Tjark Martens, Michael Trepel und Joachim Schrautzer
Zusammenfassung
Schleswig-Holstein (SH) zählt mit ca. 160.000 ha kohlenstoffreichen Böden zu den moorreichen Bundesländern. SH hat sich als Ziel für den Klima- und Artenschutz gesetzt, die Treibhausgas(THG)-Emissionen zu reduzieren und die Biodiversität auf kohlenstoffreichen Böden zu erhalten. Der vorliegende Beitrag zeigt eine Übersicht über die THG-Emissionen und den naturschutzfachlichen Wert der botanischen Artenvielfalt (NBV) der Moorböden und weiterer kohlenstoffreicher Böden von SH. Aktuell emittieren diese Böden pro Jahr ca. 3.900.000 t Kohlenstoffdioxid-Äquivalente und tragen damit zu ca. 16 % der Gesamtemissionen des Bundeslandes bei. Der nach naturschutzfachlichen Kriterien besten Qualität (NBV-Klasse 1) entsprechen dabei noch etwa 6 % der Untersuchungskulisse. Um die Natur- und Klimaschutzziele zu erreichen, bedarf es großer Anstrengungen hinsichtlich der Wiedervernässung kohlenstoffreicher Böden. Das größte THG-Reduktionspotenzial geht dabei von den intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen aus, aber auch die Vernässung von Brachen und entwässerten Waldmooren würde zur Verbesserung der Klimabilanz nennenswert beitragen. Mit der in dieser Studie ergänzend vorgenommenen Beurteilung des NBV wird bei konkreten Flächenplanungen eine Abwägung der Ziele des Natur- und Klimaschutzes möglich.
Kohlenstoffreiche Böden – Treibhausgasemissionen – Biodiversität – Naturschutzwert – Landnutzung – Nationale Moorschutzstrategie – Schleswig-HolsteinAbstract
With approx. 160,000 ha of carbon-rich soils, Schleswig-Holstein (SH) is one of the peatland-rich German federal states and has set the reduction of greenhouse gas (GHG) emissions and the enhancement of biodiversity on carbon-rich soils as goals of climate protection and biodiversity conservation efforts. This study presents an overview of GHG emissions and the conservation value of botanical species diversity (NBV) of histosols and other carbon-rich soils in this state. Currently, these soils emit about 3,900,000 t of carbon dioxide equivalents per year, thus contributing some 16 % of the state's total emissions. About 6 % of the study area can be classified as being of best quality according to nature conservation criteria (NBV class 1). In order to achieve conservation and climate goals, major effort will be required with regard to the rewetting of carbon-rich soils. The greatest GHG reduction potential resides in intensively used agricultural land, but the rewetting of fallow land and drained forest peatlands could also make a significant contribution to improving the climate balance. With the additional assessment of botanical species diversity conducted in this study, it will be possible to weigh up the goals of nature conservation and climate protection in specific land-use planning processes.
Carbon-rich soils – Greenhouse gas emissions – Biodiversity – Nature conservation value – Land use – National peatland conservation strategy – Schleswig-HolsteinInhalt
1 Einleitung
Mit einem Anteil von knapp 10 % an der Landesfläche prägen kohlenstoffreiche Böden das Landschaftsbild in Schleswig-Holstein (SH) (LLUR 2015). Hierzu gehören nach bodenkundlichen Kriterien die Moorböden im engeren Sinn sowie Anmoore bzw. Moorfolgeböden und Moorgleye (Ad-hoc-AG Boden 2005). Diese Böden haben, je nach Nutzungsintensität und -geschichte sowie der damit verbundenen Entwässerung durch Torfmineralisierung und Freisetzung von Treibhausgasen (THG), unterschiedlich hohe Bedeutungen für den Klimaschutz und sind wichtige Elemente des Natur- und Umweltschutzes (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2020). Sie sind je nach Entwässerung und hydrologischer Einbindung in die Landschaft relevant für die Emission von THG, aber auch für die Rückhaltung von Nährstoffen oder die Dämpfung von Hochwasserwellen (Joosten, Clarke 2002). Für eine erfolgreiche Umsetzung nationaler Vorgaben wie z. B. aus dem Aktionsprogramm Moorschutz des Bundesumweltministeriums (BMUV 2022) werden auf Ebene der Bundesländer valide Daten zu THG-Freisetzungsraten und zur Qualität der kohlenstoffreichen Böden benötigt. Diesem Anspruch folgend ist es Ziel des vorliegenden Beitrags, für SH die THG-Emissionen sowie den Naturschutzwert der botanischen Artenvielfalt (NBV) der kohlenstoffreichen Böden abzuleiten. Die Ergebnisse werden genutzt, um wichtige Handlungsfelder für den Moor- und Klimaschutz unter Berücksichtigung des botanischen Artenschutzes in SH herauszuarbeiten. Darüber hinaus werden unterschiedliche Bilanzierungsansätze zur Beurteilung der Klimarelevanz kohlenstoffreicher Böden (Jensen et al. 2010; Tiemeyer et al. 2020; Martens et al. 2022) am Beispiel von SH einander gegenübergestellt und kritisch beleuchtet.
2 Untersuchungsgebiet
SH zählt mit ca. 160.000 ha kohlenstoffreichen Böden (Tab. 1) zu den moorreichen Bundesländern und wurde geomorphologisch durch die beiden letzten Eiszeiten geprägt. Das Klima in SH ist subozeanisch. Die Niederschlagsmengen nehmen im Mittel von Nordwest (800 – 900 mm/Jahr) nach Südost (550 – 700 mm/Jahr) hin ab (LLUR 2020). Durch die meist hohen Niederschläge und die Geomorphologie von SH herrschen im gesamten Bundesland gute Bedingungen für die Entstehung unterschiedlicher Moorböden und kohlenstoffreicher Böden (LLUR 2015). Die kohlenstoffreichen Böden sind durch zumeist intensive landwirtschaftliche Grünlandnutzung (bis zu fünf Grünlandschnitte pro Jahr) geprägt. Neben der intensiven Nutzung finden sich auch viele weitere Bewirtschaftungsformen von einer moderaten Nutzung (bis zu drei Grünlandschnitte pro Jahr) bis hin zu unterschiedlichen Brachestadien.
Tab. 1: Statistische Kennwerte zur Verbreitung von Moorböden und weiteren kohlenstoffreichen Böden in Schleswig-Holstein (Stand: 11/2022).
Table 1: Statistical characteristics of the distribution of peatlands and other carbon-rich soils in Schleswig-Holstein (as of Nov. 2022).
Einheit
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Fläche [ha]
|
Anteil an Landesfläche [%]
|
Kohlenstoffreiche Böden: | 160.797 | 10,17 |
| 32.681 | 2,07 |
• Moore im eigentlichen Sinne: | 128.116 | 8,11 |
– Hochmoore | 26.319 | 1,67 |
– Niedermoore, Gyttja | 101.797 | 6,44 |
3 Methoden
Für die flächenhaften Analysen und die Auswertungen der einzelnen Teilaspekte wurden digital verfügbare Informationen zur Moorverbreitung und zum Vorkommen von Biotop- und Nutzungstypen verwendet. Im Folgenden werden die verwendeten Datengrundlagen vorgestellt.
3.1 Moorkulisse/kohlenstoffreiche Böden
Für die landesweite Betrachtung wurde eine Verbreitungskarte der kohlenstoffreichen Böden des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) des Landes SH herangezogen (LLUR 2015). Diese Datenbank fasst moorkundliche Informationen aus unterschiedlichen Quellen wie geologischen Übersichtskarten, der forstlichen Standortskartierung und der Bodenschätzung in SH zusammen. In dieser Studie wurden die Moorböden mit einer Torfauflage von ≥ 30 cm und ≥ 30 % organischer Masse als Moore definiert (Ad-hoc-AG Boden 2005). Außerdem wurden für diese Auswertung die weiteren kohlenstoffreichen Böden berücksichtigt. Diese Böden weisen nach deutscher Definition nicht mehr die nötigen Kennzeichen von Moorböden auf. Bei der Bilanzierung der kohlenstoffreichen Böden wurden diese Bodentypen trotzdem berücksichtigt, da sie sich zu Moorböden (Anmoore) entwickeln können oder aus diesen hervorgegangen sind (Moorfolgeböden; Ad-hoc-AG Boden 2005).
3.2 Biotoptypen/Landnutzung
Für die Charakterisierung der Biotoptypen auf Moorböden bzw. kohlenstoffreichen Böden in SH wurde die aktuelle landesweite Biotopkartierung des Landes SH 2014 – 2020 herangezogen (LLUR 2022). Diese Kartierung bietet einen Überblick über die landesweite Verbreitung geschützter und nicht geschützter Biotoptypen. Außerdem ist der aktuelle Stand der Fauna-Flora-Habitat(FFH)-Kartierung (FFH-Richtlinie; European Commission 2007) in der aktuellen Biotopkartierung enthalten (LLUR 2022). Für die Moorböden unter Wald wurde eine Studie von Schrautzer et al. (2021) für die Auswertung herangezogen, in der die Wälder auf Moor klassifiziert und die Emissionen aus den Moorböden abgeschätzt wurden.
Die verwendeten Datensätze geben einen umfangreichen Einblick in die Verbreitung der Vegetation auf Moorböden des Bundeslandes. Jedoch decken diese Datensätze nicht die gesamte Moorbodenkulisse ab. Aus diesem Grund wurden in einem weiteren Schritt die Nutzungs- und Landbedeckungsdaten des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (InVeKos) und des Amtlichen Topographisch-Kartographischen Informationssystems (ATKIS) (AdV 2003) in die Flächenkulisse aufgenommen. Aus den Nutzungs- und Landbedeckungsdaten war es möglich, Einheiten für die darauffolgende Ableitung von THG-Emissionen zu bilden.
3.3 Auswertung der Daten
Alle vorhandenen Daten wurden mit einem geographischen Informationssystem (GIS; Version: ArcGIS 10.7.1) verarbeitet. Die Auswertung beruht auf einem hierarchischen Ansatz, bei dem die Biotopinformationen in entsprechende phytosoziologische Einheiten überführt wurden. Hierbei wurde darauf geachtet, dass die Einheiten dem Klassifikationssystem von Mucina et al. (2016) entsprechen, da dieses für Europa aktuell weitestgehend akzeptiert ist. Die Liste der Vegetationseinheiten wurde durch regionale Klassifikationseinheiten ergänzt, da diese mit den Standortfaktoren im Bundesland korrespondieren (Dierßen et al. 1988; Scholle, Schrautzer 1993; Schrautzer, Wiebe 1993; Wiebe 1998; Schrautzer 2004). Durch diese Transformationsprozesse war es möglich, die Vegetationseinheiten den Einheiten des GEST-Modells (Greenhouse Gas Emissions Site Types; Couwenberg et al. 2008; Couwenberg, Fritz 2012) zuzuordnen, da diese ebenfalls auf der Vegetation und den korrespondierenden Standortfaktoren basieren.
Für die Ableitung der THG-Emissionen wurden in dieser Studie die Vegetation und der damit eng verbundene jährliche mittlere Wasserstand als Proxys verwendet (Couwenberg et al. 2008, 2011; Couwenberg, Fritz 2012). Die Bodenfeuchte korreliert stark mit den freigesetzten THG-Emissionen (Berglund, Berglund 2011; Bartelheimer, Poschlod 2016) und ist somit direkt an den THG-Flüssen in Mooren beteiligt (Couwenberg, Fritz 2012; Gray et al. 2013; Karu et al. 2014; Dunn et al. 2016; Goud et al. 2017; Strack et al. 2017; Liu et al. 2020). Das GEST-Modell von Couwenberg et al. (2011) wird ständig ergänzt, für die vorliegende Studie wurden die aktuellsten Methoden verwendet (Reichelt et al. 2015; Hirschelmann et al. 2020). Bei der Auswertung der Daten wurden einige Annahmen ergänzt. Für den Vegetationstyp „Degradiertes Hochmoor mit Birken“ wurde ein Freisetzungspotenzial von 18 t CO2 äq. · ha−1 · a−1 (Kohlenstoffdioxid-Äquivalente pro Hektar und Jahr) angenommen. Dieser Wert entspricht der GEST-Einheit „Feuchte bis sehr feuchte saure Molinia-Wiesen“. In SH sind die Wasserstände dieser beiden Vegetationstypen einander ähnlich. Aus diesem Grund wurden die gleichen Treibhauspotenziale (engl. Global Warming Potential – GWP) verwendet. Außerdem kamen für Wälder auf Moorböden die Ergebnisse einer Studie von Schrautzer et al. (2021) zum Einsatz, wobei diese Ergebnisse nur die Prozesse in den Böden berücksichtigen.
Für ca. 4.300 ha existierten keine GEST-Einheiten (Siedlungselemente, Hecken etc.). Für diese Flächen wurde der Standard des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) für tief entwässerte, nährstoffreiche Grünländer in der gemäßigten Klimazone angewendet (IPCC 2014). Auf diese Weise war es möglich, eine komplette Bilanz der THG-Emissionen der kohlenstoffreichen Böden für SH zu generieren. In Anlehnung an die Vorgehensweise in Brandenburg (Reichelt 2021) und Mecklenburg-Vorpommern (Hirschelmann et al. 2020) wurden für die kartographische Darstellung der THG-Emissionen insgesamt sechs GWP-Klassen gebildet (Abb. 1). Diese erlauben eine Differenzierung in stark und schwach emittierende Moorböden bzw. Moorböden mit fast ausgeglichener oder negativer THG-Bilanz.
Der hier gewählte Ansatz zur Beurteilung der Ökosysteme basiert auf Biotoptypen und ist weitgehend kompatibel mit der Methodik der Roten Liste der gefährdeten Biotoptypen Deutschlands (Finck et al. 2017). Damit sollte es möglich sein, zumindest für die moorreichen norddeutschen Bundesländer den hier gewählten Ansatz zur Ermittlung der Relevanz von Moorböden und weiteren kohlenstoffreichen Böden unter Einbeziehung der Bedeutung der botanischen Artenvielfalt zu verwenden. Zur Gegenüberstellung der Bedeutung von Moorböden für den Klimaschutz und für den Naturschutz wurde für jeden Biotoptyp dessen NBV anhand einer vierstufigen Skala (Klassen 1 – 4) definiert. Dieser Wert orientiert sich zunächst an rechtlichen Schutzkategorien der europäischen FFH-Richtlinie und des § 30 Bundesnaturschutzgesetz(BNatSchG; „gesetzlich geschützte Biotope“). Obwohl in der vorliegenden Studie alle Biotoptypen, die diese Definitionen erfüllen, einen hohen Schutzstatus erhalten, ist festzuhalten, dass die Einheiten mit FFH-Status alle auf meso-oligotrophe Standortbedingungen angewiesen sind. Man kann deshalb davon ausgehen, dass in deren Pflanzenbeständen potenziell die meisten charakteristischen Moorarten vorkommen (Hammerich et al. 2022). Auf der anderen Seite können alle Biotoptypen ohne diesen Status als eutroph eingestuft werden. Die naturschutzfachliche Beurteilung von Biotoptypen ohne rechtlichen Schutzstatus erfolgte nach dem potenziellen Vorkommen eutraphenter (an nährstoffreiche Standorte gebundener) Nässe- bzw. Feuchtezeiger und der Standardliste der Biotoptypen von SH (LLUR 2022). Zur Orientierung dienten hier die bereits erwähnten einschlägigen regionalen Übersichtswerke (Dierßen et al. 1988; Scholle, Schrautzer 1993; Schrautzer, Wiebe 1993; Wiebe 1998; Schrautzer 2004).
4 Ergebnisse
4.1 THG-Emissionen
Die THG-Emissionen aus ca. 160.000 ha kohlenstoffreichen Böden in SH betragen insgesamt ca. 3.900.000 t COTab. 2). Die größte Quelle von THG-Emissionen ist dabei das artenarme bis mäßig artenreiche Grünland mit ca. 2.300.000 t CO2 äq. · a−1 (für die prozentuale Verteilung der THG-Emissionen aus kohlenstoffreichen Böden auf die einzelnen aggregierten Biotoptypen siehe Abb. 2). Dieser Grünlandtyp ist sowohl auf Moorböden wie auch auf anmoorigen Standorten zu finden. Insgesamt ist das artenarme bis mäßig artenreiche Grünland auf ca. 91.000 ha der Fläche vertreten, das entspricht etwa 56 % der gesamten Kulisse. Eine weitere große Emissionsquelle aus der Landwirtschaft sind die Ackerflächen (Tab. 2). Diese emittieren ca. 520.000 t CO2 äq. · a−1 von ca. 14.000 ha Fläche (8 % der Gesamtkulisse). Neben der landwirtschaftlichen Nutzung tragen auch die durch die Forstwirtschaft genutzten entwässerten Wälder auf Moorböden auf einer Fläche von ca. 11.000 ha (7 %) mit insgesamt etwa 320.000 t CO2 äq. · a−1 (8 %) zur Gesamtbilanz bei (Feucht- und Sumpfwälder mit typischen Baumarten sowie weitere Feucht- und Sumpfwälder; Tab. 2).
Abb. 1: Übersicht über die Treibhausgas(THG)-Emissionen aus Moorböden und weiteren kohlenstoffreichen Böden Schleswig-Holsteins. Die THG-Emissionen wurden in sechs Kategorien des Treibhauspotenzials (Global Warming Potential − GWP) eingeteilt.
Fig. 1: Overview of greenhouse gas (GHG) emissions from peatlands and other carbon-rich soils in Schleswig-Holstein. GHG emissions were classified into six Global Warming Potential (GWP) categories.
Tab. 2: Ergebnisse der Bilanzierung des naturschutzfachlichen Werts der botanischen Artenvielfalt (NBV) und der Treibhausgas(THG)-Emissionen der Moorböden und weiteren kohlenstoffreichen Böden Schleswig-Holsteins. Die Biotoptypen sind in übergeordneten Klassen aggregiert dargestellt. Ihre exakte Aufteilung und Zuordnung ist Tab. A im Online-Zusatzmaterial unter https://www.natur-und-landschaft.de/extras/zusatzmaterial/ zu entnehmen.
Table 2: Results of the accounting of the nature conservation value of botanical species diversity (NBV) and greenhouse gas (GHG) emissions from peatlands and other carbon-rich soils in Schleswig-Holstein. The biotope types are aggregated in superordinate classes. Their exact division and allocation can be found in Table A in the online supplementary material under https://www.natur-und-landschaft.de/extras/zusatzmaterial/.
Biotoptyp (übergeordnete Klasse)
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Vegetationseinheiten
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NBV-Klassen*
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Fläche [ha]
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Flächenanteil [%]
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THG-Emissionen [t CO2 äq. · a− 1]
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THG-Anteil [%]
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Acker | Alle Ackerflächen | 4 | 13.647 | 8,5 | 518.233 | 13,4 |
Zwischensumme Acker | | 13.647 | 8,5 | 518.233 | 13,4 |
Grünland | Kleinseggenrasen | 1 | 472 | 0,3 | 2.413 | 0,1 |
Artenreiches Feuchtgrünland | 2 | 5.037 | 3,1 | 73.042 | 1,9 |
Frisches bis feuchtes Grünland | 3 | 8.190 | 5,1 | 159.707 | 4,1 |
Artenarmes bis mäßig artenreiches Grünland | 4 | 90.861 | 56,5 | 2.312.344 | 59,9 |
Zwischensumme Grünland | | 104.560 | 65,0 | 2.547.506 | 66,0 |
Hochmoorstadien | Naturnahe Hochmoorstadien | 1 | 1.891 | 1,2 | − 3.579 | 0,1 |
Hochmoor-Regenerationsstadien | 2 | 1.397 | 0,9 | 2.057 | 0,1 |
Hochmoor-Degradationsstadien | 3 | 8.327 | 5,2 | 149.894 | 3,9 |
Zwischensumme Hochmoorstadien | | 11.639 | 7,2 | 148.372 | 3,8 |
Röhrichte/Großseggenriede/Hochstaudenriede | Schilf-, Rohrkolbenröhricht, Sumpfreitgrasried | 1 | 3.312 | 2,1 | 21.802 | 0,6 |
Weitere Röhrichte, Großseggen-, Hochstaudenriede | 2 | 6.160 | 3,8 | 69.670 | 1,8 |
Zwischenumme Röhrichte/Großseggenriede/Hochstaudenriede | | 9.472 | 5,9 | 91.472 | 2,4 |
Wälder | Typische Bruchwälder, Quellwälder, Moorwälder | 1 | 4.120 | 2,6 | 29.171 | 0,8 |
Weitere Bruchwälder | 2 | 213 | 0,1 | 1.594 | 0 |
Feucht-, Sumpfwälder mit typischen Baumarten | 3 | 2.893 | 1,8 | 88.240 | 2,3 |
Weitere Feucht-, Sumpfwälder | 4 | 7.644 | 4,8 | 233.130 | 6,0 |
Zwischensumme Wälder | | 14.870 | 9,2 | 352.135 | 9,1 |
Weitere Einheiten | Gewässer, Bebauung, sonstige Einheiten | 4 | 6.609 | 4,1 | 201.399 | 5,2 |
Zwischensumme weitere Einheiten | | 6.609 | 4,1 | 201.399 | 5,2 |
Gesamtsumme | | | 160.797 | 100,0 | 3.859.117 | 100,0 |
NBV = Naturschutzwert der botanischen Artenvielfalt, THG = Treibhausgas * NBV-Klassen: 1 = sehr hoher Wert der botanischen Artenvielfalt, 2 = hoher Wert der botanischen Artenvielfalt, 3 = mäßiger Wert der botanischen Artenvielfalt, 4 = geringer Wert der botanischen Artenvielfalt |
Abb. 2: Prozentuale Verteilung der Treibhausgas(THG)-Emissionen aus Moorböden und weiteren kohlenstoffreichen Böden (160.797 ha) in Schleswig-Holstein. Dargestellt sind die THG-Emissionen nach den übergeordneten Klassen der Biotoptypen (Grünland trocken, Acker, Wälder, Grünland frisch bis nass, weitere Biotoptypen, Hochmoorstadien, Röhrichte/Großseggenriede/Hochstaudenriede).
Fig. 2: Percentage distribution of greenhouse gas (GHG) emissions from peatlands and other carbon-rich soils (160,797 ha) in Schleswig-Holstein. Shown are the GHG emissions according to superordinate classes of biotope types (dry grassland, cropland, forests, moist to wet grassland, other biotope types, raised bogs, reeds).
Die höchsten Emissionen von nicht genutzten Flächen resultieren aus degradierten Hochmooren. Hier werden auf einer Fläche von ca. 8.300 ha (5 %) ca. 150.000 t CO2 äq. · a−1 (4 %) freigesetzt (Hochmoor-Degradationsstadien; Tab. 2). Ein Grund hierfür ist das relativ große Vorkommen degradierter Hochmoore auf nicht genutzten Flächen. Nicht genutzte Hochmoorflächen sind häufig in Naturschutzgebieten zu finden, wo Vernässungsmaßnahmen oft noch nicht umgesetzt wurden.
Im Gegensatz zu den genannten THG-Quellen existieren auch THG-Senken. Die naturnahen Hochmoorstadien nehmen in SH eine Fläche von ca. 1.900 ha (1,2 %) ein. Auf diesen Flächen werden im Jahr ca. 3.600 t CO2 äq. · a−1 potenziell gebunden (Tab. 2).
4.2 Naturschutzwert der botanischen Artenvielfalt
Nur 6 % (9.786 ha) der landesweiten Moorfläche wurden in die höchste NBV-Klasse 1 eingeordnet (Abb. 3). An diesen Standorten befinden sich die Wasserstände noch überwiegend nahe der Bodenoberfläche. Dabei nehmen den größten Flächenanteil typische Bruchwälder, Quellwälder und Moorwälder ein (ca. 4.100 ha; Tab. 2). Bei den oligotrophen Standorten dieser Kategorie handelt es sich um nasse Hochmoorstadien mit typischer Vegetation (ca. 1.900 ha naturnahe Hochmoorstadien; Tab. 2). Mesotrophe Standorte mit typischen Vegetationseinheiten der Niedermoore wurden nur auf einer Fläche von 472 ha (ca. 0,1 % Kleinseggenrasen; Tab. 2) nachgewiesen.
Weitere 6,7 % (10.823 ha) der Landesfläche erhielten die NBV-Klasse 2 (Abb. 3). Dabei handelt es sich um mäßig entwässerte Systeme wie z. B. artenreiches Feuchtgrünland (ca. 5.000 ha), brachliegende eutrophe Hochstaudenriede, Großseggenriede oder Röhrichte (ca. 6.100 ha; Tab. 2). Der weitaus größte Anteil der landesweiten Moorfläche (ca. 80 % bzw. ca. 125.000 ha) besteht aus Ökosystemen mit mäßiger bis geringer botanischer Artenvielfalt (NBV-Klassen 3 und 4). Davon entfällt mit ca. 91.000 ha der größte Teil auf artenarme bis mäßig artenreiche Grünlandflächen und immerhin noch ca. 14.000 ha auf Ackerflächen (Tab. 2). Stark entwässerte, bewaldete Moore nehmen ca. 7.600 ha ein (weitere Feucht-, Sumpfwälder; Tab. 2).
Abb. 3: Übersicht über den naturschutzfachlichen Wert der botanischen Artenvielfalt (NBV), angegeben in einer vierstufigen Skala für Moorböden und weitere kohlenstoffreiche Böden Schleswig-Holsteins (NBV-Klassen: 1 = sehr hoher Wert der botanischen Artenvielfalt, 2 = hoher Wert der botanischen Artenvielfalt, 3 = mäßiger Wert der botanischen Artenvielfalt, 4 = geringer Wert der botanischen Artenvielfalt).
Fig. 3: Overview of the nature conservation value of botanical species diversity (NBV), given on a scale with four grades for peatlands and other carbon-rich soils in Schleswig-Holstein (NBV classes: 1 = very high value of botanical species diversity, 2 = high value of botanical species diversity, 3 = moderate value of botanical species diversity, 4 = low value of botanical species diversity).
In Abb. 4 werden Handlungsnotwendigkeiten unter den Gesichtspunkten des botanischen Arten- und Klimaschutzes miteinander in Verbindung gesetzt. Dabei wurden die THG-Emissionsklassen in vier Gruppen zusammengefasst. Anschließend wurde der Handlungsbedarf in drei Kategorien eingeteilt (Grün = geringer Handlungsbedarf, ggf. Pflegemaßnahmen oder Wildnis; Gelb = hoher Handlungsbedarf; Orange = sehr hoher Handlungsbedarf). Die Ergebnisse zeigen, dass sich in der Klasse mit geringem Handlungsbedarf die aus Sicht der botanischen Artenvielfalt wertvollsten Ökosysteme befinden. Sie weisen gleichzeitig niedrige THG-Freisetzungsraten auf. Zu dieser Klasse können 7 % der Gesamtfläche kohlenstoffreicher Böden gezählt werden. Die Klasse mit hohem Handlungsbedarf umfasst die mäßig stark emittierenden Flächen mit noch gutem bis mäßigem ökologischen Zustand. In diese Kategorie fallen 17 % der gesamten Fläche kohlenstoffreicher Böden. Die Klasse mit sehr hohem Handlungsbedarf weist die am stärksten emittierenden und aus naturschutzfachlicher Sicht wertlosesten Flächen auf. In diese Kategorie fallen 76 % der Gesamtfläche kohlenstoffreicher Böden.
Abb. 4: Handlungsbedarf für Moorböden und weitere kohlenstoffreiche Böden Schleswig-Holsteins. Es sind der naturschutzfachliche Wert der botanischen Artenvielfalt (NBV) und die jährlichen Treibhausgas(THG)-Emissionen dargestellt. Die Einteilung des Handlungsbedarfs gliedert sich in drei Kategorien: Grün = geringer Handlungsbedarf/wenig Pflegemaßnahmen, Gelb = hoher Handlungsbedarf, Orange = sehr hoher Handlungsbedarf.
Fig. 4: Need for action for peatlands and other carbon-rich soils in Schleswig-Holstein. The nature conservation value of botanical species diversity (NBV) and annual greenhouse gas (GHG) emissions are shown. Need for action is divided into three categories: green = low need for action/maintenance measures, yellow = high need for action, orange = very high need for action.
5 Diskussion
Für das Bundesland SH wurden die THG-Emissionen der kohlenstoffreichen Böden und der NBV der Flächen ermittelt. Diese Ergebnisse wurden genutzt, um wichtige Handlungsfelder für den Moor- und Klimaschutz herauszuarbeiten. Im Folgenden sollen unterschiedliche Bilanzierungsansätze zur Beurteilung der Klimarelevanz kohlenstoffreicher Böden einander gegenübergestellt werden.
5.1 THG-Emissionen
Die THG-Emissionen aus kohlenstoffreichen Böden in SH wurden von verschiedenen Autoren (Tab. 3) berechnet. Die Studien unterscheiden sich voneinander hinsichtlich ihrer Bezugsräume (Moorböden, kohlenstoffreiche Böden), den damit verknüpften Flächenkulissen sowie den verwendeten Bilanzierungsansätzen. Auf den ersten Blick scheinen sich die Ergebnisse der vorliegenden Studie, die die auf dem GEST-Modell basierende jährliche Bilanzierung der gesamten THG-Emissionen berücksichtigt, deutlich von den Ergebnissen zu unterscheiden, die mit der Methode von Tiemeyer et al. (2020) auf Grundlage von Emissionsfaktoren für Landnutzungskategorien erzielt wurden. Für die vorliegende Studie in SH wurden die Ergebnisse des nationalen Treibhausgasinventars nicht direkt verwendet, sondern es wurden − um flächenmäßig miteinander vergleichbare Ergebnisse zu erzielen − die Emissionsfaktoren von Tiemeyer et al. (2020) auf die vorliegenden Nutzungstypen übertragen. Die Differenzen lassen sich folgendermaßen erklären: Beim GEST-Modell werden die CO2- und Methan(CH4)-Emissionen für die Berechnung des GWP herangezogen, während die Bilanzierung von Tiemeyer et al. (2020) zusätzlich die Lachgas(N2O)-Emissionen einbezieht. Allein dieser Aspekt würde nach unseren, mit den Angaben bei Tiemeyer et al. (2020) durchgeführten Abschätzungen zu einer Erhöhung des GWP um ca. 600.000 t CO2 äq. · a−1 führen. Zudem unterscheiden Tiemeyer et al. (2020) bei den THG-Emissionen von Grünland-Ökosystemen im Gegensatz zum GEST-Modell nicht zwischen stark und weniger stark emittierenden Systemen. Hinzu kommt, dass die von Tiemeyer et al. (2020) verwendeten Emissionsfaktoren für das intensiv genutzte Grünland höher liegen als die entsprechende Einheit im GEST-Modell. Berücksichtig man diese Unterschiede, so weichen die Endergebnisse beider Bilanzierungen zumindest bezüglich der Größenordnung nur unwesentlich voneinander ab. Beide Arbeiten verdeutlichen den hohen Bedarf zur Reduktion der THG-Emissionen. Der Vorteil der Vorgehensweise der vorliegenden Studie besteht darin, dass auf der Grundlage von Biotoptypen die naturschutzfachliche Beurteilung der Moorökosysteme auf regionaler Ebene vorgenommen werden kann. Damit lassen sich räumlich explizit die Belange des Naturschutzes mit jenen des Klimaschutzes abgleichen.
Tab. 3: Übersicht über die Bilanzierungen der Flächen von Moorböden und weiteren kohlenstoffreichen Böden Schleswig-Holsteins sowie der Mengen dazugehöriger Treibhausgas(THG)-Emissionen.
Table 3: Overview of the accounting of the areas of peatlands and other carbon-rich soils in Schleswig-Holstein and the quantities of associated greenhouse gas (GHG) emissions.
Studie
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Bezugsraum in SH
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Verwendete Kriterien
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Fläche [ha]
|
Summe THG-Emissionen [t CO2 äq. · a− 1]
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Anteil an gesamten THG-Emissionen von SH [%]
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| Moorböden | Biotopkartierung 1987 – 1998 | 145.500 | 2.459.373 | 10,3 |
| Moorböden | Biotopkartierung 2016 – 2021, InVeKoS, ATKIS-Datensatz | 128.116 | 2.929.095 | 12,3 |
Vorliegende Studie | Kohlenstoffreiche Böden | Biotopkartierung 2016 – 2021, InVeKoS, ATKIS-Datensatz | 160.797 | 3.859.117 | 16,1 |
| Kohlenstoffreiche Böden | ATKIS-Datensatz | 160.943 | 4.969.528 | 20,8 |
* Für die Berechnung nach Tiemeyer et al. (2020) wurden für die vorliegende Studie die darin veröffentlichten Emissionsfaktoren verwendet und nicht die Ergebnisse der nationalen Berichterstattung (ein Vergleich der Ergebnisse im Bezugsraum war auf diese Weise möglich). ATKIS = Amtliches Topographisch-Kartographisches Informationssystem, InVeKoS = Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem, SH = Schleswig-Holstein, THG = Treibhausgas |
THG-Emissionen aus kohlenstoffreichen Böden tragen in SH mit ca. 16 % zu den gesamten Emissionen des Landes bei (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2020). Für SH sowie für die Bundesrepublik Deutschland existieren verschiedene Strategien zur Reduktion von THG-Emissionen aus kohlenstoffreichen Böden (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2020; BMUV 2022). Um die in diesen Strategien genannten Ziele zu erreichen bzw. um Umsetzungsschwerpunkte zu setzen, ist die Erstellung von Flächenbilanzen für großräumige Planungsansätze unabdingbar.
Größte Quelle für THG-Emissionen ist das artenarme und intensiv genutzte Grünland. Diese Vegetationseinheit nimmt in der Kulisse der kohlenstoffreichen Böden in SH die größte Fläche ein. Weitere starke Quellen von THG-Emissionen sind die Ackerflächen. Auffällig ist, dass die Fläche der Moorböden ca. 4-mal so groß ist wie jene der weiteren kohlenstoffreichen Böden. Daraus wird deutlich, dass auch Anmoore und Moorfolgeböden mit ca. 1.000.000 t CO2 äq. · a−1 eine große Rolle beim Ausstoß von THG-Emissionen spielen. Dies liegt v. a. an der überwiegend intensiven Nutzung dieser Böden.
In Martens et al. (2022) wurden für Moorböden i. e. S. Szenarien für Einsparungspotenziale vorgestellt. Die hierfür erforderlichen Maßnahmen sollten vorrangig auf die Anhebung des Wasserstands bis auf ein naturnahes Niveau zielen, denn der Wasserstand ist nachweislich der wichtigste Faktor, der die Höhe von THG-Emissionen bestimmt (Evans et al. 2021). So würde z. B. eine moderate Vernässung aller intensiv genutzten Flächen zu Feucht- oder Nassgrünland Einsparungspotenziale von > 900.000 t CO2 äq. · a−1 zur Folge haben. Bei diesem Szenario wären die vom Land SH gesetzten Ziele von 700.000 t CO2 äq. · a−1 bereits erreicht (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2020). Auch die Umwandlung aller Ackerflächen in Grünlandnutzung wäre sinnvoll. Ein weiterer Aspekt wäre die Vernässung aller nicht genutzter, mehr oder weniger stark entwässerter Nieder- und Hochmoorböden. Dabei könnte eine Fläche von ca. 12.000 ha ohne die Aufgabe einer landwirtschaftlichen Nutzung vernässt werden. In der Studie von Martens et al. (2022) wird auch beschrieben, wie sich die Nutzbarkeit und der NBV vernässter Flächen verändern könnte. Es ist davon auszugehen, dass sich hierdurch die Nutzungsintensität verringert und dass sich eine an nasse Bedingungen angepasste Vegetation entwickelt. Bereits ungenutzte Flächen sollten nach Möglichkeit bis hin zu einem naturnahen hydrologischen Regime vernässt werden.
Aus den Ergebnissen der THG-Emissionen ergeben sich für die kohlenstoffreichen Böden von SH THG-Emissionen von durchschnittlich 23,6 t CO2 äq. · ha−1 · a−1. Im Vergleich dazu werden im Durchschnitt aus den Moorböden Brandenburgs 25,0 t CO2 äq. · ha−1 · a−1 sowie ferner in Mecklenburg-Vorpommern 20,8 t CO2 äq. · ha−1 · a−1 freigesetzt (Hirschelmann et al. 2020; Reichelt 2021).
5.2 Naturschutzwert der botanische Artenvielfalt
In SH haben die kohlenstoffreichen Böden ihre positiven Ökosystemleistungen weitestgehend verloren (Martens et al. 2022). Intensiv genutzte Grünlandbestände dominieren die Landschaft und auf nur noch 6 % der betrachteten Fläche sind Vegetationsbestände mit der höchsten NBV-Klasse vorhanden. Artenreiche Kleinseggenrasen, naturnahe Hochmoorstadien oder artenreiche Feuchtwiesen sind in der Kulturlandschaft fast vollständig verschwunden und werden nur noch vereinzelt durch Bemühungen des Naturschutzes erhalten. Dennoch haben gerade diese Maßnahmen für die Erhaltung der Biodiversität eine fundamentale Bedeutung (Schrautzer et al. 2013; Seer, Schrautzer 2014; Lamers et al. 2015). Als weiteres Beispiel für die positiven Effekte von Naturschutzmaßnahmen auf die Klimarelevanz können Hochmoorvernässungsprojekte angesehen werden. Aktuell befinden sich ca. 2.000 ha vernässte Hochmoorflächen in verschiedenen Qualitätsstufen (torfmoosreich bis vegetationsarm) in SH. Der größte Teil der Hochmoorstadien ist jedoch immer noch den degradierten Sukzessionsstadien zuzuordnen und unterstreicht auch hier den hohen Handlungsbedarf.
Auch die bewaldeten kohlenstoffreichen Böden von SH sind unter Naturschutzgesichtspunkten in einem schlechten Zustand (Schrautzer et al. 2021). Da es sich überwiegend um eutrophe Ökosysteme handelt, sind Vernässungsmaßnahmen bewaldeter Flächen − ein ausreichendes Wasserdargebot vorausgesetzt − bezüglich der biotischen Entwicklungspotenziale wahrscheinlich erfolgversprechender als Maßnahmen, die von der Vernässung stark degradierter Acker- und Grünlandflächen ausgehen.
6 Fazit
SH ist ein gutes Beispiel für eine intensiv genutzte Kulturlandschaft mit den v. a. auf organischen Böden auftretenden Problemen. Dazu gehören u. a. die Freisetzung großer Mengen THG wie auch der Rückgang und Verlust der Biodiversität. Die Haupttreiber dieser negativen Entwicklungen sind landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen (Acker- und Grünland) auf 76 % der Kulisse. Hier besteht aus Klimaschutz- und Biodiversitätsgesichtspunkten ein sehr hoher Handlungsbedarf und somit finden sich hier auch die größten Potenziale zur Verbesserung des Zustands der kohlenstoffreichen Böden. Es wird außerdem deutlich, dass auf weiteren 17 % der Kulisse ein ebenfalls hoher Handlungsbedarf besteht. Nur bei einem kleinen Teil der kohlenstoffreichen Böden von 2 % der Kulisse besteht ein geringer Handlungsbedarf, wobei auch bei diesen Flächen Pflegemaßnahmen unabdingbar sind. Außerdem ist allen Akteuren mittlerweile klar, dass für das Erreichen der bundes- und landesweiten Klima- und Biodiversitätsziele (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2020; BMUV 2022) zeitnah und konsequent gehandelt werden muss. Die Ergebnisse zeigen neben den Vegetationseinheiten auch die Verbreitungsschwerpunkte von Flächen, die für den Klimaschutz und den botanischen Artenschutz von hohem Interesse sind, bzw. von Flächen, die einen hohen Handlungsbedarf aufweisen. Auf Grundlage der vorliegenden Ergebnisse könnten Schwerpunkträume für Maßnahmen ermittelt werden.
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8 Online-Zusatzmaterial
Online-Zusatzmaterial mit der Zuordnung der Biotoptypen zu den GEST-Einheiten für Moore und weitere kohlenstoffreiche Böden in Schleswig-Holstein ist über den QR-Code oder unter https://www.natur-und-landschaft.de/extras/zusatzmaterial/ abrufbar.