Ronja Ungelenk und Jonas
Hagge
Zusammenfassung
Die einschneidenden Veränderungen des Waldbilds durch in den letzten Jahren zunehmende Störungsereignisse wie die extreme
Trockenheit der Sommer 2018 – 2020, die zu deutlichen Vitalitätsverlusten und zum Absterben nicht nur der Gewöhnlichen Fichte
(Picea abies), sondern zunehmend auch von Rotbuchen (Fagus sylvatica) (Buchenvitalitätsschwäche) an bestimmten
Standorten führte, haben einen medialen und gesellschaftlichen Diskurs ausgelöst. Wie die Menschen, von denen ein großer Teil die
Wälder zur Erholung nutzt, diese Veränderungen von Buchenwäldern wahrnehmen und bewerten, wurde im Rahmen einer bundesweit
repräsentativen Befragung der Bevölkerung und einer lokalen Befragung der Besucherinnen und Besucher des buchendominierten
Nationalparks (NLP) Hainich untersucht. Die Ergebnisse zeigten eine ausgeprägte Kenntnis über das Auftreten und die Ursachen der
aktuellen Störungen in Buchenwäldern. Die Bevölkerung bewertete Buchenwaldbilder insgesamt positiv. Mit zunehmender
Störungsintensität verringerte sich der Grad dieser positiven Bewertung. Die Besucherinnen und Besucher des NLP Hainich empfanden
die geschwächten Buchen mehrheitlich nicht als beeinträchtigend und ihre Motivation für einen zukünftigen NLP-Besuch wurde durch
die Störung nicht negativ beeinflusst. Diese unterschiedlichen Betrachtungen und Einschätzungen sollten im weiteren Diskurs zum
Umgang mit Störungen in Buchenwäldern berücksichtig werden.
Buchenvitalitätsschwäche – Störung – Trockenheit – Klimawandel − gesellschaftliche Waldwahrnehmung – Befragung – NationalparkAbstract
The drastic changes in the forest landscape due to currently increasing disturbance events such as the extreme drought of the
summers of 2018 – 2020, which led to significant losses of vitality and the death not only of Norway spruce (Picea abies),
but increasingly also of European beech (Fagus sylvatica) (vitality loss of European beech) at certain sites, have
triggered a discourse in the media and throughout society. How people, a large proportion of whom use the forests for recreation,
perceive and evaluate these changes, especially in beech forests, was investigated in a nationally representative survey of the
population and a local survey of visitors to the beech-dominated Hainich national park. The results show a pronounced knowledge of
the occurrence and causes of current disturbances in beech forests. On the whole, the population rates beech forest images
positively. The degree of this positive assessment decreases with increasing disturbance intensity. The majority of visitors to
the Hainich national park do not perceive the weakened beech trees as impairing and their motivation for a future visit to the
national park is not negatively influenced by the disturbance. These different observations and assessments should be taken into
account in the further discourse on dealing with disturbances in beech forests.
Beech vitality loss – Disturbance – Drought – Climate change – Forest perceptions in society – Survey – National parkInhalt
1 Einleitung
Deutschlands Landfläche ist zu knapp einem Drittel von Wald bedeckt (BMEL 2021). Neben
der hohen ökologischen und ökonomischen Bedeutung von Wäldern bestehen gesellschaftliche Ansprüche an Wälder als Orte der Naherholung,
für Bewegung und soziale Kontakte (Ensinger et al. 2013). Der Wald dient etwa 70 % der
deutschen Bevölkerung regelmäßig als Erholungsgebiet (Schütze et al. 2021) und Aufenthalte
in Wäldern führen zur Reduktion von Stress und zu gesteigerter Konzentration (Kaplan 1995;
Berto 2014). Schutzgebiete wie bspw. Nationalparks (NLP) werden für Waldbesuche
favorisiert und nehmen damit eine wichtige Rolle in der Tourismusbranche ein (Mayer 2013;
Balmford et al. 2015; Job et al. 2016).
Die subjektive, ästhetische Bewertung von Wäldern durch die Bevölkerung wird durch Faktoren wie Naturnähe − in diesem Fall definiert
als Divergenz zwischen dem tatsächlichen Zustand eines Ökosystems und dem Zustand eines potenziell natürlichen Referenzökosystems
(Stark et al. 2021) −, Vielfalt an Baumarten, Dimension der Bäume und Auftreten von
Unterwuchs beeinflusst (Karjalainen 2006; Lupp et al.
2017).
Diese bei der ästhetischen Bewertung relevanten Komponenten der Strukturvielfalt und Heterogenität von Wäldern werden durch
natürliche Störungen stark verändert (Thom, Seidl 2016). In Mitteleuropa sind abiotische
Faktoren wie extreme Trockenheit, Sturm und Feuer sowie biotische Faktoren wie Borkenkäfermassenbefall die Hauptstörungsagenten
(Wohlgemuth et al. 2019). Störungsregime sind durch den Klimawandel
maßgeblichen Änderungen unterworfen und Störungsereignisse nehmen in Hinblick auf Häufigkeit, Umfang und Intensität weiter stark zu
(Seidl, Kautz 2019; IPCC 2022). Die
steigende Zahl wissenschaftlicher Publikationen in diesem Forschungsfeld spiegelt die aktuelle Bedeutung der Störungsökologie wider
(Wohlgemuth et al. 2019), während gleichzeitig die mediale Berichterstattung zu
Störungen in Wäldern zunimmt und Schlagworte wie „Waldsterben 2.0“ und „Klimaopfer“ die Bevölkerung über unterschiedliche Medien
erreichen (Brüggemann et al. 2018; Carstens
2019; Ehmann et al. 2019; Jahberg
2019). In Deutschland führten und führen Sturm- und Dürreereignisse in Kombination mit Borkenkäferkalamitäten zu
großflächigen wirtschaftlichen Ausfällen in Wäldern der Gewöhnlichen Fichte (Picea abies) (Müller, Imhof 2019). Die in den 1980er-Jahren entstandenen Kalamitätsflächen mit hohem Totholzanteil im NLP Bayerischer
Wald bewirkten jedoch keinen Rückgang der Besucherzahlen in der Region (Suda, Pauli 1998;
Suda, Feicht 2002; Müller et al. 2008).
Insbesondere Besucherinnen und Besucher mit hoher NLP-Affinität, fundiertem Vorwissen über den Borkenkäfer und der Erwartungshaltung
einer Regeneration des betroffenen Gebiets bewerteten die Störung positiver (Müller, Job
2009). Eine zunehmende Störungsintensität − gemessen als Anteil der durch Buchdruckeraktivität (Ips typographus)
abgestorbenen Fichten − führt bei NLP-Besucherinnen und -Besuchern zu einem leicht abnehmenden wahrgenommenen Erholungswert des
Fichtenwalds (Kortmann et al. 2021).
Neben den in Häufigkeit, Umfang und Intensität zunehmenden Störungen in Fichtenwäldern steigt auch bei der in mitteleuropäischen
Wäldern natürlicherweise dominierenden Rotbuche (Fagus sylvatica) das klimatische Risikopotenzial und Buchen werden damit
anfälliger gegenüber Störungen (Thierfelder 2020). Insbesondere an flachgründigen,
exponierten Hangstandorten mit schlechter Wasserversorgung stellen Störungen in Form extremer Trockenheit ein Problem für die Buche
dar (Harthun 2020; Leuschner 2020). Im
Jahr 2020 erkannte die stichprobenartig angelegte Waldzustandserhebung der Bundesregierung bei 55 % aller Buchen deutliche
Kronenverlichtungen (Blattverlust > 25 %), im Vergleich dazu waren im Jahr 2010 33 % der Buchen betroffen (BMEL 2022). Jährlich schwankende Werte der Kronenverlichtung werden neben Trockenheit auch von
den Mastjahren, dem Stickstoffeintrag, dem Bestandsalter (Eickenscheidt et al. 2017) und
der forstlichen Bewirtschaftung (Meyer et al. 2022) beeinflusst. Die Trockensommer 2018 – 2020 führten in den Folgejahren jedoch zu
gleichbleibend hohen Werten der Kronenverlichtung (2019: 47 %, 2020: 55 %, 2021: 45 %; BMEL 2022). Deutliche Stresssymptome zeigten
sich deutschlandweit in Form frühzeitiger Verfärbung und frühzeitigen Verlusts der Belaubung und in Form von Rindenablösungen sowie
Schleimflussflecken am Stamm (NW-FVA 2019; Schuldt
et al. 2020).
Auch im buchendominierten NLP Hainich, der Teil des UNESCO-Welterbes „Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und
anderer Regionen Europas“ ist, zeigten sich die Folgen trockenheitsbedingter Störungserscheinungen bei Buchen. Im 7.500 ha großen
Gebiet traten die Vitalitätsverluste zwar nur in geringem Flächenumfang, jedoch kleinflächig auf trockenen, flachgründigen Hanglagen
deutlich sichtbar auf (Henkel et al. 2022). Neben der wesentlichen Zielsetzung als
Wildnis- und Prozessschutzgebiet fördert der NLP v. a. durch den Tourismus die Wirtschaftskraft der Region (Nationalpark-Verwaltung Hainich 2012; Job et al.
2016). Eine relevante Frage ist daher, wie die Folgen der Störungen auf das Erscheinungsbild der Buchenwälder von den
jährlich etwa 300.000 NLP-Besucherinnen und -Besuchern (Nationalpark-Verwaltung Hainich
2019) wahrgenommen und bewertet werden.
Die Forschung zur gesellschaftlichen Wahrnehmung und Bewertung von Waldstörungen in Deutschland konzentrierte sich in der
Vergangenheit auf Fichtenwälder (Pröbstl 1989; Müller
et al. 2008; Sacher et al. 2017). Da durch Trockenstress ausgelöste
Störungen aktuell jedoch zunehmend in Buchenwäldern auftreten (Harthun 2020; Leuschner 2020; Thierfelder 2020), fokussierte
sich die vorliegende Studie darauf, wie die Buchenvitalitätsschwäche von der Bevölkerung und von Besucherinnen und Besuchern des NLP
Hainich wahrgenommen und bewertet wird. Konkret sollten dabei die folgenden Hypothesen untersucht werden:
1a Störungen in Buchenwäldern sind in der Bevölkerung und bei Besucherinnen und Besuchern des NLP Hainich weniger bekannt
als Störungen in Fichtenwäldern. 1b Unter den Besucherinnen und Besuchern des NLP Hainich ist die Bekanntheit von Störungen von Buchen und Fichten höher
als im Durchschnitt der Bevölkerung. 2a Der Mehrheit der Bevölkerung und der Besucherinnen und Besucher im NLP Hainich sind die Ursachen für die
Buchenvitalitätsschwäche bekannt. 2b Bei Besucherinnen und Besuchern des NLP Hainich ist das Wissen über die Ursachen der Buchenvitalitätsschwäche höher
als im Durchschnitt der Bevölkerung. 3a Buchenwaldbilder mit stark gestörten Buchen werden von der Bevölkerung negativer wahrgenommen als Buchenwaldbilder mit
geringer oder keiner Störung. 3b Gestörte Buchen werden von Besucherinnen und Besuchern des NLP Hainich nicht als störend empfunden und wirken sich
nicht negativ auf die Motivation zu weiteren NLP-Besuchen aus.
2 Methodisches Vorgehen
Als Instrument zur Überprüfung der Hypothesen kamen zwei separate Befragungen zum Einsatz. Eine der Befragungen fokussierte
bundesweit die Bevölkerung Deutschlands als Zielgruppe und die andere Befragung die Besucherinnen und Besucher des NLP
Hainich. Durch gleich lautende Fragestellungen − sofern dies methodisch möglich war − konnten zwei verschiedene Zielgruppen untersucht
und miteinander verglichen werden.
Für die erste Zielgruppe der bundesweiten Bevölkerung kam eine Online-Befragung unterstützt durch das Marktforschungsinstitut
respondi AG zum Einsatz. Die Stichprobe umfasste 1.099 Personen, die aus einem Panel repräsentativ für Alter (18 – 74 Jahre),
Geschlecht und Bundesland mithilfe eines standardisierten Fragebogens im Webbrowser im September 2020 befragt wurden. Für die zweite
Zielgruppe der Besucherinnen und Besucher des NLP Hainich wurde eine Feldbefragung − geleitet durch die Erstautorin − von
208 persönlich angesprochenen Waldbesucherinnen und -besuchern in Form eines schriftlichen standardisierten Fragebogens im Juli 2020
durchgeführt. Die schriftliche Befragung der Besucherinnen und Besucher des NLP Hainich erfolgte am Wanderparkplatz Craulaer Kreuz
(verteilt auf acht Tage) und wurde so terminiert, dass die Befragung direkt nach einem Waldbesuch durchgeführt wurde. Das
Durchschnittsalter der Befragten betrug 48 Jahre und das Geschlechterverhältnis war mit 52 % weiblichen Besucherinnen fast
ausgeglichen. Die Herkunft der Besucherinnen und Besucher verteilte sich auf die gesamte Bundesrepublik, 20 % kamen aus dem direkten
Umfeld des NLP (Landkreise Unstrut-Hainich-Kreis und Wartburgkreis) und können nach Mayer (2013)
als Einheimische klassifiziert werden.
Für die Hypothesen 1a und 1b wurden folgende zwei Fragen analysiert: 1) „Wussten Sie, dass es im Hainich (bzw. in deutschen
Wäldern) geschwächte und im Absterben begriffene Buchen gibt?“ und 2) „Haben Sie schon einmal vom Borkenkäferbefall der Fichte in den
letzten Jahren gehört?“ Die Antwortmöglichkeiten waren jeweils „ja“ und „nein“.
Zur Beantwortung von Hypothese 2a und 2b wurde die Frage „Worin sehen Sie die Ursachen der geschwächten Buchen?“ gestellt und
unter dem Hinweis der Möglichkeit von Mehrfachnennungen wurden folgende 12 Antwortmöglichkeiten zum Ankreuzen angeboten: „natürlicher
Ursprung“, „Luft- und Umweltverschmutzung“, „Trockenheit“, „Sturm“, „Pilzinfektion“, „Monokultur“, „Schadinsekten“, „Klimawandel“,
„Buchdrucker (Borkenkäferart)“, „Waldbrand“, „Sonstiges“ und „Ich weiß es nicht“. Die für die Hypothesenblöcke 1 und 2 genannten
Fragen wurden sowohl in der Befragung der Bevölkerung als auch in der Befragung der Besucherinnen und Besucher des NLP Hainich
gestellt.
Hypothese 3a zur Bewertung unterschiedlich stark gestörter Buchenwälder adressierte die bundesweite Bevölkerung und wurde daher
nur in der Online-Befragung der Bevölkerung eingebracht. Die Frage lautete: „Stellen Sie sich vor, Sie gehen in einem Wald spazieren.
Ihr Weg führt Sie an verschiedenen Waldbildern vorbei. Bitte bewerten Sie für jedes Foto separat, wie positiv oder negativ Sie das
Erscheinungsbild des Waldes wahrnehmen.“ Im Folgenden wurden den Befragten in zufälliger Reihenfolge nacheinander zwölf
Buchenwaldbilder gezeigt und über einen freien Schieberegler konnten die Fotos von negativ (Schieberegler ganz links) zu positiv
(Schieberegler ganz rechts) bewertet werden. Die Position des Schiebereglers wurde auf einer Skala von 0 (negativ) bis 100 (positiv)
als Antwortvariable abgespeichert. Bei den 12 Buchenwaldbildern handelte es sich um Fotos, die im Juni und Juli 2020 im NLP Hainich
aufgenommen wurden und Buchenwaldbilder aus 3 Störungsstufen (keine, wenig, stark) zeigten. 4 Buchenwaldbilder zeigten Buchen ohne
Störung (0 % Blattverlust in der Krone), 4 mit wenig Störung (10 – 30 % Blattverlust) und 4 mit starker Störung (> 70 %
Blattverlust). Die Fotos wurden aus der horizontalen Blickperspektive einer Waldbesucherin/eines Waldbesuchers mit 5 – 15 %
Bodenanteil aufgenommen (Abb. 1; siehe Abb. A im Online-Zusatzmaterial für alle 12 verwendeten
Buchenwaldbilder).
Abb. 1: Die drei Störungsstufen der zu bewertenden Buchenwaldbilder der bundesweiten Befragung: a) stellt einen
ungestörten Buchenwald (0 % Blattverlust in der Krone), b) einen leicht gestörten Buchenwald (10 – 30 % Blattverlust) und
c) einen stark gestörten Buchenwald (> 70 % Blattverlust) dar.
Fig. 1: Three classes of disturbance of beech forest images evaluated in the nationwide survey: a) represents an
undisturbed beech forest (0 % leaf loss in the crown), b) a slightly disturbed beech forest (10 – 30 % leaf loss), and c) a
severely disturbed beech forest (> 70 % leaf loss).
Hypothese 3b adressierte die Besucherinnen und -besucher des NLP Hainich und bezog sich auf deren direkten Eindruck nach einem
Waldspaziergang. Den Besucherinnen und Besuchern wurden zwei Fragen gestellt: 1) „Empfanden Sie die geschwächten Buchen bei Ihrem
Besuch als störend?“ und 2) „Könnten Sie Sich trotz der geschwächten Buchen einen weiteren Besuch im Hainich vorstellen?“ Beide Fragen
wurden anhand einer fünfstufigen Likert-Skala mit Stufen von „voll und ganz“ bis zu „überhaupt nicht“ beantwortet. Die Auswertung und
graphische Aufbereitung aller Ergebnisse erfolgte mit dem Statistikprogramm R.
3 Ergebnisse
3.1 Kenntnis über Störungen in Wäldern
Sowohl in der bundesweit repräsentativen Befragung der Bevölkerung als auch in der Befragung der Besucherinnen und Besucher des
NLP Hainich gaben mehr als zwei Drittel der Befragten an, Kenntnis davon zu haben, dass es aktuell in den Wäldern geschwächte und im
Absterben begriffene Buchen (Buchenvitalitätsschwäche) gibt (Abb. 2). Störungen bei
Fichten (Trockenheit, Windwurf und Borkenkäferkalamitäten) waren laut den eigenen Angaben zu 79 % in der Bevölkerung und zu 91 % unter
den Besucherinnen und Besuchern des NLP Hainich bekannt. Der Grad der Bekanntheit von Störungen in Fichtenwäldern fiel damit größer
aus als derjenige von Störungen in Buchenwäldern. Besucherinnen und Besucher des NLP Hainich verfügten im Vergleich zu der bundesweit
befragten Bevölkerung über eine höhere Kenntnis von Störungen (Abb. 2).
Abb. 2: Kenntnis über geschwächte und im Absterben begriffene Buchen (Buchenvitalitätsschwäche) und Fichten
(Trockenheit, Windwurf und Borkenkäferkalamitäten) in der Bevölkerung und unter Besucherinnen und Besuchern des
Nationalparks Hainich.
Fig. 2: Knowledge about weakened and dying beeches (beech vitality loss) and spruces (drought, windthrow and bark beetle
calamities) among the German population and visitors to the Hainich national park.
3.2 Kenntnis über die Ursachen der Buchenvitalitätsschwäche
Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung und der Besucherinnen und Besucher des NLP Hainich nannten mit Trockenheit die aus
fachlicher Sicht wichtigste und direkt wirkende Ursache für die Buchenvitalitätsschwäche (Abb. 3). Die Besucherinnen und Besucher des NLP Hainich lagen bei den Nennungen von Trockenheit
mit 82 % 14 Prozentpunkte über dem Bevölkerungsquerschnitt mit 68 %. Der Klimawandel als indirekte Ursache der
Buchenvitalitätsschwäche erhielt mit 59 % die zweithäufigsten Nennungen sowohl in der bundesweiten Bevölkerungsbefragung als auch in
der Befragung der Besucherinnen und Besucher des NLP Hainich.
Abb. 3: Antworten der Bevölkerung und der Besucherinnen und Besucher des Nationalparks Hainich zu den Ursachen der
Buchenvitalitätsschwäche. Die Antwortmöglichkeiten waren vorgegeben und Mehrfachnennungen möglich.
Fig. 3: Responses of the population and visitors to the Hainich national park on the causes of beech vitality loss. The
answer options were given and multiple answers were possible.
3.3 Bewertung der Buchenvitalitätsschwäche
In der bundesweiten Bevölkerungsbefragung zeigte sich unabhängig von Störungserscheinungen eine im Durchschnitt positive Bewertung
von Buchenwaldbildern (Abb. 4). Diese positive Bewertung lag bei Buchenwaldbildern ohne
vorhandene Störungserscheinungen am höchsten (Median von 80) und nahm bei leichten (70) und starken (60) Störungserscheinungen jeweils
ab (Abb. 4). Die Besucherinnen und Besucher des NLP Hainich empfanden mehrheitlich keine
Störung durch die geschwächten Buchen während ihres Aufenthalts und konnten sich einen weiteren Besuch im NLP Hainich vorstellen
(Abb. 5).
Abb. 4: Ergebnisse der bundesweiten repräsentativen Bevölkerungsumfrage zur Bewertung des Erscheinungsbilds von
Buchenwäldern mit keinen, leichten oder starken Störungen durch Trockenheit. Dargestellt sind Median und
Standardabweichung der Bewertungen nach Störungsstufe. Die transparenten Punkte im Hintergrund zeigen die Daten aller
einzelnen Bewertungen. Bewertungen oberhalb der gestrichelten Linie sind positiv und unterhalb negativ.
Fig. 4: Results of the nationwide representative population survey on ratings of the appearance of beech forests with no,
slight, or severe drought disturbance. Shown are median and standard deviation of ratings by disturbance level. The
transparent points in the background show the data of all individual ratings. Ratings above the dashed line are positive and
below negative.
Abb. 5: Meinung der Besucherinnen und Besucher des Nationalparks Hainich (N = 206) zu zwei gestellten Fragen in Bezug
auf eine negative Wahrnehmung geschwächter Buchen während des Waldbesuchs und einer potenziellen negativen Auswirkung
geschwächter Buchen auf die Motivation zu weiteren Nationalparkbesuchen. Balken rechts von der Nulllinie symbolisieren
eine Zustimmung zur Frage und Balken links von der Nulllinie eine Ablehnung.
Fig. 5: Opinion of visitors to Hainich national park (N = 206) on two questions posed regarding a negative perception of
weakened beech trees during forest visits and a potential negative impact of weakened beech trees on motivation for further
national park visits. Bars to the right of the zero line indicate agreement with the question and bars to the left of the line
indicate disagreement.
4 Diskussion
4.1 Kenntnis über Störungen in Wäldern
Das Thema Wald und Klimawandel hat in der medialen Berichterstattung und im gesellschaftlichen Diskurs in den letzten Jahren an
Bedeutung gewonnen (Engel 2020; Bauchmüller
2021; Böhmer 2022). Die durch die Trockensommer 2018 – 2020 ausgelöste
Buchenvitalitätsschwäche, die sich in Buchenwäldern durch einen frühzeitigen Blattverlust, Absterbeerscheinungen im Kronenbereich und
damit in Form einer Auflichtung der Buchenbestände bemerkbar macht, war dabei in der medialen Berichterstattung besonders im Fokus.
Die beiden Befragungen dieser Studie belegen, dass mit über zwei Dritteln der Bevölkerung und der Besucherinnen und Besucher des NLP
Hainich ein großer Teil der Gesellschaft Kenntnis über die aktuelle Buchenvitalitätsschwäche hat. Die Bedeutung der
Buchenvitalitätsschwäche als Folge extremer Trockenheit und damit einer Auswirkung des Klimawandels gibt der Thematik ihre
gesellschaftliche Relevanz und erklärt den hohen Grad der Bekanntheit. Dieser Stellenwert wird sicherlich durch teilweise drastische
Formulierungen wie „Waldsterben 2.0“ und durch dramatisch gewählte Beispielbilder in der breiten medialen Berichterstattung weiter
gefördert (Endres 2019; Kollenbroich 2021;
Haas 2022; Mack et al. 2023). Unabhängig
von der medialen Berichterstattung sind Wälder und deren Beeinträchtigungen, sei es durch natürliche Störungen oder forstliche
Eingriffe, gesellschaftlich ein sehr emotionales Themenfeld (Vining, Tyler 1999). Eine
bundesweit repräsentative Studie zeigte, dass die Bevölkerung aktuell sehr besorgt um den Zustand der deutschen Wälder ist (SINUS, YouGov 2021), was für ein hohes gesellschaftliches Interesse an der aktuellen
Störungsthematik spricht.
Die Kenntnis von Störungen bei Fichten (Trockenheit, Windwurf und Borkenkäferkalamitäten) lag mit ca. 80 – 90 % bei beiden
Befragungen nochmals deutlich über der Kenntnis der Buchenvitalitätsschwäche. Dies deckt sich mit den Erwartungen von Hypothese 1a und
lässt sich durch eine weiter in die Vergangenheit reichende und auch aktuell sehr intensive mediale Berichterstattung zu Störungen in
Fichtenwäldern erklären (Schäfer 2012; Baier
2019; Viering 2022). Das Erscheinungsbild gestörter Buchen und Fichten
unterscheidet sich zudem deutlich. Bei Fichten als einer immergrünen Baumart ist ein Zustand mit braunen Nadeln oder gänzlich kahler
Krone im Gegensatz zur sommergrünen, laubabwerfenden Buche unmittelbar mit dem Absterben des Baums verbunden und kann damit leichter
als Störung erkannt werden. Die Fichte ist Deutschlands häufigste und wirtschaftlich bedeutendste Baumart (BMEL 2021), sodass Störungen verbunden mit großflächigen Kalamitäten zu starken ökonomischen
Einbußen führen (Bundesrat 2021), die ein hohes mediales und gesellschaftliches Interesse
an der Thematik erzeugen. Bezüglich der Kenntnis über Störungen in Buchen- und Fichtenwäldern zeigten die Besucherinnen und Besucher
des NLP Hainich eine leicht höhere Kenntnis im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, wie in Hypothese 1b angenommen. Diese etwas höher
ausfallende Kenntnis über Störungen bei den Besucherinnen und Besuchern des NLP Hainich lässt sich mit ihrem im Vergleich zum
Bundesdurchschnitt hohen Bildungsgrad (Wölfe et al. 2016; Porst et al. 2020) und einer hohen Naturverbundenheit (Švajda et al. 2016; Moczek et al. 2020) erklären.
4.2 Kenntnis über die Ursachen der Buchenvitalitätsschwäche
Störungen in Buchenwäldern sind vermehrt seit den Hitzesommern 2018 – 2020 zu beobachten und werden voraussichtlich durch
klimawandelbedingte extreme Trockenereignisse in Zukunft vermehrt auftreten (Rigling, Stähli 2020). Beide Befragungen bestätigen die Annahme, dass der Mehrheit der Bevölkerung und der
Besucherinnen und Besucher im NLP Hainich die Ursachen der Buchenvitalitätsschwäche bekannt sind (Hypothese 2a). Ähnliche Ergebnisse
zeigten sich im NLP Bayerischer Wald; dort konnten knapp zwei Drittel der Befragten den Borkenkäfer als tatsächliche Ursache dem
Fichtensterben zuordnen (Müller et al. 2008). Der hohe Anteil richtiger Antworten lässt
sich genau wie beim Kenntnisstand zur Buchenvitalitätsschwäche auf eine starke Medienpräsenz von Störungen in Buchenwäldern
zurückführen (Endres 2019; Kollenbroich 2021;
Haas 2022). Ein Zusammenhang zwischen Störungsursachen und einem damit verbundenen
Problembewusstsein ist in der Gesellschaft also weit verbreitet. Inwieweit sich dieses Verständnis auch in entsprechendes
Handlungsbewusstsein übersetzt, wäre in weiterführenden Untersuchungen zu klären. Anders als angenommen besitzen die Besucherinnen und
Besucher des NLP Hainich nur geringfügig bessere Kenntnisse über die Ursachen der Buchenvitalitätsschwäche als der Durchschnitt der
Bevölkerung (Hypothese 2b). Das bestätigt die Bedeutung der intensiven medialen Berichterstattung und das hohe gesellschaftliche
Interesse an der Thematik, das sich nicht nur auf NLP-Besucherinnen und Besucher beschränkt.
4.3 Bewertung der Buchenvitalitätsschwäche
Eine ästhetische Bewertung von Waldbildern lässt Rückschlüsse auf die potenzielle Erholungsfunktion des entsprechenden Waldes zu
(Abildtrup et al. 2013). In der bundesweiten Bevölkerungsbefragung wurden die
Buchenwaldbilder unabhängig vom Störungsgrad im Durchschnitt positiv bewertet. Diese positive Bewertung naturnaher und strukturreicher
Wälder wurde auch in anderen Studien ermittelt (Carvalho-Ribeiro, Lovett 2011; Giergiczny et al. 2015; Stachová 2018). Da die für
die Befragung verwendeten Buchenwaldbilder im NLP Hainich aufgenommen wurden, zeigen sie keine Veränderungen infolge jüngerer
forstlicher Nutzung, was einen Einfluss auf die positive Bildbewertung haben kann (Arnberger et al.
2018). Zudem ist den Befragten der Anblick kahler Laubbäume aus den Wintermonaten als jährlich wiederkehrendes
natürliches Ereignis bekannt, während im Vergleich fehlende Nadeln an Fichten ein Absterben der Bäume suggerieren.
Wie angenommen werden die Waldbilder mit steigender Störungsstufe im Durchschnitt negativer bewertet (Hypothese 3a), was auf
Blattverlust und das Absterben von Ästen im Kronenraum zurückzuführen ist (Nelson et al.
2001; Gerstenberg, Hofmann 2016). Der dadurch entstehende hohe Totholzanteil
in den stark gestörten Buchenwaldbildern kann zu einer im Durchschnitt negativeren Bewertung führen (Arnberger et al. 2018; Stachová 2018; Paletto et al. 2022). Im Vergleich dazu zeigen die ungestörten Waldbilder vollbelaubte Kronen und einen größeren
Grünanteil, während die leicht gestörten Waldbilder dazwischen einzuordnen sind. Die mit steigender Störungsstufe nur leicht
negativere Bewertung der Waldbilder deckt sich mit den Ergebnissen von Kortmann et al.
(2021), laut denen die Erholungsfunktion von Wäldern durch Störungen zwar gemindert wird, jedoch trotzdem auf einem
hohen Niveau bleibt.
Die Besucherinnen und Besucher des NLP Hainich empfanden die Auswirkungen der Buchenvitalitätsschwäche während ihres Aufenthalts
wie vermutet nicht als störend (Hypothese 3b). Während die Bewertung der Störung in der bundesweiten Befragung nur auf Fotos beruhte,
wurde im NLP Hainich der gesamte Waldbesuch bewertet. Neben den gestörten Buchen konnten die Besucherinnen und Besucher auch immer
wieder komplett gesunde Bestände sehen. Zudem können positive Naturerlebnisse wie Tier- und Pflanzenbeobachtungen und
nicht-visuelle Reize − bspw. Waldgeruch, Waldgeräusche, Wind und Sonne − negative Störungserlebnisse relativieren. Gleichzeitig
stellen Besucherinnen und Besucher von NLP eine spezielle Gruppe in der Gesellschaft dar und messen dem besonderen Schutzstatus und
den naturbelassen Dynamiken eines NLP eine starke Bedeutung bei (Job et al. 2016), was
sich positiv auf die Bewertung der natürlichen Buchenstörung auswirken kann. Wie erwartet können sich die Besucherinnen und Besucher
im NLP Hainich einen weiteren Aufenthalt im NLP vorstellen (Hypothese 3b). Untersuchungen im NLP Bayerischer Wald bestätigen dies.
Dort konnte trotz großflächiger Fichtenstörungen kein Rückgang der Besuchszahlen festgestellt werden und die Besucherinnen und
Besucher konnten sich mehrheitlich einen weiteren Aufenthalt im NLP vorstellen (Suda, Pauli
1998; Müller et al. 2008).
5 Fazit und Ausblick
Neben den in dieser Studie betrachteten Gesichtspunkten der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Störungen in Wäldern stellen
ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen von Störungen wichtige Dimensionen im gesamten Störungsdiskurs dar. Während Störungen für
Waldbesitzerinnen und -besitzer erhebliche ökonomische Verluste (BMEL 2020) verursachen
können, wirken sie sich auf die Waldbiodiversität in den meisten Fällen positiv aus (Thom, Seidl
2016). Die Bewertung von Störungen ist also immer vom Blickwinkel der jeweiligen Interessengruppe abhängig.
Abwägungsprozesse bei der Bewertung und der Umgang mit Störungen sollten daher alle Dimensionen und Perspektiven berücksichtigen und
dabei die lokalen Besonderheiten beachten. Die gesellschaftliche Sicht auf Störungen ist weder grundsätzlich negativ noch positiv
einzuordnen. Vielmehr verdeutlichen die zwei Befragungen das hohe Interesse an der Thematik – nicht nur von Besucherinnen und
Besuchern von NLP, sondern auch von Personen aus dem Bevölkerungsquerschnitt ohne naturbezogenen Hintergrund. Künftig sollte die
Bevölkerung über auftretende Waldstörungen und die sich daraus ergebenden waldbaulichen und naturschutzfachlichen Auswirkungen und
Maßnahmen weiter sachlich informiert werden. Gleichzeitlich sollten die Anforderungen der Bevölkerung an den Wald als Erholungsgebiet
bei Bewertungen und beim Umgang mit Störungen als wichtige Dimension berücksichtigt werden. Dies ist umso relevanter, da Störungen in
der Zukunft weiter in Häufigkeit, Umfang und Intensität zunehmen und das Erscheinungsbild von Wäldern in Deutschland stark
beeinflussen werden.
6 Literatur
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Abildtrup J., Garcia S. et al. (2013): Spatial preference heterogeneity in forest recreation. Ecological Economics 92: 67 – 77. DOI:
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Berto R. (2014): The role of nature
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veröffentlicht aktuelle Zahlen. Pressemitteilung Nr. 40/2020. 26.2.2020. https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/040-waldschaeden.html (aufgerufen am 5.12.2022).
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BMEL/Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Hrsg.) (2021): Waldbericht der Bundesregierung 2021. BMEL.
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Förderung und Dank
Wir bedanken uns bei der Nationalpark-Verwaltung Hainich für die Möglichkeit der Durchführung der Untersuchung und für die
finanzielle Unterstützung bei der bundesweiten Online-Untersuchung. Bei Dr. Marius Mayer, Dr. Philipp Sacher und PD Dr. Simon Thorn
bedanken wir uns für wertvolle Hinweise bei der Planung und Umsetzung der Untersuchung. Wir bedanken uns für die konstruktiven und
sehr hilfreichen Kommentare im Begutachtungsprozess durch die anonymen Gutachterinnen/Gutachter.