Norman Wagner und Jacob Britz
Zusammenfassung
Das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis) ist für europäische magere Feuchtwiesen typisch. Die Pflanze zeigt bundesweit und im Saarland kurz- und langfristige Bestandsrückgänge. Mit der Entstehung des Naturschutzgebiets „Täler der Ill und ihrer Nebenbäche“ im Projektgebiet des ehemaligen Naturschutzgroßvorhabens „Gewässerrandstreifenprojekt Ill“ im Jahr 2005 wurden die Bewirtschaftungsvorgaben für die teilweise mit D. majalis bestandenen mageren Feuchtwiesen in eine Rechtsverordnung übernommen. Die Regelungen beinhalten u. a. ein Verbot der Mahd vor dem 15.6., ein weitgehendes Düngeverbot sowie Vorgaben für eine extensive Beweidung und ein Verbot der Trockenlegung dieser Flächen. 30 Jahre nach der Grunderfassung im Rahmen des Naturschutzgroßvorhabens wurden alle 30 früheren Vorkommen von D. majalis erneut aufgenommen und es wurden für die Präsenz oder Absenz der Art relevante Parameter erfasst. Zudem wurde retrospektiv die Entwicklung der Bestände über eine Datenrecherche dokumentiert. Auf nur 17 (57 %) der Flächen war D. majalis im Jahr 2023 noch vertreten, teils jedoch noch in hoher Abundanz. Große Bestände der Art treten im Projektgebiet nur an feuchten und mageren Standorten auf. Es zeigte sich, dass an über der Hälfte der heutigen Absenzstandorte das Verschwinden von D. majalis auf eine Nutzungsaufgabe mit anschließender Verbrachung zurückzuführen ist. Dies stellt im Gebiet auch weiterhin eine der größten Gefährdungsursachen dar. Wir empfehlen eine regelmäßige Kontrolle der bekannten Vorkommen und deren konsequente Pflege, am besten durch eine späte Mahd nach dem 1.7. mit Schnittgutabtrag. Die Auswertung liefert aber auch Indizien, dass durchaus auch andere Nutzungsregime als eine späte, einschürige Mahd erfolgreich bei der Pflege sein können und nur eine Nutzungsaufgabe verheerend für die Bestände erscheint.
Breitblättriges Knabenkraut – Dactylorhiza majalis – Naturschutzgebiet – Feuchtwiesen – FFH-Lebensraumtyp 6510 – Rote-Liste-Art – NaturschutzpraxisAbstract
The broad-leaved marsh orchid (Dactylorhiza majalis) is a typical plant species of nutrient-poor wet meadows in Europe. In Germany, and in its regional state of Saarland, the species has suffered short- and long-term population declines. The “Valleys of the Ill and its Tributaries” nature reserve was established in 2005 within the project area of the former “River Ill Riparian Strip Project” large-scale nature conservation project. Strict management requirements for the nutrient-poor wet meadows with D. majalis populations were incorporated into a statutory ordinance governing this conservation area, including a ban on mowing before 15 June, an extensive ban on fertilisation, stipulations requiring extensive grazing and a ban on drainage. 30 years after the baseline survey as part of the large-scale nature conservation project, all 30 former occurrences of D. majalis were re-surveyed and parameters relevant to the presence or absence of the species were recorded. Furthermore, the development of the populations was retrospectively documented by means of data research. In 2023, D. majalis was still present on only 17 (57 %) of the sites, albeit in high abundance in some cases. Large populations of the species occur in the project area only on moist and nutrient-poor sites. It was found that in more than half of the sites in which it is currently absent, the disappearance of D. majalis is caused by abandonment with subsequent development of fallow. This continues to be one of the main threats to D. majalis in our study region. We recommend regular monitoring of known D. majalis occurrences and their consistent maintenance, preferably by late mowing after 1 July with removal of cuttings. However, the evaluation also provides evidence that there are land use regimes other than one late mowing, which could be successful in maintenance, and only abandonment appears devastating for the populations.
Broad-leaved marsh orchid – Dactylorhiza majalis – Nature reserve – Wet meadows – Habitat type 6510 – Red List species – Nature conservation managementInhalt
1 Einleitung
Das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis (Rchb.) Hunt u. Summerh.) war eine Zielart der Gefäßpflanzen im abgeschlossenen Naturschutzgroßvorhaben „Gewässerrandstreifenprojekt Ill“, das von August 1982 bis Ende 2005 durchgeführt wurde (Schneider, Staudt 1995). Diese für mitteleuropäische magere Feuchtwiesen typische Orchideenart (Wotavová et al. 2004; Janečková et al. 2006) zeigt im Saarland starke langfristige und noch immer mäßige kurzfristige Bestandsrückgänge und gilt nach der aktuellen Roten Liste (RL) des Saarlands als stark gefährdet (RL-Kategorie 2; Schneider et al. 2022). Aufgrund der komplexeren Verwandtschaftsverhältnisse in der Artengruppe (z. B. Balao et al. 2016) führen Schneider et al. (2022) das Breitblättrige Knabenkraut in der RL des Saarlands als „sensu stricto“ (im eigentlichen Sinne). Auch deutschlandweit gilt D. majalis v. a. aufgrund starker langfristiger Bestandsrückgänge als gefährdet (RL-Kategorie 3; Metzing et al. 2018).
Eine der Hauptursachen für die Bestandsrückgänge in Deutschland und europaweit ist die Intensivierung der Landwirtschaft (Wotavová et al. 2004). Problematisch sind hier v. a. starke Düngung, Trockenlegung von Feuchtwiesen, zu häufige Mahd und zu starke Beweidung. Auch eine Aufforstung von Nassstandorten gefährdet die Bestände von D. majalis (Margenburg 2021). Die allgemeine Eutrophierung der Landschaft, besonders über Einträge von Stickstoffverbindungen aus der Atmosphäre (Bobbink et al. 2010) oder durch die Auswaschung von Dünger aus benachbarten Flächen in die Feuchtwiesen (Jones et al. 2017), führen dazu, dass die Populationen von D. majalis von nitrophiler Vegetation verdrängt werden können. Neben zu intensiver Nutzung ist die Verbrachung bzw. Nicht-Bewirtschaftung nassen Grünlands eine weitere Hauptgefährdungsursache. Neben den abiotischen Standortfaktoren benötigt D. majalis eine Symbiose mit speziellen Mykorrhiza-Pilzarten, da der Samen über kein funktionsfähiges Endosperm (sich im Samen entwickelndes Nährgewebe) verfügt (Kristiansen et al. 2001; Látr et al. 2008; Illyés et al. 2012 in Dullau et al. 2019). Für eine erfolgreiche Vermehrung aus Samen müssen die Mykorrhiza-Pilze und D. majalis gemeinsam vor-kommen.
Während der Laufzeit des Naturschutzgroßvorhabens „Gewässerrandstreifenprojekt Ill“ wurden v. a. der Mittelgebirgsfluss Ill und dessen Nebenbäche renaturiert, um die gewässertypische Dynamik und die Durchgängigkeit für wandernde Fließgewässerorganismen wiederherzustellen. Im Fokus stand außerdem die Verbesserung der Wassergüte, einerseits durch eine Verbesserung der Abwasserbehandlung und andererseits durch eine Nutzungsextensivierung und Ausmagerung der Talauen. Der Pflege- und Entwicklungsplan (PEPL) für das Naturschutzgroßvorhaben sah bereits vor, dass Nass- und Feuchtwiesen mit Beständen von D. majalis nicht weiter drainiert werden, aber weiterhin extensiv bewirtschaftet werden sollen. Dabei sollen Nasswiesen mit Vorkommen von D. majalis meist erst nach dem 1.7. gemäht und nicht beweidet werden. Feuchte Ausprägungen magerer Mähwiesen mit Beständen von D. majalis (Lebensraumtyp − LRT 6510) sollen erst nach dem 15.6. gemäht werden. Zusätzlich sollte hier ein weitgehendes Düngeverbot gelten und es sollten maximal zwei Schnitte mit einer Schnitthöhe ≥ 7 cm stattfinden (Maas, Staudt 2012).
Mit Ausweisung des Kerngebiets des Gewässerrandstreifenprojekts Ill im Jahr 2005 zum Naturschutzgebiet (NSG) „Täler der Ill und ihrer Nebenbäche“ und zum Natura-2000-Gebiet 6508-301 „Naturschutzgroßvorhaben Ill “ wurden wichtige Bewirtschaftungsvorgaben des PEPL (zugleich Erstfassung des Natura-2000-Managementplans für das Gebiet) in eine Rechtsverordnung übernommen, v. a. Mahd erst nach dem 15.6., weitgehendes Düngeverbot und Verbot der Trockenlegung von Flächen (Amtsblatt des Saarlandes vom 21. November 2002). Im Rahmen des Naturschutzgroßvorhabens wurden ca. 400 ha des über 1.000 ha großen Schutzgebiets (Abb. 1) mit öffentlichen Mitteln erworben und seither durch den Zweckverband „Illrenaturierung“ (heute Zweckverband „Natura Ill-Theel“) gepflegt und verwaltet, der auch nach Ende des Naturschutzgroßvorhabens fortbesteht. Die Flächen des Zweckverbands beinhalten auch die größten Teile der Bestände von D. majalis im Gebiet (Abb. 1).
Abb. 1: Lage des Projektgebiets in der Mitte des Saarlands, das inzwischen großflächig als Naturschutzgebiet (NSG) und Natura-2000-Gebiet ausgewiesen wurde, und Präsenz (gefüllte Punktsymbole) und Absenz (leere Punktsymbole) des Breitblättrigen Knabenkrauts (Dactylorhiza majalis) im Jahr 2023 an den ehemals bekannten Vorkommen. Die schraffierten Teilflächen zeigen die Fläche des NSG an.
(Quelle: Karte erstellt mit QGIS Geographic Information System, QGIS Association,
http://www.qgis.org)
Fig. 1: Location of the study area in the middle of the German state of Saarland, which is meanwhile designated as a statutory nature reserve under German law and as a Natura 2000 site, and presence (filled dots) and absence (empty dots) of broad-leaved marsh orchid (
Dactylorhiza majalis) in the year 2023 at the sites with formerly known populations. The hatched areas indicate the area of the nature reserve (source: map created with QGIS Geographic Information System, QGIS Association,
http://www.qgis.org).
Für ein weiteres großes Schutzprojekt für D. majalis im Saarland war 2012 – 2015 der Naturschutzbund (NABU) Saar im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt (BPBV) Projektnehmer. In dem Projekt wurde v. a. Öffentlichkeitsarbeit betrieben, es wurden aber auch nach zweijähriger Erfassungs- und Meldephase sog. Patenwiesen ausgewiesen. Innerhalb des hier betrachteten Großschutzgebiets liegen drei solcher Patenwiesen, an das NSG angrenzend zwei weitere, die in der vorliegenden Arbeit ebenfalls überprüft wurden. Für die Patenwiesen erklärten sich v. a. Gemeinden bzw. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, aber auch Privatpersonen dazu bereit, deren Pflege und Schutz sicherzustellen (BfN 2024). Die Bewirtschaftungsvorgaben waren hier ebenfalls das Verbot einer Drainierung oder Düngung, einmaliger Schnitt im Spätsommer mit Abtrag des Mähguts und im Optimalfall eine Wiedervernässung der Fläche (NABU 2024).
Für die im Rahmen der Grunderfassung 1992/1993 kartierten Bestände von D. majalis im Kerngebiet des damaligen Naturschutzgroßvorhabens gelten spätestens seit 2005 durch das Inkrafttreten der Rechtsverordnung über das NSG „Täler der Ill und ihrer Nebenbäche“ konkrete Bewirtschaftungsvorgaben. In fast allen Fällen wurden diese bereits während der Laufzeit des Naturschutzgroßvorhabens durch Ankauf der Flächen und Implementierung in Pachtverträgen umgesetzt. Durch die Arbeit des Zweckverbands und v. a. der Naturwacht Saar kann davon ausgegangen werden, dass diese Vorgaben seither befolgt wurden.
Wir konzentrierten uns in der vorliegenden Arbeit auf folgende Fragestellungen:
● Welche ehemals bekannten Vorkommen von D. majalis innerhalb des NSG und der Patenwiesen können noch heute bestätigt werden?
● Wie haben sich die Bestände innerhalb der letzten 30 Jahre entwickelt?
● Welche Bewirtschaftungsformen haben sich als am günstigsten für das Fortbestehen und die Entwicklung der Bestände herausgestellt?
2 Material und Methoden
Wir kartierten im Frühjahr 2023, d. h. 30 Jahre nach der Grunderfassung, fast 20 Jahre nach der NSG-Ausweisung und 11 Jahre nach der Evaluierung des Naturschutzgroßvorhabens die Bestände von D. majalis im Projektgebiet erneut. Dabei wurde nicht nur eine reine Präsenz-Absenz-Kartierung durchgeführt, sondern es wurden auch die Abundanzen sowie eine Reihe weiterer relevanter Parameter aufgenommen und ausgewertet.
2.1 Untersuchungsflächen
Wir überprüften die 30 Vorkommen, die in der Grunderfassung in den Jahren 1992/1993 für das Projektgebiet (Abb. 1) angegeben (Schneider, Staudt 1995) sowie im Jahr 2011 in der Evaluierung des Naturschutzgroßvorhabens nochmals überprüft wurden (Staudt, Maas 2011). Zusätzlich wurde im „Faunistisch-Floristischen Informationsportal des Saarlandes und der Saar-Mosel-Region“ nach Funden und Angaben im Untersuchungsgebiet recherchiert (DELATTINIA 2023). Hier sind z. B. auch die Kartierungsergebnisse 2013/2014 aus dem BPBV-Projekt eingetragen; drei der Patenwiesen liegen jedoch ohnehin innerhalb der NSG-Grenzen und waren daher über das Naturschutzgroßvorhaben bereits bekannt und es gab entsprechende Bewirtschaftungsauflagen (Tab. 1). Letztlich wurde die Datenrecherche durch die Angaben der aktuellen Biotopkartierung des Saarlandes vervollständigt (LVGL 2023).
Tab. 1: Liste der untersuchten Standorte mit Angaben zur gezählten/geschätzten Anzahl der blühenden Exemplare des Breitblättrigen Knabenkrauts (Dactylorhiza majalis) oder andere Angaben zur Größe des Vorkommens; abweichende ehemalige Nutzung in Klammern, falls bekannt (Datenquellen: Schneider, Staudt 1995; Staudt, Maas 2011; DELATTINIA 2023; LVGL 2023; eigene Erfassungen).
Table 1: List of the study sites with information on the counted/estimated number of flowering specimens of broad-leaved marsh orchid(Dactylorhiza majalis) or other information on population size; deviating former land use in parentheses, if known (data sources: Schneider, Staudt 1995; Staudt, Maas 2011; DELATTINIA 2023; LVGL 2023; own observations).
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Standort
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Vorkommen von Dactylorhiza majalis
(gezählte/geschätzte Anzahl der blühenden Exemplare oder andere Angaben zur Größe des Vorkommens)
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Derzeitige Bewirtschaftung
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1992/1993
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2006
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2011
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2012
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2013
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2014
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2019/2020
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2021
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2022
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2023
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Anscheinend gewachsene Vorkommen
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Alsweiler Alsbach | „Mittelgroß“ | Nur Präsenz | 300 | − | − | 300 | − | − | − | > 600 | 1 – 2 Mahden nach 15.6., keine Düngung |
Malzbach | − | − | 24 | − | − | 7 | − | − | − | 50 | 1 Mahd nach 1.7., keine Düngung |
Sulzbach | „Sehr klein“ | Nur Präsenz | 100 | − | − | 70 | − | − | − | > 300 | 1 – 2 Mahden nach 15.6., keine Düngung |
± stabile Vorkommen |
Bröttelhümes | „Klein“ | − | 0(Brache) | − | − | − | − | − | − | Nur Präsenz | Halbjährige Rinderbeweidung, keine Düngung |
Dirmingen Sportplatz | „Selten“ | − | − | Nur Präsenz | − | − | − | − | − | 2 | Mahd |
Oberes Merchtal | − | − | − | − | − | 30 (Mahd) | − | (Letzte Mahd) | 30 (Weide) | 30 (Weide) | Halbjährige Beweidung, keine Düngung |
Waldwiese an Wiesbachquelle | − | − | − | − | − | Nur Präsenz | − | − | − | 10 | 1 Mahd nach 1.7., keine Düngung |
± stabile Vorkommen mit kurzzeitigem „Hoch“ |
Ahlenbach Quellarm | „Mäßig häufig“ | Nur Präsenz | 370 | − | − | 150 | − | − | − | 150 | Halbjährige Rinderbeweidung |
Bärenbest (Patenwiese) | „Groß“ | − | 26 | − | − | − | − | > 80 | − | 25 | 1 Mahd nach 1.8., keine Düngung |
Seelbach (Patenwiese) | > 600 | Nur Präsenz | > 1.000 | − | 660 | 1.000 | − | − | Nur Präsenz | > 500 | 1 Mahd nach 1.7., keine Düngung |
Anscheinend geschrumpfte Vorkommen |
Dirmingen (Patenwiese) | − | − | − | − | 25 | − | − | 0 | 1 | 1 | Mulchen mit Versuch des Schnittgutabtrags im Herbst, seit 2022 1 Mahd nach 1.7. |
Hahnwies Süd | − | − | Nur Präsenz | − | − | 6 – 25 | − | − | − | 1 | Mahd |
Kreckelbach | „Mäßig häufig“ | − | 150 − 200 | − | 100 | Nur Präsenz | > 100 | − | − | 100 | 1 – 2 Mahden nach 15.6., keine Düngung |
Rübendellbach (Patenwiese) | 2.000 − 3.000 | Nur Präsenz | 2.000 − 3.000 | − | > 1.000 | 700 | > 100 | − | > 100 | > 1.000 | 1 Mahd nach 1.7., keine Düngung |
Ruderfloß | > 1.000 | − | 2 | − | 130 | 214 | Nur Präsenz | − | − | > 350 | 1 – 2 Mahden nach 15.6., keine Düngung |
Welschbach (östlich L292) | „Groß“ | Nur Präsenz | 400 (Pferdeweide) | − | 250 | 100 | − | − | − | 100 | 1 – 2 Mahden nach 15.6., keine Düngung |
Welschbach (westlich L292) | „Groß“ | Nur Präsenz | > 1.000 | − | 100 | 700 | 50 | − | − | 250 | 1 – 2 Mahden nach 15.6., keine Düngung |
Anscheinend erloschene Vorkommen |
Alsweiler Bach (Quellbereich ) | „Klein“ | − | 0 | − | − | − | − | 0 | − | − | Brache |
Berschweiler Alsbach-Aue | „Klein“ | − | 0 | − | > 100 | 100 | − | 0 | 0 | 0 | Vermutlich durch Baumaßnahme(Regenüberlaufbecken) erloschen |
Bruchelsbach (Quellbereich) | „Mäßig häufig“ | Nur Präsenz | 0 | − | − | − | − | 0 | − | − | Brache |
Bruchelsbach | „Mäßig häufig“ | − | 3 | Nur Präsenz | − | − | − | − | − | 0 | Brache |
Frankenbach | „Klein“ | − | 0 | − | − | 1 | − | 0 | 0 | 0 | 1 – 2 Mahden nach 15.6., keine Düngung |
Hahnwies Nord | − | − | Nur Präsenz | − | − | − | − | 1 | 0 | 0 | Ganzjährige Beweidung, keine Düngung |
Ill-Quelle | − | − | 1 | − | − | − | − | − | − | 0 | 1 – 2 Mahden nach 15.6., keine Düngung |
Lochwiesbach | „Klein“ | − | 0 | − | − | − | − | − | − | − | Brache |
Malzbach (Quellbereich) | „Klein“ | − | 0 | − | − | − | − | 0 | 0 | 0 | Brache |
Schmitz Altwies (Patenwiese) | − | − | − | − | Nur Präsenz | − | − | − | − | 0 | Mahd |
Schullandheim Berschweiler | „Klein“ | − | Nur Präsenz | − | − | − | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 − 2 Mahden nach 15.6., keine Düngung |
Seifenwies | Nur Präsenz | − | 0 (Brache) | − | − | 24 (Mahd) | 0 (Wanderschäferei) | 0 (Wanderschäferei) | 0 | 0 | Brache |
Wiesbach (Quellbereich) | „Klein“ | − | 30 | − | 2 – 5 | − | − | − | − | 0 | Brache |
− = nicht untersucht/keine Daten vorliegend |
2.2 Kartierung
Die Präsenz-Absenz-Kartierung sowie Zählung der blühenden Orchideen fanden am 8. und 9.5.2023 statt. Nur auf der halbschattigen Waldwiese an der Wiesbachquelle wurden – noch nicht blühende – Exemplare erst am 17.5.2023 gefunden. Die derzeitige Nutzung sowie Pachtauflagen sind für 27 der 30 Untersuchungsflächen im Detail bekannt. Genaue Eckdaten der derzeitigen Mähnutzung (Zeitpunkt, Häufigkeit, Düngung) waren nur in drei Fällen nicht recherchierbar. Diese drei Untersuchungsflächen sind auch nicht im NSG, sondern nur daran angrenzend gelegen. Zudem wurden inzwischen verbrachte Flächen während der Kartierungsphase erfasst (Tab. 1). Die Aufwuchshöhe der umliegenden Vegetation (meist Süßgräser − Poaceen oder Echtes Mädesüß − Filipendula ulmaria) von 14 Präsenz- und drei Absenz-Standorten wurde mittels Zollstock gemessen. Ebenso wurde an diesen 17 Flächen die Hangneigung (in Grad) geschätzt und die Exposition bestimmt (Ergebnisse siehe Tab. 2).
Tab. 2: Übersicht zu den 17 Standorten (sortiert nach Lage im Schutzgebiet, von Nord nach Süd), an denen Bodenproben genommen und weitere relevante Parameter für die statistische Auswertung aufgenommen wurden. Die Ausprägungen des Lebensraumtyps (LRT) 6510 Magere Flachland-Mähwiesen bzw. des geschützten Biotops und die Gesamtbewertung (A/B/C) des LRT 6510 stammen aus der letzten Biotopkartierung des Saarlands (LUA 2023).
Table 2: Overview of the 17 sites (sorted by location in the protected area, from north to south) where soil samples were taken and other relevant parameters were recorded for the statistical analysis. The specifications of the lowland hay meadows habitat type (LRT) 6510 or the protected biotope and the overall assessment (A/B/C) of the LRT 6510 were taken from the last biotope mapping of the German state of Saarland (LUA 2023).
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Standort
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Anzahl Orchideen
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Fläche LRT 65101 [ha]
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Ausprägung LRT 6510 mit Gesamtbewertung2 bzw. Ausprägung des geschützten Biotops
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Vegetationshöhe [cm]
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Neigung [°]
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Exposition
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Boden-feuchte März [%]
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Boden-feuchte April [%]
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pH-Wert
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Nmin [kg N/ha]
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Bruchelsbach | 0 | 0,7 | Magerwiese auf frisch-feuchtem Standort (Arrhenatheretum elatioris typicum) − A | 40 | 15 | NO | 52,1 | 51,7 | 5,0 | 1,0 |
Alsweiler Alsbach | > 600 | 1,6 | Magerwiese (Arrhenatheretum elatioris ranunculetosum bulbosi) − B und Nass- und Feuchtwiese (Arrhenatheretum elatioris lychnetosum) | 30 | 1 | O | 58,2 | 59,3 | 4,0 | 2,0 |
Ruderfloß | > 350 | 2,0 | Submontane Magerwiese (Arrhenatheretum elatioris typicum) − A | 30 | 10 | NO | 67,2 | 56,6 | 5,0 | 1,0 |
Ill-Quelle | 0 | 2,0 | Fettwiese (Arrhenatheretum elatioris) − B | 60 | 25 | S | 50,5 | 59,0 | 5,5 | 4,0 |
Bärenbest (Patenwiese) | 25 | 0,7 | Sicker-, Sumpfquelle (Calthion) | 25 | 25 | W | 56,5 | 42,5 | 5,5 | 19,0 |
Rübendellbach (Patenwiese) | > 1.000 | 2,5 | Magerwiese (Arrhenatheretum elatioris ranunculetosum bulbosi) − A und LRT 6230 Borstgrasrasen(Violion caninae) − B | 30 | 15 | N | 80,5 | 58,6 | 4,0 | 3,0 |
Sulzbach | > 300 | 0,4 | Magerwiese (Arrhenatheretum elatioris) − B und LRT 6230 Borstgrasrasen (Juncion squarrosi) − B | 30 | 10 | NO | 73,0 | 48,9 | 5,0 | 1,0 |
Dirmingen Sportplatz | 2 | 1,0 | Mager- bis Fettwiese (Arrhenatheretum elatioris typicum) – A sowie Nass- und Feuchtwiese (Arrhenatheretum elatioris lychnetosum) | 35 | 15 | N | 58,5 | 40,4 | 4,5 | 4,0 |
Dirmingen (Patenwiese) | 1 | 0,3 | Nass- und Feuchtwiese (Arrhenatheretum elatioris) | 56 | 25 | S | 56,9 | 54,6 | 6,5 | 15,0 |
Kreckelbach | > 100 | 0,4 | Magerwiese (Arrhenatheretum elatioris ranunculetosum bulbosi) − A | 25 | 15 | S | 40,3 | 58,4 | 4,5 | 5,0 |
Seelbach (Patenwiese) | > 500 | 4,4 | Fettwiese (Arrhenatheretum elatioris ranunculetosum bulbosi) − A | 40 | 20 | S | 75,8 | 44,5 | 5,3 | 2,8 |
Malzbach | 50 | 0,5 | Fettwiese (Arrhenatheretum elatioris lychnetosum) – B sowie Nass- und Feuchtwiese (Calthion) | 25 | 25 | NW | 60,8 | 53,4 | 5,0 | 1,0 |
Ahlenbach Quellarm | 150 | 1,0 | Magerwiese (Arrhenatheretum elatioris) − A, LRT 6230 Borstgrasrasen (Juncion squarrosi) − C und Nass- und Feuchtwiese (Calthion) | 30 | 10 | NO | 56,7 | 56,0 | 4,0 | 5,0 |
Welschbach (östlich L292) | 250 | 1,1 | Nass- und Feuchtwiese (Calthion) | 20 | 5 | NW | 52,8 | 51,0 | 4,0 | 4,0 |
Welschbach (westllich L292) | 100 | 1,2 | Nass- und Feuchtwiese (Arrhenatheretum elatioris lychnetosum) − A | 35 | 2 | O | 48,1 | 45,2 | 4,0 | 5,0 |
Schmitz Altwies (Patenwiese) | 0 | 2,0 | Nass- und Feuchtwiese (Agropyro-Rumicion) und Sicker-, Sumpfquelle | 60 | 10 | W | 82,0 | 66,6 | 6,0 | 3,0 |
Hahnwies Süd | 1 | 0,9 | Fettwiese (Arrhenatheretum elatioris) − B | 30 | 20 | N | 60,8 | 45,3 | 5,0 | 1,0 |
1 Fläche des LRT 6510 Magere Flachland-Mähwiesen bzw. des hier kartierten geschützten Biotops 2 Gesamtbewertung: A = hervorragende Ausprägung, B = gute Ausprägung, C = mittlere bis schlechte Ausprägung LRT = Lebensraumtyp, N = Stickstoff, Nmin = pflanzenverfügbarer mineralischer Stickstoff |
2.3 Bodenproben
Zu zwei Zeitpunkten wurden an den 17 Flächen, an denen auch die bereits genannten Parameter bestimmt wurden, Bodenproben entnommen. Am 4. und 5.4.2023, d. h. zum Beginn der Wachstumsphase, wurden in einer ersten Begehung Bodenproben zur Bestimmung der Bodenfeuchte genommen. Dazu wurde ein 13-Zoll-Bodenprobennehmer (Firma Roylvan) verwendet, um die oberste Bodenschicht (0 – 30 cm) zu beproben, da diese für D. majalis von entscheidender Bedeutung ist. Es wurden 20 Proben pro Hektar in einem Zickzack-Muster auf den Feuchtwiesen genommen (vgl. Carter et al. 2007). Diese wurden sofort nach Probenahme in Plastikbeuteln ins Labor gebracht. Anschließend wurde aus ihnen eine Mischprobe gewonnen und die Bodenfeuchte gravimetrisch bestimmt, indem 100 g aus einer Mischprobe mit einer digitalen Laborwaage mit einer maximalen Abweichung von 0,1 g (Firma Dipse) abgewogen wurde. Diese Mischproben wurden anschließend 5 Stunden bei 105 °C getrocknet und danach nochmals auf der Laborwaage gewogen. Anhand der Gewichtsdifferenz aus feuchter und trockener Mischprobe wurde gravimetrisch die Bodenfeuchte bestimmt (vgl. Carter et al. 2007).
Am 24. und 25.4.2023 wurden auf die beschriebene Weise in einer zweiten Begehung nochmals Bodenproben entnommen und es wurde die Bodenfeuchte ebenso gravimetrisch bestimmt. Zusätzlich wurden diesmal weitere 100 g jeder Mischprobe gekühlt an die Firma Eurofins Agraranalytik Deutschland GmbH nach Jena geschickt, in deren Labor der pflanzenverfügbare mineralische Stickstoff (Nmin) in den Bodenproben nach der Standardmethode VDLUFA (2002) bestimmt wurde. Außerdem wurde der Boden-pH-Wert aller Mischproben mit einem Boden-pH-Testkit (Firma Neudorff) bestimmt.
Um die Größe der jeweiligen Probeflächen zu erfassen, nutzten wir einerseits die Abgrenzung der aktuellen Biotopkartierung (LVGL 2023). Die meisten der Feuchtwiesen wurden als Fauna-Flora-Habitat(FFH)-LRT 6510 oder aber als geschütztes Biotop kartiert; bei den übrigen wurde die gesamte vorhandene Wiesenfläche als Probefläche abgegrenzt (Tab. 2). Bei Flächen ≤ 1,0 ha wurde eine Mischprobe angelegt, bei Flächen > 1,0 bis ≤ 2,0 ha wurden zwei Mischproben und bei Flächen > 2,0 bis 4,5 ha (vgl. am Standort Seelbach) vier Mischproben erzeugt (vgl.Tab. 2). Ergebnisse zu Bodenfeuchte, Nmin und pH-Wert wurden pro Standort als Mittelwert der jeweiligen Mischproben berück-sichtigt.
2.4 Statistische Auswertung
Für alle statistischen Analysen wurde das Programm R (Version 4.3.2; R Core Team 2023) verwendet. Um die Änderungen über den Zeitraum zwischen 2011 und 2023 zu analysieren, wurden die Mittelwerte der Anzahl blühender Orchideen miteinander verglichen. Es konnten hier jedoch nur 13 Flächen mit Zähldaten von drei Zeitpunkten (2011, 2013/2014, 2023) berücksichtigt werden (vgl. Tab. 1). Bei Angaben „von … bis …“ wurde konservativ der kleinere Wert für die Mittelwertvergleiche genutzt, für den Zeitpunkt 2013/2014 der jeweils höhere Jahreswert der Anzahl blühender Orchideen, der zumeist 2014 vorgefunden wurde (Tab. 1). Die Zählreihen wurden mithilfe des Kolmogorov-Smirnov-Tests auf Normalverteilung und mithilfe des F-Tests auf Varianzhomogenität überprüft, die nicht vorlag. Daher wurde hier der nicht-parametrische Friedman-Test durchgeführt (vgl. Dormann, Kühn 2012). Die Mittelwerte der prozentualen Bodenfeuchte der Flächen an dem frühen und dem späteren Probenahmetermin (siehe Tab. 2) wurden ebenfalls miteinander verglichen. Es wurde mithilfe des Kolmogorov-Smirnov-Tests die Normalverteilung und mithilfe des F-Tests die Varianzhomogenität geprüft. Da beides der Fall war, konnte ein t-Test für gepaarte Stichproben verwendet werden.
Um die Parameter zu identifizieren, die an den 17 beprobten Flächen sowohl die Präsenz/Absenz als auch die Anzahl blühender Orchideen im Jahr 2023 beeinflussten, wurden verallgemeinerte lineare Modelle (generalised linear models − GLM) berechnet (Tab. 3). Aufgrund der geringen Stichprobengröße von N = 17 flossen an potenziellen erklärenden (unabhängigen) Variablen nur die für die Art bedeutenden Faktoren Bodenfeuchte (in %) des zweiten Termins (kurz vor der Blühphase) und der pflanzenverfügbare mineralische Stickstoff (Nmin in kg N/ha) ein. In einem ersten GLM mit logit link für binomial-verteilte Daten („logistische Regression“) wurde die Präsenz/Absenz als (abhängige) Antwortvariable verwendet. In einem zweiten GLM mit log link für Poisson-verteilte Zähldaten wurde die Anzahl der blühenden Orchideen als Antwortvariable eingesetzt. Die Modellgüte des logistischen Regressionsmodells wurde anhand seines AUC-Werts (area under the curve) bewertet, der mit dem R-Paket „verification“ berechnet wurde. Das Poisson-GLM wurde auf „over dispersion“ mithilfe des R-Pakets „AER“ getestet. In einem dritten GLM wurde eine negativ binomiale Verteilung zugrunde gelegt (R-Paket „MASS“). Letztlich wurden die Güte des Poisson- und die Güte des negativ binomialen Modells mit einem Likelihood-Quotienten-Test miteinander verglichen (R-Paket „lm.test“).
Tab. 3: Ergebnisse der verallgemeinerten linearen Modelle (generalised linear models – GLM) mit log link und negativ binomialer Verteilung zur Identifizierung derjenigen Parameter, die an den 17 Probeflächen sowohl die Präsenz/Absenz als auch die Anzahl blühender Exemplare des Breitblättrigen Knabenkrauts (Dactylorhiza majalis) beeinflussten.
Table 3: Results of the generalised linear models (GLM) with log link and negative binomial distribution to identify those parameters that influenced both the presence/absence and the number of flowering specimens of broad-leaved marsh orchid (Dactylorhiza majalis) in the 17 sample plots.
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Koeffizient
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Schätzwert ± Standardfehler
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z-Wert (Standardwert)
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p-Wert (Signifikanzniveau)
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Log link
Null-Abweichung: 5.496 bei 16 Freiheitsgraden
Residuen-Abweichung: 4.690 bei 14 Freiheitsgraden
AIC-Wert (Akaike Information Criterion): 4.781
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y-Achsenabschnitt | 4,2 ± 0,1 | 28,5 | < 0,001 |
Bodenfeuchte [%] | 0,0 ± 0,0 | 12,8 | < 0,001 |
Nmin [kg N/ha] | − 0,1 ± 0,0 | − 18,8 | < 0,001 |
Negativ binominal Null-Abweichung: 5.495 bei 16 Freiheitsgraden Residuen-Abweichung: 4.689 bei 14 Freiheitsgraden AIC-Wert (Akaike Information Criterion): 4.783 |
y-Achsenabschnitt | 4,0 ± 0,1 | 28,5 | < 0,001 |
Bodenfeuchte [%] | 0,0 ± 0,0 | 12,9 | < 0,001 |
Nmin [kg N/ha] | − 0,1 ± 0,0 | − 18,8 | < 0,001 |
N = Stickstoff, Nmin = pflanzenverfügbarer mineralischer Stickstoff |
Als letzte Auswertung wurden die Daten von 23 Flächen, auf denen die Anzahl blühender Orchideen im Jahr 2023 erfasst wurde und von denen auch die detaillierte Nutzungsform bekannt war, miteinander verglichen. Die Nutzung wurde in vier Gruppen eingeteilt (1 = späte, einschürige Mahd, 2 = zweischürige Mahd nach dem 15.6., 3 = halbjährige Beweidung, 4 = Brache). Da die Daten nicht varianzhomogen waren, wurden ein nicht-parametrischer Kruskal-Wallis-Test und zum Vergleich der einzelnen Gruppen paarweise nicht-parametrische Wilcoxon-Tests berechnet.
3 Ergebnisse und Diskussion
3.1 Veränderungen der Zahl der Vorkommen und der Individuen des Breitblättrigen Knabenkrauts
Insgesamt konnte D. majalis an 17 der 30 ehemals bekannten Vorkommen bestätigt werden (57 %); dies bedeutet jedoch auch, dass fast die Hälfte (43 %) der ehemals bekannten Vorkommen vermutlich erloschen bzw. verschollen ist (Tab. 1, Abb. 1). An 6 der 13 erloschenen Vorkommen ist die Nutzungsaufgabe ursächlich. Wie Margenburg (2021) beschreibt, sind diese Flächen auch in unserem Projektgebiet für die Landwirtschaft nicht mehr rentabel gewesen und die Orchideen wurden zumeist von Hochstaudenfluren verdrängt. Insgesamt waren es jedoch (bis auf ein Vorkommen, das überbaut wurde) auch immer nur kleine Bestände, die im Projektgebiet erloschen sind (vgl. Tab. 1). Messlinger et al. (2018) beobachteten in der Stadt und im Landkreis Ansbach (Bayern) ebenfalls, dass gerade kleine Vorkommen auf kleinen Flächen von einer Verbrachung betroffen waren. Bei 7 der bestätigten 17 Vorkommen war die Anzahl blühender Exemplare mehr oder weniger stabil (teils kam es in Optimaljahren zu einer kurzfristigen Bestandserhöhung; Tab. 1), bei weiteren 7 Vorkommen scheinen (zumindest über die letzten Jahrzehnte) die Bestände abgenommen zu haben und nur bei 3 Vorkommen hat sich (zumindest im letzten Jahrzehnt) die Anzahl blühender Exemplare verdoppelt bis verdreifacht (vgl. Tab. 1, Abb. 2). Solche Bestandsfluktuationen, die teils klimatisch bzw. eher wetterbedingt sind, wurden für die Art (z. B. Hartmann, Metz 2023) und nah verwandte Arten beschrieben (z. B. Schrautzer et al. 2011).
Abb. 2: Flächiger Bestand des Breitblättrigen Knabenkrauts (Dactylorhiza majalis) in einer frischen, mageren Mähwiese am Alsbach in Alsweiler (Gemeinde Marpingen) mit insgesamt über 600 blühenden Orchideen.
Fig. 2: Large population of broad-leaved marsh orchid (Dactylorhiza majalis) within a wet nutrient-poor meadow at the Alsbach creek in Alsweiler (municipality of Marpingen) with over 600 flowering orchid specimens.
Darüber hinaus ist anzumerken, dass uns – auch wenn wir keine umfassende Potenzialflächenkartierung durchgeführt haben – aufgrund der Datenrecherche kein einziges aktuell neu gefundenes Vorkommen von D. majalis im Projektgebiet bekannt wurde. Die letzten neu entdeckten Vorkommen stammen aus dem Jahr 2011 (Evaluierung des Naturschutzgroßvorhabens: Staudt, Maas 2011; Grunderfassung für das Naturschutzgroßprojekt LIK.Nord: eingetragen bei DELATTINIA 2023) und aus dem Jahr 2014 (Erfassungen im Rahmen des damaligen BPBV-Projekts; vgl. Tab. 1). Einerseits ist das Projektgebiet gut kartiert, andererseits deutet dies auf eine zumindest lokal schwache bis fehlende Ausbreitungsmöglichkeit von D. majalis hin.
Die Mittelwerte der blühenden Orchideen auf den 13 Flächen mit vollständigen Zähldaten zu den Zeitpunkten 2011, 2013/2014 und 2023 (vgl. Tab. 1, Abb. 3), unterschieden sich nicht signifikant zwischen diesen drei Zeitpunkten (Friedman-Test: Friedman Chi-Quadrat = 2,2; 2 Freiheitsgrade; p > 0,05). Auch wenn nur 13 der 30 Flächen bei dieser Auswertung berücksichtigt werden konnten, spricht deren Ergebnis dafür, dass es zumindest hier im letzten Jahrzehnt keinen Abundanzrückgang innerhalb des NSG gab. Dies kann als Erfolg der Bewirtschaftungsbeschränkungen gewertet werden, d. h. die Ausweisung der Mähwiesen als NSG und die damit verbundenen Auflagen haben zumindest in diesen 13 Populationen im Mittel zu einem mehr oder weniger stabilen Trend geführt, was im Gegensatz zu dem z. B. im Saarland beobachteten negativen Trend steht (Schneider et al. 2022). In den Pachtverträgen des Zweckverbands sind die Bewirtschaftungsauflagen im Vergleich zur Rechtsverordnung des NSG nochmals verschärft (z. B. Mahd von Feuchtwiesen erst nach dem 1.7.) bzw. die vom Zweckverband selbst gemähten Wiesen werden spät mit einem Balkenmäher gemäht und der Schnitt wird händisch abgetragen. Auch Messlinger et al. (2018) heben die Bedeutung von Flächen unter (Vertrags)naturschutz hervor, der eine extensive Nutzung und weniger Schnitte/Düngung gewährleistet.
Abb. 3: Boxplot der Anzahl blühender Exemplare des Breitblättrigen Knabenkrauts (Dactylorhiza majalis) in den 13 Probeflächen, in denen Zähldaten aus den Jahren 2011, 2013/2014 und 2023 vorlagen; es ergaben sich keine signifikanten Unterschiede.
Fig. 3: Boxplot of the number of flowering specimens of broad-leaved marsh orchid (Dactylorhiza majalis) at the 13 study sites with count data from the years 2011, 2013/2014 and 2023; there were no significant differences between the groups.
3.2 Einfluss von Bodenfeuchte und pflanzenverfügbarem mineralischem Stickstoff im Boden
Ein im Jahr 2023 relevanter Faktor war die hohe Bodenfeuchte der obersten Bodenschicht (0 – 30 cm), die für 17 der 30 Flächen gravimetrisch bestimmt wurde. Diese lag im Mittel beim ersten Probenahmetermin Anfang April bei 60,6 % (Minimum 40,3 %, Maximum 82,0 %), beim zweiten Termin Ende April bei 52,5 % (Minimum 40,4 %, Maximum 66,6 %; vgl. Tab. 2). Die Flächen waren anhand ihres Mittelwertvergleichs bereits nach einem Monat signifikant trockener als noch Ende März (t-Test für gepaarte Stichproben: t = 2,55; 16 Freiheitsgrade; p = 0,02). Innerhalb des Projektgebiets befinden sich zwei Wetterwarten in Tholey und in Wustweiler (DWD 2023; Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz Saarland 2023). Der März sowie der April des Jahres 2023 können beide als niederschlagsreich bezeichnet werden. Die Station Wustweiler erfasste eine Niederschlagssumme von 136,8 mm im März und von 88,8 mm im April, die Station Tholey eine Niederschlagssumme von 167,6 mm im März und von 98,3 mm im April. Die in dieser Studie gemessenen Unterschiede in der Bodenfeuchte können somit wohl hauptursächlich durch die hohen Niederschlagsmengen im März 2023 erklärt werden, auch wenn andere Einflüsse (Grundwasserpegel) standortspezifisch wirken können.
Im Naturpark Ohre-Drömling lag der Bodenwassergehalt frischer Mähwiesen im März des Jahres 2012 in einer Bodentiefe bis 30 cm bei 43 ± 6 Vol. % und nahm bis Juli stetig ab (Schob 2018). Auch hier konnte festgestellt werden, dass die Wassergehalte des Bodens nach hohen Niederschlagsmengen ansteigen (Schob 2018). Der pflanzenverfügbare mineralische Stickstoff in der obersten Bodenschicht (0 –30 cm) der in der vorliegenden Studie untersuchten Flächen lag im Mittel bei 4,5 kg/ha (Minimum 1,0 kg/ha, Maximum 19,0 kg/ha; Tab. 2). Im Naturpark Ohre-Drömling konnte fast die zehnfache Menge (40 ± 12 kg/ha) an pflanzenverfügbarem mineralischem Stickstoff in bis zu 30 cm Bodentiefe der dortigen mageren Mähwiesen gemessen werden (Schob 2018). In Böden mit D. majalis-Vorkommen im Südharz wurden niedrige Stickstoffwerte gemessen (Dullau et al. 2019), die auf einem ähnlichen Niveau liegen wie die Werte in der vorliegenden Studie. Dullau et al. (2019) untersuchten zusätzlich auch den Phosphor- und Kaliumgehalt der Böden, die für D. majalis ebenfalls niedrig liegen müssen (vgl. Dyk, Olff 1994; Dullau et al. 2019). Der Boden-pH-Wert der untersuchten Flächen im Projektgebiet an der Ill lag im Mittel bei 4,9 (Minimum 4,0, Maximum 6,5; Tab. 2). Auch Dullau et al. (2019) beschreiben für den pH-Wert einen Median von 5 in den Böden mit Vorkommen von D. majalis im Südharz. Die Höhe der die Orchideen umgebenden Vegetation im Südharz betrug im Median 60 cm (Dullau et al. 2019), im Projektgebiet an der Ill lag diese im Mittel bei nur 35 cm (Minimum 20 cm, Maximum 60 cm).
3.3 Ergebnisse der statistischen Analysen
Das logistische Regressionsmodell fand keine erklärende Variable, besaß jedoch mit einem AUC-Wert von 0,8 eine gute Modellgüte (Dormann, Kühn 2012). Beim Poisson-GLM, das die Anzahl der blühenden Orchideen (Abundanz) als Antwortvariable beinhaltete, lag jedoch eine „over dispersion“ vor (z-Wert = 2,2, p < 0,05), weshalb noch zusätzlich ein GLM berechnet wurde, das eine negativ binomiale Verteilung der Antwortvariable zugrunde legte (Tab. 3). Der Likelihood-Quotienten-Test (Chi-Quadrat = 1,1, p > 0,05) zeigte an, dass die Güte des Poisson- und des negativ-binomialen Modells etwa gleich groß war. Beide Modelle bestätigten teils die Zeigerwerte von Ellenberg (1979) für D. majalis, nach denen diese Orchidee ein Feuchte- bis Nässezeiger (Zeigerwert für Feuchte F = 8) ist und stickstoffarme Flächen anzeigt (Zeigerwert für Stickstoff N = 3). Beide Modelle wiesen einen höchst signifikant positiven Effekt der höheren Bodenfeuchte nach. Größere Mengen an pflanzenverfügbarem Stickstoff hatten hingegen einen höchst signifikant negativen Effekt auf die Abundanz (Tab. 3). Auch Dyk, Olff (1994) wiesen nach, dass D. majalis sowohl durch Stickstoff- als auch durch Phosphatdüngung negativ beeinflusst wird und dann häufig v. a. durch Wiesen-Sauerampfer (Rumex acetosa) oder Wolliges Honiggras (Holcus lanatus) verdrängt wird
3.4 Einfluss der Nutzungsformen
Der Vergleich der in vier Gruppen unterteilten Nutzungsformen ergab signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen (Kruskal-Wallis Chi-Quadrat = 10,4; 3 Freiheitsgrade; p < 0,05). Brachen, in denen keine Orchideen mehr gefunden wurden, unterschieden sich signifikant von den drei anderen Nutzungsformen, diese sich jedoch nicht in ihren Mittelwerten untereinander (Abb. 4). Messlinger et al. (2018) fanden in der Stadt und im Landkreis Ansbach große Bestände fast nur noch auf Flächen, die sich im Vertragsnaturschutz befanden oder aber wenig wüchsig waren und spät gemäht wurden. Die beiden größten Bestände von D. majalis (Tausende blühender Exemplare) wurden zwar auch im Projektgebiet auf nur einschürig und spät gemähten Flächen gefunden, jedoch unterscheiden sich die Medianwerte zwischen den unterschiedlichen Nutzungsformen nicht und liegen bei der zweischürigen Mahd und der halbjährigen Beweidung sogar höher (Abb. 4, Tab. 1). Diese Auswertung liefert Indizien, dass durchaus auch andere Nutzungsregime als eine späte, einschürige Mahd erfolgreich bei der Pflege sein können und nur eine Nutzungsaufgabe verheerend für die Bestände erscheint.
Abb. 4: Boxplot der Anzahl blühender Exemplare des Breitblättrigen Knabenkrauts (Dactylorhiza majalis) im Jahr 2023 (N = 23), unterteilt nach der Nutzung der jeweiligen Flächen. In den Brachen wurden keine Orchideen mehr gefunden, die drei Nutzungsformen (späte einschürige Mahd, zweischürige Mahd nach dem 15.6., halbjährige Beweidung) unterscheiden sich untereinander nicht signifikant; * = p < 0,05, ** = p < 0,01.
Fig. 4: Boxplot of the number of flowering specimens of broad-leaved marsh orchid (Dactylorhiza majalis) in 2023 (N = 23), subdivided according to the utilisation of the respective areas. Within fallows, no orchids were found any more; there was no significant difference between the three types of land use (one late mowing, two mowings after 15 June, semi-annual pasture); * = p < 0.05, ** = p < 0.01.
4 Handlungsempfehlungen für die Naturschutzpraxis
Es sind viele Handlungsoptionen möglich, um die lokalen Bestände von D. majalis zu sichern (z. B. regelmäßige Bodenanalysen, Saatgut in Saatgutbanken sichern, Keimfähigkeit von Populationen prüfen, Infogespräche usw.). Im Folgenden fassen wir die drei für uns in der Praxis am wichtigsten erscheinenden Handlungsempfehlungen zusammen.
4.1 Regelmäßige Kontrollkartierungen
Hätten in den vergangenen Jahrzehnten jährlich oder zumindest zweijährlich Kontrollkartierungen an den inzwischen verbrachten Flächen stattgefunden, hätte der Zweckverband die Rückgänge von D. majalis frühzeitig bemerken können und entweder auf die Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter Einfluss nehmen oder aber die Pflegemahd selbst durchführen können. Für eine optimale Pflege und Entwicklung der Projektgebiete abgeschlossener Naturschutzgroßvorhaben muss jedoch entsprechendes Personal verfügbar sein, das die Zeit aufbringt, auch auf einzelne Zielarten einzugehen. Die Einhaltung von Bewirtschaftungsauflagen gemäß einer NSG-Verordnung oder von Vorgaben des Vertragsnaturschutzes ist ebenfalls zu überprüfen, dies wird hier vom Zweckverband und der Naturwacht Saarland durchgeführt.
Eine neuere und vielversprechende Methode, die Bestände des Breitblättrigen Knabenkrauts regelmäßig zu überwachen, beschreiben Gröschler, Oppelt (2022), die die Orchideen mithilfe eines speziellen Kamerafilters an einer Drohne kartieren konnten. So kann die Anzahl blühender Exemplare pro Fläche zeitsparender ermittelt werden als bei üblichen Kartierungen. Weiterhin kann v. a. auch mittels Luftbild direkt die unterschiedliche räumliche Verteilung der Orchideen auf einer Fläche (wie auch in unserem Projektgebiet, vgl. Abb. 5) erfasst werden, ohne jede Orchidee mittels GPS (global positioning system) verorten zu müssen, was für die Pflege- und Schutzmaßnahmen in der Praxis hoch relevant ist.
Abb. 5: a) Schematische Darstellung einer geklumpten Verteilung von Individuen des Breitblättrigen Knabenkrauts (Dactylorhiza majalis) am Standort Bärenbest (die schraffierte Fläche zeigt die gemähte Feuchtwiese an; auf der blau gekennzeichneten Fläche wurde im Jahr 2013 eine Anpflanzung der Gemeinen Fichte − Picea abies entfernt und der Boden tiefengefräst). b) Mehr oder weniger gleichmäßige Verteilung der Orchideen am Standort Sulzbach, wobei auch hier die nördliche und südliche Randfläche der bewirtschafteten Wiese nicht mit D. majalis besiedelt ist.
Fig. 5: a) Schematic representation of a clumped distribution of broad-leaved marsh orchid(Dactylorhiza majalis) specimens at the Bärenbest site (the hatched area shows the mown wet meadow; on the area marked in blue, a Norway spruce − Picea abies plantation was removed in 2013 and the soil was deeply tilled). b) More or less even distribution of orchids at the Sulzbach site, although here, too, the northern and southern edges of the hay meadow are not populated by D. majalis.
4.2 Brachen vermeiden
Von den 13 verschollenen, ehemals bekannten Vorkommen im Projektgebiet sind 8 (62 %) nach Nutzungsaufgabe verschwunden. Eine regelmäßige Bewirtschaftung der Feuchtwiesen ist eine notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für das Fortbestehen der Vorkommen von D. majalis, zumindest im Projektgebiet, jedoch auch anderorts im Verbreitungsgebiet der Orchidee, wie etwa in Tschechien (z. B. Janečková et al. 2006). Fast alle der Vorkommen im Projektgebiet können nach den in Dullau et al. (2019) definierten Typen dem „Feucht- und Nasswiesenarten-Typ“ zugeordnet werden, d. h. zumindest diese Flächen sind auf eine jährliche Mahd (oder in Einzelfällen extensive Beweidung) angewiesen.
Es lässt sich die Beobachtung teilen, dass gerade kleine Flächen eher von Verbrachung durch Nutzungsaufgabe betroffen sind (vgl. Messlinger et al. 2018; Hartmann, Metz 2023; Tab. 2). Für die Naturschutzpraxis ist darüber hinaus relevant, ob die Orchideen homogen in einem bewirtschafteten Grünland verteilt oder an Stellen mit vermutlich optimalen Bedingungen geklumpt wachsen (vgl. Abb. 5). Als Negativbeispiel aus unserem Gebiet lassen sich die verschollenen Vorkommen am Bruchelsbach nennen. Hier sind große umliegende Grünlandflächen in den letzten 30 Jahren durch den dortigen Pächter zwar jährlich extensiv gemäht worden. Die randliche Fläche mit den ehemals kleinen und nun verschollenen Vorkommen des Breitblättrigen Knabenkrauts wurde jedoch seit Jahren offensichtlich von der Mahd ausgenommen, vermutlich aufgrund des staunassen Bodens, sodass hier inzwischen eine Mädesüß-Baldrian-Hochstaudenflur stockt, die die Orchideen verdrängt hat. Hier gelang es den Orchideen allem Anschein nach auch nicht, sich auf den gemähten, direkt angrenzenden Bereich der Feuchtwiese auszubreiten (Tab. 1).
Dullau et al. (2019) beschreiben die Möglichkeiten einer Wiederansiedlung von D. majalis, die im Projektgebiet jedoch bisher (noch) nicht angestrebt wurde. Charakterisiert man die Flächen im Projektgebiet anhand des in Dullau et al. (2019) beschriebenen Schemas zur Priorisierung erloschener Vorkommen von D. majalis für Maßnahmen zur Wiederansiedlung, sind 8 dieser 13 Flächen hierfür nicht geeignet, da sie entweder inzwischen gar kein Grünland mehr darstellen oder aber eine Erstpflege nur mit sehr hohem Aufwand umsetzbar wäre. Auf 5 Flächen findet zwar noch eine geeignete Bewirtschaftung statt, trotzdem ist D. majalis hier aus unbekannten Gründen offenbar verschwunden. Daher müsste vor dem Versuch einer Wiederansiedlung zunächst eine detaillierte Analyse der Gründe für das Erlöschen stattfinden.
4.3 Konsequente Pflege der verbliebenen Vorkommen
Eine späte (nach dem 1.7.) einschürige Mahd mit Schnittgutabtrag und in Verbindung mit dem im Projektgebiet herrschenden Düngeverbot scheint als Pflege auch für die lokalen Vorkommen von D. majalis geeignet zu sein (Abb. 4; vgl. auch Messlinger et al. 2018; Dullau et al. 2019; Margenburg 2021). Auch Janečková et al. (2006) empfehlen (für Tschechien) eine einschürige Mahd frühestens Ende Juni nach Aussamen der Orchideen. Dullau et al. (2019) nennen für den Südharz als Mahdtermin frühestens Mitte Juli, damit die Samenbildung sicher abgeschlossen ist. Auch für verwandte Orchideenarten (z. B. Lappländisches Knabenkraut − Dactylorhiza lapponica in Norwegen; Sletvold et al. 2010) und für solche, die ebenfalls magere, sonnige Standorte benötigen (z. B. Kleines Knabenkraut − Orchis morio in England; Smith, Cross 2016), wird eine späte Mahd als optimal angesehen.
Eine extensive Mahd ist aufgrund der Flächengrößen der allermeisten der Probeflächen in der Praxis nur durch die Verpachtung an ansässige Landwirtschaftsbetriebe zu bewerkstelligen, die sich an die Bewirtschaftungsauflagen halten und den Schnitt im Optimalfall als Viehfutter verwenden können. Letzteres ist jedoch leider (evtl. auch aufgrund der modernen Anforderungen an Milchbetriebe, wie sie im Projektgebiet vorherrschen) nur noch an zwei Stellen mit einschüriger, später Mahd gegeben (Standorte Malzbach, Seelbach). In den anderen drei Fällen wird das Schnittgut als Kompost verwertet oder aber in die nahe gelegene Biogasanlage gefahren (Tab. 1). In solchen Fällen kann und sollte auch kein Pachtzins erhoben werden. Der Zweckverband verpachtet diese Flächen pachtzinsfrei im Sinne der Landschaftspflege (der Landwirt kann diese Flächen außerdem im Bewirtschaftungsprogramm des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums − ELER aufgrund später Mahd melden und hierfür Zuschüsse erhalten). Ein aktives Herantreten an Pferdehalterinnen und -halter als mögliche Bewirtschafter erscheint auch für unsere Orchideenwiesen erfolgversprechend, da diese einen späten Schnitt noch als Raufutter oder Einstreu nutzen könnten (DVL 2017). Anderes artenreiches Grünland, das sonst verbracht wäre, konnte der Zweckverband auf diesem Wege wieder verpachten.
In sechs Fällen findet auf Flächen mit Vorkommen von D. majalis im Projektgebiet (zumindest in den meisten Jahren) eine zweischürige, frühere Mahd bereits nach dem 15.6. statt (wiederum ohne Düngung der Flächen), die ebenfalls als geeignete Pflege angesehen werden kann (vgl. Medianwerte in Abb. 4). Messlinger et al. (2018) finden zwar höhere Individuendichten von D. majalis auf Flächen, die erst nach dem 1.7. gemäht werden, und auch Janečková et al. (2006) und Dullau et al. (2019) empfehlen spätere Mahdtermine, aber bei etwas früheren Mahdterminen können die Pächterinnen und Pächter den Schnitt noch als Viehfutter verwenden, sodass eine Bewirtschaftung der Flächen auf diesem Wege langfristig gesichert scheint. Andererseits sind einige kleine Vorkommen trotz dieser Nutzungsform im Projektgebiet allem Anschein nach erloschen (Tab. 1). Dies könnte dadurch bedingt sein, dass jahrelang wirklich „pünktlich“ zum 15.6. gemäht wurde (eigene Beobachtungen im Gebiet). Ein Aussamen der Orchideen könnte durch diesen Mahdzeitpunkt so stark eingeschränkt worden sein, dass sich die Vorkommen nicht dauerhaft halten konnten (vgl. z. B. Sletvold et al. 2010). Ohne genaue Untersuchung sind jedoch auch andere Ursachen für das Verschwinden auf den jeweiligen Flächen möglich.
Vorteilhaft bei einer zweischürigen Mahd in Verbindung mit einem Düngeverbot ist ein stärkeres Ausmagern der Flächen sowie die Verringerung der Streuschicht. Diese sollte z. B. laut Dullau et al. (2019) für D. majalis so gering wie möglich sein, weshalb auch ein Pflegemulchen von Flächen nur in den seltensten Ausnahmefällen sinnvoll erscheint. Ein Beispiel hierfür findet sich auch innerhalb des betrachteten Projektgebiets: Die Patenwiese am Standort Dirmingen wurde über mehrere Jahre gemulcht und es wurde versucht, das gemulchte Material händisch abzutragen. Dennoch bildete sich eine starke Streuschicht. Zudem besitzt diese Fläche den zweithöchsten Stickstoffwert und mit 56 cm eine recht hohe Vegetation (Tab. 2). Die Eutrophierung der Fläche durch das jahrelange Mulchen ist also erkennbar. Hier konnte 2022 und 2023 lediglich jeweils ein Exemplar des Breitblättrigen Knabenkrauts kartiert werden (Tab. 1). Diese Patenwiese wird seit 2022 durch den Zweckverband betreut. Ziel ist es, mit Balkenmähermahd und Schnittgutabtrag eine Regeneration des Vorkommens zu ermöglichen.
Ein wichtiger Punkt in den Pachtverträgen des Zweckverbands stammt aus dem Wiesenbrüterschutz: Eine Bearbeitung der verpachteten Flächen, auch Schleppen oder Walzen, ist nach dem 15.3. verboten. Dies ist in der NSG-Verordnung nicht so explizit formuliert. Da (zumindest im Südharz) der oberirdische Austrieb von D. majalis aus dem Rhizom erst Ende März erfolgt, sollte sich dieses Verbot des Abschleppens der Wiesen nach dem 15.3. auch auf das Breitblättrige Knabenkraut positiv auswirken.
Eine sehr extensive Beweidung scheint nur bedingt als Pflege geeignet. Dabei wäre ein maximal halbjähriger (Beginn frühestens nach Ende Juni und Dauer bis spätestens Ende März; Dullau et al. 2019) und v. a. geringer (max. 0,5 – 1,0 Großvieheinheiten − GVE/ha) Besatz notwendig (vgl. Tab. 1). Für eine allgemeine Diskussion zur Beweidung von Orchideenwiesen verweisen wir auf Bunzel-Drüke et al. (2019) sowie Dullau et al. (2019) und die Literaturverweise darin. Prinzipiell stimmen wir jedoch anderen Autoren wie z. B. Messlinger et al. (2018) oder Margenburg (2021) zu, die v. a. aufgrund der Gefahr zu hoher Trittschäden in den feuchten bis nassen Flächen mit D. majalis nur in Ausnahmefällen eine extensive Beweidung als sinnvoll erachten (ein Beispiel hierfür siehe Neuhäuser et al. 2022), wenn etwa ansonsten in der Praxis sicher eine Verbrachung der Fläche stattfinden würde.
5 Fazit
Unsere Ergebnisse deuten zwar einerseits auf einen stabilen Trend der gepflegten – unter Auflagen genutzten – Bestände des Breitblättrigen Knabenkrauts im NSG und Natura-2000-Gebiet „Täler der Ill und ihrer Nebenbäche“ sowie auf 3 der 5 Patenwiesen hin. Umgekehrt gingen, v. a. durch Verbrachung, fast die Hälfte der ehemals bekannten Vorkommen selbst im Schutzgebiet und auf einer Patenwiese verloren.
Wir empfehlen eine − falls möglich − jährliche Kontrolle aller bekannten Vorkommen, um bei einer Nutzungsaufgabe zeitnah handeln zu können. Ergänzend hierzu ist die konsequente Pflege der bekannten Vorkommen, bspw. durch späte Mahd sowie ein Abtragen des Schnitts nach der Mahd, unabdingbar. Das Verbot einer Entwässerung der Flächen (gerade in Hinblick auf die immer häufigeren Trockenphasen im Frühjahr und Sommer) und ein Düngeverbot dienen dazu, ausreichend feuchte und magere Bodenbedingungen zu erhalten, und sind Voraussetzung für das Fortbestehen oder für Wiederansiedlungen von D. majalis. Gerade bei großen Flächen erscheint eine Verpachtung an ansässige Landwirtschaftsbetriebe unter Einhaltung der relevanten Bewirtschaftungsauflagen in der Praxis unabdingbar.
6 Literatur
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Balao F., Tannhäuser M. et al. (2016): Genetic differentiation and admixture between sibling allopolyploids in the Dactylorhiza majalis complex. Heredity 116(4): 351 – 361. DOI: 10.1038/hdy.2015.98
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Bobbink R., Hicks K. et al. (2010): Global assessment of nitrogen deposition effects on terrestrial plant diversity: A synthesis. Ecological Applications 20(1): 30 – 59. DOI: 10.1890/08-1140.1
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Bunzel-Drüke M., Reisinger E. et al. (2019): Ganzjahresbeweidung im Management von Lebensraumtypen und Arten im europäischen Schutzgebietssystem Natura 2000. 2. Aufl. Heinz Sielmann Stiftung. Duderstadt: 292 S.
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Dank
Wir danken den beiden anonymen Gutachterinnen bzw. Gutachtern sowie Herrn Dr. Ulrich Sukopp und Frau Karin Roth für die hilfreichen Anmerkungen zum Manuskript.