Holger Brux, Joachim Blankenburg,
Herbert Främbs, Luise Giani,
Oliver Giesecke, Stefanie Heinze,
Mathias Herbst, Sven Jensen,
David Matuschek, Dietrich
Mossakowski, Solveig Nachtigall und Hans-Bert Schikora
Zusammenfassung
Im Rahmen einer Langzeituntersuchung zur Hochmoorrenaturierung wurden mit umfassenden Daten aus den Jahren von 1984 bis 2021 die
Entwicklungen von Wasserhaushalt, Boden, Klima, Nährstoffdynamik, Flora, Vegetation und Fauna untersucht. Im Jahr 1984 wurden
Hochmoorpflanzenarten mit Erfolg eingebracht. Bultbildende Torfmoose haben sich nur sehr kleinflächig vor allem in Heideflächen
etabliert. Eine flächige Ausbreitung von Schlenkentorfmoosen, Entwicklung von Akrotelm und Streuauflage verringerten die Verdunstung
der Fläche, so dass lange Trockenphasen wie 2018/2019 von der Moorvegetation gut überstanden wurden. Feuchteliebende Arthropoden der
Moore wurden nachgewiesen, aber nur wenige Hochmoorspezialisten. Ein winterlicher Überstau von 10 – 30 cm für Schlenkenbereiche ist
ausreichend. Die Böden wiesen größtenteils abnehmende Gehalte an pflanzenverfügbaren Nährstoffen auf. Unsere Ergebnisse zeigen, dass
sich ein teilabgetorftes Hochmoor mit einer Restschicht aus stark zersetztem Hochmoortorf (Schwarztorf) wiedervernässen lässt und dass
eine erste Akrotelmentwicklung stattfinden kann. Auch bei einem moderaten weiteren Temperaturanstieg dürften die klimatischen
Bedingungen für die Hochmoorregeneration in Nordwestdeutschland ausreichen.
Langzeituntersuchung – Hochmoorrenaturierung – Wiedervernässung – Beimpfung – Torfmoos – KlimawandelAbstract
As part of a long-term study on raised bog restoration, we used comprehensive data covering the period from 1984 to 2021 to
investigate developments in water balance, soil, climate, nutrient dynamics, flora, vegetation and fauna. In 1984, raised bog plant
species were introduced successfully. Hummock Sphagnum species established mainly in heath areas on a very small scale. The
areal spread of hollow Sphagnum species, development of acrotelm and litter overlay reduced evaporation from the area, so that
long dry periods such as 2018/19 were well survived by the bog vegetation. Several hygrophilic mire invertebrate species were recorded,
but only few raised bog specialists. Winter inundation of about 10 to 30 cm for areas with hollow Sphagnum species is
sufficient. The soils exhibited decreasing contents of plant-available nutrients. Our results show that a partially cutover raised bog
with a residual layer of highly decomposed raised bog peat (black peat) can be rewetted and initial acrotelm development can occur.
Even with a moderate further temperature increase, the climatic conditions should be sufficient for raised bog regeneration in
northwest Germany.
Long-term study – Raised bog restoration – Rewetting – Inoculation – Sphagnum – Climate changeInhalt
1 Einleitung
Nach über drei Jahrhunderten anthropogener Nutzungen sind von den meisten Hochmooren in Deutschland nur noch in unterschiedlichem
Maße degradierte und separierte Reste vorhanden (Couwenberg, Joosten 2001). In
Niedersachsen wurde 1981 das Niedersächsische Moorschutzprogramm (Teil I) von der Landesregierung beschlossen. Die Ziele beinhalten u. a.
die Sicherung als Naturschutzgebiete (NSG) und die Wiedervernässung von Hochmoorflächen nach der Abtorfung. Mitte der 1980er-Jahre gab es
noch keine Erfahrungen im Umgang mit teilabgetorften Flächen, bei denen nur stark zersetzte Torfe (Schwarztorfe) zurückgeblieben sind,
sondern nur mit Weißtorfresten (Eggelsmann, Klose 1982). Im Rahmen des Erprobungs- und
Entwicklungsvorhabens (E + E-Vorhaben) „Wiedervernässung abgebauter Schwarztorfflächen im Leegmoor/Kreis Emsland“ wurde 1983 der erste
großflächige Versuch begonnen, durch Vernässung und das Einbringen von Diasporen von Hochmoorarten die erwünschte Vegetationsentwicklung
zu initiieren. Von 1984 bis 1996 wurden wissenschaftliche Begleituntersuchungen zu Boden, Wasser, Klima, Fauna, Flora und Vegetation
durchgeführt (Nick et al. 1993, 2001) und
später durch einzelne Untersuchungen ergänzt (Nick 2007; Bleisinger 2012; Köster 2016). Diese bisherigen
Untersuchungen belegen die ersten Erfolge der Maßnahmen.
In der Renaturierungsökologie sind zur Erfolgskontrolle jedoch wirkliche Langzeitprojekte notwendig, die eine Untersuchungsdauer von
mehreren Jahrzehnten umfassen (Rosenthal, Müller 2004). Zudem sind mit dem erkennbaren
Klimawandel die klimarelevanten Effekte der Hochmoorregeneration in den Fokus gerückt (Höper 2015; Tiemeyer et al. 2016). Die Nachuntersuchung von 2018 bis 2021
setzt hier an und blickt auf knapp vier Jahrzehnte Hochmoorrenaturierung. Über 35 Jahre nach Beginn der ersten Maßnahmen konnten
Wiederholungsuntersuchungen auf der Untersuchungsfläche durchgeführt werden. Weiterverfolgt wurden gebietsbezogene Fragen zum Erfolg der
Wiederherstellungsmaßnahmen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden nachfolgend jeweils den bisherigen Daten gegenübergestellt.
Darüber hinaus werden auch umfassendere offene Fragen zu den Erfolgsaussichten der Hochmoorregeneration unter den heutigen Bedingungen
beleuchtet, wobei auch der Klimawandel berücksichtigt wird.
2 Untersuchungsgebiet, Maßnahmen und Methoden
Das Leegmoor (Niedersachsen) umfasst einen Ausschnitt des Hochmoorkomplexes zwischen Papenburg und Oldenburg (Abb. 1). Es wurde 1983 als NSG mit einer Fläche von 450 ha ausgewiesen und ist Teil eines
Fauna-Flora-Habitat(FFH)- und Vogelschutzgebiets der Europäischen Union. Erhaltungsziele sind u. a. die Wiedervernässung und Renaturierung
der Abtorfungsflächen unter Wiederherstellung großflächiger, offener Hochmoorbereiche mit Bult-Schlenken-Komplexen (Lkr. Emsland 2009).
Tab. A in Brux et al. (2023) zeigt die durchgeführten Maßnahmen und den
weiteren zeitlichen Verlauf. Die wissenschaftlichen Nachuntersuchungen orientierten sich an den zuvor verwendeten Methoden (Tab. 1). Die Methoden und Ergebnisse werden ausführlich in den BfN-Schriften des Bundesamtes für
Naturschutz veröffentlicht (Blankenburg et al. in Vorb.).
Abb. 1: Übersichtskarte und Luftbild mit der Grenze des Naturschutzgebiets Leegmoor (weiße Umrandung) und der Projektfläche
(gelbe Umrandung).
Quelle der Luftbilder: Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen, LGLN
Fig. 1: Overview map and aerial imagery of Leegmoor Nature Reserve area (white outline) and project area (yellow
outline).
Source of aerial imagery: State Office for Geoinformation and Land Surveying of Lower Saxony, LGLN.
Untersuchungsgegenstand
|
Material und Methoden (ausführliche Angaben in Blankenburg et al. in
Vorb.)
|
Projekthistorie und Methoden ab 1984 | Auswertung von Publikationen und umfangreichen Projektunterlagen und -berichten sowie von Fotos 1983 – 2005 (Archiv
K.-J. Nick, Meppen) und weiteren Daten Dritter. Mündliche Mitteilung K.-J. Nick, Dr. E. Masch |
Geländehöhen | 1984: Nivellement. 2020: Befliegung mit Drohne, Luftbild und Höhenmodell im 2,5-cm-Raster |
Wasserstände | Messung in 2-Zoll-Rohren, Filterstrecken im Torf bzw. Sand, 1984 – 1996 mit Brunnenpfeife, bis 1988 wöchentlich, dann
monatlich, ab 2018 stündlich mit Datenlogger |
Modellierung der Wasserstände | 1985 – 1996 für einige Jahre mit SWAMP (Soil Water Modelling in Peat) und SWATRE (Simulation model of the water
balance of a cropped soil providing different types of boundary conditions), 1985 – 2021 einfaches Speichermodell mit
Excel®, Kalibrierung der Faktoren zu Speicher, Niederschlag und Verdunstung mit Solver® in
Excel® |
Überstaute Flächen | Sentinel-2-L2A-false-color-Daten von 2018, Kanal 1 (red), Werte < 50 als überstaute Flächen interpretiert |
Moorsackungspegel | Im mineralischen Untergrund seit 1984 verankerte Eisenstange, Messung mit Zollstock |
Freisetzung Treibhausgase | |
Klimadaten (DWD-Messnetz ab 1961) | |
Meteorologische Messungen (lokal im Leegmoor ab März 2019) | Aufzeichnung von 15-min-Mittelwerten mit zwei Datenloggern – Windgeschwindigkeit und -richtung (2 m Höhe), relative
Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur (1 m und 2 m Höhe), kurz- und langwellige Strahlungsbilanz (2 m Höhe), Bodentemperatur
(5 cm und 20 cm Tiefe), Niederschlag (1 m Höhe), stomatäre Leitfähigkeit (stationär, mobil), Blattflächenindex (Methoden
entsprechend Messstationen DWD – Deutscher Wetterdienst) |
Bodenuntersuchungen 2019 – 2020 | Bodenprobenahme mit Marschenlöffel an sieben Standorten, Analyse hinsichtlich Bodenwassergehalt, pH (H 2O
und CaCl 2), Gehalt an NH 4+-N und NO 3−-N des Bodens, Konzentration an
PO 43−-P des Bodenwassers (Angaben als Mediane), für Details zu Analysemethoden siehe Nachtigall, Giani (2022) |
Biotoptypen | 2020: Erfassung Naturschutzgebiet Leegmoor 1 : 5.000 nach niedersächsischer Standardmethode ( von Drachenfels 2020) digital im Gelände auf Basis von Luftbild März 2020,
Nachkontrollen 2021 |
Dauerquadrate (DQ) | 2019: Vegetationsaufnahmen, Fotos der 77 lokalisierbaren DQ (Fläche 4 – 64 m 2), 2021 ergänzende Neuanlage
und Aufnahme von 24 DQ (Bulttorfmoosflächen, Polder), Methoden seit 1984 einheitlich, Deckungsschätzung nach Braun-Blanquet (1964) in % und Erhebung weiterer abiotischer Daten |
Erfolgskontrolle Ansaaten | Begehungen des Projektgebiets 2020 (Zórawski 2020) und 2021 anhand
Karte der Aussaaten 1 : 2.000 (Landkreis Emsland 1986, siehe Nick et al.
1993), Erfassung Deckungsgrade (5-stufige Skala) |
Laufkäfer, Kurzflügelkäfer und Webspinnen | Erfassung 2019 – 2021 über Bodenfallen im Projektgebiet und auf angrenzenden Vergleichsflächen mit PVC-Becher mit
9,5 cm Durchmesser, 4 % Formalin, unter transparentem Regendach |
|
Tab. 1: Material und Methoden.
Table 1: Investigation methods.
3 Ergebnisse und Diskussion
3.1 Lokalklima, klimatische Wasserbilanz und Wasserstände
Anhand langjähriger Klimadaten der Stationen Dörpen und Friesoythe des Deutschen Wetterdienstes (DWD) wurde für die Region um das
Leegmoor die klimatische Wasserbilanz (KWB) als Differenz zwischen Niederschlag und potenzieller Verdunstung für die beiden
Klimareferenzperioden 1961 – 1990 und 1991 – 2020 berechnet. Die leichte Zunahme der Niederschläge von der ersten zur zweiten
Referenzperiode hat bislang mit der temperaturbedingten Zunahme der potenziellen Verdunstung Schritt gehalten, so dass die KWB nahezu
unverändert geblieben ist und weiterhin deutlich im positiven Bereich liegt (Tab. 2). Dies
gilt gleichermaßen für das hydrologische Sommer- und Winterhalbjahr (Mai – Oktober bzw. November – April). Allerdings fällt auf, dass die
KWB im Frühjahr (März – Mai) und Sommer (Juni – August) negativer und im Herbst und Winter positiver geworden ist, was v. a. auf geringere
Niederschläge im Frühjahr, eine erhöhte potenzielle Evapotrans-piration (ETpot) im Frühjahr und Sommer sowie gestiegene
Niederschläge im Herbst und Winter zurückzuführen ist (Tab. 3). Die Tagesamplituden der
lokalen 2-m-Lufttemperatur im Leegmoor waren etwas höher als an den nächstgelegenen DWD-Wetterstationen. Vor allem im Frühjahr war es am
Tag oft um ein bis zwei Grad wärmer. Nachts kühlte die bodennahe Luft im Leegmoor generell etwas stärker ab. Darüber hinaus wurde kein
eigenes Lokalklima im Leegmoor registriert.
Referenzperiode
|
1961 – 1990
|
1991 – 2020
|
Niederschlag | 833 mm | 883 mm |
ETpot (FAO) | 567 mm | 610 mm |
KWB | 266 mm | 273 mm |
ETpot = potenzielle Evapotranspiration, FAO = Food and Agriculture Organization of the United Nations,
KWB = klimatische Wasserbilanz |
Tab. 2: Mittlere Jahressummen der Komponenten der klimatischen Wasserbilanz (Grasreferenzverdunstung nach der FAO-Methode) im
Gebiet des Leegmoors für die beiden letzten Klimareferenzperioden.
Table 2: Mean annual sums of the components of the climatic water balance (grass reference evaporation according to the FAO
method) in the Leegmoor area for the last two climate reference periods.
|
Frühjahr
|
Sommer
|
Herbst
|
Winter
|
Hydrologisches Sommerhalbjahr
|
Hydrologisches Winterhalbjahr
|
1961 – 1990
|
Monate
|
MAM
|
JJA
|
SON
|
DJF
|
Mai
–
Okt.
|
Nov.
–
Apr.
|
Niederschlag | 183 | 244 | 212 | 193 | 443 | 389 |
ETpot | 170 | 269 | 90 | 37 | 431 | 137 |
KWB | 13 | − 25 | 122 | 156 | 13 | 253 |
1991 – 2020
|
Monate
|
MAM
|
JJA
|
SON
|
DJF
|
Mai
–
Okt.
|
Nov.
–
Apr.
|
Niederschlag | 172 | 258 | 226 | 227 | 478 | 405 |
ETpot | 192 | 291 | 90 | 37 | 461 | 149 |
KWB | − 20 | − 32 | 135 | 190 | 17 | 256 |
ETpot = potenzielle Evapotranspiration, KWB = klimatische Wasserbilanz, MAM = März/April/Mai,
JJA = Juni/Juli/August, SON = September/Oktober/November, DJF = Dezember/Januar/Februar |
Tab. 3: Klimatische Wasserbilanz (KWB) und ihre Komponenten für verschiedene Jahreszeiten innerhalb der Klimareferenzperioden
1961 – 1990 (oben) und 1991 – 2020 (unten). Alle Zahlen sind Summen in mm.
Table 3: Climatic water balance (KWB) and its components for different seasons within the climate reference periods 1961 – 1990
(top) and 1991 – 2020 (bottom). All figures are totals in mm.
Vom Spätsommer bis in den Winter entsprach die tatsächliche Verdunstung der potenziellen Verdunstung, während sie im Frühling und
Frühsommer deutlich dahinter zurückblieb (Abb. 2). Zu dieser Jahreszeit ist das Moor noch
von abgestorbenem Pflanzenmaterial bedeckt, das als Verdunstungsschutz wirkt. Zudem weist das dominierende Pfeifengras (Molinia
caerulea) eine empfindliche Spaltöffnungsregulation auf. Auch Torfmoose können in Trockenperioden die Verdunstung stark reduzieren.
Mit der Ausbreitung von Schlenkentorfmoosen und einer Streuauflage verringerte sich die Verdunstung aus der Fläche. Verglichen mit stark
verdunstenden Vegetationstypen wie z. B. Röhricht an Seen und Flüssen (ganzjährig überstaute Flächen verdunsten wesentlich mehr Wasser als
mit Vegetation bedeckte) verbraucht die Hochmoorvegetation im Leegmoor relativ wenig Wasser. Diese Eigenschaft trägt zur Nachhaltigkeit
der Wiedervernässungsmaßnahme bei, wie die hohe Pufferung der Wasserstände im Leegmoor zeigt: Auch bei den sehr hohen Niederschlägen im
Sommer (98 mm am 13.6.2020) konnte das gesamte Wasser im Gebiet zurückgehalten werden (kein Abfluss am Überlauf im Mittelgraben
gemessen).
Abb. 2: Verlauf der täglichen Verdunstungsraten im Leegmoor während des Jahres 2020. Die tatsächliche Verdunstung (grüne Linie)
wurde mit der Bowen-Verhältnis-Energiebilanz-Methode (BREB) bestimmt. Als potenzielle Verdunstung (blaue Linie) ist die so
genannte FAO-Grasreferenz-Verdunstung dargestellt, die hier aus den Daten der lokalen Wetterstation berechnet wurde. Die
Messungen erfolgten im Biotoptyp Besenheide-Hochmoor-Degenerationsstadium (MGB) mit Dominanz von Molinia caerulea
(Pfeifengras, von Drachenfels 2020). ETpot = potenzielle
Evapotranspiration, ETtat = tatsächliche Evapotranspiration, FAO = Food and Agriculture Organization of the United
Nations.
Fig. 2: History of daily evapotranspiration rates on Leegmoor during 2020. Actual evapotranspiration (green line) was
determined using the Bowen ratio energy balance method (BREB) and potential evapotranspiration (blue line) is FAO grass reference
evapotranspiration, which is shown here calculated from data from the local weather station. The measurements were carried out in
the biotope type broom heath-high bog degeneration stage with dominance of
Molinia caerulea (purple moor-gras;
von Drachenfels 2020). ET
pot = potential evapotranspiration,
ET
tat = actual evapotranspiration, FAO = Food and Agriculture Organization of the United Nations.
Die Wiedervernässung des Leegmoors begann in den ersten Jahren auf den vegetationsfreien Flächen mit großflächigem Überstau, da die
Wasserspeicherkapazität der Schwarztorfe gering ist. Zusammen mit dem Anheben der Wasserstände im Mittelgraben konnten die Wasserstände in
den nun vegetationsbedeckten Flächen angehoben und die Wasserstandsschwankungen reduziert werden. Mit dem höheren Anstau im Mittelgraben
ab 1996 ist ein Anstieg der Wasserstände im Moor um 0,13 m eingetreten (Tab. B in Brux
et al. 2023). Das mittlere Gefälle der Wasserstände zwischen den Messstellen hat im nördlichen Teil (mit wurzelechtem
Hochmoor) von 0,035 % auf 0,013 % und im südlichen Teil (von Niedermoortorfen unterlagert) von 0,062 % auf 0,032 % abgenommen. Die
Wasserstände schwanken zwischen Winter und Sommer im Mittel um 0,37 m. Im nördlichen Bereich (Messstellen MB8 – MB10; Tab. C in
Brux et al. 2023) wurden Schwankungen kleiner 0,30 m gemessen, die sich
hochmoortypischen Werten (Joosten 1993) nähern. Die Amplituden der anderen Messstellen
erreichen noch Werte bis 0,58 m. Im sehr trockenen Jahr 2018 sanken die Wasserstände im Mittel um 0,55 m ab. Die tiefsten Wasserstände
sind vom Überstau im Frühjahr und dem Vorhandensein von Torfmoosen abhängig (Abb. 3).
Abb. 3: Abhängigkeit der tiefsten Wasserstände im Sommer von der Überstauhöhe im Frühjahr.
Fig. 3: Dependence of lowest water levels in summer upon spring inundation height.
Im gesamten NSG Leegmoor sind größere Flächen im Winter und Frühjahr überstaut. Luftbildauswertungen aus Sentinel-2-Daten (Sentinel 2022) erlauben eine zeitlich differenzierte Betrachtung der Überstausituation (Abb. A
in Brux et al. 2023; Neisius
2023). Im trockenen Jahr 2018 nahm der Anteil der Überstauflächen von Mai bis September von 14,0 % auf 3,1 % ab (Tab. 4). Flächen, die in der sehr trockenen Phase im September 2018 noch einen Überstau zeigten,
sind eindeutig zu hoch angestaut.
Datum
|
NSG Leegmoor
|
Projektfläche
|
|
Überstaute Fläche in %
|
8.5.2018 | 14,0 | 3,7 |
2.7.2018 | 7,3 | 2,0 |
30.9.2018 | 3,1 | 1,3 |
NSG = Naturschutzgebiet |
Tab. 4.: Anteil der überstauten Flächen im NSG Leegmoor und auf der Projektfläche.
Table 4: Percentage of flooded areas in the NSG Leegmoor and the project area.
Ergänzende Ergebnisse und Graphiken sind in Brux et al. (2023)
dargestellt.
3.2 Klimaeffekte
Im Rahmen des Projekts erfolgten keine Messungen von Treibhausgasflüssen, es kann aber auf Untersuchungen im Leegmoor 25 Jahre nach
Vernässungsbeginn zurückgegriffen werden (Abb. 4, Höper 2015). Eine flächenhafte Bewertung erfolgte durch Bleisinger (2012).
Aus im April/Mai 2012 gemessenen Wasserständen wurden Freisetzungsraten in Höhe von
6,3 t COauf
0,2 – 1,3 t CO2-Äq. ∙ ha−1 ∙ a−1 ab (Tab. 5). Die
Freisetzungen von Methan und Lachgas blieben dabei unberücksichtigt. Die verbliebenen Torfe sind somit ausreichend durch die
Wiedervernässung geschützt. Dies wird auch durch die Ergebnisse des seit 1984 bestehenden Moorsackungspegels bestätigt, dort wurden nach
der Wiedervernässung im Zeitraum von 1990 bis 2020 keine Höhenverluste mehr gemessen.
Abb. 4: Methan- und Kohlendioxidaustausch, Treibhausgasbilanz (Mittelwerte, Minima und Maxima von zwei Untersuchungsjahren,
Haubenmessungen) und Wasserstände von vernässten Abtorfungsflächen nach unterschiedlicher Vernässungsdauer; naturnahes Hochmoor
als Referenzfläche (aus Höper 2015, verändert). GOF = Geländeoberfläche,
THG = Treibhausgas.
Fig. 4: Methane and carbon dioxide exchange, greenhouse gas balance (GHG balance) (mean values, minima and maxima of 2 years of
investigation, chamber measurements) and water levels of waterlogged peat cuttings after different waterlogging durations;
near-natural raised bog as a reference area (from
Höper 2015, modified).
GOF = terrain surface, THG = greenhouse gas.
Berechneter Zeitraum
|
Verwendete Berechnungsmethode
|
Messstelle Leegmoor
|
Mittelwert
|
MB2
|
MB5
|
MB6
|
MB7
|
MB8
|
MB9
|
MB10
|
MB11
|
MB12
|
t CO2 ∙ ha−1 ∙ a−1
|
1984 – 1996 | | 9,2 | 1,0 | 0,0 | 13,0 | 0,0 | 2,0 | 1,0 | 18,2 | 5,7 | 5,6 |
1997 – 2021 | 0,0 | 4,9 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 7,2 | 0,0 | 1,3 |
1984 – 1996 | | 6,4 | 0,0 | 0,0 | 11,2 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 18,2 | 1,8 | 4,2 |
1997 – 2021 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 1,8 | 0,0 | 0,2 |
1984 – 1996 | | 8,1 | 2,2 | 0,0 | 12,4 | 0,0 | 2,7 | 2,2 | 19,9 | 5,0 | 5,8 |
1997 – 2021 | 1,2 | 4,4 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 6,3 | 0,0 | 1,3 |
Ohne Lachgas und ohne Methan, da der Überstau nicht berücksichtigt werden konnte. MB = Messbereich |
Tab. 5: Berechnete Freisetzungen von Kohlendioxidäquivalenten nach verschiedenen Berechnungsansätzen für die Messstellen in den
Perioden bis 1996 und seit 1997.
Table 5: Calculated releases of carbon dioxide equivalents according to different calculation approaches for the measuring
points for the periods until 1996 and after 1997.
3.3 Nährstoffdynamik
Die pH-Werte der Böden betrugen durchschnittlich 3,4 (± 0,05 Standardabweichung – SD; pH [H2O]) bzw. 2,6 (± 0,07 SD;
pH [CaCl2]). Sie unterscheiden sich nicht maßgeblich von der Erstuntersuchung mit pH (H2O)-Werten von 3,2 – 3,9
und pH (CaCl2)-Werten von 2,3 – 3,0 (Gebhardt, Knabke 1994). Währenddessen
wurden deutliche Veränderungen in den Wasser- und Nährstoffgehalten festgestellt (Nachtigall, Giani
2022; Abb. G in Brux et al. 2023). So waren die Wassergehalte mit
83 Vol.-% (± 5 Vol.-% SD) im Unter- und 80 Vol.-% (± 4 Vol.-% SD) im Oberboden signifikant höher als von Gebhardt, Knabke (1994) festgestellt (73 Vol.-% ± 14 Vol.-% SD bzw. 75 Vol.-% ± 12 Vol.-% SD).
Anfang der 1990er-Jahre betrugen die PO43−-Gehalte im Bodenwasser 0,14 – 0,18 und heute
0,02 – 0,08 mg ∙ l−1. Im Vergleichszeitraum wurden 0,19 – 0,14 kg NO3−-N ∙ ha−1
festgestellt, in dieser Studie war im Mittel kein Nitratgehalt nachweisbar. Auch die NH4+-Gehalte waren mit
2,4 kg NH4+-N ∙ ha−1 im Oberboden signifikant geringer verglichen mit naturnahen Verhältnissen
(Nachtigall, Giani 2022), aber auf hohem Niveau. Die heute vergleichsweise höheren
NH4+-Gehalte im Unterboden sind auf die veränderten Wasserverhältnisse und deren Einfluss auf die N-Dynamik
zurückzuführen, die sich auch auf die festgestellte NO3−-Dynamik ausgewirkt hat.
Die unverändert geringen pH-Werte, die mit naturnahen Mooren vergleichbar sind (Bourbonniere
2009), belegen einen nach wie vor guten Aziditätsstatus für das Leegmoor. Die heute vergleichsweise höheren und mit anderen
hydrologischen Daten übereinstimmenden Wassergehalte in den Böden zeigen die deutlich verbesserten Wasserverhältnisse. Verbesserungen sind
auch bezüglich der Nährstoffsituation feststellbar; die Gehalte an PO43−, NH4+ (im Oberboden)
und NO3− sind heute geringer als 1990 – 1993. Es überwiegen Nährstoffentzüge gegenüber Nährstoffnachlieferungen, die
sich aus Mineralisierung und erheblichen atmosphärischen Nährstoffeinträgen ergeben. Die verbesserten Nährstoffverhältnisse in den Böden
sind im Wesentlichen auf eine Translokation in die Biomasse zurückzuführen, die im Untersuchungszeitraum erheblich zugenommen hat
(Nachtigall, Giani 2022).
3.4 Fauna
Im vernässten Leegmoor hat sich eine Reihe nässe- und feuchteliebender Laufkäferarten (Carabidae) oligo- bis mesotropher Moore in
stabilen Populationen angesiedelt, z. B. Pterostichus rhaeticus (Rhaetischer Grabläufer), P. diligens (Ried-Grabläufer),
Carabus clatratus (Ufer-Laufkäfer). Diese Arten gehören zum typischen Inventar natürlicher Moore der Region. Spezifische
Hochmoorarten, wie das in Niedersachsen vom Aussterben bedrohte (Assmann et al. 2003)
Agonum ericeti (Hochmoor-Glanzflachläufer), konnten im Projektgebiet bisher nicht nachgewiesen werden, jedoch auf einer
südöstlich angrenzenden, naturnahen Moorfläche (Timpemoor). Die Vorkommen der etablierten hygrophilen Arten (Abb. 5) konzentrieren sich auf nasse, besonnte Torfmoosrasen (A), feuchte, bodenbeschattete
Pfeifengrashochrasen (B, C), Feuchtheidegesellschaften (D) und wechselfeuchte Pfeifengras-Wollgras-Gesellschaften (E). Die Bedingungen zur
Ansiedlung spezifischer Hochmoorarten sind im Leegmoor trotz insgesamt hoher Vernässungsgrade bisher nicht gegeben. Die für spezifische
Hochmoorarten als Lebensraum bedeutsamen, von Erica tetralix dominierten Feuchtheidestadien mit Torfmoosen sind nur an
wenigen Stellen kleinflächig entwickelt. Fraglich ist, ob bzw. in welchen Zeiträumen derart ökologisch isolierte Moorhabitate überhaupt
von flugunfähigen, ausbreitungsschwachen Arten wie Agonum ericeti erreicht werden können. Hier setzt das noch bis 2026 laufende
Projekt InsMoor im NSG Totes Moor (Region Hannover) an, in dem in einem experimentellen Ansatz insektenfreundliche Habitatstrukturen auf
stark degradierten Hochmoorstandorten geschaffen werden sollen (Kasten 1).
Abb. 5: Verteilung der Individuenzahlen von Moor-Arten der Laufkäfer (Carabidae) auf Habitattypen im Untersuchungsgebiet. Die
Linien verweisen auf die Vorkommensschwerpunkte der Arten. Agonum ericeti (Hochmoor-Glanzflachläufer) wurde nur im
Timpemoor (außerhalb des Projektgebiets) nachgewiesen. Datenbasis: standardisierte Bodenfallenfänge der Untersuchungsjahre 2019
und 2020.
Fig. 5: Distribution of numbers of individuals of bog carabids among habitat types in the study area. The lines refer to the
main occurrences of the species. Agonum ericeti was recorded only at Timpemoor (outside project area). Database: standardised
pitfall trappings in 2019 and 2020.
Kasten 1: Projektsteckbrief „Insekten beleben Moore“ (InsMoor).
Box 1: “Insekten beleben Moore” (InsMoor; “Insects bring life to mires”) project profile.
Ziel des Projekts „Insekten beleben Moore“ ist es, die Lebensbedingungen für Insekten auf stark degradierten Hochmoorstandorten
erheblich und dauerhaft zu verbessern. Durch die Schaffung geeigneter Mikrohabitate (z. B. mit Oberflächenmodellierung, Abb. K1-1) und das gezielte Einbringen von Initialpflanzen aus lokalem Spendermaterial sollen
ehemalige Abtorfungsflächen im Naturschutzgebiet Totes Moor bei Hannover beispielhaft entwickelt werden. Hier werden in sechs Jahren
Projektlaufzeit (2020 – 2026) auf Flächen mit unterschiedlichen Standortbedingungen Maßnahmen zur Entwicklung insektenfreundlicher
Habitatstrukturen in einem experimentellen Ansatz erprobt und die dort gewonnenen Erfahrungen großflächig umgesetzt. Auf diese Weise
soll die Besiedlung durch typische Insektenarten der Hochmoore gefördert und deren Bestände sollen langfristig gestärkt
werden.
Abb. K1-1: Bagger bei der Oberflächenmodellierung.
Fig. K1-1: Excavator during surface modelling.
Die Untere Naturschutzbehörde der Region Hannover ist für die Umsetzung der Projektmaßnahmen zuständig. Die Entwicklung der
Maßnahmenflächen wird vom Institut für Umweltplanung der Leibniz Universität Hannover fortlaufend evaluiert. Das Institut untersucht
die Bestandsentwicklung ausgewählter Zielarten verschiedener Insektengruppen (Käfer, Libellen [Abb. K1-2], Tagfalter, Heuschrecken, Ameisen) ebenso wie die Entwicklung der Vegetation sowie die abiotischen
Bedingungen. Alle Arbeiten finden in enger Abstimmung statt, damit die Zwischenergebnisse umgehend in die weitere Maßnahmenumsetzung
einfließen können.
Abb. K1-2: Hochmoor-Mosaikjungfer (Aeshna subarctica).
Fig. K1-2: Subarctic darner (Aeshna subarctica).
Gefördert wird das Projekt (FKZ 3520685A10/B10) im Bundesprogramm Biologische Vielfalt (BPBV) vom Bundesamt für Naturschutz (BfN)
mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV).
Autorinnen:
Amanda Grobe, M. Sc.
Leibniz Universität Hannover
Institut für Umweltplanung
Herrenhäuser Straße 2
30419 Hannover
E-Mail:
grobe@umwelt.uni-hannover.de
Lotta Zoch, M. Sc.
Leibniz Universität Hannover
Institut für Umweltplanung
Herrenhäuser Straße 2
30419 Hannover
E-Mail:
zoch@umwelt.uni-hannover.de
Die Artenzahl der Kurzflügelkäfer (Staphylinidae) nahm 1985 – 1989 zu und stabilisierte sich zunehmend; 2019 – 2021 wurden darüber
hinaus nur wenige neue eurytope Arten festgestellt. Von 13 Arten der Moorspezialisten und -präferenten sind 10 gefährdet (Rote Liste
Schleswig-Holstein, 2 Spezialisten mit Gefährdungskategorie 1, einer mit 0; Gürlich et al.
2011); ihre Arten- und Individuenzahlen stiegen insbesondere in den Projektflächen (Tab. D, E in Brux et al. 2023).
Die Zusammensetzung der epigäischen Webspinnenfauna (Araneae) weist mit 159 Arten aus 19 Familien, davon 33 Arten der Roten Liste
Niedersachsen (Finch 2004), deutliche Parallelen zu der in wüchsigen, oligotrophen Mooren
auf (Abb. I in Brux et al. 2023). Es sind auch Arten mit engerer Beziehung zu
diesem Biotoptyp enthalten. Stenotope, an oligotrophe Moore gebundene Spinnen fehlen jedoch.
3.5 Etablierung der Hochmoorvegetation
Im Jahr 1984 erfolgten im Projektgebiet auf ca. 9 ha flächige Ansaaten von Eriophorum vaginatum (Scheidiges Wollgras), E.
angustifolium (Schmalblättriges W.), Erica tetralix (Glocken-Heide), Calluna vulgaris (Besen-Heide), Rhynchospora
alba (Weißes Schnabelried) und R. fusca (Braunes S.), jeweils mit Saatgut bzw. reifen Fruchtständen aus benachbarten
Hochmooren. In den ersten Untersuchungsjahren entwickelte sich die Vegetation auf Ansaatflächen schneller in Richtung Zielarten als auf
Flächen ohne Ansaaten (ca. 18 ha; Nick et al. 1993). Die Vegetationsdecke war nach
5 – 10 Jahren weitgehend geschlossen; hierzu hat in den ersten Jahren v. a. E. vaginatum beigetragen. Im Jahr 1996 waren viele
ehemals große Bulte vergreist, auf ihnen wuchs Molinia caerulea. Gleichzeitig wurden vielfach Keim- und Jungpflanzen von
E. vaginatum festgestellt. Nach der Nachuntersuchung war diese Art bis 2020 in der Hälfte des Projektgebiets vertreten.
E. vaginatum bietet Schutzstellen für die Keimung und Etablierung von Torfmoosen, allerdings auch für unerwünschte Arten wie
Betula pubescens (Moor-Birke), M. caerulea und neuerdings auch Prunus serotina (Spätblühende Traubenkirsche). Für
77 Dauerquadrate (DQ) liegen zwischen 1984 und 2021 Daten vor. Das Auftreten von Pflanzenartengruppen in den DQ zeigt Abb. 6. E. vaginatum und E. angustifolium wurden 1984 in 32 % der DQ angepflanzt,
1988 waren sie in 88 % vertreten, 2019 in 100 %. Zwergsträucher (v. a. Erica tetralix und C. vulgaris) waren zunächst in
63 % der DQ vorhanden, ihr Anteil sank bis 2002 auf 23 % und stieg bis 2019 auf 38 %. M. caerulea war 1992 in 92 % aller DQ
vertreten und 2019 in 100 %.
Abb. 6: Anteil der Dauerquadrate mit Arten ausgewählter Pflanzenartengruppen 1984 – 2019.
Fig. 6: Share of permanent plots with selected plant species groups 1984 – 2019.
Gehölze waren 1994 nur in 3 % der DQ vertreten, nach dem ersten Höhepunkt 1996 (17 %) blieb ihr Anteil bis 2005 mit ca. 10 % stabil,
um dann bis 2019 auf 82 % (v. a. Betula pubescens) zu steigen. Der gut erkennbare Rückgang der Gehölze nach 1988 bzw.
1997 erklärt sich durch die 1989 und 1996 im Projektgebiet durchgeführten Entkusselungen. Schlenkentorfmoose wurden 1984 in viele DQ
eingebracht und traten dort in 24 % auf, ihr Anteil stieg kontinuierlich bis 2019 auf 97 %. Aus der Gruppe der Bulttorfmoose wurden 1984
diverse Arten über Plaggen eingebracht (Abb. M in Brux et al. 2023) sowie
Sphagnum magellanicum in sechs DQ angepflanzt (11,3 % der DQ). Sie verschwanden zunächst weitgehend, um dann wieder bis 2019 auf
6,5 % der DQ zuzunehmen. Weitere Bulttorfmoose (Eintragspfad unbekannt) wurden v. a. im Bereich von Heideflächen festgestellt und 2021 in
neuen DQ dokumentiert. Die Entwicklung der Bulttorfmoose verlief sehr langsam, es dominieren nach wie vor Schlenkentorfmoose – dies wurde
auch von Lemmer, Graf (2016) für viele Renaturierungsflächen festgestellt. Die häufigste,
fast überall im NSG Leegmoor etablierte Art ist S. cuspidatum, die auch auf Wasserflächen flottiert oder den Wasserkörper ausfüllt.
Bei Trockenfallen solcher Flächen kann sich ein Torfmoosrasen ausbilden und die Etablierung weiterer Arten begünstigen. Ergänzende
Ergebnisse und Graphiken sind in Brux et al. (2023) dargestellt.
3.6 Torfbildung
Die besten Entwicklungen von Schlenkentorfmoosen und Torfen waren an Stellen zu beobachten, wo das Wasser in Zeiten des höchsten
Überstaus ca. 10 – 30 cm über der Oberfläche stand und im Sommer durch die Verdunstung eine moderate Absenkung des Wasserstands erfolgte.
Die trockenen Sommer 2018/2019 und 2022 zeigten, wie gut das System solche Perioden abpuffern kann. Am Ende der langen sommerlichen
Trockenperiode waren die Torfmoose an der Oberfläche teilweise trocken, darunter zumindest feucht und lebend. Offenbar haben die geringen
Niederschläge nicht zur tieferen Austrocknung der Torfe geführt.
In Schlenken wurden Profile untersucht, die Torfmoose, Akrotelm (periodisch aerobe Torfschicht) und den Beginn der Schwarztorfschicht
umfassten. Hier fanden sich unter der lebenden Torfmoosvegetationsdecke schwach humifizierte, neu gebildete Weißtorfe mit ca. 2 – 10 cm
Mächtigkeit, die heute auf der zu Beginn der Renaturierung 1984 vorhandenen Schwarztorffläche aufliegen (Abb. 7). Schwach humifizierte jüngere Weißtorfe und die lebende Torfmoosvegetationsdecke können
Niederschläge ähnlich einem Schwamm aufnehmen (Joosten 1993). Damit steht ein
entsprechender Wasservorrat für die Pflanzen zur Verfügung und stärkt die Resilienz gegenüber Trockenperioden. Dies stellt eine gute
Voraussetzung für eine weitere Einbringung von Bulttorfmoosen dar, die 2021 im Rahmen des Projekts Hotspot 23 (BfN 2022) auf geeigneten Flächen erfolgte.
Abb. 7: Bodenprofil mit schwach humifiziertem, neu gebildetem Weißtorf unter lebender Torfmoosvegetationsdecke auf der zu Beginn
der Renaturierung 1984 vorhandenen Schwarztorffläche (Dauerquadrat 79, 12.9.2019).
Fig. 7: Soil profile with weakly humified, newly formed white peat under living peat moss vegetation cover on black peat
present at the beginning of restoration in 1984 (permanent plot 79, 12 June 2019).
Solche Schlenkenmoostorfe finden wir in niedersächsischen Hochmooren als geringmächtige Schichten an der Moorbasis (z. B. Amt für
Bodenforschung 1957), sie lassen erwarten, dass sich hier später Bulttorfmoose ansiedeln werden. Die Wassergehalte in dieser Schicht waren
durchweg hoch. Offenbar entwickelt sich ein Akrotelm, das die Aktivität torfbildender aerobischer Mikroorganismen zulässt und das Wachstum
der Torfmoose erlaubt. Damit ist davon auszugehen, dass die für das Wachstum von Torfmoosen erforderlichen akrotelmatischen Bedingungen
(Eigner 2003) zumindest in einigen Bereichen gegeben sind.
4 Fazit und Ausblick
Ziel des vor 40 Jahren begonnenen E + E-Vorhabens „Leegmoor“ war es, erstmals unter den ungünstigen Rahmenbedingungen eines
teilabgetorften Moors mit einer Restschicht aus stark zersetztem Hochmoortorf (Schwarztorf) durch Vernässungsmaßnahmen und Ausbringen
hochmoortypischer Pflanzen die Regeneration einzuleiten. Kernfrage der Nachuntersuchung war, ob das Entwicklungsziel der
Hochmoorregeneration mit einer offenen Hochmoorfläche im Leegmoor beibehalten werden kann.
Das Einbringen von Diasporen hat die Wiederbesiedlung mit hochmoortypischen Arten beschleunigt. Diese Methode ist sinnvoll, wenn im
Gebiet entsprechende Arten kaum vorhanden sind und mit einer Einwanderung über benachbarte Flächen nicht zu rechnen ist. Über Plaggen
können auch wirbellose Tiere eingebracht werden, was für wenig mobile Arten entscheidend sein kann.
Ohne anfänglichen Überstau ist eine erfolgreiche Vernässung nicht möglich, wobei große offene Wasserflächen zu vermeiden sind. Mit
Überstau von ca. 0,3 m im Winter und Frühjahr kann ausreichend Wasser in der Fläche bis in den Sommer sichergestellt werden. Höhere
Wasserstände behindern die Ansiedlung von Torfmoosen. In Bereichen mit Schlenkentorfmoosen reichen Überstauhöhen von 0,1 – 0,2 m aus. Die
Torfmoose können so im Winter aufschwimmen. In den Bereichen mit Torfmoosdecken treten deutlich geringere Schwankungen der Wasserstände
auf. Bei einer Decke aus Torfmoosen von 0,1 m (neues Akrotelm) und mehr können auch trockene Sommer wie 2018/2019 oder 2022 gepuffert
werden. Dauerhaft ganzjährig überstaute Flächen sind nicht für die Ansiedlung hochmoortypischer Vegetation geeignet.
Große Amplituden der Wasserstände gilt es zu dämpfen, da sie Molinia caerulea fördern. Seit 1961 gab es in der Region des
Leegmoors nur zwei Jahre (1976, 2018) mit einer negativen KWB; eine Zunahme dieser Extreme durch den Klimawandel ist aber möglich. Für die
Hochmoorregionen in Schleswig-Holstein und im Alpenvorland gilt Ähnliches; im östlichen Niedersachsen hat dagegen die Zahl der Jahre mit
negativer KWB deutlich zugenommen. Für die Hochmoorregeneration ist entscheidend, dass die Flächen durch die Vegetation und zunehmendes
Akrotelm eine ausreichende Resilienz bzw. Pufferkapazität entwickeln, um zukünftig häufiger zu erwartende Trockenphasen zu überleben
(siehe auch Urban et al. 2014). Dies kann Jahrzehnte dauern!
Die Böden sind stabil sauer und weisen bei verstärkten Nässeverhältnissen abnehmende Gehalte pflanzenverfügbarer Nährstoffe auf.
Weitere Ergebnisse der Nachuntersuchung im Leegmoor zeigen, dass und wie sich solche Flächen wiedervernässen und beleben lassen. Durch die
bisherigen Vernässungen lässt sich der Torfkörper erhalten. Es findet eine Akkumulation von Kohlenstoff statt. Allerdings ist mit
Methanfreisetzungen in überstauten Bereichen und mit einer Verschlechterung der Nährstoffsituation bei unverändert anhaltenden
atmosphärischen Nährstoffeinträgen zu rechnen. Da Methanemissionen auch stark von der Bodentemperatur abhängen, beeinträchtigt ein
Überstau im Winter die Treibhausgasbilanz deutlich weniger als ein Überstau im Sommer (Herbst et al.
2013).
Insgesamt sind die Ergebnisse der Nachuntersuchung, die auch in den „Handlungsempfehlungen zur Renaturierung von Hochmooren in
Niedersachsen“ (Graf et al. 2022) berücksichtigt wurden, ermutigend. Auch bei moderatem
weiterem Temperaturanstieg dürften die klimatischen Bedingungen für die Hochmoorregeneration in Nordwestdeutschland grundsätzlich
ausreichen. Das Entwicklungsziel der Hochmoorregeneration mit einer offenen Hochmoorfläche kann beibehalten werden – es erfordert aber
auch künftig ein Monitoring abiotischer und biotischer Parameter und ein zielgerichtetes Management.
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Förderung
Das Projekt wird als Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben (E + E-Vorhaben) „Wissenschaftliche Nachuntersuchung 2018 – 2021 des
E + E-Vorhabens ‚Leegmoor‘ (1984 – 1996) – Universität Bremen“ (Förderkennzeichen: 3518892005) durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN)
mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gefördert.