Heinrich Reck
Zusammenfassung
Kleintiervorkommen im Straßenbegleitgrün (v. a. Tagfalter, Widderchen, Heuschrecken und Laufkäfer, aber auch Haselmaus, Zauneidechse oder Wildbienen) wurden von Arbeitsgruppen der Hochschule Anhalt und der Universität Kiel deutschlandweit untersucht und, wo möglich, mit
Bestandsaufnahmen verglichen, die rund 30 Jahre zuvor an denselben Orten durchgeführt worden waren. Begleitgrün kann demnach einen erheblichen Beitrag zur Sicherung der biologischen Vielfalt leisten und als Bestandteil der grünen Infrastruktur Europas entwickelt werden. Es ist
zwar kein Ersatz für flächenhafte oder gar großflächige naturnahe und/oder artenreiche Ökosysteme, aber es kann eine Ergänzung solcher Flächen sein und deren Funktionen unterstützen. In intensiv genutzten Landschaften kann das Begleitgrün ein Mindestangebot an biologischer
Vielfalt bereitstellen. Das große Potenzial des Verkehrsbegleitgrüns für die Förderung der biologischen Vielfalt wird bisher aber nur marginal genutzt und dessen Beitrag zum überörtlichen Lebensraumverbund ist noch nicht ausreichend bewertbar.
Straßenbegleitgrün – Grüne Infrastruktur – Kleintierfauna – Insektenschutz – Lebensraumqualität – Biotopverbund – Monitoring – Shifting baselinesAbstract
Small animal occurrences in roadside verges (especially butterflies, burnets, grasshoppers and ground beetles, but also dormice, sand lizards and wild bees) were surveyed by working groups from Anhalt University of Applied Sciences and the University of Kiel throughout
Germany and, where possible, compared with surveys carried out around 30 years previously at the same locations. It was found that verges can make a significant contribution to safeguarding biodiversity and can be developed as a component of Europe's green infrastructure. While
they are not a substitute for extensive semi-natural and/or species-rich ecosystems, they can be a supplement to such areas and support their functions. In intensively used landscapes, the verge network can provide a minimum level of biodiversity. However, the great potential of
transport infrastructure verges for the promotion of biodiversity has so far only been implemented marginally and its contribution to the supra-local habitat network is not yet sufficiently assessable.
Roadside verges – Green infrastructure – Small animal fauna – Insect conservation – Habitat quality – Biotope network – Monitoring – Shifting baselinesInhalt
1 Einleitung
Das Straßenbegleitgrün wird immer auffälliger. Es hebt sich als gehölz- und/oder blumenreiches Netz von der mittlerweile eintönig gewordenen, intensiv genutzten Landschaft ab und lädt zuweilen zum Blumenpflücken ein. In den Niederlanden titelten Verstrael et al. (2000) schon vor 20 Jahren: „National highway verges are national treasures“.
In Deutschland prägen eher Untersuchungsergebnisse aus den 1980er-Jahren das Verhältnis des Naturschutzes zum Straßenrand; ein Resümee von Ullmann, Heindl (1986) zur Vegetation bringt dieses auf den Punkt: „Straßenböschungen als
Trockenstandorte aus zweiter Hand werden von Trockenrasen zweiter Wahl besiedelt.“ Für Tiere sind ähnliche Ergebnisse von Reck, Kaule (1994) zusammengefasst, speziell in Kap. 14, S. 172 – 216. Hier wird dargestellt, dass mageres
Begleitgrün von Autobahnkreuzen zwar sehr pflanzen- und tierartenreich sein kann, also potenziell wertvoll, dass es aber dennoch nur halb so viele Tierarten aufweist wie nahe gelegene, ansonsten ähnlich strukturierte und sogar kleinere, aber nicht durch Straßen isolierte
Biotope trocken-warmer Vergleichsstandorte (Abb. 1a, b). Aber wie groß ist das Potenzial als Lebensraum unter heutigen Bedingungen, 25 Jahre später, nun wirklich und wie weit ist dieses Potenzial realisiert?
Abb. 1: Naturschutzgerechte Begleitgrüngestaltung im Kieler Umland: a) Bundesstraße B 76, b) Bundesstraße B 502. Zwar sind blumenreiche, schütter bewachsene Begrünungen noch in der Minderzahl (vgl. Kasten 2 in Kaiser 2022 in dieser
Ausgabe, S. 439), aber immer mehr Verkehrsverwaltungen erkennen ihre Verantwortung und nutzen oder erproben die gegebenen Potenziale.
Fig. 1: Conservation-oriented verge landscaping in the Kiel hinterland: a) federal highway B 76, b) federal highway B 502. Although flowery, sparsely vegetated green areas are still in the minority (see Box 2 in
Kaiser 2022 in this
issue, p. 439), more and more transport authorities are recognising their responsibility and using or testing the given potential.
(Fotos: Heinrich Reck)
Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Hochschule Anhalt (K. Richter, F. Zinner und Mitarbeiter) haben H. Nissen und der Autor sowie B. Schulz und Studierende (V. Daunicht, A.L. Diel, C. Dörneburg, J. Kelm, A. Lange, P. Lößner, S. Piskol, A. Tetzlaff und F. Widderich) vom
Institut für Natur- und Ressourcenschutz der Universität Kiel bundesweit Kleintiervorkommen im Begleitgrün untersucht, v. a. Tagfalter, Widderchen, Heuschrecken und Laufkäfer, aber auch Haselmaus (Muscardinus avellanarius), Zauneidechse (Lacerta agilis) oder Wildbienen.
Dabei konnte in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg an Arbeiten aus den 1980er- und 1990er-Jahren angeknüpft werden.
2 Artenreiches Begleitgrün ist v. a. das Grün neben den Banketten
Die meisten Tieraufnahmen haben erst neben dem Bankettbereich bzw. in mehr als 3 m Abstand vom Straßenrand und vielfach im Extensivbereich (je nach Mahdfrequenz bzw. Pflegeintensität wird beim Begleitgrün zwischen Intensiv- und Extensivbereich unterschieden) stattgefunden und
viele Tiervorkommen sind auch abhängig von der Begleitgrünbreite. Während Wildbienen schon von schmalen Blühsäumen erheblich profitieren können (Schwenninger, Wolf-Schwenninger 1998; Abb. 2), waren auf
den von diesen Autoren untersuchten und experimentell mit Heublumen angesäten Verkehrsinseln in Stuttgart die zeitgleich untersuchten Tagfalter-, Laufkäfer-, Heuschrecken- und Spinnenzönosen verarmt (Reck, Weiß. 1996). Tagfalter scheinen am
meisten auf breites Begleitgrün (oder großen Abstand zum Straßenrand) angewiesen zu sein. So haben Zinner et al. (in Vorb. a) einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Begleitgrünbreite und der Tagfaltervielfalt an vielbefahrenen Straßen
herausgearbeitet: Je breiter, desto mehr Arten, und erst ab etwa 10 m Breite findet man regelmäßig mehr als 10 Tagfalterarten im Saum (Abb. 2, 3).
Abb. 2: Artenzahl von Wildbienen im innerstädtischen Begleitgrün. Bei Wildbienen ist ein erheblicher und nachhaltiger Artenzuwachs bereits vom ersten Jahr nach der Umgestaltung an messbar. HN, CH: Vergleichs- und Probeflächennamen; Daten: H.R. Schwenninger und K.
Wolf-Schwenninger.
Fig. 2: Number of species of wild bees in inner-city road verges. For wild bees, a considerable and sustainable increase in species numbers can already be measured from the first year after redesign.
Abb. 3: Varianz und mittlere Breite des Begleitgrüns an Autobahnen und Bundesstraßen. Die Breite des Begleitgrüns an Autobahnen ist signifikant größer als an Bundesstraßen, oft breiter als 10 m und bietet daher Lebensraum auch für die empfindlichen Tagfalter. Boxplot der
minimalen durchschnittlichen Breite des Begleitgrüns an Autobahnen und Bundesstraßen auf Grundlage von Daten aus Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg. Innerhalb der Box liegen die mittleren 50 % der gemessenen Werte. Die Whisker beschränken sich maximal auf das
1,5-Fache des Interquartilsabstands (IQR), die Kreise sind Ausreißer, die zwischen dem 1,5- und 3,0-Fachen des IQR liegen, die Sterne symbolisieren extreme Ausreißer über dem 3,0-Fachen des IQR.
Fig. 3: Variance and mean width of verges along federal motorways (Autobahn) and federal highways (Bundesstraße). The width of the greenery along federal motorways is significantly greater than along federal highways, often wider than 10 m, and therefore also provides
habitat for sensitive butterflies. Boxplot of the minimum average width of the accompanying greenery along federal motorways and federal roads based on data from Schleswig-Holstein and Baden-Württemberg. The mean 50 % of the measured values lie within the box. The whiskers
are limited to a maximum of 1.5 times the interquartile range (IQR), the circles are outliers between 1.5 and 3.0 times the IQR, the stars symbolise extreme outliers above 3.0 times the IQR.
(aus Nissen, Reck in Vorb.)(from Nissen, Reck in prep.)
Bei den Heuschrecken und Laufkäfern sind schon an schmalem Begleitgrün ähnlich hohe Artenzahlen zu finden wie in Säumen der landwirtschaftlich geprägten Umgebung, sofern die Säume nicht, wie z. B. begrünte Mittelstreifen, isoliert sind. Randeffekte, d. h. Unterschiede der
Artenspektren von Heuschrecken und Laufkäfern zwischen straßennahen und straßenfernen Standorten, wurden zwar beobachtet, ließen sich aber nicht eindeutig auf den Einfluss benachbarter Straßen zurückführen, da sich die Effekte und Muster zwischen den untersuchten Flächen stark
unterschieden und z. T. gegenläufig waren. Auch eine erwartete Verschiebung der Artenspektren hin zu salztoleranten oder gar halophytischen Arten als Straßenrandeffekt konnte, zumindest bei Laufkäfern in Schleswig-Holstein, nicht festgestellt werden (Details siehe
Zinner et al. in Vorb. b).
3 Shifting baselines: die Begleitgrünfauna von 1985 gegenüber 2015
Unter dem Begriff shifting baselines werden sich (mit der Zeit) ändernde Bewertungen und Erfahrungen subsumiert, die (wie alle Bewertungen) davon abhängen, welche Vergleichstatbestände zur Verfügung stehen. Ist die Vielfalt im Begleitgrün heute nun anders und damit auch anders zu
bewerten als vor 30 Jahren, weil z. B. die Schadstoffbelastung abgenommen hat (u. a. durch das Bleiverbot in Treibstoffen und das Weglassen von Pestiziden) und weil das Begleitgrün anders gestaltet und gepflegt wird, oder ist es nur anders zu bewerten, weil sich zwischenzeitlich die
biologische Vielfalt im Umland verändert hat?
Aufschlussreich sind zum einen die Wiederholungsuntersuchungen von Zech auf dem Vaihinger Kreuz in Baden-Württemberg (Insektenbestände großer und breiter Straßenzwischenräume 2014 [Peix et al. in Vorb.] im Vergleich zu den Aufnahmen von
Rietze, Walter und Reck 1990 [Reck, Kaule 1994: 89 ff.]) und zum anderen die Wiederholungsuntersuchungen von Fritzsch et al. zu Laufkäfervorkommen in schmalem Begleitgrün 2015 im Vergleich zu den Ergebnissen der langjährigen Untersuchungen von
U. Wasner und H. Geiger zwischen 1980 und 1991 in Nordrhein-Westfalen (Fritzsch et al. in Vorb.; Abb. 4).
Abb. 4: Auszüge aus der Forschungsdatensammlung zum Begleitgrün in Nordrhein-Westfalen (Fotocollage von Fritzsch et al. in Vorb., aus dem Archiv des Westfälischen Museums für Naturkunde). Das „Wasner-Projekt“ (1980 – 1991) ist sehr
gut dokumentiert, nur dadurch war eine vergleichende Wiederholungsuntersuchung möglich.
Fig. 4: Excerpts from the research data collection of the Westphalian Museum of Natural History on roadside verges in North Rhine-Westphalia (photo collage by
Fritzsch et al. in prep.). The “Wasner Project” (1980 – 1991) is very
well documented. This provided the essential basis to repeat the study and compare the results.
Auf dem Vaihinger Kreuz wurden im Jahr 2014 ähnliche Tagfalter- und Widderchengemeinschaften gefunden wie 1990; im Jahr 2014 zwar 30 Arten anstelle von zuvor 22 Arten, aber die zusätzlichen Arten nur in Einzelexemplaren. Insgesamt beträgt die Artenähnlichkeit 89 %, was, gemessen
an den jeweils untersuchten Lebensraumtypen und der langen Zeitspanne, die zwischen den Bestandsaufnahmen liegt, eine sehr hohe Übereinstimmung ist. Gleiches wurde bei den Heuschrecken festgestellt (1990: 13 Arten, 2014: 15 Arten bei gleich gebliebener Verteilung auf ökologische
Anspruchstypen/Gilden). Bei Laufkäfern war die Untersuchungsintensität 2014 geringer, daraus ergab sich ein vermeintlich beobachteter Artenrückgang von 46 auf 36 Arten (anders ist dies im zweiten Fallbeispiel aus Nordrhein-Westfalen mit gleichartigem Erfassungsaufwand in den
jeweiligen Untersuchungsperioden). Bei allen Artengruppen wurden trotz der hohen Artenzahl jeweils nur wenige gefährdete Arten beobachtet. Im Jahr 2014 wurden zusätzlich auch zwei weitere Autobahnkreuze in Sachsen und Sachsen-Anhalt untersucht. Auch dort „wurden – in
unterschiedlicher Menge – hauptsächlich häufige Arten der ‚Normallandschaft‘ nachgewiesen [… , dennoch] spielen sie vor allem in ausgeräumten Agrarlandschaften eine durchaus wichtige Rolle als Lebens- und Rückzugsraum sowie als Trittsteinbiotop“ (Peix
et al. in Vorb.).
Auf den schmalen Säumen in Nordrhein-Westfalen waren dagegen zwei Entwicklungen zu beobachten (Abb. 5):
Abb. 5: Mittlere Artenzahlen der wiederholt auf Laufkäfervorkommen untersuchten Straßenränder (SR) in den 1980er- bis 1990er-Jahren im Vergleich mit 2015 (aus Peix et al. in Vorb.). Links im Diagramm: an vormals mäßig
beeinträchtigten Nebenstraßen, rechts im Diagramm: an vormals stark beeinträchtigten Hauptstraßen.
Fig. 5: Mean ground beetle species numbers of the repeatedly examined roadsides (SR) in the 1980s to 1990s (blue) compared to 2015 (red); left side: previously sligthly polluted verges, right side: previously highly polluted verges (from
Peix
et al. in prep.).
Im Begleitgrün sind Insektenbestände (bei unveränderter Vegetationsstruktur) also entgegen dem allgemein rückläufigen Trend erhalten geblieben und es finden sich, z. B. auf den „Ohren“ von Autobahnkreuzen, auch längerfristig sehr arten- und individuenreiche Bestände.
Bei zufällig ausgewähltem Begleitgrün finden sich nicht weniger Laufkäferarten als z. B. in Kompensationsflächen und die Heuschreckenfauna ist eher artenreicher (Nissen, Reck in Vorb.). Insgesamt trifft dennoch weiterhin die Aussage von
Ullmann, Heindl (1986) zu, nur die Perspektive hat sich verändert: Das Glas ist nicht, wie bei Reck, Kaule (1994) im Vergleich zu wertvollen Biotopen beschrieben, halb leer, sondern im Vergleich zur
entleerten Durchschnittslandschaft halb voll. Zur Bereitstellung von Ergänzungs- oder Vernetzungsbiotopen besonders gefährdeter Arten taugt das herkömmlich gestaltete (es fehlen z. B. magere Sande) und herkömmlich gepflegte Begleitgrün (Kraut- und Grassäume) dagegen (noch) nicht
(vgl. Kasten 2 in Kaiser 2022 in dieser Ausgabe). Anders kann dies in Begleitgrün sein, das auf Rohböden stockt und/oder eine eher schüttere Grasnarbe aufweist (Zinner et al. in Vorb. b). Hier finden sich überdurchschnittlich viele gefährdete Arten, weil Arten lichter Vegetationsstrukturen bundesweit überproportional gefährdet sind. Bei den untersuchten Artengruppen erfolgte z. T. auch eine
schnelle Besiedlung des Begleitgrüns (z. B. durch Zauneidechsen bei Bernburg, s. unten) – das muss aber nicht für alle Mobilitätstypen gelten. Einzelne Arten mit besonders langsamer Ausbreitungsgeschwindigkeit (z. B. Felsschnecken; Trautner, Bruns
1988) können in Ersatzlebensräumen auch noch nach mehreren Jahrzehnten fehlen.
4 Begleitgrün als Lebensraum für gefährdete Arten?
Zumindest einzelne gefährdete Arten profitieren auffällig von zielführend gestaltetem und gepflegtem Begleitgrün, z. B. die Haselmaus, die in Schleswig-Holstein straßenbegleitende Gehölze wesentlich dichter besiedelt als umgebende Knicks oder Waldränder (z. B. Kelm 2015; Kelm et al. 2015; Friebe et al. 2018) und dort mittlerweile Hauptvorkommen hat (vgl. Abb. 6, Abb. 7). Auch die Zauneidechse profitiert unter den Bedingungen der industriellen Land- und Forstwirtschaft vom Straßenbegleitgrün und kann sich entlang neu angelegter Straßen auch dort (wieder) ausbreiten, wo sie ansonsten auf Grund von Übernutzung
verdrängt wird (Abb. 8a, b).
Abb. 6: Streng geschützte Arten im Begleitgrün: die Verbreitung der Haselmaus (Muscardinus avellanarius) im zentralen Schleswig-Holstein. Daten bis 2014 inklusive des sicheren Neunachweises von Nestern an der Grünbrücke Kiebitzholm (rosa Dreieck) im Winter
2015/2016. Zu beachten ist, dass das Begleitgrün überproportional gut untersucht ist.
Fig. 6: Strictly protected species in road verges: The distribution of the hazel dormouse (Muscardinus avellanarius) in central Schleswig-Holstein. Data until 2014 including the reliable new detection of nests at the Kiebitzholm green bridge (pink triangle) in
winter 2015/2016. Note that the accompanying greenery is disproportionately well studied.
Abb. 7: Haselmausnest am Straßenrand nahe der Grünbrücke Kiebitzholm. In der Vergrößerung: Einbettung des Haselmausnests im Straßenbegleitgehölz.
Fig. 7: Roadside dormouse nest near the Kiebitzholm green bridge. Enlargement: embedding of the dormouse nest among roadside woody plants.
(Fotos: Heinrich Reck)
Abb. 8: Besiedlung und Nutzung von Begleitgrün durch die Zauneidechse (Lacerta agilis). a) Bei Lübeck hat sich ein Zauneidechsenvorkommen aus dem Bahnbegleitgrün nach dem Neubau einer Bundesstraße über eine Faunaüberführung hinweg im Begleitgrün lokal ausgedehnt
(Daten 2011: V. Daunicht, 2015: F. Widdrich). Viel auffälliger und raumgreifender ist die Neubesiedlung von Autobahnnebenflächen bei Bernburg: b) Darstellung besiedelter 100-m-Transekte bzw. c) erfasster Individuen im untersuchten Begleitgrün; Erfassungen von 2013 und
2015 (aus Fritzsch et al. in Vorb., Geobasisdaten: Web Map Service [WMS] der digitalen Orthofotos [DOP100], © GeoBasis-DE/Landesamt für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt [LVermGeo LSA] 2016). Für Zauneidechsen ist das
Begleitgrün (Extensivbereich und Grenze zum Intensivbereich) Lebens- und Ausbreitungsraum und mittlerweile im Gegensatz zur umgebenden Agrarlandschaft ein wichtiges Refugium.
Fig. 8: Colonisation and use of roadsides by the sand lizard (
Lacerta agilis). a) After the construction of a new federal road, a sand lizard population near Lübeck expanded from a railway verge across a fauna overpass into the road verges (data 2011: V. Daunicht,
2015: F. Widdrich). Much more striking and spatially extensive is the colonisation of motorway side areas near Bernburg: b) illustration of colonised 100 m transects or c) of recorded individuals in the investigated road verges; records of 2013 and 2015 (from
Fritzsch et al. in prep., basic geodata: Web Map Service [WMS] of digital orthophotos [DOP100], © GeoBasis-DE/Saxony-Anhalt State Office for Surveying and Geoinformation [LVermGeo LSA] 2016). For sand lizards, the accompanying greenery
(extensive area and border to the intensive area) is a habitat and dispersal area and, in contrast to the surrounding agricultural landscape, has become an important refuge.
Bei Bernburg konnte auch der regional stark gefährdete Bläuling Polyommatus bellargus (Rote Liste Deutschland [RL-D]: Kategorie 3; Rote Liste Sachsen-Anhalt [RL-ST]: Kategorie 2) wiederholt (und nur) auf einer mehr als 30 m breiten, südwestexponierten Böschung eines
Autobahnrastplatzes nachgewiesen werden, andere gefährdete Tagfalterarten ebenfalls nur in Begleitgrün von mehr als 15 m Breite. Saumbreite und Dichte von Nektarpflanzen sind für die Vorkommen schutzbedürftiger Tagfalterarten besonders relevante, statistisch hochsignifikante
Merkmale. Auch bei den Heuschrecken war die Artenzahl im Begleitgrün deutlich höher als in Vergleichsbiotopen: „Autobahnbegleitgrün an Knotenpunkten oder angrenzenden Restbiotopen wies eine deutlich höhere Artenzahl auf als isoliert in der Ackerlandschaft liegendes Begleitgrün von
Straßen. Mit zunehmender Entfernung zu potenziellen ‚Spenderbiotopen‘ bzw. zu Verkehrsknotenpunkten ist eine Abnahme sowohl auf Artenebene als auch in der Individuendichte feststellbar“ (Zinner et al. in Vorb. a).
Dass auch flugunfähige schutzbedürftige Insekten vom Begleitgrün profitieren können, zeigt das Vorkommen der in Schleswig-Holstein vom Aussterben bedrohten Nachtläuferart Cymindis angularis an der Bundesstraße B 207n bei Lübeck. Im gut untersuchten und nahe zum
Untersuchungsort gelegenen Naturschutzgebiet Grönauer Heide ist C. angularis bislang nicht nachgewiesen. Mageres Begleitgrün, das oft durch hohen Reichtum an insektenblütigen Pflanzenarten gekennzeichnet ist, kann ein Refugium für besonders schutzbedürftige Arten sein und es
kann für einzelne dieser Arten einen wichtigen Beitrag zur Sicherung ihrer Vorkommen leisten. Im eutrophen Begleitgrün finden sich dagegen meist keine besonders schutzbedürftigen Arten und insgesamt waren im Vergleich zum Artenbestand der o. g. Grönauer Heide bspw. die Anteile von
Arten der Roten Listen an der B 207n mit großem Abstand geringer.
Wie sehr das Begleitgrün über die dargestellten Einzelfälle hinaus zur Vernetzung von Populationen gefährdeter flugunfähiger Tierarten beiträgt, ist ohne weitere Untersuchungen aber noch nicht bewertbar. Zwar sind lokale Ausbreitungsbewegungen innerhalb von Saumabschnitten auch
für Laufkäfer und Heuschrecken (Vermeulen 1994; Rietze, Reck 1998a, b; Schulz, Reck 2017) nachgewiesen, aber dennoch könnte
im Hinblick auf überörtliche Ausbreitungsprozesse die Barrierewirkung von Einmündungen, Wänden, Bordsteinen oder Gullys über die lokal zweifellos vorhandenen Vernetzungseffekte der Säume dominieren (siehe Kasten 1
„Bordsteine & Co.“).
Kasten 1: Bordsteine & Co. – oft unnötige und dann illegale Barrieren.
Box 1: Curbstones & Co. – Often unnecessary and in this case illegal barriers.
Straßenbegleitende Elemente können die Barrierewirkung von Verkehrswegen vervielfachen und sind oft tödliche Fallen. Offensichtlich (weil beabsichtigt) ist, dass Zäunungen Sperrelemente sind. Todbringend sind diese nur, wenn sie in der freien Landschaft einseitig erstellt
oder wenn sie falsch gestaltet sind. Das hässliche Bild erdrosselter Rehe in aufgebogenen Stabgitterzäunen ist aber leicht vermeidbar. Schwieriger ist es schon, das Eindringen von Großtieren an Zaunenden und dementsprechend panische Ausbruchsversuche zu vermeiden. Und schwierig
ist auch die Abwägung, ab wann Zäune als Barriere mehr schaden als nutzen. Schon mit günstiger Randgestaltung kann viel Leben gerettet werden: durch das Vermeiden sichteinschränkender Vegetation am Straßenrand – evtl. genügen Gehölzabstände von mehr als 5 m – (Gercken 2021) oder das Entwickeln attraktiver Übergänge an übersichtlichen Straßenabschnitten sowie durch eine Verringerung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (z. B. Seiler 2003).
Weniger offensichtlich sind die Wirkungen unbeabsichtigter Barrieren. Dichtes Begleitgrün kann das Queren von Straßen und Wegen etwa durch Großlaufkäfer (Zinner et al. 2018: 90, 95) oder juvenile Amphibien (Anstoetz im Druck) be- und
verhindern. Die generelle Anforderung, Magersubstrate zu verwenden und lückige Vegetation im Begleitgrün zu fördern (Reck, Müller 2018), hilft Barriereeffekte zu reduzieren.
Weitgehend unbeachtet ist die Notwendigkeit, auf die Verwendung von Bordsteinen, die deutlich über die Straßenoberflächen herausragen, möglichst gänzlich zu verzichten. In der Praxis ist ein solcher Verzicht die Ausnahme, bspw. in Verbindung mit Gullys an Orten mit hohen
Todesraten von Amphibien (z. B. Trautner et al. 2020: 70). Radfahrerinnen und Radfahrer, die die Seite wechseln wollen, alle, die Kinderwagen oder Rollstühle schieben oder Rollatoren benutzen, kennen das Problem – nur nicht, so scheint es,
die Straßenplanerinnen und -planer. Für Kleintiere wirken Bordsteine verheerend. Sie erklären die Artenfehlbeträge flugunfähiger Großlaufkäfer in Städten (vgl. Trautner 1993: 227), sie führen zum Tod von Amphibien, Reptilien oder
Spitzmäusen und sie verhindern ggf., dass Straßenbegleitgrün zur Lebensraumvernetzung durch Siedlungen hindurch beitragen kann, weil an jeder Einmündung ein Zusatzhindernis entsteht. Auch wenn sie nicht für alle Arten unüberwindbar sind, verlängern Bordsteine die Aufenthaltsdauer
auf Straßen um ein Vielfaches und erhöhen damit das Tötungsrisiko, selbstverständlich führen sie auch zu Umkehrbewegungen (Abb. K1-1, K1-2, K1-4).
Abb. K1-1: Verweildauer von Großlaufkäfern an verschieden hohen Bordsteinen: Laborversuch von
Wellner (2019), n = 317 Beobachtungsdaten, logarithmische Skalierung der Zeitachse. Der Einfluss der Bordsteinhöhe ist statistisch
signifikant. Die Verweildauer an hohen Bordsteinen wird aber dennoch unterschätzt, weil Beobachtungseinheiten mit einer Verweildauer der Käfer von mehr als 30 min nicht in den Datensatz integriert wurden (Versuchsabbruch nach 30-minütiger Inaktivität am
Bordstein).
Fig. K1-1: Retention time of large ground beetles on curbs of different heights: laboratory experiment by
Wellner (2019), n = 317 observation data, logarithmic scaling of the time axis. The influence of curb height is
statistically significant. However, the dwell time at high curbs is still underestimated because observation units with a dwell time of the beetles of more than 30 min were not integrated into the data set (experiment terminated after 30 min of inactivity at the
curb).
Abb. K1-2: Blindschleichen (Anguis fragilis) an Bordsteinen: selbst abgeschrägte Bordsteine sind für viele Arten nicht oder nur schwer überwindbar. Im Bild ein – bis zum Eingreifen des Beobachters – erfolgloser Kletterversuch einer Blindschleiche an der
Landesstraße L 410; dicht daneben fanden sich verendete Exemplare.
Fig. K1-2: Slow-worms (Anguis fragilis) at curbs: even sloping curbs are difficult or impossible for many species to climb over. The picture shows an unsuccessful climbing attempt of a slow-worm on the L 410 road until the observer intervened; dead specimens
were found close by.
(Foto: Heinrich Reck)
Abb. K1-4: Bordsteine als Barriere für verschiedene Kleinsäugerarten. Obere Reihe: Spitzmäuse (Sorex araneus, 1. Foto von links) können allenfalls Bordsteine überwinden, die nicht höher sind als ihre Kopf-Rumpf-Länge, die Erdmaus (Microtus agrestis,
2. Foto von links) vermutlich ebenfalls (alle verfügbaren Bilder zeigen ein Umkehren am Rand). Auch Waldmäuse (Apodemus spec., 3. Foto von links) sind limitiert. Nur die Wanderratte (Rattus norvegicus, 4. Foto von links) überwindet alle Bordsteine. Untere
Reihe: Nur wenige Kleinsäugerarten können hochspringen, wie die Gelbhalsmaus (Apodemus flavicollis, 1. Foto von links), andere sitzen am Bordstein in der Falle. 2. Foto von links: Kurzschwanzmaus, 3. Foto von links: potenziell beutesuchender Marder, 4. Foto von
links: Rotfuchs (Vulpes vulpes). Aufnahmen aus dem Projekt „Bio-ökologische Wirksamkeit von Unterführungen für Insekten, Reptilien und flugunfähige Kleinsäuger“ (gefördert vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesumweltministeriums).
Fig. K1-4: Curbs as barriers and traps for small mammals. Top row: Shrews (Sorex araneus, 1st photo from left) can at best negotiate curbs that are no higher than their head-torso length, the short-tailed common vole (Microtus agrestis,
2nd photo from left) presumably likewise (all available pictures show turning around at the edge). Wood mice (Apodemus spec., 3rd photo from left) are also limited. Only the brown rat (Rattus norvegicus, 4th photo from
left) overcomes all curbs. Bottom row: Only a few small mammal species can jump up, like the yellow-necked mouse (Apodemus flavicollis, 1st photo from left), others are trapped at the curb. 2nd photo from left: a species of Arvicolinae,
3rd photo from left: potential prey-seeking marten, 4th photo from left: red fox (Vulpes vulpes). Photographs from the “Bio-ecological effectiveness of subways for insects, reptiles and flightless small mammals” project (funded by the
Federal Agency for Nature Conservation with funds from the Federal Ministry for the Environment).
(Fotos: Henrik Schulz)
Unnötige und unnötig hohe Bordsteine müssen komplett vermieden werden. Nur ausdrücklich festgestellter, im Einzelfall begründeter Bedarf rechtfertigt ihren Einsatz. Und auch bei scheinbar berechtigtem Bedarf, z. B. als Regenwasserbarriere oder zur sicheren Trennung von
Kraftfahrzeug- und langsamem Verkehr, gibt es geeignetere, lebensfreundliche Lösungen: Geschwindigkeitsbegrenzungen und damit einhergehende Fahrbahneinengung und/oder die Anlage zwischenliegender, bunter Kraut- und Grasstreifen sowie, als Ultima Ratio, anders geformte oder auf
Lücke gesetzte und damit überkletterbare Bordsteine (Abb. K1-3).
Abb. K1-3: Alternativen: statt Bordsteinen können angepasste Geschwindigkeiten und zwischenliegendes Begleitgrün Fußgängerinnen und Fußgänger sowie Radfahrerinnen und Radfahrer schützen und zugleich die Lebensqualität erhöhen.
Fig. K1-3: Alternatives: Instead of curbs, adapted speeds and broad verges can protect pedestrians and cyclists and generally increase the quality of life.
(Collage nach einer Originalgraphik von Gerd Klose, stark verändert)(collage after an original graphic by Gerd Klose, substantially modified)
Auch der anhaltende Trend zur Verwendung von Betonschutzwänden (als zumeist unbegründeter Ersatz für Leitplanken) sollte vor diesem Hintergrund sofort gestoppt werden. Die Verwendung von Betonschutzwänden ist überwiegend (es gibt immer Ausnahmen) ein unnötiger, vermeidbarer
und deshalb im Grundsatz verbotener Eingriff in den Naturhaushalt. Die Barrierewirkung der Wände ist für viele flugunfähige Kleintierarten absolut, für andere, auch Großtiere, entstehen unnötige, tödliche Fallen.
Literatur
Anstoetz K. (im Druck): Amphibien nutzen eine Grünbrücke über die A 33 in Bielefeld. Feldherpetologischens Magazin: 6 S.
Gercken S. (2021): Landschaftsmerkmale an Wildunfallschwerpunkten – eine Landschaftsanalyse an Wildunfallhäufungsabschnitten und Referenzabschnitten zur Untersuchung möglicher Gründe für Wildunfallkonzentrationen im Kreis Plön, Schleswig-Holstein.
Bachelorarbeit. Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Kiel: 60 S.
Reck H., Müller K. (2018): Straßenbegleitgrün und biologische Vielfalt: Potenziale und Realität. Straßenverkehrstechnik 62(7): 469 – 480.
Seiler A. (2003): The toll of the automobile: Wildlife and roads in Sweden. Doctoral thesis. Swedish University of
Agricultural Sciences, Uppsala. Acta Universitatis Agriculturae Sueciae, Silvestria 295: 48 S.
Trautner J. (1993): Laufkäfer als Indikatoren/Deskriptoren in der Planung und Probleme der Ausgleichbarkeit von Eingriffen. Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik 636: 207 – 233.
Trautner J., Geißler-Strobel S. et al. (2020): Biodiversitäts-Check urbaner und suburbaner Freiräume – Fachbeitrag zum Landschaftsplan 2040 der Stadt Freiburg im Breisgau. Stadtplanungsamt. Freiburg im Breisgau: 136 S.
Wellner P. (2019): Barrierewirkung von Bordsteinen in Verbindung mit Gullys, untersucht am Beispiel des Verhaltens von Großlaufkäfern (Col. Carabidae). Bachelorarbeit an der Sektion Biologie der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen-Fakultät der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Kiel: 64 S.
Zinner F., Reck H., Richter K. (Bearb.) (2018): Wirksamkeit von Querungshilfen für Kleintiere. Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik 1.131: 199 S. + Beiheft.
5 Gefährdung schutzbedürftiger Arten durch falsche Pflege
Nicht jede Entwicklung im Begleitgrün ist positiv. Im Fall einer über Jahrzehnte bekannten Straßenrandpopulation des gefährdeten Glückswidderchens (Zygaena fausta) hat falsche Pflege in jüngster Zeit zu dessen lokalem Erlöschen geführt. Es kommt dringend auf die richtige
Pflege an. Streifenparallele bzw. abschnittsweise Pflege ist essenziell und nur zeitlich deutlich gegeneinander abgegrenzte Pflegetermine auf jeweils benachbarten kurzen oder aber parallel zueinander liegenden Pflegesektoren verhindern Artenverluste. Auch zu wenig Pflege kann zum
Erlöschen gefährdeter Arten führen: Parallel zur fortschreitenden Sukzession auf einem vormals von Wanderschäfern besuchten Begleitgrün an der Landesstraße L 257 auf der Schwäbischen Alb erlosch dort ein Vorkommen des im Südwesten Deutschlands vom Aussterben bedrohten
Feldgrashüpfers(Chorthippus apricarius) und an der L230 ein Vorkommen der stark gefährdeten Schnarrschrecke (Psophus stridulus; Nissen, Reck in Vorb.; Abb. 9, 10).
Abb. 9: Glückswidderchen (Zygaena fausta suevica), fotografiert an einem Bergrutsch bei Neuffen. Straßenfern, aber noch im Umfeld des Fundorts des Holotypus (= ehemaliges Vorkommen an der Landesstraße L 1250) konnte dort 2017 ein individuenreiches Vorkommen gefunden
werden.
Fig. 9: Lucky burnet (Zygaena fausta suevica) photographed at a landslide near Neuffen. Far from the road, but still in the vicinity of the site of the holotype (= former occurrence on the L 1250 road), a large occurrence of individuals was found here in
2017.
(Foto: Heinrich Reck)
Abb. 10: Gravierende Pflegefehler am Neuffener Straßenrand. Die Neuffener Steige am Rand der Schwäbischen Alb ist bzw. war die Typuslokalität des Glückswidderchens (Zygaena fausta suevica). Die monophagen Raupen der Art lebten dort über Jahrzehnte in den Beständen
der auf gestörten/bewegten Böden wachsenden Berg-Kronwicke (Coronilla coronata) und fanden insofern im dynamischen Straßenbegleitgrün einen idealen Lebensraum, zumal zur Flugzeit der Falter das Blütenangebot sehr hoch war. Die dargestellte ungünstige und
gleichförmige Straßenrandpflege und letztlich die komplette Mahd der Raupenfutterpflanze zur Zeit der Eiablage führten mittlerweile zum Verschwinden am Typusfundort.
Fig. 10: Serious maintenance errors on the Neuffen roadside. The Neuffener Steige on the edge of the Swabian Alb is or was the type locality of the lucky burnet (Zygaena fausta suevica). The monophagous caterpillars of this species lived there for decades in the
stands of Coronilla coronata growing on disturbed/moving soils and thus found an ideal habitat in the dynamic roadside greenery, especially as the flower supply was very high during the moth flight period. The unfavourable and uniform roadside maintenance and
ultimately the complete mowing of the caterpillar food plant at the time of oviposition has led to the disappearance of the type locality in the meantime.
(Fotos: Heinrich Reck)
Wenn Begleitgrün monoton großflächig gepflegt wird, d. h. ohne streifenparallele bzw. abschnittsweise (Regelabschnittslänge entsprechend den Leitpfostenabständen ca. 50 m) alternierende Mahd oder ohne streifenparallele bzw. abschnittsweise alternierende Gehölzpflege, wird
zahlreichen Arten der Lebensraum entzogen, egal ob im Herbst, Winter oder Sommer gemäht wird. Denn zu jeder Jahreszeit sind andere Spezialisten gegen die Mahd empfindlich. In zusammenhängenden „Pflegemosaiken“, d. h. bei abschnittsweiser, zeitlich gestaffelter Pflege, könnte ein
Großteil der lebensraumtypischen Arten überleben.
6 Fallenwirkung des Begleitgrüns vs. Mortalität an Straßen
Die potenzielle Fallenwirkung des Begleitgrüns muss von Auswirkungen der Mortalität an der Straße bzw. von der Todesfalle Straßenverkehr unterschieden werden. Anzeichen dafür, dass von Begleitgrün, insbesondere von blütenreichem Begleitgrün, ein Falleneffekt ausgeht,
konnten von Zinner et al. (in Vorb. b) für Kleintiere nicht beobachtet werden (desgl. Schleicher et al. 2021) und Arten wie Zauneidechse und Haselmaus können im Begleitgrün nachweislich
prosperieren. Kritisch für Kleinvögel könnte sein, wenn Gehölze sehr dicht an den Straßenrand reichen. Dadurch kann evtl. eine überproportionale Mortalität verursacht werden, wie sie Bay, Rodi (1990) für die Goldammer (Emberiza
citrinella) beschrieben haben: Der Straßenraum war für Goldammern in der Brutzeit scheinbar so attraktiv, dass auf Grund von Straßenmortalität verwaiste Reviere sofort neu besetzt wurden.
Für magere Säume kann vermutet werden, dass sie gegenüber eutrophen Säumen das Mortalitätsrisiko von Eulen und Greifvögeln evtl. sogar verringern, weil diese ihre Beute dann nicht mehr auf der Straße oder am unmittelbaren Straßenrand greifen müssen. Auch für Wild sind magere
Säume vermutlich weniger attraktiv als nährstoffreiche Begleitvegetation. Verlässliche Untersuchungen dazu liegen aber nicht vor (weder mortalitätsmindernde noch mortalitätserhöhende Faktoren sind ausreichend bekannt). Wie breit der Abstand von Gehölzen zum Straßenrand sein muss,
damit keine erhöhte Unfallgefahr für Wild besteht, muss ebenfalls noch genauer untersucht werden. Bisher ist lediglich darstellbar, dass die Unfallgefahr an Straßenabschnitten mit sehr dicht an die Straße reichenden Gehölzen für beide erhöht ist – für das Wild sowie für
Autofahrerinnen und Autofahrer (Gercken 2021). Eine wesentliche, aber bislang kaum quantifizierbare Rolle spielen auch die Höhenlage von Straßen zur Umgebung, der Eiweißgehalt von Kraut- und Grasfluren, das Vorhandensein fruchtender Obstbäume,
das Vorhandensein von Querungshilfen und der Unterhaltungszustand von Wildschutz- und Amphibienzäunen(Kleintierabweisern), die die Mortalität reduzieren können, aber die Barrierewirkung erhöhen.
7 Schlussfolgerungen
Straßenbegleitgrün kann einen erheblichen Beitrag zur Sicherung der biologischen Vielfalt leisten. Lokal konnte vielfach die Bereitstellung wichtiger Lebensräume nachgewiesen werden. Straßenbegleitgrün kann mit geringem Aufwand oder sogar kostensparend als Bestandteil der grünen
Infrastruktur Europas (Europäische Kommission 2013; Fritz 2013; Reck 2016) entwickelt werden. Begleitgrün ist dabei kein Ersatz für flächenhafte oder gar
großflächige naturnahe und/oder artenreiche Ökosysteme, aber es kann eine Ergänzung solcher Flächen sein und deren Funktionen unterstützen. In intensiv genutzten Landschaften kann das Begleitgrün ein Minimalangebot an biologischer Vielfalt (auch an Nützlingen) bereitstellen. Für
einzelne besonders schutzbedürftige und besonders geschützte Arten und für zahlreiche Saumarten kann das Begleitgrün sogar vollwertiger Lebensraum sein und zum Populationsverbund beitragen. Verkehrliche Belastungen schutzbedürftiger Lebensräume kann Begleitgrün aber allenfalls
mindern. Vermutlich (und unter Vermeidung überflüssiger Kleinbarrieren und Fallen) könnte das großräumige Netz des Begleitgrüns auch einen merklichen Beitrag zur Wiedervernetzung, d. h. zum Populationsverbund und zur Wiederausbreitung von Arten leisten (Korridorfunktion). Bei
geeigneter Gestaltung kann es auch zur Funktionssicherung von Querungshilfen beitragen. Diesbezüglich ist der Untersuchungsbedarf jedoch noch hoch.
Deutlich ist, dass das große Potenzial des Verkehrsbegleitgrüns für die Förderung der biologischen Vielfalt bisher nur marginal genutzt wird. Wiedervernetzung wird (noch) kaum gefördert: Obwohl zur Unterstützung der Funktion geeignet, wird das Begleitgrün fast nie für Zwecke des
Biotopverbunds gestaltet; selbst dort (noch) nicht, wo – wie z. B. in Schleswig-Holstein – eine solche Gestaltung gesetzlich gefordert ist. § 18a Straßen- und Wegegesetz Schleswig-Holstein (StrWG-SH) besagt, dass Straßen- und Wegränder sowie Lärmschutzwälle so erhalten und gestaltet
werden sollen, dass sie sich naturnah entwickeln können. Ihre Unterhaltung soll auf die Bedeutung als Teil der Biotopverbundsysteme ausgerichtet werden. Insbesondere an Querungshilfen bleibt die potenziell erhebliche unterstützende Funktion des Begleitgrüns zumeist ungenutzt (siehe
Kasten 2 „Chancen nutzen“).
Kasten 2: Chancen nutzen – Straßen fürs Leben.
Box 2: Seizing opportunities – Roads for life.
Einleitung
Menschen verbringen sehr viel Lebenszeit „unterwegs“, also auf Straßen und Wegen. Der langsame Verkehr, die Radfahrerinnen und Radfahrer, die Fußgängerinnen und Fußgänger, mit und ohne Kinderwagen, erleben dabei Lärm, Spritzwasser oder Gefahr genauso unmittelbar, wie sie
Blühsäume und angenehme Orte zum Treffen, Reden, Flanieren oder Blumenpflücken erleben könn(t)en. Vielleicht nicht unbedingt an allen Autobahnen und Kraftfahrstraßen – aber warum nicht wenigstens an den sonstigen Straßentypen? Die Älteren kennen das noch: Viele soziale
Aktivitäten fanden auf der Straße und ausgerichtet auf die Straße hin statt; und in den Niederlanden, in Dänemark und anderen Ländern kennen das auch die Jungen. Aber der langsame Verkehr wird derzeit vom schnellen übermäßig bzw. unnötig belastet und damit entstehen auch unnötige
Barrieren und Todesfallen für Tiere.
Ein Schritt zurück und zwei nach vorn
Der (erwartbare) große Fortschritt im Fahrzeugbau und in der Entwicklung von Warnsystemen wird in jedem Fall Schadstoffemissionen, Motorenlärm und Unfallgefahren reduzieren. Der erste Schritt nach vorne ist schon fast getan. Situationsangepasste, langsamere Fahr- und
Entwurfsgeschwindigkeiten1 (der anstehende zweite Schritt2) und damit verbunden die Einsparung hoher Ausbaustandards reduzieren Belastungen aber weitaus mehr (Reck 2013). Sie mindern
● (mit der Geschwindigkeit lauter werdende) Rollgeräusche, d. h. unnötigen Lärm, der nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch die Gesundheit vieler Menschen (zugunsten des Geschwindigkeitskicks weniger Schnellfahrerinnen und -fahrer) beeinträchtigt und der unnötig
große Flächen als Lebensraum z. B. für Singvögel entwertet, ● unnötig breite stoffliche Belastungsbänder (Nährstoff- und Schadstoffimmissionen in Nachbarflächen und empfindliche Lebensräume) sowie, auch durch eingesparte Baustoffmengen, CO2-Emissionen,
● unnötig hohen Flächenbedarf für Kraftfahrzeuge (Kfz), dabei auch unnötig hohe Anforderungen an befestigte Seitenstreifen und unnötige Flächenversiegelung bzw. Flächenkonkurrenz (je höher die Geschwindigkeit, umso breiter müssen Straßen sein) und
● unnötig hohe anlage- und betriebsbedingte Barrierewirkungen sowie – Fahrerassistenzsysteme ergänzend – schwere Unfälle oder unnötigen Tod und unnötiges Leid von Menschen und Tieren (Vogel- und Fledermausschlag wird genauso reduziert wie Verluste von Laufkäfern,
Heuschrecken, Kröten, Schlangen, Haselmäusen, Hasen und Hirschen).
Außerdem werden vermeidbarer Stress für Kfz-Fahrerinnen und -Fahrer sowie unnötige Kosten für breite Bauwerke und deren Unterhaltung reduziert. Der Schritt zurück wäre dann die Rückgewinnung lebendiger Wege, wobei dies, genau betrachtet, eigentlich ein weiterer Schritt nach
vorn ist.
Lebendige Wege und Landschaftsstraßen
Angepasste, d. h reduzierte Kfz-Geschwindigkeiten und Fahrstreifenbreiten zugunsten des langsamen Verkehrs (Platz für Fußgängerinnen und Fußgänger, Radfahrerinnen und Radfahrer) erleichtern eine grüne Einbindung (buntes Begleitgrün und Alleen), die die notwendige Nutzung von
Wegen durch Menschen lebenswerter macht, Lebensräume für Blumen, Insekten und Co. bereitstellt und damit zur Entwicklung grüner Infrastruktur3 beiträgt. Aber auch, weil z. B. Unterführungen teuer und dennoch für heliophile
(lichtliebende) Kleintierarten meist nicht geeignet sind, weil nur große Unterführungen für Wild nutzbar und weil Grünüberführungen meist noch aufwändiger sind, müssen alle Straßen so gestaltet werden, dass sie keine erhebliche Barriere darstellen, oder so, dass die
Barrierewirkung und Mortalität zumindest stark vermindert ist. Die Gestaltung breiter Abstandsflächen zwischen Kfz-Fahrstreifen, Fahrradstraßen, Fußwegen und/oder Wirtschaftswegen4 als Lebensraum kann dazu erheblich beitragen.
Dazu müssen
● alle überstehenden Bordsteine abgebaut bzw. vermieden werden (als Sicherungselement und Standstreifen unmittelbar an Fahrstreifen dienen rasenähnliche, artenreiche Säume mit Rosettenpflanzen und Untergräsern) und ggf. unvermeidbare Gullys amphibiensicher
umgerüstet bzw. neu angelegt werden (siehe Kasten 1 „Bordsteine & Co.“, S. 448 f.) und ● das dichte Zuwachsen straßen- und wegeparalleler Kraut- und Grassäume muss durch die Verwendung von Magersubstraten vermieden werden (Sicherung eines geringen Raumwiderstands durch die Entwicklung sehr lichter Säume).
Die Krautsäume dienen im Sinne einer Vermeidung von Wildunfällen zugleich als Reaktionsabstand zu Begleitgehölzen oder Waldrändern. An übersichtlichen Stellen ist dann aber gezielter Gehölzverbund durch Leitgehölze für Kleintiere und für Wildwechsel erforderlich.
Die Entwicklung von „Landschaftsstraßen“ ist ein in Deutschland leider vergessenes, in den Niederlanden aber durchaus aktuelles und erfolgreich eingesetztes Gestaltungsprinzip. Wichtige Merkmale sind
● eine weitestgehende Limitierung der Fahrstreifenbreite für Kfz bei gleichzeitiger Trennung der Fahrstreifen durch (in Siedlungen und bei Gemeindeverbindungsstraßen5 ggf. teilweise befahrbares) breites
Zwischengrün, ● eine optimale Gestaltung des Begleitgrüns (mageres Substrat, Einsaat heimischer, insektenblütiger Pflanzen, ggf. zoniert von Magerrasensäumen über Blumenwiesensäume hin zu Hochstaudensäumen und Gehölzen; Einbringen sonstiger Kleinstrukturen, z. B. von
Reptilienverstecken außerhalb unversiegelter Standstreifen bzw. von Ausweichstellen für Notfälle) zur Entwicklung einer verkehrsbegleitenden Verbundachse (optisch ansprechendes Verkehrsgrün als Lebensraum; Reck, Müller 2018;
Abb. K2-1),
Abb. K2-1: Beispiel einer so genannten Landschaftsstraße (hier: Schnellstraße N 200 im Dünennationalpark bei Amsterdam). Lebensräume werden zwischen Fahrbahnen im Idealfall so gestaltet, dass die Straßen aus der Fußgängerperspektive nur bedingt wahrnehmbar
sind, und v. a. so, dass zumindest für Teilnehmerinnen und Teilnehmer am langsamen Verkehr Lebensräume wie Heiden oder Blumenwiesen die Wahrnehmung beherrschen, Konflikte zwischen verschiedenen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern reduziert werden und die
Lebensraumfunktion und Überwindbarkeit für Tiere stark verbessert wird.
Fig. K2-1: Example of what is known as a “landscape road” (here: N 200 highway in the Dune National Park near Amsterdam). Habitats are ideally designed between carriageways in such a way that the roads are only partially perceptible from the pedestrian
perspective, and especially in such a way that, at least for participants in slow traffic, habitats such as heaths or flower meadows dominate the perception, conflicts between different road users are reduced and the habitat function and traversability for
animals is greatly improved.
(Foto: Heinrich Reck)
● eine weitestgehende Limitierung der Fahrgeschwindigkeiten für Kfz nicht nur zur Förderung der Überwindbarkeit, sondern auch zur Minimierung von Lärm und Schadstoffemissionen, von Unfällen und Tierverlusten (auch im Hinblick auf das strikte Tötungsverbot für streng
geschützte Arten; vgl. BMVI 2020) und ● eine tiergerechte Beleuchtung (Schroer et al. 2019).
Sobald die Begleitgrünflächen als Lebensraum entwickelt sind (insbesondere als Blühflächen), sollten sie auch sachgerecht gepflegt werden (Ansätze dazu: Werner 2014; Unterseher 2015; Finke, Werner 2020; Rosell et al. 2020). Besonders wirksam für die biologische Vielfalt wäre eine streifenparallele oder abschnittsweise Pflege (jeweils alternierend für z. B. 50 m Länge je Vorgang;
Ausnahme ggf.: magerrasenartig angelegte Intensivpflegestreifen zur Verkehrssicherung; Abb. K2-2).
Abb. K2-2: Mindestanforderung an die Funktionsfähigkeit von Begleitgrün ist die Festsetzung geeigneter Pflegeregime, z. B. im landschaftspflegerischen Begleitplan (LBP). Artenreiches Begleitgrün auf Magersubstraten, das nicht großflächig einheitlich gepflegt wird,
kann erheblich zur Lebensraumvernetzung beitragen. Abschnittsweise zeitlich versetzte Mahd oder Streifenmahd (Foto: Bundesstraße B 30n, im Jahr 2020) verhindert das Erlöschen von Kleintierpopulationen.
Fig. K2-2: The minimum requirement for the functional capability of roadside greenery is the establishment of suitable maintenance regimes, e. g. in the landscape management plan (LBP). Species-rich vegetation on nutrient-poor substrates that is not uniformly mowed
over a large area can contribute significantly to habitat connectivity. Staggered mowing or strip mowing in sections (photo: B 30n federal highway, in 2020) prevents the extirpation of populations of small animals.
(Foto: Heinrich Reck)
Fazit
Weniger Straße ist mehr Leben. Die aktuell hohen Standards zugunsten sehr schnellen Kfz-Verkehrs müssen gegenüber den aktuell geringen Standards für Lebensräume von Menschen und Natur anders gewichtet werden. In allfälligen Abwägungen ist es dringlich, das Leben und die
Lebensqualität besser zu beachten und höher zu gewichten.
Literatur
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Werner M. (2014): Leitfaden für die fachgerechte Unterhaltungspflege von Gehölzflächen an Straßen. Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein. Kiel: 11 S. + Anhang.
Endnoten
1 Die Entwurfsgeschwindigkeit ist ein Richtwert für die Geschwindigkeit bei der Planung von Verkehrswegen.
2 Noch geht das Schnellfahren vor. Autobahnen werden so gebaut, dass das Fahren mit mehr als 400 km/h möglich und legal ist, und noch ist immer wieder zu beobachten, dass Gemeinden eine Geschwindigkeitsreduktion für Kraftfahrzeuge – selbst als Fürsorge
gegenüber Kindern in Wohngebieten für junge Familien – verboten wird, wenn denn Straßen erst mal breit genug gebaut wurden. Ein aktuelles Beispiel ist eine kleine Ringstraße, die in Ascheberg ein zukünftiges Familienwohngebiet erschließt. Sie „ist asphaltiert und hat einen Fuß-
und Radweg an der Seite. Hier sollte [nach dem Willen der zukünftigen Anwohner und der Gemeinde] Tempo 30 gelten“ […] „dann kam ein bitterböses Schreiben vom Kreis [Plön]. Von ungenehmigten Schildern [Tempo 30] und Kompetenzüberschreitung war die Rede. Die Schilder hätten keine
Rechtsgültigkeit“ – es muss Tempo 50 gelten (Ostholsteiner Zeitung vom 5.10.2021, S. 22).
3 Vgl. EU (2013), aber auch § 2 (4) Bundesnaturschutzgesetz(BNatSchG), dem entsprechend Begleitgrün möglichst als Lebensraum und Verbundelement zu entwickeln wäre (in Schleswig-Holstein ist dies klarer in § 18a Straßen- und Wegegesetz (StrWG-SH) geregelt;
danach sollen „Straßen- und Wegränder sowie Lärmschutzwälle […] so erhalten und gestaltet werden, dass sie sich naturnah entwickeln können. Ihre Unterhaltung soll auf die Bedeutung als Teil der Biotopverbundsysteme ausgerichtet werden“).
4 Unversiegelte Wege sind sogar unmittelbar (Teil)lebensraum; Bienen oder Wegwespen nisten dort.
5 Dort dann auch keine Fahrstreifen von mehr als 2,0 – 2,5 m Breite.
8 Literatur
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Förderung und Dank
Die Untersuchungen wurden vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesumweltministeriums (BMU) gefördert und in den Bundesländern erheblich von verschiedenen Verkehrsbehörden und -betrieben unterstützt. Bei allen Unterstützerinnen und Unterstützern, bei den
Mitwirkenden und bei den anonymen Gutachterinnen und Gutachtern dieses Artikels möchte ich mich herzlich bedanken.