza sphagnicola
Torf-Fingerwurz
2
!!
1
2
1
2
Deschampsia setacea
Borstblatt-Schmiele
2
!!
1
2S
0
1
Deschampsia wibeliana
Wibel-Schmiele
3
!!
*
*
4
Dianthus gratianopolitanus
Pfingst-Nelke
3
!!
0
4
3
Diphasiastrum issleri
Issler-Flachbärlapp
2
!!
0
2
Dipsacus pilosus
Behaarte Karde
*
!
2
*
0
*
*
Epilobium montanum
Berg-Weidenröschen
*
!
*
*
*
*
*
Epipactis purpurata
Violette Ständelwurz
V
!
1
3
3
*
Eriophorum gracile
Zierliches Wollgras
1
!
1
1S
0
1
0
Euphrasia micrantha
Schlanker Augentrost
2
!
1
2
0
2
1
Festuca heterophylla
Verschiedenblättriger Schwingel
V
!
R
2
4
*
Gagea spathacea
Scheiden-Goldstern
*
!!
*
*
2
3
*
Galeopsis segetum
Saat-Hohlzahn
V
!
2
3
1
2
*
Galium pumilum4
Heide-Labkraut
V
!!
D
3
0
*
V
Galium rotundifolium4
Rundblatt-Labkraut
*
!
U
R
Genista germanica
Deutscher Ginster
3
!
1
2
0
1
3
Genista pilosa
Haar-Ginster
V
!
2
3
1
3
*
Hypericum humifusum
Liegendes Hartheu
*
!
2
*
2
*
*
Juncus anceps
Zweischneidige Binse
*
!
2
*
Juncus squarrosus
Sparrige Binse
V
!
3
3S
1
*
3
Lycopodiella inundata
Gewöhnlicher Moorbärlapp
3
!
2
3S
1
3
1
Lysimachia nemorum
Hain-Gilbweiderich
*
!
V
*
1
*
*
Oenanthe conioides
Schierlings-Pferdesaat
1
!!
1
1
1
Phyteuma nigrum
Schwarze Teufelskralle
V
!!
*
*
*
Poa chaixii
Berg-Rispengras
*
!
*
*
R
*
*
Potentilla anglica
Englisches Fingerkraut
V
!!
2
3
2
3
*
Ranunculus lanuginosus
Wolliger Hahnenfuß
*
!
*
*
2
*
*
Rosa sherardii4
Samt-Rose
V
!
*
(2)
R
3
R
Scabiosa canescens
Graue Skabiose
3
!!
1
3
Silaum silaus
Wiesen-Silau
V
!
3
1
2
*
Spergula morisonii
Frühlings-Spergel
V
!
3
3
2
*
3
Spergularia echinosperma
Igelsamige Schuppenmiere
*
!
1
R
*
Veronica opaca
Glanzloser Ehrenpreis
3
!
1
2
0
2
1
Vicia lathyroides
Platterbsen-Wicke
V
!
3
2
2
3
V
Viola calaminaria
Gelbes Galmei-Stiefmütterchen
2
!!
*S
Viola guestphalica
Violettes Galmei-Stiefmütterchen
R
!!
RS
414
404
27
50
38
D = Deutschland, HE = Hessen, HH = Hamburg, NI = Niedersachsen, NW = Nordrhein-Westfalen, SH = Schleswig-Holstein
1 Rote-Liste(RL)-Kategorien nach Metzing et al. (2018): 0 = ausgestorben oder verschollen, 1 = vom Aussterben bedroht, 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet, R = extrem selten, V = Vorwarnliste, D = Datenlage unzureichend, G = Gefährdung unbekannten Ausmaßes/nicht bewertet (Neufund), * = ungefährdet; weitere Abkürzungen: S = durch Schutzmaßnahmen gleich, geringer oder nicht mehr gefährdet (als Zusatz zu 1, 2, 3 oder R), U = es gibt von dieser Art adventive, nicht etablierte Vorkommen, die nicht berücksichtigt wurden, ( ) = keine sicheren Vorkommen, Hybride, — = keine Angaben
2 ! = hohe Verantwortlichkeit, !! = besonders hohe Verantwortlichkeit, § = gesetzlich geschützt
4 Nicht berücksichtigt wurden für die Auswertung in NW Galium rotundifolium (eingeschleppte Vorkommen) und Rosa sherardii (Hybride mit R. tomentosa), vgl. Haeupler et al. (2003) sowie in SH Galium pumilum (Datenlage unzureichend).
Tab. 1: Beprobte nationale Verantwortungsarten (VA) der Gefäßpflanzen in der Projektregion Nordwest.
Table 1: Sampled vascular plants of national responsibility (VA) in the Northwest project region.
Bezugsraum D NW SH
VA
VA gesamt
Untersuchte VA
VA mit RL-Kategorie (siehe Abschnitt 2.5, Einstufung in die RL nach Verbücheln et al. 2021)
Untersuchte VA
VA mit RL-Kategorie (siehe Abschnitt 2.5, Einstufung in die RL nach LLUR 2021)
Anzahl
92
40
27
41
31
RL = Rote Liste
Tab. 2: Anzahl ausgewerteter nationaler Verantwortungsarten (VA) der Gefäßpflanzen in Nordrhein-Westfalen (NW) und Schleswig-Holstein (SH) sowie Anzahl der VA in Deutschland (D).
Table 2: Number of evaluated vascular plant species of national responsibility (VA) in North Rhine-Westphalia (NW) and Schleswig-Holstein (SH) and number of VA in Germany (D).
Art der Verortung NW SH Datensätze NW + SH
TK25-Quadrant
74.833
40.255
115.088
Polygon
295
964
1.259
Linie
4
47
51
Punktkoordinaten
25.147
20.902
46.049
Zahl der Datensätze
100.279
62.168
162.447
Tab. 3: Art und Umfang verorteter Kartierungsdaten nationaler Verantwortungsarten (VA) der Gefäßpflanzen in Nordrhein-Westfalen (NW) und Schleswig-Holstein (SH). TK25 = topographische Karte im Maßstab 1 : 25.000.
Table 3: Type and extent of localised mapping data of vascular plants of national responsibility (VA) in North Rhine-Westphalia (NW) and Schleswig-Holstein (SH). TK25 = topographic map at a scale of 1 : 25,000.
/fileadmin/magazines/naturundlandschaft/current/2023_05/images/NuL_05_2023_Borgmann_02.jpg _01-Borgmann_ID35
Abb. 2: Anzahl ausgewerteter Blätter topographischer Karten im Maßstab 1 : 25.000 (TK25) je Häufigkeitsklasse der nationalen Verantwortungsarten (VA) der Gefäßpflanzen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.
Fig. 2: Number of evaluated sheets of the topographic map at a scale of 1 : 25,000 (TK25) per frequency class of vascular plants of national responsibility (VA) in North Rhine-Westphalia and Schleswig-Holstein.

2.3 Analyse der Verbreitungsdaten kartierter Akzessionen ausgewählter VA

Mit einer weiteren Auswertung sollte die Verteilung der Akzessionen ausgewählter VA pro TK25 in NW und SH graphisch aufgezeigt werden. Die Analyse der Datensätze aus den Jahren 1980 – 2020 ergab Mehrfachnennungen einer Art an demselben Standort oder in unmittelbarer Nähe. Diese können durch Unschärfen bei Verortungen oder mehrmaligen Kartierungen desselben Standorts zu unterschiedlichen Zeitpunkten bzw. durch verschiedene Kartiererinnen und Kartierer entstehen. Um eine realistischere Artenverteilung abzubilden, wurden in einem ersten Schritt nur die 46.022 punktscharf verorteten Akzessionen berücksichtigt (Tab. 4, Auswertung I). Anschließend wurden punktscharf kartierte Akzessionen einer VA, die weniger als 15 m voneinander entfernt lagen, zu einer Akzession zusammengefasst. Hierdurch reduzierte sich die Anzahl der auszuwertenden Akzessionen von 46.022 auf 29.269, mit Reduktionsschritten für NW von 25.120 auf 12.750 und für SH von 20.902 auf 16.519 Akzessionen (Tab. 4, Auswertung II). Im Folgenden werden diese Akzessionen als gepufferte Akzessionen (GA) bezeichnet. Für NW wurden die 27 im Zeitraum 1980 – 2000 punktgenau erfassten Akzessionen wegen des geringen Umfangs und der fehlenden Vergleichbarkeit nicht berücksichtigt (vgl. Tab. 4, Auswertung I). Für die Einteilung und den Vergleich von Gebieten mit unterschiedlicher Anzahl von GA pro TK25 wurden folgende Häufigkeitsklassen definiert: 0 GA, 1 – 25 GA, 26 – 50 GA, 51 – 100 GA, 101 – 200 GA, 201 – 400 GA, 401 – 800 GA und 801 – 1.600 GA pro TK25.

Auswertung Auswertungsart Berücksichtigter Zeitraum Datenquelle Art der Verortung ∑ Datensätze für NW ∑ Datensätze für SH ∑ Datensätze für NW und SH
I
Artendiversität pro TK25, Ermittlung von VA-Hotspots (siehe Abb. 2 und Abb. 3)
1980 – 2000
BfN, Floraweb
TK25-Quadrant
70.909
35.739
106.648
ONB (LANUV und LLUR)
Punktkoordinaten
0
607
607
NetPhyD, Flora SH
Punktkoordinaten
27
3.411
3.438
Polygon
88
88
176
Linie
0
2
2
Punktkoordinaten 1980 – 2000
27
4.018
4.045
ab 2000
BfN, Floraweb
TK25-Quadrant
3.924
4.516
8.440
ONB (LANUV und LLUR)
Punktkoordinaten
11.215
7.166
18.381
NetPhyD, Flora SH
Punktkoordinaten
261
9.400
9.661
Polygon
207
876
1.083
Linie
4
45
49
2003 – 2020
ONB (LANUV), Florenportal NW
Punktkoordinaten
12.953
0
12.953
2018 – 2020
WIPs-De II1
Punktkoordinaten
691
318
1.009
Punktkoordinaten 2000 – 2020
25.120
16.884
42.004
Punktkoordinaten gesamt (ohne NW 1980 – 2000)
25.120
20.902
46.022
Fundortdaten gesamt
100.279
62.168
162.447
II
Anzahl punktgenau verorteter und gepufferter Vorkommen von Verantwortungsarten (GA) (siehe Abb. 4, Abb. B im Online-Zusatzmaterial)
NW 2000 – 2020; SH 1980 – 2020
ONB (LANUV und LLUR), NetPhyD/Florenportal NW/ (WIPs-De II1)
Zusammengefasste Fundpunkte zur Vermeidung von Doppelungen (GA)
12.750
16.519
29.269
III
Anzahl punktgenau verorteter und gepufferter Vorkommen von Verantwortungsarten (GA) mit RL-Kategorie2 innerhalb bzw. außerhalb von Schutzgebieten (NSG/FFH-Gebiet/NLP) (siehe Tab. 6, Tab. B im Online-Zusatzmaterial)
NW 2000 – 2020; SH 1980 – 2020
ONB (LANUV bzw. LLUR), NetPhyD/Florenportal NW/WIPs-De II1
Zusammengefasste Fundpunkte zur Vermeidung von Doppelungen (GA)
5.693
6.850
12.543
BfN = Bundesamt für Naturschutz, FFH = Fauna-Flora-Habitat, GA = gepufferte Akzessionen, LANUV = Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, LLUR = Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein, NetPhyD = Netzwerk für botanische Vielfalt in Deutschland e. V., NLP = Nationalpark, NSG = Naturschutzgebiet, NW = Nordrhein-Westfalen, ONB = Obere Naturschutzbehörden, RL = Rote Liste, SH = Schleswig-Holstein, TK25 = topographische Karte im Maßstab 1 : 25.000, VA = Verantwortungsarten
1 Florenportal Wildpflanzenschutz Deutschland (WIPs-De II), https://wips.deutschlandflora.de
2 Siehe Abschnitt 2.5, Gefährdungseinstufung nach Verbücheln et al. (2021) und LLUR (2021)
Tab. 4: Datenquellen der Auswertungen und Anzahl der Kartierungsdatensätze der nationalen Verantwortungsarten (VA) der Gefäßpflanzen in Nordrhein-Westfalen (NW) und Schleswig-Holstein (SH).
Table 4: Data sources of the evaluations and number of mapping data sets of vascular plants of national responsibility (VA) in North Rhine-Westphalia (NW) and Schleswig-Holstein (SH).

2.4 WIPs-Saatgutsammelfahrten in den Bundesländern NW und SH 2018 – 2020

Voraussetzungen zur Durchführung von Saatgutsammelfahrten waren Sammelgenehmigungen der Oberen Naturschutzbehörden der Länder und Betretungsgenehmigungen für Schutzgebiete zahlreicher Unterer Naturschutzbehörden der jeweiligen Städte und Kreise. Für die Auswertungen wurden die Ergebnisse der zwischen 2018 und 2020 vom Botanischen Garten Osnabrück durchgeführten WIPs-Saatgutsammelfahrten (Tab. 5) und die ermittelten Hotspotregionen berücksichtigt. Zur Ermittlung der Ursache, warum keine Beprobung stattfand, wurden weitere differenzierte Angaben aus dem WIPs-Kartierungsportal (https://wips.deutschlandflora.de) wie „Art nicht nachweisbar“ oder „Art vorhanden, kein Saatgut“ ausgewertet und graphisch als rotes Dreieck bzw. als gelbe Raute abgebildet. In der graphischen Darstellung (Abb. 3, Abb. 4) überlagern sich eine Vielzahl der aufgesuchten Standorte, sodass sie sich nur begrenzt einzeln darstellen lassen. Zur Erfassung der genetischen Variabilität einer Art wurden VA in unterschiedlichen Naturräumen (Meynen et al. 1953 – 1962) beprobt. Aufgrund der Trockenheit im Jahr 2018 wurden Standorte zu beprobender VA 2019 und 2020 mehrfach aufgesucht. Die im Rahmen der WIPs-Saatgutsammelfahrten erhobenen Einzelerfassungen wurden direkt im Gelände mit der im WIPs-Projekt entwickelten App „WIPs2Go“ erfasst. Die WIPs2Go-App kann im Google Play Store bzw. App Store heruntergeladen werden und ist nach Freischaltung durch den WIPs-Administrator einsetzbar (https://wips.deutschlandflora.de/wips2go).

Ausgewählte VA/aufgesuchte VA/bislang beprobte VA (Diasporen) Aufgesuchte Akzessionen Beprobte Saatgutakzessionen VA nicht nachweisbar Bei Begehung nur Blüten vorhanden Individuen nur vegetativ Saatgut bzw. Sporen bei Begehung nicht weit genug entwickelt Schädigung durch Fraß, Pilze u. a. Anderer Grund
Anzahl
%
%
%
%
%
%
%
40/35/27
691
361
52,0
156
22,6
34
4,9
83
12,0
31
4,5
7
1,0
19
2,8
VA = nationale Verantwortungsarten der Gefäßpflanzen
Tab. 5: Ergebnisse der 2018 – 2020 im Rahmen des Wildpflanzenschutzprojekts „WIPs-De II“ durchgeführten Saatgutsammelfahrten in Nordrhein-Westfalen.
Table 5: Results of the seed collection trips carried out in North Rhine-Westphalia from 2018 to 2020 as part of the WIPs-De II wild plant conservation project.
/fileadmin/magazines/naturundlandschaft/current/2023_05/images/NuL_05_2023_Borgmann_03_NEU.jpg _01-Borgmann_ID40
Abb. 3: Anzahl der nationalen Verantwortungsarten (VA) der Gefäßpflanzen in den Blättern der topographischen Karte im Maßstab 1 : 25.000 (TK25), Hotspots gefährdeter VA nach Ackermann et al. (2013) und Hotspots des Wildpflanzenschutzprojekts „WIPs-De“ in Nordrhein-Westfalen. Rot umrandet sind die Hotspots dargestellt, die im Rahmen der vorliegenden Studie als Hotspotregion definiert wurden (> 18 VA).
Fig. 3: Number of vascular plants of national responsibility (VA) in the topographic map sheets at a scale of 1 : 25,000 (TK25), hotspots of endangered VA species according to Ackermann et al. (2013) and hotspots of the WIPs-De wild plant conservation project in North Rhine-Westphalia. The hotspots that were defined as hotspot regions in this study (> 18 VA species) are outlined in red.
/fileadmin/magazines/naturundlandschaft/current/2023_05/images/NuL_05_2023_Borgmann_04.jpg _01-Borgmann_ID76
Abb. 4: Anzahl kartierter und gepufferter Akzessionen (GA) von 40 nationalen Verantwortungsarten (VA) der Gefäßpflanzen der letzten 20 Jahre in den Blättern der topographischen Karte im Maßstab 1 : 25.000 (TK25), beprobte Akzessionen im Rahmen der 2018 – 2020 im Wildpflanzenschutzprojekt „WIPs-De II“ durchgeführten Saatgutsammelfahrten und nicht beprobte Akzessionen in Nordrhein-Westfalen.
Fig. 4: Numbers of mapped and buffered accessions (GA) of 40 vascular plant species of national responsibility (VA) over the last 20 years in the topographic map sheets at a scale of 1 : 25,000 (TK25), sampled accessions within the 2018 – 2020 seed collection trips carried out in the WIPs-De II wild plant conservation project and non-sampled accessions in North Rhine-Westphalia.

2.5 Vorkommen von VA mit RL-Kategorie innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten

Für die Fragestellung, inwieweit die Vorkommen gefährdeter, extrem seltener bzw. in ihrem Bestand deutlich zurückgehender VA innerhalb bzw. außerhalb von Schutzgebieten verbreitet sind (Tab. 6), wurden für NW 5.693 GA und für SH 6.850 GA ausgewertet (Tab. 4, Auswertung III). Berücksichtigt wurden folgende RL-Kategorien: vom Aussterben bedroht (RL-Kategorie 1), stark gefährdet (RL-Kategorie 2), gefährdet (RL-Kategorie 3), extrem selten (RL-Kategorie R) sowie im Bestand deutlich zurückgehend (RL-Kategorie V). Arten der genannten RL-Kategorien werden hier unter dem Begriff „Arten mit RL-Kategorie“ zusammengefasst. Als aktuelle Gefährdungseinstufungen dienten die RL der Länder NW (Verbücheln et al. 2021) und SH (LLUR 2021). Als Zusatz zu den RL-Kategorien ist in der RL NW bei manchen Arten das „S“ angefügt, was bedeutet, dass Dank von Schutzmaßnahmen die Gefährdungssituation bei diesen Arten sich nicht verschlechtert, bei manchen Arten ggf. verbessert hat (Verbücheln et al. 2021). Dies ergab für NW 27 und für SH 31 auszuwertende VA mit RL-Kategorie. Als Schutzgebiete wurden die vom Status und der Flächengröße her drei wichtigsten Schutzgebietskategorien Naturschutzgebiete (NSG), Fauna-Flora-Habitat-Gebiete (FFH-Gebiete) und Nationalparks (NLP) berücksichtigt.

Wissenschaftlicher Name1 Gesamt Nur NSG FFH-Gebiete ohne NSG NLP Eifel ohne FFH-Gebiete und ohne NSG Insgesamt in Schutzgebieten Anteil in Schutzgebieten [%] Insgesamt außerhalb von Schutzgebieten Anteil außerhalb von Schutzgebieten [%] RL-Kategorie in NW2
Anthericum liliago
21
20
0
1
21
100,0
0
0,0
3
Arnica montana
187
162
9
0
171
91,4
16
8,6
3S
Arnoseris minima
13
3
0
0
3
23,1
10
76,9
1S
Carex arenaria
336
118
4
0
122
36,3
214
63,7
3
Carex pseudobrizoides
15
3
0
0
3
20,0
12
80,0
2
Cirsium acaulon
554
415
3
0
418
75,5
136
24,5
3
Cochlearia pyrenaica
5
5
0
0
5
100,0
0
0,0
R
Corydalis intermedia
34
11
7
0
18
52,9
16
47,1
3
Crepis mollis
67
52
9
0
61
91,0
6
9,0
3S
Dactylorhiza majalis
501
369
14
0
383
76,4
118
23,6
3S
Dactylorhiza sphagnicola
12
9
3
0
12
100,0
0
0,0
2
Deschampsia setacea
1
1
0
0
1
100,0
0
0,0
2S
Epipactis purpurata
42
17
0
0
17
40,5
25
59,5
3
Euphrasia micrantha
7
4
1
0
5
71,4
2
28,6
2
Festuca heterophylla
5
5
0
0
5
100,0
0
0,0
2
Galeopsis segetum
513
112
34
15
161
31,4
352
68,6
3
Galium pumilum
296
239
2
0
241
81,4
55
18,6
3
Genista germanica
51
19
4
0
23
45,1
28
54,9
2
Genista pilosa
923
368
46
28
442
47,9
481
52,1
3
Juncus squarrosus
1.236
734
18
36
788
63,8
448
36,2
3S
Lycopodiella inundata
223
172
4
0
176
78,9
47
21,1
3S
Potentilla anglica
135
42
0
7
49
36,3
86
63,7
2
Silaum silaus
266
192
6
0
198
74,4
68
25,6
3
Spergula morisonii
140
87
12
0
99
70,7
41
29,3
3
Veronica opaca
21
0
0
0
0
0,0
21
100,0
2
Vicia lathyroides
77
7
2
0
9
11,7
68
88,3
2
Viola guestphalica
12
12
0
0
12
100,0
0
0,0
RS
5.693
3.178
178
87
3.443
60,5
2.250
39,5
FFH = Fauna-Flora-Habitat, NLP = Nationalpark, NSG = Naturschutzgebiet, NW = Nordrhein-Westfalen, RL = Rote Liste
1 Für die deutschen Namen siehe Tab. 1
2 RL-Kategorien nach Verbücheln et al. (2021): 1 = vom Aussterben bedroht, 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet, R = extrem selten; weitere Abkürzungen: S = durch Schutzmaßnahmen gleich, geringer oder nicht mehr gefährdet (als Zusatz zu 1, 2, 3 oder R)
Verbreitungsdaten zu Eriophorum gracile lagen uns für NRW nicht vor.
Tab. 6: Inner- und außerhalb von Schutzgebieten vorkommende gepufferte Akzessionen (GA) von 27 Verantwortungsarten (VA) mit RL-Kategorie (siehe Abschnitt 2.5) in Nordrhein-Westfalen (NW).
Table 6: Buffered accessions (GA) of 27 species of responsibility (VA) with Red List category (see section 2.5, p. 221 f.) occurring within and outside protected areas in North Rhine-Westphalia (NW).

3 Ergebnisse

3.1 Ermittlung von VA-Hotspots in NW und Vergleich mit Hotspots der biologischen Vielfalt

Für die Ermittlung von VA-Hotspots in NW wurden von 40 VA 100.279 kartierte Vorkommen des Zeitraums 1980 – 2020 ausgewertet (Tab. 3). Die Diversitätsverteilung unterschiedlicher VA pro TK25 wird anhand von fünf Häufigkeitsklassen veranschaulicht, die in Abb. 2 dargestellt sind. Es wurden 16 von 317 TK25 (5,0 %) ermittelt, in denen mehr als 18 VA vorkommen. Diese 16 TK werden als Hotspots charakterisiert (Abb. 2, Abb. 3). Es folgen 91 TK25 mit 13 – 18 VA (28,7 %), 150 TK25 mit 7 – 12 VA (47,3 %), 56 TK25 mit 1 – 6 VA (17,7 %) und 4 TK25 ohne kartierte VA-Vorkommen (1,3 %) (Abb. 2; die Werte für SH werden in Abschnitt 1.1 im Online-Zusatzmaterial erläutert). In NW gibt es vier Hotspotregionen und zwei einzeln liegende Hotspots.

    NW-Hotspotregion 1: Dieser VA-Hotspot betrifft die Übergangsbereiche der Naturräume Ostmünsterland und Bielefelder Osning mit den TK25 Brackwede (4017) mit jeweils 21 VA, Lage (4018) mit 20 VA, Senne (4118) mit 25 VA und Paderborn (4218) mit 23 VA. Die letzten drei genannten TK25 liegen im Hotspot „Senne mit angrenzendem Teutoburger Wald“ des BPBV (Ackermann et al. 2013). Die oftmals sehr sandigen Böden prägen eines der nährstoffärmsten Gebiete in NW, dessen Kernbereiche als Truppenübungsplatz genutzt werden. Typische Landschaftselemente sind großflächig erhalten gebliebene Heidelandschaften mit mosaikartig vorkommenden Magerwiesen, Mooren, naturnahen Fließgewässern und Wäldern. Hier wachsen besonders viele VA, u. a. der Frühlings-Spergel (Spergula morisonii), der Haar-Ginster (Genista pilosa) sowie die Sand-Segge (Carex arenaria).
    NW-Hotspotregion 2: Diese Region im Sauerland/Hochsauerland umfasst die fünf einander angrenzenden TK25 Alme (4517), Madfeld (4518) und Winterberg (4817) mit jeweils 20 VA sowie Brilon (4617) und Niedersfeld (4717) mit jeweils 19 VA. Diese VA-Hotspotregion zählt nach Ackermann et al. (2013) nicht zu den 30 Hotspotgebieten des BPBV.
    NW-Hotspotregion 3: Die VA-Hotspotregion 3 ist Teil vom nördlichen Bereich des Hotspots „Kalk- und Vulkaneifel“ des BPBV mit den angrenzenden TK25 Mechernich (5405) mit 19 VA und Bad Münstereifel (5406) mit 21 VA. Zur Strukturvielfalt in dieser Region tragen viele Kalkkuppen und Kalkhänge mit zahlreichen Halbtrockenrasen, Kalkäckern und Kalk-Buchenwäldern bei. Diese VA-Hotspotregion ist in der Osteifel verortet, die für eine erhöhte Zahl landesspezifisch gefährdeter und seltener Farn- und Gefäßpflanzen, Moose, Heuschrecken, Fische und Brutvögel bekannt ist. Dieses Gebiet ist charakterisiert durch eine große Strukturvielfalt und einen hohen Artenreichtum.
    NW-Hotspotregion 4: Im Naturpark Hohes Venn-Eifel liegen im Großraum Hohes Venn mit den beiden TK25 Aachen (5202) und Roetgen (5303) mit jeweils 19 VA sowie im Großraum nördliche Hocheifel mit dem TK25 Stolberg/Rheinland (5203) mit 20 VA die Gebiete der vierten VA-Hotspotregion in NW. Diese Region liegt nicht innerhalb eines Hotspotgebiets des BPBV und stellt eine weitere spezifische VA-Hotspotregion für Farn- und Gefäßpflanzen in NW dar.

Mit der TK25 Halle (3916) mit 21 VA (an die Hotspotregion 1 diagonal angrenzend) und mit der TK25 Lohmar (5109) mit 20 VA wurden zwei neue, einzelne und von Ackermann et al. (2013) nicht identifizierte Hotspots ermittelt. Im Gebiet der TK25 Lohmar befinden sich zahlreiche NSG wie Aggeraue, Wahner Heide, Gierssiefen, Siegaue und Naafbachtal, sodass gefährdete Pflanzenarten gegen negative äußere Einflüsse dort wahrscheinlich bereits gut geschützt sind. Im Gegensatz dazu kommen in Bereichen des niederrheinischen Tieflands und der Kölner Bucht mit bis zu sechs unterschiedlichen VA pro TK25 die artenärmsten VA-Regionen in NW vor, wozu große Flächen mit landwirtschaftlich und industriell geprägten Landschaftselementen beitragen.

3.2 Verbreitungsanalyse ausgewählter VA-Akzessionen der letzten 20 Jahre in NW

Um die Verbreitung kartierter Akzessionen der 40 ausgewählten VA in NW auszuwerten, wurden für den Zeitraum 2000 – 2020 von 25.120 punktgenau kartierten VA-Vorkommen 12.750 GA ausgewertet (Tab. 4, Auswertung II). Durch eine Pufferung der Akzessionen sollten Redundanzen, die durch mehrmaliges Aufsuchen eines Fundortes zu unterschiedlichen Zeiten durch verschiedene Kartiererinnen und Kartierer auftreten können, reduziert werden. Für die Analyse und Darstellung der Vorkommen wurden acht Häufigkeitsklassen dieser GA gebildet (Abb. 4).

In der Eifel weisen die beiden TK25 Roetgen (5303) mit 1.447 GA von 19 VA und TK25 Monschau (5403) mit 966 GA von 16 VA mit Abstand die meisten verorteten GA pro TK25 in NW auf, gefolgt von den drei TK25 Stolberg/Rheinland (5203) mit 554 GA von 20 VA, Nideggen (5304) mit 554 GA von 16 VA und Blankenheim (5505) mit 540 GA von 18 VA. Im Vergleich der beiden Kartierzeiträume 1980 – 2020 und für die Berechnung von 2000 – 2020 ist festzustellen, dass in NW in den letzten 20 Jahren in 17 TK25 keine VA kartiert wurden oder nicht mehr nachweisbar waren. Die Untersuchungen in diesem Bundesland zeigen, dass in den ermittelten VA-Hotspots neben der erhöhten Artendiversität auch eine erhöhte Anzahl kartierter Akzessionen vorkommen.

3.3 WIPs-Saatgutsammelfahrten 2018 – 2020 in NW

Im Rahmen der 2018 – 2020 in NW durchgeführten WIPs-Saatgutsammelfahrten wurden von 35 der 40 zu beprobenden NW-VA 691 Akzessionen aufgesucht (Tab. 5). Bislang wurden im WIPs-De-II-Projekt von 27 VA 361 Akzessionen beprobt. Die Saatgut-/Sporensammlung konzentrierte sich auf die ermittelten Hotspots sowie auf weitere TK25 mit einer hohen Anzahl kartierter Akzessionen (Abb. 4). Zu den Ursachen nicht beprobter Akzessionen zählen die in Tab. 5 zusammengestellten Faktoren: VA waren am Standort nicht nachweisbar (22,6 %), Individuen wurden nur vegetativ vorgefunden (12,0 %), es waren nur Blüten vorhanden (4,9 %) oder die Samen bzw. Sporen waren noch nicht weit genug entwickelt (4,5 %). Weitere Gründe waren eine Schädigung durch Fraß/Pilze (1,0 %) oder andere Gründe (2,8 %), wozu bspw. auch Pestizideinsatz gehört.

3.4 Vorkommen von VA mit RL-Kategorie innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten in NW

Von den 40 in NW zu beprobenden VA zählen laut RL NW (Verbücheln 2021) 27 zu den Arten mit RL-Kategorie (siehe Abschnitt 2.5). Um die Verbreitung dieser 27 VA innerhalb und außerhalb der drei Schutzgebietstypen NSG, FFH-Gebiete und NLP festzustellen, wurden 5.693 GA mit Gefährdungseinstufung der letzten 20 Jahre ausgewertet (Tab. 1, Tab. 2, Tab. 6). Eine VA ist nach der aktuellen RL NW in ihrem Bestand vom Aussterben bedroht (RL-Kategorie 1), 9 VA sind stark gefährdet (RL-Kategorie 2), 15 VA gefährdet (RL-Kategorie 3) und 2 VA sind extrem selten (RL-Kategorie R). Landesweit existieren vergleichsweise wenige Populationen folgender VA: Lämmersalat (Arnoseris minima, RL-Kategorie 1S, 13 GA), Reichenbach-Segge (Carex pseudobrizoides, RL-Kategorie 2, 15 GA), Pyrenäen-Löffelkraut (Cochlearia pyrenaica, RL-Kategorie R, 5 GA), Torf-Fingerwurz (Dactylorhiza sphagnicola, RL-Kategorie 2, 12 GA), Borstblatt-Schmiele (Deschampsia setacea, RL-Kategorie 2S, 1 GA), Schlanker Augentrost (Euphrasia micrantha, RL-Kategorie 2, 7 GA), Verschiedenblättriger Schwingel (Festuca heterophylla, RL-Kategorie 2, 5 GA) und Violettes Galmei-Stiefmütterchen (Viola guestphalica, RL-Kategorie RS,12 GA). Entsprechend erfolgten von diesen seltenen und gefährdeten VA bislang vergleichsweise wenig Kartierungen. Im Gegensatz dazu kommen die folgenden 5 gefährdeten VA mit RL-Kategorie 3 auf über 50 % aller kartierten GA der 27 VA vor: Sparrige Binse (Juncus squarrosus, 1.236 GA), Stängellose Kratzdistel (Cirsium acaulon, 554 GA), Saat-Hohlzahn (Galeopsis segetum, 513 GA), Breitblättrige Fingerwurz (Dactylorhiza majalis, 501 GA) und Sand-Segge (Carex arenaria, 336 GA).

Insgesamt kommen von den ausgewerteten 5.693 GA 60,5 % innerhalb und 39,5 % außerhalb von Schutzgebieten vor. Zu den VA mit RL-Kategorie, die überwiegend bis ausschließlich (zu 75 – 100 %) in Schutzgebieten vorkommen, zählen Trauben-Graslilie (Anthericum liliago) mit 21 GA (100 %), Pyrenäen-Löffelkraut mit 5 GA (100 %), Torf-Fingerwurz mit 12 GA (100 %), Borstblatt-Schmiele mit 1 GA (100 %), Verschiedenblättriger Schwingel mit 5 GA (100 %), Violettes Galmei-Stiefmütterchen mit 12 GA (100 %), Arnika (Arnica montana) mit 171 GA (91 %), Weicher Pippau (Crepis mollis) mit 61 GA (91 %), Gewöhnlicher Moorbärlapp (Lycopodiella inundata) mit 176 GA (79 %), Breitblättrige Fingerwurz mit 383 GA (76 %) und Stängellose Kratzdistel mit 418 GA (76 %). Hierbei handelt es sich bis auf die letzten drei genannten VA um stenöke Arten, die nur geringe Schwankungen der für sie relevanten Umweltfaktoren tolerieren und daher besonders auf Schutzmaßnahmen angewiesen sind.

Von zehn der 27 VA-Arten mit RL-Kategorie liegen über 50 % ihrer Fundortmeldungen außerhalb der drei Schutzgebietstypen. Die folgenden vier ein- bzw. zweijährigen VA mit RL-Kategorie sind zu einem hohen Anteil außerhalb von Schutzgebieten verortet (Tab. 6): Glanzloser Ehrenpreis (Veronica opaca) mit 21 GA (100 %), Platterbsen-Wicke (Vicia lathyroides) mit 68 GA (88 %), Lämmersalat mit 10 GA (77 %) und Saat-Hohlzahn mit 352 GA (69 %). Auch die Vorkommen der stark gefährdeten und in Waldhabitaten verbreiteten Reichenbach-Segge mit 12 GA (80 %) und der gefährdeten Violetten Ständelwurz (Epipactis purpurata) mit 25 GA (60 %) sind größtenteils außerhalb von Schutzgebieten verortet. Weitere VA mit RL-Kategorie, von denen mehr als 50 % außerhalb von Schutzgebieten in NW vorkommen sind die Sand-Segge mit 214 GA (64 %), das Englische Fingerkraut (Potentilla anglica) mit 86 GA (64 %), der Deutsche Ginster (Genista germanica) mit 28 GA (55 %) und der Haar-Ginster (Genista pilosa) mit 481 GA (52 %).

In Abschnitt 1 im Online-Zusatzmaterial sind für SH die entsprechenden Ergebnisse der Untersuchungen zur Phytodiversität und der Ermittlung der VA-Hotspots dargestellt.

4 Diskussion

Der Verlust pflanzlicher und tierischer Artenvielfalt ist eine der größten weltweiten Herausforderungen, von der ca. 1 Mio. Spezies bedroht sind (Diaz et al. 2019). Hallmann et al. (2017) demonstrierten in der Krefelder Studie, dass die Biomasse von Fluginsekten über einen Zeitraum von 27 Jahren in 63 deutschen Naturschutzgebieten um 75 % abgenommen hat. Diese alarmierenden Beobachtungen zeigen den Bedarf für Studien zur Situation der pflanzlichen Biodiversität in und außerhalb von Schutzgebieten, die essenziell für Insekten und deren zahlreiche Ökosystemleistungen sind. Eichenberg et al. (2020) ermittelten im Zeitraum von 1960 bis 2017 eine 70 %-ige Verbreitungsabnahme von 2.136 in Deutschland untersuchten Pflanzenspezies. Zehm et al. (2020) haben von 67 vom Aussterben bedrohten Gefäßpflanzenarten in Bayern 233 Populationen untersucht. Dabei konnten 43 % der ehemaligen Vorkommen nicht mehr bestätigt werden, die Populationsgrößen von 54 % der Bestände haben abgenommen und nur bei 13 % war eine Zunahme von Individuen zu beobachten Eine kürzlich erschienene umfassende Analyse von 1.794 in Deutschland vorkommenden Gefäßpflanzenarten über einen Zeitraum von 1927 bis 2020 belegt einen höheren Artenverlust als Artenzuwachs (Jandt et al. 2022) und betont die Bedeutung von Studien, die langfristig zeitliche Veränderungen in der Vegetation aufzuzeigen. Vor diesem Hintergrund sollen die in der vorliegenden Studie durchgeführten Verbreitungsanalysen von 48 VA einen Beitrag zur Entwicklung geeigneter Artenschutzmaßnahmen leisten.

4.1 VA-Hotspotanalysen identifizieren bekannte und neue Diversitätsregionen

Im Rahmen der Diskussion um die weltweite Gefährdung der Lebensraum- und Artenvielfalt wurde 1988 von Myers der Begriff „hot spots“ geprägt und im engeren Sinne über das Vorkommen endemischer Gefäßpflanzenarten und über deren Habitatverlust definiert (Myers 1988). In der vorliegenden Studie wurden 16 VA-Hotspots in NW und 18 VA-Hotspots in SH identifiziert. In NW gruppieren sich 14 Hotspots zu 4 größeren, flächig miteinander verbundenen Hotspotregionen und in SH bilden 9 Hotspots 3 Hotspotregionen. Die in dieser Arbeit analysierten TK25 mit jeweils über 18 verschiedenen VA weisen auch nach den Ergebnissen der Arbeiten von Ackermann et al. (2013) mit über 700 bzw. von Haeupler (1997) mit über 800 Farn- und Blütenpflanzenarten einen vergleichsweise hohen Artenreichtum auf. Zusätzlich wurden in NW 2 VA-Hotspots und in SH 1 VA-Hotspot identifiziert, die bislang noch nicht beschrieben wurden.

Keine Übereinstimmung gibt es zu den von Schmitt, Haeupler (2009) ermittelten 13 „Hot Spots der Gefäßpflanzen-Diversität in Deutschland“, von denen der nördlichste Hotspot im Harz liegt und von denen sich 70 % auf die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern verteilen. Hier wurden weitere Kriterien wie „Rote Liste-Sippen“ und Pflanzensippen, die auf nur schwach anthropogen beeinflussten Standorten wachsen (oligohemerobe Sippen) für die Charakterisierung der 13 Hotspots verwendet. Die vorliegende Charakterisierung der VA-Hotspots und VA-Hotspotregionen ist eine erste, quantitative Ermittlung, auf die zukünftig weitere Untersuchungen zu ergänzenden Kriterien wie RL-Kategorien, Endemiten-Status und Gefährdungspotenzialen gefährdeter Biotope aufbauen können.

4.2 Verbreitungsdaten kartierter Akzessionen

Die Identifizierung von Hotspots ist ein informativer Parameter zur Planung kosteneffizienter Schutzmaßnahmen (O'Donnell et al. 2012). Von daher ist die Analyse der Verbreitung kartierter Akzessionen für die Durchführung effizienter WIPs-Saatgutsammelfahrten hilfreich. Mehrere kartierte Akzessionen innerhalb einer TK25 erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Saatgutbeprobung. Während reife Populationen beprobt werden, können im Umfeld weitere noch unreife Populationen aufgenommen und nachfolgend effektiver besammelt werden. Die Auswertungen in NW zeigen, dass TK25 mit einer hohen Zahl von VA mit TK25 korrelieren, die eine hohe Anzahl kartierter VA-Akzessionen aufweisen, wie bspw. in der Senne, im Hochsauerland und in der Eifel. In SH zeigt sich eine andere Situation: Die TK25 mit der größten Zahl von VA korrelieren überwiegend nicht mit den TK25 mit einer hohen Anzahl kartierter Akzessionen. Mögliche Gründe dieser Divergenz sind unterschiedliche Kartierungsintensitäten, z. B. durch Wohnortsnähe der Kartiererinnen und Kartierer oder im Bereich von Universitäten mit entsprechenden Studienrichtungen sowie in Regionen mit ausgewiesenen Schutzgebieten (NSG, FFH-Gebiete, NLP) und selteneren Pflanzenarten. Die Untersuchungen belegen, dass sich die Hotspots in SH im Vergleich zu NW über eine größere Landesfläche verteilen, mit einem Schwerpunkt in den östlichen Landesteilen.

Wie in NW zeigt sich auch in SH, dass Gebiete, die bedingt durch eine hohe abiotische Diversität (u. a. Klima, Gestein, Boden, Relief) verschiedenartige und auch nährstoffärmere Habitattypen aufweisen, zumindest regional eine erhöhte Arten- und Akzessionszahl besitzen. Auch Ausbreitungs- und Extinktionsvorgänge beeinflussen die Artenvielfalt (Hobohm 2011) und ausgeprägte anthropogen bedingte Einflüsse durch veränderte Nutzungs- und Bewirtschaftungsweisen wirken sich auf die regionale und überregionale Phytodiversität aus.

4.3 Vorkommen von VA mit RL-Kategorie innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten

Interessant sind die Ergebnisse der Auswertung von 12.543 Datensätzen zur Verbreitung von VA mit RL-Kategorie innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten. In NW liegen die Vorkommen von 27 VA mit RL-Kategorie zu ca. 60 % und in SH die Vorkommen von 31 VA mit RL-Kategorie zu ca. 56 % außerhalb von NSG, FFH-Gebieten und NLP. Dies betrifft von den untersuchten Arten besonders den Lämmersalat, die Zittergras-Segge, die Violette Ständelwurz, das Liegende Hartheu (Hypericum humifusum), das Englische Fingerkraut, den Glanzlosen Ehrenpreis und die Platterbsen-Wicke, deren Populationen aktuell zu mehr als 60 %, oftmals sogar mehr als 75 % außerhalb NSG, FFH-Gebieten und NLP vorkommen. Nicht jeder außerhalb von Schutzgebieten liegende Standort mit Vorkommen gefährdeter Arten sollte zwingend unter Schutz gestellt werden. Einige Arten wie der Lämmersalat in Getreidefeldern oder die Breitblättrige Fingerwurz auf feuchteren einschürigen Wiesen werden durch geeignete Bewirtschaftung gefördert. Was aber vielfach fehlt und optimiert werden sollte, ist die Kenntnis über die Bedeutung und Gefährdung dieser Arten bei Besitzerinnen/Besitzern und Nutzerinnen/Nutzern dieser Lebensräume. Mit diesem Bewusstsein ließen sich Aktivitäten wie Rodungsarbeiten, Entwässerungen, Bautätigkeiten, intensive Bewirtschaftungen und Herbizideinsätze einschränken.

4.4 Saatgutsammelfahrten im WIPs-De-Projekt

Die Planung der Saatgutsammelfahrten richtet sich vorrangig nach den unterschiedlichen Reifezeitpunkten der VA. Von 1.009 aufgesuchten Standorten in NW und SH konnten an 565 Standorten VA bestätigt werden. An jedem fünften der von Kartiererinnen und Kartierern verorteten und von uns aufgesuchten Standorte waren keine Individuen nachweisbar, obwohl der Standort noch existierte. Problematisch sind die zunehmenden Nährstoffeinträge durch die Landwirtschaft und die damit veränderte Artenzusammensetzung mit Dominanz stickstoffliebender Arten. Ein weiterer Grund für das Verschwinden gefährdeter VA ist der zu beobachtende Verlust extensiven Grünlands und die Trockenheit der Böden.

Mit den zunehmenden Dürreperioden der letzten Jahre ist in vielen Fällen das wiederholte Aufsuchen von Vorkommen zu beprobender VA notwendig geworden. 2018 reduzierten sich wegen wochenlanger Trockenheit Fruchtansätze zahlreicher Blütenpflanzen oder Samen wurden erst gar nicht gebildet. Von verschiedenen mehrjährigen Wildarten wie Arnika, Torf-Fingerwurz oder Aronstab (Arum) ist bekannt, dass sie in Trockenheitsphasen Sprosse und Blätter einziehen und erst im nächsten oder übernächsten Jahr wieder austreiben. Erst ein erneutes Aufsuchen nicht auffindbarer VA wird hier Aufschluss über ein ggf. endgültiges Erlöschen eines Bestands geben. Dies zeigt die Notwendigkeit eines längerfristigen Monitorings solcher Flächen. Nach Abschluss des WIPs-De-Projekts liegen umfangreiche Daten zum Zustand vieler aufgesuchter Populationen und zu deren Habitaten vor, die den Oberen Naturschutzbehörden der Länder mitgeteilt werden und die für Planungen weiterer effizienter Saatgutsammelfahrten genutzt werden können.

5 Fazit und Ausblick

Für zukünftige Planungen weiterer Schutzaktivitäten wie der Auswahl neu auszuweisender Flächen sind die VA-Hotspotuntersuchungen eine wichtige Informationsquelle. Dazu gehören Artenschutzmaßnahmen wie lokal angepasste Biotop- und Managementmaßnahmen und erweiterte Biotopverbundsysteme, die ermöglichen, dass VA-Populationen im Austausch miteinander stehen und ihre genetische Variabilität gefördert wird. Die hier ermittelten VA-Hotspots in NW und SH bilden die Grundlage, um zukünftig auch die Anzahl und Größe von Populationen, die Gefährdung der Arten und die aktuelle Ausprägung der Habitate und Böden zu berücksichtigen und somit die Effizienz von Schutzmaßnahmen weiter optimieren zu können. Durch eine Erweiterung der VA-Hotspotstudien mit Analysen zur räumlichen Verteilung in anderen Bundesländern und weiterführend auch in Kombination mit Hotspotanalysen tierischer Diversität könnten zielgerichtet weitere größere zu schützende Gebiete identifiziert werden. Hierdurch könnten Korridore geschaffen werden, die diese Gebiete miteinander verbinden und so einen genetischen Austausch unter Pflanzen und Tieren ermöglichen. Dadurch könnten langfristig genetische Anpassungen an veränderte Standortbedingungen stattfinden und es würde auch ein Ausweichen in geeignetere Habitate möglich sein. Aufbauend auf Verbreitungsanalysen könnte so ein zusammenhängendes biologisches Artenschutzsystem aufgebaut werden, das dazu beitragen würde, die Diversität gefährdeter Pflanzen- und Tierarten national − und auch grenzübergreifend − zu erhalten.

Die Erhebung und Auswertung dieser umfangreichen Datenlage zeigt die kritischen Aspekte für die Planung zukünftiger erfolgreicher Wildpflanzenschutzmaßnahmen: Die verfügbaren Kartierungsdaten sind häufig veraltet und unvollständig. Langfristig gesicherte Strukturen für die Datenverfügbarkeit und den Datenaustausch sind notwendig, um verschiedenen Akteuren, wie Behörden und Ämtern, Nichtregierungsorganisationen, Biologinnen und Biologen sowie ehrenamtlich tätigen Menschen eine gemeinsame Datengrundlage zur Verfügung zu stellen. Für die langfristige Sicherung gefährdeter Wildpflanzenarten sind Saatgutgenbanken eine essenzielle Ressource und es besteht ein akuter Handlungsbedarf, floristische Kartierungen und Saatgutsammlungen sowie Genbanken strukturell und finanziell intensiver und dauerhaft zu unterstützen. Weitere Informationen zum WIPs-De-Projekt finden sich unter https://www.wildpflanzenschutz.uni-osnabrueck.de/.

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Förderung und Dank

Unser Dank gilt den Herren Rudi May (BfN), Christoph Hoheisel (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz – LANUV NW), Simon Kellner (Landesamt für Umwelt – LfU SH) und Jürgen Brück (Portal Deutschlandflora) für die Bereitstellung der Verbreitungsdaten der beiden Bundesländer. Wir danken weiterhin Herrn Uwe Raabe (LANUV) und Frau Dr. Katrin Romahn (AG Geobotanik SH) für ihre Mitteilungen und Diskussionen zur Verbreitung und Gefährdungssituation der nationalen VA in NW und SH. Für ihre Fundortmeldungen danken wir auch den externen Saatgutsammlerinnen und -sammlern des WIPs-De-II-Projekts sowie all den engagierten ehrenamtlichen Melderinnen und Meldern, die solche Studien mit ermöglichen. Dank auch an das BfN, das mit Mitteln des Bundesumweltministeriums das WIPs-De-Projekt finanziell unterstützt.

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Dr. Peter Borgmann

Korrespondierender Autor

Botanischer Garten der Universität Osnabrück

Albrechtstraße 29

49076 Osnabrück

E-Mail: peter.borgmann@uni-osnabrueck.de

Studium der Biologie in Hamburg und Osnabrück, promoviert mit einer Arbeit über „Magerwiesen im Fürstentum Liechtenstein: Vegetation, Diasporenbanken und Restitutionspotentiale“; seit 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Botanischen Garten der Universität Osnabrück, Aufbau der Loki-Schmidt-Genbank für Wildpflanzen, Koordination der beiden Drittmittelprojekte „Genbank für Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft“ und des nationalen Wildpflanzenschutzprojekts „WIPs-De I“; Arbeitsschwerpunkte: Biotop- und Artenschutz, Geobotanik, Saatgutgenbanken, Web-Mapping.

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Silvia Oevermann

Botanischer Garten der Universität Osnabrück

Albrechtstraße 29

49076 Osnabrück

E-Mail: silvia.oevermann@uni-osnabrueck.de

Prof. Dr. Sabine Zachgo

Korrespondierende Autorin

Botanischer Garten der Universität Osnabrück

Albrechtstraße 29

49076 Osnabrück

E-Mail: szachgo@uni-osnabrueck.de

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