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Seite 273 - 281

Maßnahmenkatalog für den Insektenschutz in Brandenburg – Kriterien für die Bewertung von Einzelmaßnahmen

Catalogue of measures for insect conservation in Brandenburg – Criteria for the evaluation of individual measures

DOI: 10.19217/NuL2022-06-01 • Manuskripteinreichung: 30.11.2021, Annahme: 17.3.2022

Elisa Lüth, Karin Stein-Bachinger, Michael Glemnitz, Thomas Schmitt, Doreen Werner und Martin Wiemers

Zusammenfassung

Um geeignete Maßnahmen für die Insektenförderung auf Landesebene zu gestalten, sind einheitliche und zielführende Kriterien notwendig. Diese müssen die Wirksamkeit der Maßnahmen für verschiedene Insektengruppen, die praktische Umsetzbarkeit und die Akzeptanz bei Landwirtinnen und Landwirten sowie mögliche Synergien und Konflikte mit anderen Zielen des Natur- und Umweltschutzes einschließen. Um einen breit angelegten und wirksamen Insektenschutz zu realisieren, ist es zudem erforderlich, individuelle Anpassungen zu ermöglichen und landwirtschaftliche Betriebe naturschutzfachlich zu beraten. Die Umsetzung von Insektenschutzmaßnahmen muss angemessen honoriert werden und die infrastrukturellen sowie gesellschaftlichen Voraussetzungen müssen berücksichtigt werden. Die in Brandenburg entwickelte Strategie zur Bewertung von Insektenschutzmaßnahmen stellt eine Grundlage für die Entwicklung einheitlicher Kriterien in Deutschland dar.

Agrarpolitik – Agrarumweltmaßnahmen – Bewertungskriterien – Insektenschutzmaßnahmen – Insekten – Landwirtschaft – Naturschutz

Abstract

In order to select and design suitable measures for insect conservation at regional-state (Land) level in Germany, standardised and target-oriented criteria are needed. These have to include the effectiveness of the measures for different groups of insects, their practical feasibility and acceptance by farmers as well as possible synergies and conflicts with other goals of nature and environmental conservation. To achieve broad and effective insect conservation, individual adaptations must be enabled and advice on nature conservation should be provided to farmers. In addition, implementation of insect protection measures must be rewarded appropriately and infrastructural and social requirements should be taken into account. The strategy for the evaluation of insect conservation measures developed in the Land of Brandenburg provides an initial basis for a uniform evaluation system in Germany.

Agricultural policy – Agri-environmental measures – Evaluation criteria – Insect conservation measures – Insects – Agriculture – Nature conservation

Inhalt

1 Einleitung

2 Methodik zur Bewertung möglicher Insektenschutzmaßnahmen

2.1 Steckbriefe als Grundlage für die Beurteilung der Maßnahmen

2.2 Kriterien zur Bewertung von Insektenschutzmaßnahmen

3 Wirksamkeit der Maßnahmen im Insektenschutz

4 Landwirtschaftliche (praktische) Umsetzbarkeit und Akzeptanz von Insektenschutzmaßnahmen

5 Potenzielle Synergien und Konflikte mit anderen Natur- und Umweltschutzzielen

6 Schlussfolgerungen

7 Literatur

1 Einleitung

Wissenschaftliche Langzeitstudien belegen den drastischen Rückgang von Insektenpopulationen in ganz Deutschland (Hallmann et al. 2017; Gatter et al. 2020; Fartmann et al. 2021). Im Jahr 2019 unterschrieben über 1,7 Mio. besorgte Bürgerinnen und Bürger das Volksbegehren „Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern“ (LfStat 2019). Darauf folgten weitere Volksinitiativen für den Schutz der Artenvielfalt in Baden-Württemberg (2019) und Niedersachsen (2020) – mit dem Erfolg, dass Änderungen der Natur- und Artenschutzgesetze veranlasst wurden (Boes 2021). Im September 2019 beschloss die Bundesregierung das „Aktionsprogramm Insektenschutz“ (BMU 2019). Es enthält breit gefächerte Insektenschutzmaßnahmen u. a. für agrarisch genutzte Regionen und Schutzgebiete. In Brandenburg erzielten im November 2019 bzw. im Januar 2020 zwei parallel laufende Volksinitiativen von Natur- und Umweltverbänden sowie von Landnutzerverbänden ausreichende Stimmenzahlen (Landtag Brandenburg 2020). Nachdem deren Forderungen in einem Dialogprozess aufeinander abgestimmt wurden, haben nun mehrere Abgeordnete einen Gesetzentwurf für ein Brandenburgisches Kulturlandschafts- und Insektenschutz-Stärkungsgesetz eingebracht (Landtag Brandenburg 2021).

Da die Intensivierung der Landwirtschaft als eine der Hauptursachen des Insektenrückgangs gilt (Habel et al. 2019; Sánchez-Bayo, Wyckhuys 2019), stehen Insektenschutzmaßnahmen innerhalb von Agrarlandschaften besonders im Fokus. Bisherige Erfahrungen aus der praktischen Umsetzung von Agrarumweltmaßnahmen deuten auf ein Missverhältnis zwischen der ökologischen Wirksamkeit und der Umsetzungsrate der Maßnahmen hin (Peér et al. 2017). Wenn „dunkelgrüne“ Maßnahmen, die eine hohe ökologische Wirksamkeit aufweisen, in einem zu geringen Umfang umgesetzt werden, führt das zu einer mangelnden Effizienz von Agrarumweltprogrammen insgesamt (Pe'er et al. 2017; Brown et al. 2019). Wichtige Aspekte für die Akzeptanz von Agrarumweltmaßnahmen sind u. a. eine langfristige Sicherung der Wirtschaftlichkeit der Betriebe, die Kommunikation zwischen den Akteuren sowie eine möglichst große Flexibilität bei der Auswahl und Durchführung der Maßnahmen (Joormann, Schmidt 2017). Das Angebot von Maßnahmenkatalogen, u. a. in Verbindung mit Punktesystemen zur vergleichenden Bewertung von Einzelmaßnahmen, hat in der Vergangenheit gezeigt, dass diese wesentlich zur Erhöhung der Akzeptanz solcher Maßnahmen bei Landwirtinnen und Landwirten beitragen (Birrer et al. 2016; Gottwald, Stein-Bachinger 2016, 2018). Um Maßnahmen für potenzielle Anwenderinnen und Anwender transparenter abzubilden, erscheint es dringend geboten, von Beginn an Kriterien, die die ökologische Effizienz und Umsetzbarkeit der Maßnahmen beschreiben, bei der Entwicklung der Maßnahmenkataloge zu berücksichtigen.

Seit vielen Jahren gibt es diverse Einzelmaßnahmenvorschläge (Oppermann 2013) und Maßnahmenkataloge zur Förderung der Biodiversität in Agrarlandschaften (u. a. Gottwald, Stein-Bachinger 2016; Stommel et al. 2019; Fartmann et al. 2021; MLR BW 2021). Ein Maßnahmenkatalog, der auf den Schutz von Insekten fokussiert ist, verschiedene Landnutzungssysteme einbezieht und Maßnahmen anhand einheitlicher Kriterien bewertet, ist bisher jedoch nicht vorhanden.

In Brandenburg wurde ein partizipativer Entwicklungsprozess für einen breit angelegten Maßnahmenkatalog zum Schutz von Insekten durchgeführt, an dem sich über 70 Akteurinnen und Akteure aus 51 verschiedenen Institutionen beteiligten, die unterschiedlichen Bereichen der Landnutzung, Politik und Verwaltung, Bildung und Forschung sowie der Zivilgesellschaft zu repräsentativen Teilen angehörten (Weißhuhn et al. 2020). Als Ergebnis dieses Prozesses steht neben einer Übersicht der notwendigen strukturellen und gesetzlichen Anpassungen für den Insektenschutz in Brandenburg ein Maßnahmenkatalog zur Verfügung, der u. a. 30 Einzelmaßnahmen für den Bereich Landwirtschaft enthält.

2 Methodik zur Bewertung möglicher Insektenschutzmaßnahmen

2.1 Steckbriefe als Grundlage für die Beurteilung der Maßnahmen

Die während des Beteiligungsprozesses gesammelten Maßnahmenvorschläge wurden in Form von Maßnahmensteckbriefen aufbereitet (Weißhuhn et al. 2020; für einen Überblick zu den Maßnahmen und deren Abkürzungen siehe Kasten 1). Dabei wurden vorhandene wissenschaftliche Publikationen (Gottwald, Stein-Bachinger 2016; Stommel et al. 2019) als Grundlage herangezogen. In den Steckbriefen wurden die Wirkungen der Maßnahmen auf Insekten beschrieben und Empfehlungen zur Förderung und Umsetzung gegeben.

Kasten 1: Übersicht über die Maßnahmen zum Insektenschutz in der Landwirtschaft (nach Weißhuhn et al. 2020).

Box 1: Overview of measures for insect conservation in agriculture (after Weißhuhn et al. 2020).

Kürzel und die zugehörigen Maßnahmen

AW Maßnahmen zur Förderung spezieller Anbausysteme und Wirtschaftsweisen

AW 1: Ökolandbau stärken

AW 2: Pflanzenschutzmittelverzicht fördern

AW 3: Stickstoffdüngemittelverzicht fördern

AW 4: Agroforstwirtschaft fördern

AW 5: Alte Sorten und Rassen erhalten

SB Maßnahmen zur Förderung der Strukturvielfalt und des Biotopverbunds

SB 1: Hecken, Baumreihen, Ufer- und Feldgehölze erhalten und neu anlegen

SB 2: Brachen in Grün- und Ackerland fördern

SB 3: Dauerhafte Feldraine und Säume anlegen

SB 4: Halbnatürliche Biotope innerhalb der Agrarfläche erhalten

SB 5: Streuobstwiesen erhalten und neu anlegen

SB 6: Altbäume und Totholz erhalten

SB 7: Naturstein-/Trockenmauern und Lesesteinhaufen erhalten und neu anlegen

GL Maßnahmen auf Grünlandflächen

GL 1: Extensive Beweidung fördern

GL 2: Antiparasitische Behandlung von Nutztieren anpassen

GL 3: Mahdhäufigkeit reduzieren und Mahdtermine anpassen

GL 4: Altgrasstreifen belassen

GL 5: Mosaikmahd fördern

GL 6: Insektenschonende Mähtechnik verwenden

AL Maßnahmen auf Ackerland

AL 1: Mehrgliedrige Fruchtfolgen fördern

AL 2: Anbau von mehrjährigen Futterleguminosen fördern

AL 3: Mahd im Leguminosenanbau anpassen

AL 4: Blüh-, Grün- und Ackerrandstreifen fördern

AL 5: Anbau von Zwischenfrüchten und Untersaaten fördern

AL 6: Anbau von Gemengen fördern

AL 7: Drilllücken belassen und Lichtäcker anlegen

AL 8: Konservierende Bodenbearbeitung fördern

AL 9: Käferbänke erhalten und neu anlegen

AL 10: Alternative Substrate in der Biogaserzeugung fördern

AL 11: Ungeerntete Getreidestreifen und Stoppel belassen

AL 12: Lerchenfenster anlegen

2.2 Kriterien zur Bewertung von Insektenschutzmaßnahmen

Die Entwicklung einheitlicher Kriterien erfolgte im Projektbeirat, bestehend aus neun Expertinnen und Experten des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. und des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts (SDEI). Um die Aussagekraft der Bewertungen zur ökologischen Wirksamkeit sowie der praktischen Umsetzbarkeit und Akzeptanz der Maßnahmen zu erhöhen, wurden zusätzlich Expertinnen und Experten verschiedener Fachbereiche einbezogen. Befragungen hinsichtlich der Wirksamkeit im Insektenschutz wurden mit drei Entomologinnen und Entomologen des Projektbeirats durchgeführt. Die in der Befragung berücksichtigten Insektengruppen bildeten dabei die in den Maßnahmensteckbriefen behandelten Taxa ab (Tab. 1). Umsetzbarkeit und Akzeptanz der Maßnahmen wurden auf Grundlage einer Befragung von neun Fachleuten aus der Gruppe der beteiligten Akteurinnen und Akteure beurteilt, die sich aus Landwirtinnen und Landwirten, Naturschutzberaterinnen und -beratern sowie Vertreterinnen und Vertretern aus Forschung und Verwaltung im Bereich des Umweltschutzes zusammensetzten. Die Einschätzungen erfolgten unter der Annahme, dass Landwirtinnen und Landwirte für die Umsetzung der Maßnahmen eine angemessene Ausgleichszahlung erhalten. Die in der Befragung enthaltenen Aspekte basieren auf den in den Steckbriefen behandelten Einflussfaktoren (Tab. 2) und berücksichtigen etwa zusätzliche Kosten und Arbeitszeit, Aspekte der Wertschöpfung und Öffentlichkeitswirksamkeit sowie pflanzenbauliche Aspekte. Die Befragten wurden zudem gebeten, eine Gesamteinschätzung der Umsetzbarkeit und Akzeptanz für die einzelnen Insektenschutzmaßnahmen zu geben. Die Beurteilung möglicher Synergien und Konflikte mit anderen Zielen des Natur- und Umweltschutzes (Tab. 3) wurde anhand einer Literaturrecherche vorgenommen (Weißhuhn et al. 2020).

Tab. 1: Mögliche Effekte der von Weißhuhn et al. (2020) vorgeschlagen Maßnahmen auf unterschiedliche Insektentaxa. Die Angaben zur Wirksamkeit der Maßnahmen basieren auf einer Befragung von drei Entomologinnen und Entomologen. Die Einträge sind absteigend nach der mittleren Gesamtpunktzahl sortiert. Zu den Skalen und Klasseneinteilungen sowie zur Berechnung der Gesamtbewertung siehe Abschnitt 2.2. Table 1: Possible effects of the measures proposed by Weißhuhn et al. (2020) on different insect taxa. Information on the effectiveness of the measures is based on interviews with three entomologists. The entries are sorted in descending order according to the mean overall score. For scales, class divisions and calculation of the overall rating, see section 2.2.
Maßnahmen
Bewertung der Wirksamkeit der Maßnahmen auf einzelne Insektengruppen
Gesamteinschätzung
Hymeno­ptera
Lepidoptera
Coleo­ptera (außer Carabidae)
Carabidae
Diptera
Ortho­ptera
Hemi­ptera
Mittlere Gesamtpunktzahl
Wirksamkeit (Entomologen)
Wirksamkeit (Literatur)
Ökolandbau stärken (AW 1)
++
++
++
++
++
++
++
14,00
Stark
Stark
Streuobstwiesen erhalten und neu anlegen (SB 5)
++
++
++
++
++
++
++
14,00
Stark
Stark
Hecken, Baumreihen, Ufer- und Feldgehölze erhalten und neu anlegen (SB 1)
++
++
++
+
+ bis ++
++
++
12,33
Stark
Stark
Pflanzenschutzmittelverzicht fördern (AW 2)
++
++
++
+
+ bis ++
++
++
12,33
Stark
Stark
Brachen in Grün- und Ackerland fördern (SB 2)
++
++
++
+
++
++
+
12,00
Stark
Stark
Trockenrasen – Halbnatürliche Biotope innerhalb der Agrarfläche erhalten (Teil von SB 4)
++
++
++
++
+
++
+
12,00
Stark
Stark
Extensive Beweidung fördern (GL 1)
++
++
++
+
+ bis ++
++
+
11,33
Stark
Stark
Stickstoffdüngemittelverzicht fördern (AW 3)
++
++
++
+
+ bis ++
++
+
11,33
Stark
Stark
Moorstandorte – Halbnatürliche Biotope innerhalb der Agrarfläche erhalten (Teil von SB 4)
+
++
++
+
+ bis ++
++
+
10,33
Stark
Stark
Altgrasstreifen anlegen (GL 4)
+
++
++
+
+
++
+
10,00
Stark
Stark
Insektenschonende Mähtechnik verwenden (GL 6)
+
++
++
+
+
++
+
10,00
Stark
Stark
Mosaikmahd fördern (GL 5)
++
++
++
0
+
++
+
10,00
Stark
Stark
Dauerhafte Feldraine und Säume anlegen (SB 3)
+ bis ++
+ bis ++
+ bis ++
++
+ bis ++
+ bis ++
+
9,67
Stark
Stark
Mehrjährige Blühstreifen fördern (Teil von AL 4)
++
++
+
+
+ bis ++
+
+
9,33
Stark
Stark
Mehrjährige selbstbegrünte Streifen fördern (Teil von AL 4)
+
++
++
+
+
+
+
9,00
Mittel
Stark
Kleingewässer – Halbnatürliche Biotope innerhalb der Agrarfläche erhalten (Teil von SB 4)
+
+
+ bis ++
+
++
+
+
8,33
Mittel
Stark
Anbau mehrjähriger Futterleguminosen fördern (AL 2)
+ bis ++
++
+
0 bis +
+ bis ++
0 bis +
+
8,00
Mittel
Stark
Lichtäcker anlegen (Teil von AL 7)
+ bis ++
+ bis ++
+
+
+ bis ++
+
+
8,00
Mittel
Mittel
Mahdhäufigkeit reduzieren und Mahdtermine anpassen (GL 3)
+
++
++
0
+
+
+
8,00
Mittel
Stark
Naturstein-/Trockenmauern und Lesesteinhaufen erhalten und neu anlegen (SB 7)
++
+
++
++
0
+
0
8,00
Mittel
Mittel
Ackerrandstreifen fördern (Teil von AL 4)
+
+
+
+
+ bis ++
0 bis +
+
7,00
Mittel
Mittel
Altbäume und Totholz erhalten (SB 6)
+
0
++
+
++
0
0
6,00
Mittel
Stark
Konservierende Bodenbearbeitung fördern (AL 8)
+
0
+
+
+
+
+
5,67
Mittel
Mittel
Anbau von Untersaaten fördern (Teil von AL 5)
+ bis ++
+ bis ++
+
0
+
0 bis +
0 bis +
5,33
Mittel
Stark
Anbau von Zwischenfrüchten fördern (Teil von AL 5)
+
0 bis +
+
0 bis +
+
0 bis +
+
5,33
Mittel
Stark
Drilllücken belassen (Teil von AL 7)
+
0 bis +
0 bis +
+
0 bis +
0 bis +
0 bis +
5,33
Mittel
Mittel
Mehrgliedrige Fruchtfolgen fördern (AL 1)
+ bis ++
+
0
0 bis +
+ bis ++
0
+
5,33
Mittel
Stark
Mähtechnik im Leguminosenanbau anpassen (Teil von AL 3)
0 bis +
+
+
0
0 bis +
0
0
5,33
Mittel
Stark
Anbau von Gemengen fördern (AL 6)
+ bis ++
+ bis ++
0 bis +
0
0 bis +
0 bis +
0 bis +
5,00
Mittel
Mittel
Käferbänke erhalten und neu anlegen (AL 9)
+
0 bis +
+
+
0
0 bis +
+
4,67
Mittel
Mittel
Alternative Substrate in der Biogaserzeugung fördern (AL 10)
+
+
+
0
+
0
0
4,00
Gering
Mittel
Antiparasitische Behandlung von Nutztieren anpassen (GL 2)
0
0
+
0
+ bis ++
0
0
2,33
Gering
Stark
Lerchenfenster anlegen (AL 12)
+
0
0
+
0 bis +
0
0
2,33
Gering
Gering
Ungeerntete Streifen im Getreide belassen (AL 11)
+
0
0
+
0 bis +
0
0
2,33
Gering
Mittel
Agroforstwirtschaft fördern (AW 4)
0
0
+
0
+
0
0
2,00
Gering
Mittel
Mahdtermine und Mahdhäufigkeit im Leguminosenanbau anpassen (Teil von AL 3)
+
+
0
0
0
0
0
2,00
Gering
Stark
Anbau alter Sorten fördern (Teil von AW 5)
0 bis +
0
0
0
0 bis +
0
0
1,33
Gering
Gering
Haltung alter Rassen fördern (Teil von AW 5)
0
0
0
0
0
0
0
0,00
Gering
Gering
Hymenoptera = Hautflügler, Lepidoptera = Schmetterlinge, Coleoptera = Käfer, Carabidae = Laufkäfer, Diptera = Zweiflügler, Orthoptera = Heuschrecken, Hemiptera = Schnabelkerfe
0 = kein Effekt, + = schwach positiver Effekt, ++ = stark positiver Effekt
Übersicht der Maßnahmensteckbriefe: siehe Kasten 1
Tab. 2: Einschätzung der Umsetzbarkeit und Akzeptanz der von Weißhuhn et al. (2020) vorgeschlagen Maßnahmen. Die Angaben basieren auf der Befragung von neun Fachleuten. Angegeben ist der Median der abgegebenen Einschätzungen. Zu den Skalen sowie zur Bildung des Medians siehe Abschnitt 2.2. Table 2: Evaluation of the feasibility and acceptance of the measures proposed by Weißhuhn et al. (2020). Information is based on a survey of a total of nine experts. Median of the expert assessments is given. For scales and calculation of the median, see section 2.2.
Maßnahmen
Umfang an Arbeitsstunden
N
Ertragsmengen
N
Ertragsqualität
N
Notwendige Maschinenausstattung
N
Pflanzenschutzmittel
N
Düngemittel
N
Wertschöpfung der produzierten Güter
N
Einkommensdiversifizierung
N
Öffentlichkeitswirksamkeit
N
Landschaftsästhetik
N
Problemunkräuter
N
Wasserbedarf
N
Gesamteinschätzung
N
Dauerhafte Feldraine und Säume anlegen (SB 3)
0 bis +
6
7
0
7
0
8
8
8
0 bis −
8
0
8
+ bis ++
8
++
8
+
8
0
8
3,29
7
Altbäume und Totholz erhalten (SB 6)
0
7
0
8
0
7
0
7
0
7
0
7
0
6
0
7
0 bis +
8
+ bis ++
8
0
7
0
6
2,75
8
Anbau mehrjähriger Futterleguminosen fördern (AL 2)
−/+
4
K. A.
K. A.
0
5
− bis −−
4
− bis −−
4
+
5
0 bis +
5
0 bis +
5
+
6
5
0 bis −
5
2,75
4
Brachen in Grün- und Ackerland fördern (SB 2)
0 bis −
6
−−
7
0 bis −
8
0
8
8
−−
8
8
0
8
+
8
++
8
+
8
8
2,71
7
Mehrjährige Blühstreifen fördern (Teil von AL 4)
0
5
6
0
7
0
7
0 bis −
8
7
0 bis −
8
0 bis +
8
++
8
++
7
+
8
0
8
2,71
7
Ackerrandstreifen fördern (Teil von AL 4)
−/+
5
7
0
8
0
8
8
7
0 bis −
8
0
8
+
8
+
8
+
8
0
8
2,71
7
Mahdhäufigkeit reduzieren und Mahdtermine anpassen (GL 3)
7
8
8
0
8
0
6
7
7
0
7
0
8
0 bis +
8
0 bis +
7
0 bis −
8
2,71
7
Altgrasstreifen anlegen (GL 4)
0
5
6
6
0
6
0
5
0 bis −
5
0 bis −
6
0
6
+
6
0 bis +
6
0 bis +
6
0
6
2,60
5
Halbnatürliche Biotope innerhalb der Agrarfläche erhalten (SB 4)
+
5
6
0
6
0 bis +
6
0 bis −
5
0 bis −
5
0
5
0 bis +
6
+
6
++
6
0
5
0 bis −
5
2,60
5
Extensive Beweidung fördern (GL 1)
+
6
6
−/+
6
0 bis +
6
0
6
0 bis −
5
+
7
+
7
+
7
+
7
+
7
0
7
2,50
6
Anbau von Gemengen fördern (AL 6)
0
5
0
7
0
7
0
7
0 bis −
6
0 bis −
6
0
7
+
7
+
7
+
7
0 bis −
6
0
6
2,50
6
Anbau von Zwischenfrüchten fördern (Teil von AL 5)
+
6
+
8
+
9
0
8
9
9
+
9
0 bis +
8
+
8
+
9
9
+
9
2,50
8
Mehrjährige selbstbegrünte Streifen fördern (Teil von AL 4)
5
6
0
6
0
7
7
6
0 bis −
7
0
7
+
7
+
5
+
7
0
7
2,50
6
Antiparasitische Behandlung von Nutztieren anpassen (GL 2)
+
6
0
4
0
5
0
6
0
4
0
5
0 bis −
5
0
6
0
6
0
6
0
5
0
5
2,40
5
Anbau von Untersaaten fördern (Teil von AL 5)
+
5
0 bis +
7
0
7
0 bis +
6
7
7
0
7
0
7
+
7
+
7
7
+
7
2,33
6
Drilllücken belassen (Teil von AL 7)
0 bis +
6
7
0
7
0
7
−/+
7
0 bis −
7
0
7
0
7
+
7
+
7
+
7
0
7
2,33
6
Ökolandbau stärken (AW 1)
+
6
7
K. A.
+
7
−−
7
7
+
8
0
6
+ bis ++
8
+
8
+
7
0
8
2,29
7
Konservierende Bodenbearbeitung fördern (AL 8)
0
7
0
6
0
8
+
9
K. A.
0 bis −
8
0
8
0
8
0
8
0
8
+
9
8
2,25
8
Lerchenfenster anlegen (AL 12)
+
5
6
0
6
0
6
0
6
0
6
0
6
0 bis +
6
+
6
0 bis +
6
+
6
6
2,20
5
Mehrgliedrige Fruchtfolgen fördern (AL 1)
+
4
0
5
0
6
0
6
6
6
+
6
0 bis +
6
+
6
+
6
6
0 bis +
6
2,20
5
Mosaikmahd fördern (GL 5)
+
5
6
6
0
5
0
5
0 bis −
5
0 bis −
6
0
5
+
6
+
6
0
6
0
6
2,20
5
Alternative Substrate in der Biogaserzeugung fördern (AL 10)
+
6
6
6
0
7
6
6
+
7
0
7
+
7
++
7
0 bis +
5
0
5
2,17
6
Naturstein-/Trockenmauern und Lesesteinhaufen erhalten und neu anlegen (SB 7)
+
5
0
6
0
7
0
6
0
6
0
6
0
6
0
7
+
7
+
7
0
6
0
6
2,17
6
Hecken, Baumreihen, Ufer- und Feldgehölze erhalten und neu anlegen (SB 1)
+
5
7
0
8
0
7
0 bis −
8
0
8
0
7
0
8
+
8
++
8
0
8
0
8
2,14
7
Pflanzenschutzmittelverzicht fördern (AW 2)
+
5
8
K. A.
0 bis +
8
−−
7
0
7
+
7
0
6
+
8
+
7
+
7
0
7
2,14
7
Insektenschonende Mähtechnik verwenden (GL 6)
+
5
6
0 bis −
7
+
8
0
7
0
6
0
7
0
7
0 bis +
7
0
7
0
7
0
7
2,00
7
Käferbänke erhalten und neu anlegen (AL 9)
+
4
5
0
5
0
5
−/+
5
5
0 bis −
6
0
6
+
6
+
6
+
5
0
5
2,00
5
Stickstoffdüngemittelverzicht fördern (AW 3)
0 bis −
4
7
8
0
8
0
7
− bis −−
6
7
0
6
+
8
0
7
0
7
0
6
2,00
7
Ungeerntete Streifen im Getreide belassen (AL 11)
0
5
6
0
6
0
6
0
6
0
6
6
0
6
0 bis +
6
+
6
+
6
0 bis −
6
2,00
5
Lichtäcker anlegen (Teil von AL 7)
0 bis +
5
−−
6
K. A.
0
6
6
6
7
0
7
+
7
+
7
++
7
7
1,83
6
Streuobstwiesen erhalten und neu anlegen (SB 5)
+ bis ++
6
0
7
0
7
+
7
0 bis −
6
0 bis −
6
+
6
+
6
++
7
++
7
0
7
0
6
1,83
6
Agroforstwirtschaft fördern (AW 4)
−/+
5
0 bis +
7
0
6
+
6
7
7
+
7
+ bis ++
7
+
7
+
7
0
7
7
1,67
6
−− = starke Abnahme, − = schwache Abnahme, 0 = keine Veränderung, + = schwache Zunahme, ++ = starke Zunahme, −/+ = variierende Effekte möglich, N = Anzahl der Befragten, die eine Antwort gegeben haben, K. A. = keine Angabe
Übersicht der Maßnahmensteckbriefe: siehe Kasten 1
Tab. 3: Mögliche Synergien und Konflikte der von Weißhuhn et al. (2020) vorgeschlagenen Maßnahmen mit anderen Zielen des Natur- und Umweltschutzes (außerhalb des Insektenschutzes). Die Einzelmaßnahmen wurden nach ihrem inhaltlichen Schwerpunkt zu übergeordneten Maßnahmen aggregiert. Zu den Skalen siehe Abschnitt 2.2. Table 3: Possible synergies and conflicts of the measures proposed by Weißhuhn et al. (2020) with other goals of nature and environmental conservation (apart from insect protection). Individual measures were aggregated into superordinate measures according to their main focus. For scales see section 2.2.
Aggregierte Maßnahmen
Enthaltene Maßnahmensteckbriefe
Synergien und Konflikte mit Zielen des Natur- und Umweltschutzes (außerhalb des Insektenschutzes)
Klimaschutz
Artenschutz
Biotopverbund
Gewässerschutz
Wasserrückhalt
Boden- und Erosionsschutz
Ökologische Wirtschaftsweisen fördern
AW 1, AW 2, AW 3, AL 81, GL 2
+
++
0
+
0 bis ++
+
Diversifizierung von Fruchtfolgen
AW 5, AL 1, AL 2, AL 5, AL 6, AL 10
+
+
0 bis +
0 bis +
0 bis +
+
Extensive Beweidung
AW 5, GL 1
0 bis +
+ bis ++
0 bis +2
+
0
+
Insektenfreundliche Mahd
AL 3, GL 3, GL 4, GL 5, GL 6
0
(−)3/++
0
0
0
0
Mehrjährige Blüh- und Brachflächen
AL 4, AL 9, SB 2, SB 3
0
++
+
+4
+
+
Einjährige Schonflächen
AL 7, AL 11, AL 12
0
++
0
0
0
0
Anlage und Erhaltung von Gehölzstrukturen
AW 4, SB 1, SB 5, SB 6
K. A.5
(−)1/++
++
0/++4
+
++
1 Konservierende Bodenbearbeitung unter der Voraussetzung, dass keine zusätzlichen Pflanzenschutzmittel verwendet werden (siehe Steckbrief AL 8)
2 Synergien mit dem Biotopverbund bei Wanderweidetierhaltung
3 Mögliche Konflikte mit dem Schutz von Wiesenbrütern
4 Synergien mit dem Gewässerschutz bei Lage in unmittelbarer Gewässernähe
5 Synergien mit dem Klimaschutz sind zu erwarten
6 Mögliche Konflikte mit dem Schutz von Offenlandarten oder bei der Pflanzung nicht einheimischer Gehölze
− = mäßiger negativer Effekt, 0 = kein Effekt, + = mäßiger positiver Effekt, ++ = starker positiver Effekt, K. A. = keine Angaben im Maßnahmensteckbrief enthalten
Übersicht und Abkürzungen der Maßnahmensteckbriefe: siehe Kasten 1

Die tabellarische Auswertung und Darstellung der Ergebnisse erfolgten in Anlehnung an Oppermann et al. (2019). Die Einschätzung der Wirksamkeit der Maßnahmen (Tab. 1) erfolgte anhand einer vorgegebenen Skala. Dabei konnte aus folgenden Kategorien ausgewählt werden: ++ = stark positiver Effekt, + = schwach positiver Effekt, 0 = kein Effekt, − = schwach negativer Effekt, −− = stark negativer Effekt. Aus den Angaben wurde ein arithmetischer Mittelwert gebildet. Dazu wurden die angegebenen Einschätzungen in Zahlenwerte umgewandelt, wobei für die Kategorie „++“ der Wert 2, für die Kategorie „+“ der Wert 1 und für die Kategorie „0“ der Wert 0 vergeben wurde (Negativbewertungen wurden von den Befragten nicht vergeben). Bei der anschließenden Umwandlung in die ursprüngliche Ordinalskala wurden Zwischenstufen (z. B. + bis ++) angegeben, wenn der Mittelwert nicht ganzzahlig war. Für die Gesamtbeurteilung der Wirksamkeit wurden die Mittelwerte zu einer Gesamtpunktzahl addiert und in drei Wirksamkeitsklassen eingeteilt: 9,3 – 14,0 Punkte = starke Wirksamkeit, 4,3 – < 9,3 Punkte = mittlere Wirksamkeit, 0,0 – < 4,3 Punkte = geringe Wirksamkeit. Die Beurteilung der Wirksamkeit nach Literaturangaben wurde in Tab. 1 aus Weißhuhn et al. (2020) übernommen.

Bei der Einschätzung des Einflusses einzelner Faktoren auf die Umsetzbarkeit und Akzeptanz der Maßnahmen (Tab. 2) standen folgende Kategorien zur Wahl: ++ = starke Zunahme, + = schwache Zunahme, 0 = keine Veränderung, − = schwache Abnahme, −− = starke Abnahme, −/+ = variierende Effekte möglich. Aus den Angaben der Befragten wurden anhand der verwendeten Ordinalskala Mediane gebildet. In Fällen, bei denen der Median exakt zwischen zwei verschiedenen Bewertungskategorien lag oder ein eindeutiger Trend vorlag und nur eine einzelne Einschätzung zu einer Verschiebung des Medians führte, wurden Zwischenstufen (z. B. 0 bis +) angegeben. Waren die Angaben zu positiven, negativen und neutralen Effekten in ihrer Häufigkeit ausgewogen, wurde die Kategorie „−/+“ vergeben. Die Gesamteinschätzung der Umsetzbarkeit und Akzeptanz der Maßnahmen wurde auf einer Skala von 1 = sehr geringe Umsetzbarkeit und Akzeptanz bis 5 = sehr hohe Umsetzbarkeit und Akzeptanz angegeben. Aus den Angaben der Befragten wurde ein arithmetischer Mittelwert gebildet.

In Tab. 3 wurden die Maßnahmen nach ihren inhaltlichen Schwerpunkten gruppiert und mögliche Synergien und Konflikte mit anderen Natur- und Umweltschutzzielen entsprechend den Angaben in den Maßnahmensteckbriefen von Weißhuhn et al. (2020) auf einer Skala zusammengefasst: ++ = starker positiver Effekt, + = mäßiger positiver Effekt, 0 = kein Effekt, − = mäßiger negativer Effekt, −− = starker negativer Effekt.

3 Wirksamkeit der Maßnahmen im Insektenschutz

Die in der „Wissenssynthese für das Maßnahmenprogramm Insektenschutz Brandenburg“ (Weißhuhn et al. 2020) empfohlenen Maßnahmen wurden hinsichtlich ihrer Wirkung auf diverse Insektengruppen (Tab. 1) positiv bewertet, wobei die Stärke des positiven Effekts sowie die Anzahl der profitierenden Insektengruppen je nach Maßnahme variiert. Die abgebildeten Insektenordnungen repräsentieren ein Spektrum von Insekten, das potenziell in allen Bereichen der Agrarlandschaft zu finden ist. Maßnahmen, die sowohl durch die Entomologinnen und Entomologen als auch im Ergebnis der Literaturrecherche als besonders wirksam bewertet wurden, zielen v. a. auf einen reduzierten Gebrauch von Pflanzenschutzmitteln und Stickstoffdüngern ab oder beinhalten die Erhaltung bzw. Schaffung dauerhafter Strukturen und Lebensräume innerhalb der Agrarlandschaft. Dazu zählen die Stärkung des ökologischen Landbaus und die Erhaltung spezieller Lebensräume wie Streuobstwiesen und Trockenrasen. Während sich einige Maßnahmen – z. B. die Förderung extensiver Beweidungsformen – auf alle betrachteten Insektengruppen positiv auswirken, adressieren andere Maßnahmen nur ausgewählte Insektengruppen wie dung- oder holzbewohnende Insektenarten. An spezielle Lebensräume angepasste Insektengruppen wie aquatische oder semiaquatische Insekten, die hier nicht berücksichtigt wurden, profitieren v. a. von Maßnahmen wie der Erhaltung und Anlage von Kleingewässern oder dem Schutz von Mooren. Insgesamt resultiert aus den Steckbriefen eine deutlich höhere Anzahl von Maßnahmen, deren Wirksamkeit anhand der Literaturauswertung als hoch bewertet wird, als aus der Einschätzung der Wirksamkeit durch die beteiligten Entomologinnen und Entomologen. Mithilfe des zusätzlichen Expertenwissens ist daher zum einen eine weitere Priorisierung der Maßnahmen für die Gestaltung wirksamer Insektenschutzprogramme möglich. Zum anderen sollten divergierende Einschätzungen mithilfe von Feldstudien besser untermauert werden. Dies trifft insbesondere auf die Einschätzung eines angepassten Mahdregimes im Leguminosenanbau zu (Abb. 1).

/fileadmin/magazines/naturundlandschaft/current/2022_06/images/NuL_06_2022_Lueth_01a_b.jpg _01-Lueth_ID40
Abb. 1: a) Ein bei der Mahd ausgesparter Kleegrasstreifen am Ackerrand bietet Nahrung für viele Insekten. b) Leguminosen wie der Rotklee (Trifolium pratense) sind wertvolle Trachtpflanzen für Bestäuber.
Fig. 1: a) An unmown strip of clover grass at the edge of fields provides food for many insects. b) Legumes such as red clover (Trifolium pratense) are valuable forage plants for pollinators.
(Fotos: Frank Gottwald)

Je nach Art der Umsetzung, des Landschaftskontextes und der Standorteinflüsse kann die Wirksamkeit der Insektenschutzmaßnahmen stark variieren (Dauber et al. 2010). Die Auswahl und Konzeptionierung von Insektenschutzmaßnahmen sowie deren Anpassung an die jeweiligen standörtlichen und betrieblichen Gegebenheiten sollte daher durch eine naturschutzfachliche Beratung begleitet werden (Oppermann et al. 2018).

4 Landwirtschaftliche (praktische) Umsetzbarkeit und Akzeptanz von Insektenschutzmaßnahmen

Die Einschätzungen der befragten Fachleute (Tab. 2) zeigen erwartungsgemäß die hohe Relevanz von Ertragseinbußen und zusätzlichem Arbeitsaufwand für die Akzeptanz der Maßnahmen. Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Umsetzung ist deren Wertschöpfungspotenzial. Dieses wurde den Maßnahmen v. a. dann zugeschrieben, wenn ein marktfähiges Erzeugnis hervorgeht, beispielsweise in Agroforstsystemen oder Streuobstwiesen. Besonders wirksame Maßnahmen, wie die vorrübergehende Stilllegung von Ackerflächen oder die Pflanzung von Feldgehölzen, besitzen kein oder nur ein sehr geringes Wertschöpfungspotenzial und können daher eine eingeschränkte Akzeptanz erfahren.

Mehrere Maßnahmen erfordern eine Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutz- und Düngemitteln (Weißhuhn et al. 2020). Bei der Anlage von Drilllücken (Erzeugen von Lücken bei der Einsaat z. B. durch Schließen von Säscharen) und Käferbänken (Anlage begrünter Erdwälle auf Ackerflächen) wurden variierende Effekte für den Bedarf von Pflanzenschutzmitteln angegeben. Diese Einschätzung kann auf die mögliche Ausbreitung problematischer Wildkräuter zurückgeführt werden. Es wurde z. B. befürchtet, dass die Anlage von Brach- und Schonflächen oder der Verzicht auf wendende Bodenbearbeitungsverfahren eine Ausbreitung von Problemkräutern begünstigen könne.

Eine ggf. notwendige Anpassung der maschinellen Ausstattung kann sich aufgrund hoher Kosten negativ auf die Akzeptanz und Umsetzbarkeit der Maßnahmen auswirken. Dies ist nur bei wenigen Maßnahmen der Fall. Dazu zählen etwa der Anbau spezieller Kulturen wie Streuobst und Agrarholz sowie insektenfreundliche Techniken der Mahd und Bodenbearbeitung im Grünland bzw. Feldfutterbau. Die meisten Maßnahmen tragen nach Meinung der Befragten durch das veränderte Landschaftsbild zu einer Verbesserung der Landschaftsästhetik bei oder besitzen eine positive Öffentlichkeitswirksamkeit, wodurch die Akzeptanz der Maßnahmen bei den Landnutzerinnen und Landnutzern positiv beeinflusst werden kann (Joormann, Schmidt 2017).

Die gemittelten Gesamteinschätzungen für die Umsetzbarkeit und Akzeptanz der Insektenschutzmaßnahmen unterscheiden sich nur geringfügig voneinander, obwohl die Streuung der Einschätzungen teilweise hoch ausfiel. Insgesamt wurden Maßnahmen, die keinen oder nur einen geringen Pflegeaufwand benötigen – z. B. die Erhaltung bereits vorhandener Strukturen sowie das Einrichten von Schonstreifen oder Stilllegungen –, überwiegend als leicht umsetzbar eingestuft. Die Neuanlage von Landschaftsstrukturen wie Gehölzen oder Käferbänken wurde dagegen mit einer mäßigen Umsetzbarkeit bewertet. Gründe können Unsicherheiten in Bezug auf den Aufwand für Planung, Umsetzung und die spätere Pflege sein. Der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel oder Stickstoffdüngung wurde ebenfalls mit einer geringen Umsetzbarkeit und Akzeptanz bewertet, möglicherweise aufgrund erhöhter Ertragsrisiken.

Die Befragung ergab stark heterogene, zum Teil konträre Einschätzungen zur Schädlingsentwicklung infolge der Maßnahmenumsetzung, die daher nicht in der Ergebnistabelle dargestellt wurden. Obwohl nach aktuell vorherrschenden wissenschaftlichen Erkenntnissen bspw. Extensivierungsmaßnahmen durch die Förderung von Nützlingen eine regulierende Wirkung auf Schädlingspopulationen besitzen können (Holland et al. 2016; Albrecht et al. 2020), wurde von etwa der Hälfte der Befragten eine Zunahme der Schaderreger angenommen. Zu dem Effekt des Ökolandbaus und des Pflanzenschutzmittelverzichts auf die Qualität der Erträge wurden ebenfalls teilweise Einschätzungen abgegeben, die im Widerspruch zu aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen (Reganold, Wachter 2016; Kuznetsov et al. 2020) und daher nicht aufgeführt werden. Die heterogenen Angaben können auf unterschiedliche Betrachtungsweisen der Ertragsqualität zurückgeführt werden. So können sowohl eine Veränderung der Inhaltsstoffe, mögliche Pflanzenschutzmittelrückstände oder ein potenzieller Schädlingsbefall als Minderung der Ertragsqualität bewertet werden. Darüber hinaus ist eine gewisse Kontextabhängigkeit der vereinfachten Zusammenhänge anzunehmen, die sich in unterschiedlichen Erfahrungen und der Bandbreite der publizierten Ergebnisse widerspiegelt.

Die Ergebnisse der Befragung zeigen, wie wichtig Weiterbildungsmöglichkeiten, naturschutzfachliche Beratung sowie der Austausch regionaler Erfahrungswerte und wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Steigerung der Umsetzung von Insektenschutzmaßnahmen sind. Umsetzung und Akzeptanz von Insektenschutzmaßnahmen hängen oftmals auch von den damit verbundenen Sanktionsrisiken ab, wenn z. B. eine Naturschutzmaßnahme nicht in Agraranträge integriert werden kann, die Nutzung angrenzender Agrarflächen durch eine Maßnahme beeinträchtigt wird oder die naturschutzfachliche Umsetzung der Maßnahme in Konflikt zu den vorgeschriebenen Nutzungszeiträumen und der Nutzungshäufigkeit steht.

Damit Insektenschutzmaßnahmen auf Akzeptanz bei Landwirtinnen und Landwirten treffen, müssen zudem entsprechende strukturelle Rahmenbedingungen geschaffen werden. In Brandenburg gehören dazu u. a. die Verbesserung von Vermarktungs- und Produktionsinfrastrukturen und der Ausbau von Direktvermarktungskonzepten. Auch die Wahrnehmung der Insektenschutzmaßnahmen in der Gesellschaft spielt eine zentrale Rolle für die Akzeptanz bei den Akteuren. Öffentlichkeitswirksame Maßnahmen wie Infotafeln, öffentliche Hoftage oder Feldexkursionen tragen dazu bei, über die Insektenschutzstrategien in der Agrarlandschaft aufzuklären.

5 Potenzielle Synergien und Konflikte mit anderen Natur- und Umweltschutzzielen

Bei der Umsetzung von Insektenschutzmaßnahmen überwiegen synergetische Effekte mit anderen Zielen des Natur- und Umweltschutzes (Tab. 3). Die stärksten Synergien bestehen erwartungsgemäß mit dem Artenschutz (Weißhuhn et al. 2020). Konflikte sind nur in wenigen Fällen zu verzeichnen und betreffen wiederum häufig den Artenschutz, etwa bei Mahdterminen, die in den Brutzeitraum von Wiesenbrütern fallen. Durch die Naturschutzmaßnahmen ergeben sich vielseitige positive Zusatzeffekte für den Bodenschutz und den Wasserhaushalt (Holden et al. 2019) sowie den Biotopverbund (Kühne et al. 2018). Insbesondere die Anlage bzw. Erhaltung von Gehölzstrukturen und mehrjährigen Blüh- und Brachflächen ist mit vielseitigen Synergien verbunden (Abb. 2).

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Abb. 2: Mehrjährige Blühfläche im zweiten Standjahr mit ein-, zwei- und mehrjährigen Pflanzenarten wie dem Gewöhnlichen Natternkopf (Echium vulgare), Kornblumen (Centaurea cyanus), Wiesen-Margeriten (Leucanthemum vulgare), Schwarzen Königskerzen (Verbascum nigrum) und der Wilden Malve (Malva sylvestris).
Fig. 2: Perennial flowering area in the second year with annual, biennial and perennial plant species such as common viper's bugloss (Echium vulgare), cornflowers (Centaurea cyanus), oxeye daisies (Leucanthemum vulgare), black mullein (Verbascum nigrum) and wild mallow (Malva sylvestris).
(Foto: Gregor Kablitz)

Die Pflege bzw. Neuanlage halbnatürlicher Lebensräume wie Trockenrasen, Sölle oder Moore (Maßnahmensteckbrief SB 4 in Weißhuhn et al. 2020) wurde aufgrund der vielfältigen Ausprägungen und Bewirtschaftungsmöglichkeiten nicht in Tab. 3 aufgeführt. Je nach Biotoptyp bieten diese Strukturen innerhalb der Agrarlandschaft äußerst wertvolle Lebensräume und besitzen bedeutende Funktionen im Natur- und Umweltschutz (Fartmann et al. 2021). Einjährige Schonflächen wie Lichtäcker, Ackerrandstreifen oder ungeerntete Getreidestreifen bieten vor allem Synergien in Bezug auf den Artenschutz – z. B. den Schutz von Ackerwildkräutern, Vögeln oder Feldhasen (Lepus europaeus) (Gottwald, Stein-Bachinger 2016). Die Anlage mehrjähriger Blüh- und Brachflächen geht dagegen aufgrund ihrer Störungsarmut und der damit verbundenen Bodenruhe mit weiteren positiven Effekten auf Umwelt und Natur einher und bietet auch im Herbst und Winter Lebensraum für Vögel und Säugetiere (Wix et al. 2018). Regionale Unterschiede bestehen bspw. bei der Neuanlage von Gehölzen, der extensiven Beweidung oder der Diversifizierung der Fruchtfolge.

6 Schlussfolgerungen

Aufgrund komplexer Wechselwirkungen und der großen Vielfalt von Insektengruppen stellt die Auswahl von Maßnahmen, die durch ihr Zusammenwirken dem Insektenschwund in Deutschland entgegenwirken können, für die konkrete, lokale Umsetzung eine große Herausforderung dar. Zur Verwirklichung der Beschlüsse des „Aktionsprogramms Insektenschutz“ (BMU 2019) sind einheitliche Kriterien zur Bewertung der Insektenschutzmaßnahmen erforderlich, um

    potenzielle Maßnahmen untereinander vergleichbar zu machen,

    Kombinationen von Maßnahmen auszuwählen, die sich in ihren Effekten auf unterschiedliche Insektengruppen sowie in Hinblick auf Synergien mit anderen Natur- und Umweltschutzzielen gut ergänzen,

    Hindernisse und Hemmnisse bezüglich ihrer Umsetzbarkeit und Akzeptanz zu identifizieren und ggf. zu vermeiden.

Eine vielschichtige Betrachtung der Maßnahmen hinsichtlich ihrer Effekte auf unterschiedliche Insektengruppen, ihrer Umsetzbarkeit für Landwirtschaftsbetriebe sowie ihres Einflusses auf weitere Umwelt- und Klimaschutzziele liefert ein umfassendes Gesamtbild. Damit können Anforderungen an die Maßnahmen definiert, deren Wirksamkeit bewertet und bestehende Wissenslücken identifiziert werden.

Durch die Gewährung finanzieller Sicherheiten sollte eine risikoarme praktische Erprobung der Maßnahmen in verschiedenen Regionen ermöglicht werden, um deren Umsetzbarkeit besser skalieren zu können und Unsicherheiten zu beheben. Ein begleitendes Monitoring sowie die Evaluierung von Maßnahmen helfen, deren Wirksamkeit zu optimieren. Darüber hinaus sollten die Vorgaben zur Antragstellung sowie die Richtlinien zur Förderung von Insektenschutzmaßnahmen künftig mehr Flexibilität zulassen, damit Landwirtinnen und Landwirten der aktive Beitrag zum Schutz heimischer Insekten erleichtert wird. Eine begleitende naturschutzfachliche Beratung ist für eine Optimierung der Maßnahmenumsetzung erforderlich und trägt zur Vernetzung regionaler Akteure bei. Die Brandenburger Strategie zur Bewertung von Insektenschutzmaßnahmen bietet eine gute Grundlage für einheitliche Bewertungskriterien in Agrarlandschaften, die auch in anderen Bundesländern bzw. auf Bundesebene angewendet werden können.

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Elisa Lüth, M. Sc.

Korrespondierende Autorin

Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V.

Eberswalder Straße 84

15374 Müncheberg

E-Mail: elisa.lueth@zalf.de Die Autorin studierte die Fächer Biowissenschaften (B. Sc.) sowie Ökologie, Evolution und Naturschutz (M. Sc.) an der Universität Potsdam. Sie ist seit 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. und wirkte bei der Entwicklung des im Beitrag genannten Maßnahmenkatalogs für den Insektenschutz in Brandenburg mit. Sie arbeitet derzeitig in Forschungsprojekten, die sich mit der Bereitstellung von Ökosystemleistungen in Agrarsystemen beschäftigen. Darüber hinaus ist sie in der naturschutzfachlichen Beratung landwirtschaftlicher Betriebe in Brandenburg tätig.

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Dr. Karin Stein-Bachinger

Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V.

Eberswalder Straße 84

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E-Mail: kstein@zalf.de

Dr. Michael Glemnitz

Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V.

Eberswalder Straße 84

15374 Müncheberg

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Prof. Dr. Thomas Schmitt

Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut (SDEI)

Eberswalder Straße 90

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Dr. Doreen Werner

Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V.

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Dr. Martin Wiemers

Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut (SDEI)

Eberswalder Straße 90

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