Werner Schulz und Klemens
Steiof
Zusammenfassung
Vogelkollisionen mit Glas sind ein bedeutender Mortalitätsfaktor für Vögel, der durch die Transparenz und Reflexion von
Glasscheiben hervorgerufen wird. Darüber hinaus kann Beleuchtung nächtliche Zugvögel anlocken, die in der Folge am Glas
verunglücken können. Um Vermeidungsmaßnahmen ergreifen zu können, ist es hilfreich zu wissen, in welchem Umfang an Gebäuden
Vogelanprall stattfindet und ob es Fassadenteile mit besonderen Häufungen gibt. Schwierigkeiten ergeben sich aus der Erkennbarkeit
von Anprallspuren am Glas (Abdrücke, Federn), dem Umstand, dass Kleinvögel meistens keine Spuren an den Scheiben hinterlassen, und
daraus, dass am Boden liegende Anprallopfer von Prädatoren, Aasverwertern oder Reinigungsdiensten beseitigt werden können. Da noch
keine in größerem Umfang praktikable Methode einer automatisierten Registrierung von Vogelkollisionen existiert, werden auf der
Grundlage zahlreicher Untersuchungen an Fassaden in Berlin mit insgesamt 1.436 Anprallnachweisen Empfehlungen für eine
standardisierte Durchführung solcher Erhebungen gegeben. Die Erfassungen sollten ganzjährig erfolgen, zumindest aber über
insgesamt 30 Wochen die Perioden mit der größten Vogelaktivität abdecken: Heimzug und Abgrenzung der Brutreviere (März – Mai),
Ausfliegen der Jungvögel (Juni/Juli), Wegzug (August – November) sowie ggf. Überwinterung (Dezember – Februar). Pro Woche sind
zwei Kontrollen der Fassaden auf Anprallspuren und zusätzlich mindestens zwei Kadaversuchen durchzuführen. Die Tageszeiten der
Erfassungen sind an die örtlichen Bedingungen anzupassen (Lichtverhältnisse, anwesende Aasverwerter, Reinigungsdienste, nächtliche
Beleuchtung). Details zum Erkennen von Anprallspuren und zur Interpretation von Kadaverfunden sowie für die Durchführung der
Untersuchung werden genannt. Für die Erstellung der Dokumentation werden Hinweise gegeben.
Vogelanprall – Vogelkollision – Glasopfer – Glasfassade – Glasabdruck – ErfassungsmethodeAbstract
Collisions with glass are a significant mortality factor for birds, caused by the transparency and reflection of glass panes.
In addition, artificial light may attract nocturnal migratory birds, which may subsequently collide with the glass. In order to
take preventive measures, it is helpful to know to what extent bird impact occurs on buildings and whether there are facade parts
with particular clusters. Difficulties arise from the detectability of strike marks on the glass (imprints, feathers), the fact
that small birds usually do not leave any marks on the panes, and that victims lying on the ground can be removed by predators,
scavengers or cleaning services. Since no practical method of automated registration of bird strikes for larger buildings exists
yet, recommendations for carrying out such surveys are given on the basis of numerous investigations on facades in Berlin with a
total of 1,436 collision detections: Surveys should be carried out throughout the year, but should at least cover the periods of
greatest bird activity over a total of 30 weeks: Spring migration and establishment of breeding territories (March – May),
fledging of young birds (June/July), autumn migration (August – November) and, if appropriate, wintering (December – February).
Two inspections of the facades for signs of impact should be carried out per week, and in addition, at least two searches per week
for dead birds. The times of day for the surveys should be linked to local conditions (light conditions, predators and scavengers
present, cleaning services, night-time lighting). Details on the recognition of impact marks and the interpretation of carcass
findings are presented, as well as how to conduct the survey. Instructions are given for the preparation of the
documentation.
Bird strike – Glass collision – Glass victims – Glass facade – Glass imprint – Detection methodInhalt
1 Einleitung
Vogelkollisionen an Glas sind ein bedeutender Mortalitätsfaktor für Vögel mit allein für Deutschland hochgerechnet gut
100 Mio. Anprallopfern im Jahr; dies entspricht über 5 % aller jährlich in Deutschland vorkommenden Vögel (LAG VSW 2017). Vögel können mit transparenten Glasflächen kollidieren, wenn sie den Bereich
dahinter anfliegen wollen. Auch können ihnen Spiegelungen der hinter ihnen liegenden Landschaft auf der Glasoberfläche zum Verhängnis
werden. Zugvögel können zusätzlich nachts durch Beleuchtung angelockt werden. Bei vorhandenen Bauwerken können Untersuchungen zu
Vogelkollisionen Informationen zum Ausmaß der Gefährdung und zu problematischen Bereichen liefern, um gezielt Vermeidungsmaßnahmen
durchführen zu können. Bisher sind allerdings keine technischen Verfahren bekannt, wie Vogelkollisionen an (größeren) Fassaden
automatisiert erfasst werden können. Daher erscheint es notwendig, die bisherige Methode des Absuchens der Scheiben und der Suche nach
Anprallopfern zu verbessern.
Vogelkollisionen können auf verschiedene Weise nachgewiesen werden: durch die vor der Scheibe liegenden Anprallopfer selbst (tot
oder benommen, ggf. auch als Rupfung – dabei dienen Nahrungsreste, die Prädatoren von Vögeln hinterlassen, als Nachweis), durch
Gefiederabdrücke an der Glasscheibe, zum Teil aber auch durch kleine Federn meist aus der Kopfregion des Vogels, die an
der Scheibe haften bleiben. Für systematische Erfassungen zu Vogelkollisionen an vorhandenen Bauwerken
(„Vogelschlagmonitoring“) haben Steiof et al. (2017) auf der Grundlage von Untersuchungen im
Land Berlin mit insgesamt 358 Nachweisen von Vogelkollisionen für Bauwerke bis ca. 6 m Höhe Folgendes vorgeschlagen:
Der Großteil der Nachweise erfolgte über Abdrücke und Federn an den Scheiben. Ein grundsätzliches Problem dieser Methode ergibt
sich aus dem Ergebnis, dass nur 9 von 50 festgestellten Totfunden und Rupfungen Anprallspuren zugeordnet werden konnten. Das bedeutet,
dass 82 % der nachweislich tödlich mit Scheiben kollidierten Vögel keine damals erkennbaren Spuren hinterlassen haben. Wären die
Kadaver entfernt worden (z. B. durch Krähen), wären somit ⁴/₅ der Todesopfer nicht erfasst worden. Zusätzlich war die Abtragsrate
hoch: 20 von 21 am Boden liegenden Totfunden waren bei der nächsten Kontrolle nicht mehr auffindbar.
Als spezifischer Mangel der genannten Methode ist weiterhin festzuhalten, dass sie sich nur sehr eingeschränkt für Bauwerke über
6 – 10 m Höhe eignet. Dies liegt an der Schwierigkeit, Gefiederabdrücke, insbesondere aber auch kleine Federn, in größerer Höhe zu
erkennen. Wenn also bei der gewählten Methode schon bei sehr niedrigen Fassaden eine starke Untererfassung wahrscheinlich ist, ist die
Untererfassung an höheren Fassaden kaum abzuschätzen. Nur unter günstigen Umständen sind Gefiederabdrücke auch an hohen Bauwerken zu
erkennen, Federn so gut wie nie. Kleinvögel hinterlassen an höheren Bauwerken somit keine in der Praxis erkennbaren Spuren. Daher
erlangt bei hohen Gebäuden die Suche nach Anprallopfern eine größere Bedeutung. Für Nordamerika existiert ein von der Gebäudehöhe
unabhängiges Standardprotokoll für Kadaversuchen (Hager, Cosentino 2014):
● Die Häufigkeit der Kontrollen soll sich an der Abtragsrate der Kadaver orientieren, die ggf. individuell zu ermitteln
ist. Hierbei werden Kontrollen alle drei Tage empfohlen, aber auch tägliche Kontrollen sind möglich. ● Tageszeitlich sollten die Kontrollen am Nachmittag erfolgen, weil die meisten Vögel morgens bis mittags
anfliegen und es nachts eine hohe Abtragsrate gibt. Allerdings variiert die Abtragswahrscheinlichkeit von Gebiet zu
Gebiet, so dass Variationen möglich sind; aus logistischen Gründen kann dies auch freigestellt werden (Kontrollen dann,
wenn jemand Zeit hat). ● Die Erfassung sollte den Bereich von der Fassade bis in 2 m Entfernung abdecken. Vegetationsbestände sind hierbei
besonders gründlich zu untersuchen, aber auch alle anderen Strukturen, in die sich sterbende Vögel zurückziehen
könnten. ● Jedes Bauwerk sollte bei jeder Kontrolle in beide Richtungen umlaufen werden.
● Es sollten Fotos der Kadaver angefertigt werden (Rückenlage, Bauchlage, Seitenlage).
Offensichtlich scheinen in Nordamerika in den Städten Prädatoren oder Aasverwerter wie Nebel- oder Rabenkrähen (Corvus
cornix, C. corone) keine Rolle zu spielen, die diese Methodik bspw. in Berlin sehr erschweren. Hinzu kommen an etlichen
der in Berlin untersuchten Bauwerke die Reinigungsdienste, die Vogelkadaver restlos entfernen. Daher dürfte diese Methode mit
Kollisionsopfersuche am Nachmittag in Städten wie Berlin nur sehr unzureichende Ergebnisse bringen.
In Berlin wurden in den Jahren 2018 und 2020 weitere Untersuchungen zum Vogelanprall an verschiedenen Glasfassaden auch höherer
Bauwerke durchgeführt. Die Oberste Naturschutzbehörde Berlins hat hierfür 18 zum Teil über 30 m hohe Bauwerke und Bauwerkskomplexe mit
großen Glasanteilen an Fassadenteilen auf Vogelanprall untersuchen lassen. Die Ergebnisse sind bei Steiof (2022) dargestellt. Die untersuchenden Personen (neun 2018, eine 2020) mussten zu den einzelnen
Anprallereignissen verschiedene Parameter notieren, wie Datum, Uhrzeit, Höhe, Ort an der Fassade, Opfer lebend (Abb. Ca in Abschnitt 3
im Online-Zusatzmaterial unter https://www.natur-und-landschaft.de/extras/zusatzmaterial/) oder tot (Abb. Cb – e, D in Abschnitt 3 im Online-Zusatzmaterial), Feder an der Scheibe
(Abb. 1, 2a, 3a) oder Abdruck (Abb. 4, Abb. 5
und 6, Abb. 7). Insgesamt wurden während dieser
Erfassungen 1.078 Vogelanprallereignisse festgestellt. Darüber hinaus wurden alle methodischen Probleme abgefragt, die bei den
Erfassungen auftraten. Zusammen mit den 358 in Steiof et al. (2017) ausgewerteten
Anprallnachweisen lagen somit 1.436 Anprallnachweise bei den beauftragten Untersuchungen vor.
Abb. 1: Kleingefieder am Anprallort stammt oft aus der Kopfregion und kann in Einzelfällen an der arttypischen Färbung
erkannt werden: a) Grünfink (Chloris chloris). b) und c) Rotkehlchen (Erithacus rubecula). d) Einzelne Feder
an der Glasscheibe, die durch Luftbewegung sichtbar und anhand der Strahlen auch auf ca. 6 m Höhe mit dem Fernglas
erkennbar war (Art unbestimmt).
Fig. 1: Small feathers at the point of collision often originate from the head region and can be identified in some cases
by the colouration at species level: a) Greenfinch (Chloris chloris). b) and c) Robin (Erithacus rubecula).
d) Single feather on the glass pane, which was visible due to air movement and could also be recognised with binoculars at a
height of approx. 6 m on the basis of the barbules (species undetermined).
Abb. 2: Andere Strukturen an Glasscheiben können Daunenfedern recht ähnlich sehen: a) Daunenfeder. b) Tiergespinst
(vermutlich Spinne). c) Pflanzensamen. d) Vermutlich Pflanzensamen.
Fig. 2: Other structures on glass panes can look quite similar to down feathers: a) Down feather. b) Animal web (probably
spider). c) Plant seed. d) Probably plant seed.
Abb. 3: a) und b) Federn mit undefiniertem Abdruck an Glasscheibe nach Regen; das herablaufende Wasser hat
Gewebeflüssigkeit von der Anflugstelle abgespült, was bei geeigneten Lichtverhältnissen erkennbar ist (Waldschnepfe −
Scolopax rusticola).
Fig. 3: a) and b) Feathers with undefined imprint on glass pane after rain; the water running down has flushed tissue
fluid from the collision site, which can be seen in suitable light conditions (Woodcock − Scolopax rusticola).
Abb. 4: Vogelabdrücke an Glasscheiben lassen häufig den Körper und beide Flügel erkennen: a) Mit horizontal gehaltenen
Flügeln, viele Federdetails sind sichtbar (Abdruck durch Beleuchtung von hinten verstärkt; Straßentaube − Columba
livia f. domestica). b) Während des Flügelaufschlags (Ringeltaube − Columba palumbus; man beachte
die geringe Fenstergröße!). c) Viele Anprallspuren nebeneinander zeigen verschieden Flügelhaltungen (Straßentaube). d)
Mindestens drei Abdrücke übereinander stammen vermutlich von einem, ggf. aber auch von mehreren Vögeln (Straßentaube). e)
Kotspritzer sind bisweilen festzustellen, wenn bei heftigem Anprall der Kot aus der Kloake des Vogels gedrückt wurde; zwei
Kotspuren ergeben sich durch Abschattung des Zwischenbereichs durch den Vogelkörper (Straßentaube).
Fig. 4: Bird imprints on glass panes often show the body and both wings: a) With wings held horizontally, many feather
details are visible (print enhanced by illumination from behind; Feral Pigeon − Columba livia f. domestica). b)
During wing upstrike (Woodpigeon − Columba palumbus; note the small window size!). c) Many collision marks next to each
other show different wing postures (Feral Pigeon). d) At least three prints on top of each other probably come from one, but
possibly also from several birds (Feral Pigeon). e) Dropping splashes of faeces can sometimes be seen if the droppings were
forced out of the bird’s cloaca during a strong collision; two dropping marks result from shading of the intermediate area by
the bird's body (Feral Pigeon).
Abb. 5: Bei ausgebreiteten Flügeln lassen sich anhand vermessener Strukturen über Messbildauswertungen die Maße des
Vogels und bisweilen die Art bestimmen: a) Abdruck mit 74 cm Flügelspannweite im Spektrum der Ringeltaube (Columba
palumbus; Kadaver lag auch vor Ort). b) Sehr groß und greifvogelartig erscheinender Abdruck, aber mit 62 cm
Flügelspanne der Straßentaube (Columba livia f. domestica) zuzuordnen.
(Fotos: Werner Schulz)
Fig. 5: When the wings are spread out, the dimensions of the bird and sometimes the species can be determined by analysing
the measuring images: a) Imprint with 74 cm wingspan in the spectrum of Woodpigeon (Columba palumbus; carcass was also
on site). b) Imprint that appears very large and bird-of-prey-like, but with 62 cm wingspan can be assigned to Feral Pigeon
(Columba livia f. domestica).
Abb. 6: Vogelabdrücke können auch undeutlich sein: a) Anprall mit Wischspuren, die durch schrägen Anflug ans Glas
zustandegekommen sind (vermutlich Ringeltaube − Columba palumbus). b) Nach mehrfachem Regen sind die
Gefiederstrukturen oft nicht mehr erkennbar; Restlinien der Flügel geben die Gewissheit, dass es sich um einen
Vogelabdruck handelt (Straßentaube − Columba livia f. domestica). c) Anprallspuren zweier Vögel mit Wasser
im Gefieder (Stockenten − Anas platyrhynchos). d) Die meisten Kleinvögel hinterlassen keine erkennbaren Spuren am
Glas oder nur einen Fleck ohne Flügelspuren; nur ausnahmsweise drücken sich wie hier auch die Schwanzfedern und beide
Flügel ab und eine Feder blieb haften (Haussperling − Passer domesticus, Opfer lag vor Glasscheibe).
Fig. 6: Bird imprints can also be indistinct: a) Collision with wipe marks caused by an angular approach to the glass
(presumably Woodpigeon − Columba palumbus). b) After repeated rainfall, the plumage structures are often no longer
recognisable; residual lines of the wings provide certainty that it is a bird imprint (Feral Pigeon − Columba livia f.
domestica). c) Collision marks of two birds with water in their plumage (Mallard − Anas platyrhynchos). d)
Most small birds leave no recognisable marks on the glass or only a spot without wing marks; only exceptionally, as here, the
tail feathers and both wings leave an imprint, one small feather remained (House Sparrow − Passer domesticus, victim
lay in front of glass pane).
Abb. 7: Nicht alle Abdrücke stammen von Vögeln: a) Abdruck eines Maikäfers (Melolontha spec.), mittig sind
Spuren der Fühler zu sehen. b) Im Bereich bis ca. 2 m Höhe sind oft auch von Menschen verursachte Spuren zu sehen, hier
Handabdrücke.
Fig. 7: Not every imprint comes from birds: a) Imprint of a May Beetle (Melolontha spec.), traces of the antennae
can be seen in the centre. b) In the area up to approx. 2 m in height, traces caused by humans can often be seen, here hand
prints.
Im Jahr 2018 fanden die Untersuchungen tagsüber statt und orientierten sich an den o. g. methodischen Empfehlungen mit
grundsätzlich zwei Kontrollen je Woche; sie erstreckten sich über ca. 9 – 12 Wochen im Zeitraum von September bis Ende November. Die
vier intensiveren Untersuchungen im Jahr 2020 erstreckten sich über 28 Wochen des Jahres, nämlich vom 1. April bis zum 30. Mai und vom
15. Juli bis zum 30. November. Zusätzlich zu den wöchentlich zwei Kontrollen der Fassaden auf Anprallspuren erfolgten wöchentlich
3 – 4 Totfundkontrollen am frühen Morgen, teils an denselben Tagen, teils an zusätzlichen Tagen (Schulz 2020, 2021a, b, c). An einzelnen Bauwerken gab es Hinweise und Totfunde durch das anwesende Personal.
Im Folgenden werden die in Berlin (Steiof et al. 2017, Steiof 2022) gesammelten Erfahrungen und aufgetretenen Probleme mit den vorgenannten Untersuchungsmethoden aufgezeigt
und es wird ein Vorschlag zur Weiterentwicklung der Methode für eine standardisierte Erfassung von Vogelanprall unterbreitet.
2 Methodische Probleme bei der Erfassung von Vogelanprall
2.1 Jahreszeitliche Beschränkung der Kontrollen
Solange zur Erfassung von Vogelanprall an Fassaden keine erprobten automatisierten Techniken vorliegen (Bewegungsmelder,
Lichtschranken, Kameraerkennung, siehe Abschnitt 4), muss die Erfassung weiterhin durch
Einzelkontrollen erfolgen. Je kürzer der abgedeckte Zeitraum ist, desto größer ist die Gefahr, bestimmte Aspekte zu übersehen. So
zeigte sich bei zwei ganzjährigen Kontrollen an einem Gebäude im Wald, dass die Vogelaktivität in den Wintermonaten von Dezember bis
Februar sehr gering war (Steiof et al. 2017). Dies kann aber an anderen Orten bspw. durch
ein spezifisches Nahrungsangebot (z. B. Winterfütterung) anders aussehen. Jeder nicht untersuchte Zeitraum kann somit zu
Erfassungsdefiziten und in der Folge zu Fehleinschätzungen führen.
Grundsätzlich sind Vögel ganzjährig aktiv, wobei es bestimmte Phasen besonderer Aktivität gibt (Kernzeiten in
Mitteleuropa):
● Ende Februar bzw. Anfang März bis Mitte April: Heimzug und Durchzug der Kurzstreckenzieher (diese überwintern in
Westeuropa oder im Mittelmeergebiet), ● Ende März bis Ende Mai: Heimzug und Durchzug der Langstreckenzieher (diese überwintern in Afrika südlich der
Sahara), ● Mitte April bis Ende Juni: Aktivität vieler Brutvögel mit Revierabgrenzungen und Nahrungsflügen,
● Ende Mai bis Ende Juli: Ausfliegen vieler Jungvögel mit Erkunden der Umgebung,
● Juli und August: Dismigration (Zerstreuungswanderung) der Jungvögel,
● Ende Juli bis Ende September: Durchzug und Wegzug der Langstreckenzieher,
● Ende September bis Ende November: Durchzug und Wegzug der Kurzstreckenzieher,
● November bis Dezember: Einflug von Wintergästen,
● Dezember bis Februar: Umherwandern der Wintergäste.
Diese Zeiträume können regional und von Jahr zu Jahr leicht variieren. Nicht nur im Winter ist in verschiedenen Jahren
witterungsabhängig mit sehr unterschiedlichen Zahlen anwesender Vögel zu rechnen. Auch die Zugphasen unterscheiden sich von Jahr zu
Jahr witterungsmäßig sehr stark, wobei insbesondere die Windrichtung einen starken Einfluss auf den bodennah wahrnehmbaren Vogelzug
hat: Bei Rückenwind fliegen viele Vögel in großer Höhe, während sie bei Gegenwind bodennah ziehen (z. B. Gatter 2000; Elkins 2004). Wesentlich konstanter von
Jahr zu Jahr ist hingegen meist die Anwesenheit der Brutvögel.
Hinzu kommt ein weiterer Effekt, der bei einer jahreszeitlich eingeschränkten Kontrolle wie 2018 in Berlin auftreten kann: Die
Glasflächen können zu verschiedenen Jahreszeiten mit unterschiedlichen Einfallswinkeln von der Sonne beschienen werden und andere
Irritationen bei Vögeln hervorrufen. So wurde an einer Glasfassade im Jahr 2018 von Ende September bis Ende November kein einziger
Anprall festgestellt (Steiof 2022). Eine Einmalkontrolle dieser Fassade Mitte September im
Jahr 2020 hat hingegen 23 Anprallspuren ergeben, die in den Wochen davor entstanden sein müssen. Vermutlich hat ein steilerer
Sonnenstand im Sommer auf dieser Glasfassade zu stärkeren Spiegelungen der davor stehenden Baumreihe geführt, die später im Jahr mit
niedrigeren Sonnenständen nicht mehr in dem Maße auftraten.
2.2 Beschränkung der Frequenz der Kontrollen
Vogelkollisionen an Glas können zu jedem beliebigen Zeitpunkt stattfinden. Gleichzeitig ist Vogelanprall ein vergleichsweise
seltenes Ereignis, das kaum direkt beobachtet wird. Selbst bei gefährlichen Glasfassaden mit jährlich über vier verunfallten Vögeln
auf 100 m Fassadenlänge treten die Einzelereignisse in der Regel in längeren Abständen auf. Da Vogelopfer selten lange vor Ort
liegenbleiben (oft nur Minuten, teilweise Stunden, selten mehrere Tage), ist ein Zusammenhang zwischen häufiger Kontrolle und dem
Finden der Anflugopfer offensichtlich. Gleichzeitig sind tägliche oder sogar mehrfach tägliche Kontrollen sehr aufwändig und damit bei
beauftragten Untersuchungen meist teuer. Im Optimalfall lässt sich die Zahl der Kontrollen mit der Vogelaktivität koppeln, bspw. durch
mehr Kontrollen während der Vogelzugzeiten.
Letztlich hängen Vogelkollisionen direkt mit der Flugaktivität der Vögel zusammen. Diese variiert im Jahresverlauf (siehe Abschnitt 2.1), wird aber auch sehr stark von der Wetterlage und der aktuellen Witterung
beeinflusst. Insbesondere die teils sehr hohen Aktivitätsmaxima beim Vogelzug sind oft auf komplexe Situationen zurückzuführen und
nicht immer vorhersehbar, zumal verschiedene Vogelarten unterschiedlich reagieren können (Elkins
2004). Da der Vogelzug bei bestimmten Wetterlagen pausiert und dann bei geänderten Witterungsbedingungen als Massenzug
auftreten kann, können Einzeltage und -nächte mit besonders häufigen Vogelkollisionen einhergehen. Die höhere Kontrollfrequenz der
Kollisionsopfersuche zur Zugzeit erhöht die Wahrscheinlichkeit, auch stärkere Zugtage zu erfassen.
Anprallspuren an den Scheiben bleiben länger sichtbar, wenn sie nicht durch starken Regen abgespült werden. So waren bei früheren
Untersuchungen noch 45 % der Federn nach einer Woche vorhanden und 32 % nach zwei Wochen. Bei den Gefiederabdrücken
waren es 70 % nach einer Woche und 59 % nach zwei Wochen (Steiof et al. 2017Klem et al. (2009)). Die meisten Anprallspuren sollten somit bei wöchentlich ein bis zwei
Kontrollen erkennbar sein.
2.3 Beseitigung der Anprallopfer
Ein Teil der Anprallopfer bei Kleinvögeln ist nur benommen und kann sich somit nach einiger Zeit selbst vom Anprallort entfernen
(Abb. Ca in Abschnitt 3 im Online-Zusatzmaterial), sofern sie nicht vorher von Prädatoren oder Aasverwertern entdeckt werden. Inwieweit
die angeprallten Vögel länger überleben können, ist nicht bekannt. Sobald sie beim Anprall Verletzungen erleiden, dürfte ihre
Lebenserwartung auf Stunden oder wenige Tage reduziert sein; solche Vögel werden schnell Opfer von Beutegreifern oder sie sind bei der
Nahrungssuche behindert und verhungern. schätzen die Todesraten bei Anflugopfern auf 82 – 85 %.
Aber auch die sofort toten Vögel bleiben meist nicht lange liegen (Abb. D in Abschnitt 3 im Online-Zusatzmaterial); es gibt auch
innerstädtisch viele Verwerter. In Berlin waren dies tagsüber vor allem Nebelkrähen (Corvus cornix), die teilweise schon
morgens bei Dämmerungsbeginn die besonders ergiebigen Glasfassaden kontrollierten. Auch in England war das Entsorgen ausgelegter
Kleintierkadaver vor allem auf Krähen zurückzuführen (Inger et al. 2016). Nachts kommen in
Berlin in der dicht bebauten Stadt vor allem Rotfuchs (Vulpes vulpes), Steinmarder (Martes foina) und Wanderratte
(Rattus norvegicus) als Prädatoren in Frage, in Einfamilienhausgebieten auch Hauskatzen (Felis catus). Eine etwas
höhere Diversität unter den Prädatoren gab es in der Schweiz (Welti et al. 2017), wobei auch
dort festgestellt wurde, dass einträgliche Orte häufiger durch die Prädatoren kontrolliert wurden und somit dort die Kadaver schneller
entfernt wurden. Wird dieser Aspekt nicht ausreichend berücksichtigt, werden viel zu wenige Anprallopfer gefunden, gerade unter den
Kleinvögeln. In der Berliner Innenstadt waren Reinigungsdienste relevante Faktoren, die insbesondere im Herbst das angefallene Laub
(und damit auch die dazwischen liegenden Vögel) zum Teil mehrfach am Tag entfernten.
Anders als zur Eichung von Schlagopfersuchen bei Windrädern, ist die Ermittlung von Abtragsraten (Abtransport von Kollisionsopfern
durch Prädatoren oder Aasverwerter) bei Glasfassaden in der Regel nicht sinnvoll, denn die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor.
Windräder stehen meist in homogenen Landwirtschaftsflächen. Die Abtragswahrscheinlichkeit ausgelegter Kleintierkadaver in einem Acker
wird grundsätzlich als im Wesentlichen gleich groß angenommen, auch wenn Säume sicherlich einen Sonderfall darstellen. Im urbanen
Bereich gibt es in der Regel solche Homogenität nicht. So kann bereits an allen vier Fassaden eines Bauwerks die
Abtragswahrscheinlichkeit unterschiedlich sein, je nach Verteilung der Krähenreviere und der Aktivitätsräume der Krähen bzw. der
Aktivität anderer Prädatoren. Und auch bei einer Fassade kann die davorliegende Fläche unterschiedlich strukturiert sein
(Asphalt/Beton, Pflaster, Rasen, Gebüsche) mit völlig unterschiedlichen Abtragswahrscheinlichkeiten. Auslegeversuche zur
Kompensationsberechnung von Abtragsraten wären daher bei Glasfassaden in der Regel sehr aufwändig.
2.4 Erkennbarkeit von Federn in Abhängigkeit von der Entfernung
Kleinvögel hinterlassen oft nur kleine Federn aus der Kopfregion, die durch Feuchtigkeit, Körpersekrete oder Adhäsion an der
Scheibe kleben bleiben (Abb. 1, Abb. 2a). Diese
werden durch Wind, schnell aber auch durch Regen entfernt. Sie sind nur aus der Nähe als Federn zu erkennen, denn insbesondere
Gespinste von Insekten oder Spinnen (Abb. 2b) oder Pflanzensamen (Abb. 2c, d) können ähnlich strukturiert sein. Federn können erkannt werden, wenn der Kiel
und/oder die Strahlen der Federn gesehen werden. Erfahrungsgemäß ist dies bis ca. 5 – 6 m Höhe mit dem Fernglas möglich, im Extremfall
wurde eine Meisenfeder (Blaufärbung) in ca. 9,5 m Höhe gesehen. Leichter Wind kann helfen, wenn er eine Bewegung von Teilstrukturen
des Objekts zur Folge hat (Abb. 1d). Auch können die Eigenschaften der Glasscheiben eine
Rolle für die Erkennbarkeit spielen, wenn z. B. durch einen hohen Reflexionsgrad das Spiegelbild der Feder sichtbar ist. Dies kann
zusätzlich durch Lichteinfall beeinflusst werden, bspw. wenn der Fensterhintergrund dunkel ist und dadurch stärkere Spiegelungen auf
der Glasoberfläche entstehen.
2.5 Lichtverhältnisse und Glasfassaden
Es ist frappierend, wie stark die Lichtverhältnisse die Erkennbarkeit von Gefiederabdrücken am Glas beeinflussen. Bereits ein
Schritt zur Seite oder nach vorne kann hierbei entscheidend sein, wenn sich der Hintergrund im Gebäude oder der Spiegelung ändert. Der
Winkel der Sonne spielt eine Rolle, ebenso der Winkel der Beobachterinnen bzw. Beobachter. Eine vor dem Gebäude verlaufende Straße
kann somit die Erkennbarkeit bereits herabsetzen, weil eine freie Standortwahl für die Beobachtung wegen des Autoverkehrs nicht mehr
möglich ist. Die Himmelsbedeckung ist ebenfalls relevant. In Einzelfällen kann auch künstliches Licht aus dem Gebäude heraus einen
Einfluss ausüben. Aus allen diesen Einflussfaktoren ergibt sich, dass in der Regel nie alle Fassaden eines Bauwerks im selben Zeitraum
mit gleicher Effizienz erfasst werden können. Auf die jahreszeitlich bedingten, unterschiedlichen Beleuchtungswinkel durch die Sonne
wurde in Abschnitt 2.1 bereits hingewiesen. Die Relevanz des
Sonneneinfallswinkels für die Erkennbarkeit von Abdrücken wurde auch bei Untersuchungen in München festgestellt (Wölfl et al. 2021).
2.6 Bauliche Situation, Höhe des Bauwerks
Nicht an allen Fassaden ist die Erfassungswahrscheinlichkeit gleich. Je höher eine Fassade ist, desto geringer wird die
Wahrscheinlichkeit, vom Boden aus Anprallspuren zu finden. Gleichzeitig steigt mit der Höhe des Anpralls die Verdriftungsgefahr von
Anprallopfern. Vordächer, Vorsprünge oder Dachterrassen können verhindern, dass Opfer bis auf den Boden fallen. Dichte Gebüsche direkt
am Gebäude können die Auffindbarkeit ebenfalls stark ver-mindern.
3 Vorschlag für eine standardisierte Erfassung von Vogelanprall
Wenn die Entscheidung für die Ermittlung des Kollisionsgeschehens an einem Bauwerk gefallen ist, muss als Erstes die
Untersuchungsfähigkeit geklärt werden. Hierzu gehören die Einsehbarkeit und Zugänglichkeit der Fassaden und der Bereiche davor. Vorab
ist die Eigentümerin bzw. der Eigentümer eines Bauwerks zu informieren und das Vorgehen ist untereinander abzustimmen. Hierbei ist
deutlich zu machen, dass das Anfertigen von Fotos für die Dokumentation der Befunde erforderlich ist. Notfalls kann die
Naturschutzbehörde über die Amtsermittlung eine Zugänglichkeit und Beweissicherung durchsetzen. Mit dieser sollte vorab auch der
Verbleib der gefundenen Kadaver abgeklärt werden. Das untersuchende Personal sollte ggf. für das Erkennen der Anprallspuren geschult
werden.
Auf Grundlage bisheriger Erfahrungen können für die Konzeption und Durchführung derartiger Untersuchungen folgende Empfehlungen
gegeben werden:
3.1 Konzeption der Untersuchung: Zeiträume und Kontrollintensität
3.2 Vorbereitung der Untersuchung
3.3 Durchführung der Untersuchung
● Die in der Umgebung des Bauwerks häufig gesehenen Vogelarten sind zu notieren, da sie an die Glasfassaden anprallen
können. Dies ist bspw. auch sinnvoll, um bei Taubenabdrücken zwischen Straßentauben (Columba livia f.
domestica, naturschutzrechtlich nicht besonders geschützt) und Ringeltauben (C. palumbus, besonders
geschützt) zu differenzieren (Abb. 5). ● Nach Möglichkeit sollten Anflüge von Straßentauben wegen ihrer naturschutzrechtlich anderen Einordung
gesondert erfasst werden. ● Unsichere Spuren sind gesondert zu notieren und zu dokumentieren. Derzeit liegen unserer Auffassung nach noch nicht
genügend Erkenntnisse über das Aussehen diverser auf Insekten, Spinnen oder Pflanzensamen zurückzuführender Spuren vor,
wie ggf. auch von Anprallspuren größerer Insekten (Abb. 2b – d, Abb. 7a), von Putzspuren durch Reinigungsdienste und von Spuren technischer Geräte am
Gebäude. ● Bei jedem festgestellten Anprallereignis ist zu überlegen, ob Transparenz oder Spiegelung ursächlich sein könnten, zu
den Zugzeiten auch, ob es einen Einfluss von Beleuchtung geben könnte.
3.3.1 Absuchen der Fassaden nach Anprallspuren
3.3.2 Kadaversuche
● Die Uhrzeit muss ggf. an die Aktivität von Reinigungsdiensten und örtlichen Prädatoren und Aasverwertern angepasst
werden. In Berlin war zu den Zugzeiten bei beleuchteten Gebäuden die Absuche frühmorgens bei Dämmerungsbeginn sinnvoll
(vor Krähenaktivität), im Spätherbst noch bei Dunkelheit (vor Reinigungsdiensten). ● Bei allen Kadavern sind genauer Zeitpunkt und Ort zu notieren sowie Fotos am Fundort zu fertigen, bevor der Kadaver
bewegt wird. Hierbei sollte grundsätzlich als Erstes ein Foto mit dem Vogel im Vordergrund und der Fassade im Hintergrund
aufgenommen werden, grundsätzlich frontal (90°-Winkel) zur Fassade. Ein Zollstock kann den Abstand zur Fassade
dokumentieren. Weitere Fotos können den Vogel in Nahaufnahme zeigen. Bei Bedarf sind für Art-, Geschlechts- oder
Altersbestimmung zusätzlich Ober-, Unterseite, Kopfprofil und Flügel zu fotografieren. Nach Möglichkeit ist die
Anprallspur am Glas zu suchen und zu dokumentieren. Auch sollte auf Beweglichkeit oder Totenstarre geachtet werden, da
dieser Zustand Rückschlüsse auf den Todeszeitpunkt zulassen kann. Nach Steidl et al.
(2020) tritt die Totenstarre im Normalfall nach ca. 6 – 8 Stunden ein und löst sich nach 2 – 3 Tagen. Da sie
bei körperlicher Belastung vor dem Tod früher auftreten kann, könnte die Totenstarre bei Zugvögeln nach weniger als
6 – 8 Stunden eintreten. Hierfür liegen aber keine bestätigten Messungen vor. ● Vögel in Rückenlage waren sofort tot, da diese Lage durch den Schwerpunkt bei herabfallenden Vögeln immer entsteht.
Einen Kotfleck gibt es dabei nicht (Abb. Ce in Abschnitt 3 im Online-Zusatzmaterial). ● Kotflecken können zusätzliche Informationen auf einen Anprall liefern, insbesondere an Standorten mit häufiger
Reinigung des Bodens. So koten Vögel, die nach einem Anprall noch leben, häufig ab (Abb. Ca, c in Abschnitt 3 im Online-Zusatzmaterial). Sie können
dann an Ort und Stelle versterben oder abfliegen. Findet man einen toten Vogel in Bauchlage (Abb. Cb – d in Abschnitt 3 im
Online-Zusatzmaterial) − häufig
mit Kotfleck −, hat dieser nach dem Anprall noch gelebt. ● Bei jeder Fassade sollte vermerkt werden, bis zu welchem Abstand eine Kadaversuche erfolgen konnte und auch
erfolgte.
4 Fazit und Ausblick
Eine wie in Abschnitt 3 vorgeschlagene standardisierte Untersuchung liefert umfangreiche
Informationen darüber, in welchem Ausmaß Vogelkollisionen an Glasfassaden stattfinden. Sie kann außerdem darüber Auskunft geben,
welche Fassadenteile besonders gefährlich sind. Einschätzungen, in welchem Umfang Transparenz, Reflexion und Licht für die Kollisionen
verantwortlich sind, können für die Einleitung von Vermeidungsmaßnahmen wichtige Informationen liefern. Eine umfangreiche Auswertung
mehrerer Erfassungen zeigt Steiof (2022). Gleichwohl muss klar sein, dass jede dieser
Untersuchungen mit einer erheblichen Untererfassung verbunden ist (siehe Abschnitt 1); es
werden lediglich Mindestzahlen ermittelt.
Alle Erfassungen sind nur Momentaufnahmen. Bei hoher Untersuchungsintensität dürften sie das tatsächliche Kollisionsgeschehen
recht realistisch widerspiegeln. Wenn nicht das gesamte Jahr untersucht wurde, sollte eine Hochrechnung auf ein Jahr erfolgen, da
hierfür durch die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW 2021)
Schwellenwerte vorgelegt wurden. So wird davon ausgegangen, dass sich 2 verunfallte Vögel je 100 m Fassadenlänge und Jahr noch im
Rahmen des „normalen Lebensrisikos“ bewegen, dem Vögel im Siedlungsraum auch bei herkömmlicher Architektur mit Lochfassaden ausgesetzt
sind. Bei mehr als doppelt so vielen Opfern, also mehr als 4 Vögeln je 100 m Fassadenlänge und Jahr, wird das „signifikant erhöhte
Tötungsrisiko“ erreicht, bei dem das artenschutzrechtliche Tötungsverbot in § 44 Abs. 1 Nr. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG)
ausgelöst wird. Dann kann die Naturschutzbehörde Vermeidungsmaßnahmen durchsetzen – ansonsten muss über Appelle gearbeitet
werden.
Bei der Hochrechnung von der Untersuchungsperiode (z. B. 30 Wochen) auf den Zeitraum eines vollständigen Jahres wird die Summe der
festgestellten Anprallereignisse per Dreisatz auf 52 Wochen bezogen. Hierbei fließen zwei gegenläufige Ungenauigkeiten ein: Erstens
wird die Untersuchung in vielen Fällen vorzugsweise in einer Phase mit viel Vogelaktivität durchgeführt, so dass die Hochrechnung auch
auf die weniger aktiven Phasen zu einer Überschätzung der jährlichen Anzahl an Vogelkollisionen führen kann. Dem steht allerdings −
zweitens − entgegen, dass gerade bei Kleinvögeln selbst bei intensiver Nachsuche nur ein (unbekannt großer) Teil der Vögel gefunden
wird, weil sie zu schnell von Beutegreifern entfernt werden oder sich selbst benommen vom Unfallort entfernen. Anprallspuren an den
Scheiben sind bei kollidierten Kleinvögeln nur unter günstigen Bedingungen zu finden (rund 20 % bzw. 40 % bei zwei
Stichproben in Berlin; Steiof 2022). Korrekturfaktoren in die eine oder andere Richtung sind
nicht bekannt. Daher wird die einfache Hochrechnung durch Dreisatz vorerst als hinnehmbarer Fehler angesehen.
Die Untersuchungsberichte können für die Umsetzung von Vermeidungsmaßnahmen relevant sein. Sie sind daher sorgfältig und gut
lesbar zu erstellen, alle Ergebnisse sind transparent und nachvollziehbar zu dokumentieren. Ein Vorschlag für eine mögliche
Berichtsgliederung findet sich in Abschnitt 1 im Online-Zusatzmaterial.
Die vorgeschlagene standardisierte Methode kann keine völlig exakte Wissenschaft sein, wie aus den methodischen Unzulänglichkeiten
hervorgeht, insbesondere der starken Untererfassung der Anflüge von Kleinvögeln. Sie stellt aus unserer Sicht einen pragmatischen
Kompromiss zwischen einer angestrebten lückenlosen Erfassung und einer vom Aufwand her auch durch Beauftragung noch realistischen
Untersuchung dar. Jeder zusätzliche Aufwand (insbesondere zusätzliche Suchen von Kollisionsopfern) wäre wünschenswert und würde die
Ergebnisse vermutlich verbessern. Ab wann sich hierbei ein „Sättigungswert“ ergibt, also eine Steigerung des Aufwands kaum noch zu
mehr Kollisionsnachweisen führt, ist uns mangels Untersuchungen nicht bekannt.
Wünschenswert wäre eine technische Methode, die rund um die Uhr Kollisionen detektieren könnte. Kamerabasierte Systeme wären
naheliegend, um auch eine Bestimmung der kollidierten Objekte zumindest ansatzweise vornehmen zu können. Sogenannte „Wildkameras“ oder
auch Überwachungskameras sind solche, für ihre Zwecke bewährten Systeme und Letztere wurden auch schon für die Dokumentation von
Vogelkollisionen an Glas verwendet(Samuels et al. 2022). Allerdings wurde dort die
Zuverlässigkeit der Detektion nicht dokumentiert. Es wurde also nicht erfasst, ob die Kamera alle Anflüge aufnimmt. Der durch die
geringe Reichweite der Kamera für kleine Objekte erforderliche technische Aufwand (eine Kamera pro Fenster) spricht auch gegen eine
Anwendung für größere Gebäude, ebenso wie die Ermittlung von Anprallspuren in höheren Stockwerken. Und schließlich ist im öffentlichen
Raum auch die Sicherung der Technik gegen Diebstahl oder Zerstörung zu bedenken. Solange diese Probleme nicht gelöst sind, wird das
personengebundene Absuchen der Glasfassaden notwendig sein.
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Dank
Wir danken zwei anonymen Gutachterinnen bzw. Gutachtern für zahlreiche kritische und konstruktive Anmerkungen zum Entwurf des
Manuskripts.