Norbert R. Kowarsch und Peter Poschlod
Zusammenfassung
Am Beispiel von 14 Beständen der Trollblume (Trollius europaeus L.) werden die Beziehungen zwischen Art und Intensität der Landnutzung und der Entwicklung der Bestände sowie der Populationsstruktur dargestellt. Hierzu wurden Veränderungen in der Abundanz und der
räumlichen Verteilung der Trollius-Individuen sowie Veränderungen in der Populationsdichte und der Struktur der Lebensaltersstadien im Zeitraum 1996 – 2013 (2015) erfasst. Die Blütenanzahl auf den kartierten Flächen hat sich in diesem Zeitraum auf 8 % des
ursprünglichen Werts im Jahr 1996 reduziert, die Anzahl blühender Individuen ist auf 13 % zurückgegangen. Das Verhältnis vegetativer, nicht adulter Individuen zur Anzahl generativer Individuen (J/G-Wert) variiert in den Beständen je nach Art und Intensität der
Landnutzung. Auf Brachen können sich Trollblumen zu großen und blütenreichen Individuen entwickeln, sie können sich aber nicht verjüngen. Langfristig erlöschen diese Bestände. Ein- bis zweischürige Wiesennutzung wirkt positiv auf Abundanz und Populationsstruktur von
T. europaeus. Beweidung bedeutet für Trollblumen mehr Stress als Mahd; nur wenn die Störungen durch Beweidung spät (Juli) und nicht zu intensiv sind, können Trollblumen in gewissem Umfang überleben.
Trollius europaeus L.
– Monitoring – Lebensaltersstadien – Populationsstruktur – Art der Grünlandnutzung – Intensität der GrünlandnutzungAbstract
Using the example of 14 Trollius europaeus L. stands, this article explores the relationships between land-use type and intensity and the development of stock and population structure. Changes in the abundance and spatial distribution of Trollius individuals
and changes in population density and age stage structure in the period from 1996 to 2013 (2015) were recorded. In 2013, a decline in flowering individuals to 13 % of the 1996 population was observed on the mapped areas. The number of flowers in the stands decreased to 8%
during the same period. The ratio of vegetative, non-adult individuals to the number of generative individuals (J/G value) varies in the populations depending on the type and intensity of land use. Globeflowers can develop into large and blooming individuals on fallow land, but they
cannot rejuvenate. In the long term, these populations will go extinct. Single- or double-cut meadows have positive effects on the abundance and population structure of T. europaeus. Grazing places greater stress on T. europaeus than mowing. Globeflowers
can only survive to a certain extent if disturbances caused by grazing are late (July) and not too intensive.
Trollius europaeus L. – Monitoring – Age stages – Population structure – Type of grassland use – Intensity of grassland useInhalt
1 Einleitung
Global nimmt die Biodiversität als Ergebnis der Landnutzung und der vom Menschen verursachten Klimaveränderungen ab (Sala et al. 2000). Auch die Trollblume (Trollius europaeus L.) als Leitart
der extensiv genutzten artenreichen Feuchtwiesen ist in den letzten Jahrzehnten in Mitteleuropa stark rückläufig. Dies gilt insbesondere für die nordwestliche Arealgrenze der zentraleuropäischen Vorkommen (Rothaargebirge: Biologische Station
Rothaargebirge 1997; Kowarsch 1997; Westerwald: Fischer 1994; Graffmann 2004; nordostdeutsches Tiefland: Weinert 1978; Bartz et al. 1984; Lemke 2011; Nordwest-Polen: Myśliwy, Bosiacka 2009).
Der starke Rückgang der Trollblume in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Lemke 2011) wurde in Westeuropa durch die Unterzeichnung der Römischen Verträge und der damit beginnenden europäischen Agrarpolitik maßgeblich befördert
(Poschlod 2017). Als wichtigste Ursachen des Rückgangs sind die Entwässerung und Intensivierung der Nutzung der früher in der Regel einmal jährlich gemähten Feuchtwiesen und die damit verbundene Umwandlung in Futterwiesen oder sogar
ackerbaulich genutzte Flächen oder eine Nutzungsaufgabe mit anschließender Verbuschung oder Aufforstung der Flächen zu nennen (vgl. Ringler 1987; Abt 1991).
Hinsichtlich prognostizierter Klimaveränderungen ist die nordisch-präalpide Feuchtgrünlandart Trollius europaeus (Oberdorfer 1994) stärker gefährdet auszusterben als viele Gefäßpflanzenarten mittlerer oder trockener Standorte. Gemäß
einer Studie von Buse et al. (2015) hat das Aussterberisiko für T. europaeus in Süddeutschland stark zugenommen. Beim Vergleich der Zeiträume 1950 – 1980 und 1980 – 2009 ist fast eine
Verdopplung der Aussterberate (von 0,8 % auf 1,5 %) von Trollius-Beständen in Süddeutschland festzustellen. Die Aussterbeereignisse finden hierbei vorwiegend am Rand der Klimanische (etwa am unteren Rand der Höhenverbreitung) von T. europaeus statt (Buse et al. 2015). Auf europäischer Skalenebene prognostizieren Espindola et al. (2012) einen Rückzug der Trollius-Bestände für die nächsten 60 Jahre in höhere Lagen und höhere
Breitengrade. Die Alpen werden als großer Refugialraum beschrieben, wohingegen es in südlicheren Bergregionen zur Auslöschung der Trollius-Bestände kommen kann.
In der Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands wird Trollius europaeus als „gefährdet“ (Rote-Liste-Kategorie 3) geführt, langfristig wird ein starker Bestandsrückgang angenommen (Metzing et al. 2018). In
Deutschland gelten gemäß Finck et al. (2017) die Hauptbiotope von T. europaeus – extensive Feucht- bzw. Nasswiesen und extensive Feucht- bzw. Nass(mäh)weiden – als stark gefährdet bis von vollständiger Vernichtung
bedroht (Rote-Liste-Kategorien 1 – 2). Im nördlichen Rothaargebirge, wo die Trollblume noch bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts sehr häufig war, sind die Bestände stark rückläufig (Kowarsch 1997). Aus gegenwärtiger Sicht
ist unvorstellbar, dass „noch in den Jahren nach dem letzten Krieg in Mollseifen [Ort nahe Winterberg; Anmerkung der Autoren] zur Fronleichnamsprozession die Wege mit Trollblumen (Blüten) gestreut wurden“ (Christiane Nieschalk, schriftliche Aufzeichnung o. J.). Die in der „Flora
im östlichen Sauerland“ (Götte 2007) noch verhältnismäßig zahlreich zu findenden Quadranten mit Vorkommensmeldungen nach 1990 dürfen nicht über die dramatischen Bestandseinbrüche von T. europaeus in den letzten Jahrzehnten
hinwegtäuschen, die die Kartierungen der Trollius-Bestände im Hochsauerlandkreis in den Jahren 2014 und 2015 (Biologische Station Hochsauerlandkreis 2016) dokumentieren.
Im Folgenden werden eine Erfassungsmethode für Trollius europaeus vorgestellt und Veränderungen in der Abundanz und Populationsstruktur von T. europaeus in repräsentativen Beständen des Hochsauerlandkreises innerhalb von 20 Jahren aufgezeigt sowie die
Beziehungen zwischen Art und Intensität der Landnutzung und der Entwicklung der Trollius-Populationen diskutiert.
2 Methoden
Von 14 Trollius-Beständen im nördlichen Rothaargebirge (Abb. 1) wurden die Populationsstruktur sowie die Populationsgröße und -dichte 1996 und 2013 (partiell 2012 bzw. 2014 – 2020) und die Vegetation
erfasst. Die 1996 ausgewählten Flächen umfassen verschieden große Trollius-Bestände auf unterschiedlich bewirtschaftetem Grünland (fünf Grünlandbrachen, zwei beweidete Flächen, zwei gemähte Flächen und fünf als Mähweide genutzte Flächen). Die Trollius-Bestände wurden
entweder vollständig oder auf repräsentativen Probeflächen dezimetergenau kartiert.
Abb. 1: Lage der Untersuchungsflächen im nördlichen Rothaargebirge. Die 14 untersuchten Bestände der Trollblume (Trollius europaeus) befinden sich in Naturschutzgebieten in Höhenlagen zwischen 370 und 720 m über Normalnull (NN).
Fig. 1: Location of the study areas in the northern Rothaar Mountains. The 14 stands of globeflower (Trollius europaeus) are located in nature reserves at altitudes between 370 and 720 m above sea level.
Bei der Erfassung der Trollius-Bestände wurde zwischen juvenilen (J) Stadien (Keimlinge, Sämlinge, Jungpflanzen) und generativen (G) sowie vegetativen adulten Pflanzen (Av) unterschieden. Bei generativen Pflanzen (Abb. 2)
wurde die Anzahl der Blüten/Pflanze erfasst, bei vegetativen Pflanzen (Abb. 3) wurde eine Einordnung in die vier folgenden Kategorien vorgenommen:
Abb. 2: Trollblume (Trollius europaeus L.) im Orketal.
Fig. 2: Globeflower (Trollius europaeus L.) in the Orke valley.
(Foto: Norbert R. Kowarsch)
Abb. 3: Lebensaltersstadien der Trollblume (Trollius europaeus): a) Jk (erstes Laubblatt, dreilappig), b) Js (Sämling, fünflappiges Laubblatt), c) Jv (Blätter einer älteren vegetativen, prägenerativen Pflanze) und d) Av (Blätter einer vegetativen adulten
Pflanze).
Fig. 3: Age stages of globeflower (Trollius europaeus): a) Jk (first foliage leaf, three-lobed), b) Js (seedling, five-lobed foliage leaf), c) Jv (leaves of an older vegetative, pregenerative plant) and d) Av (leaves of a vegetative adult plant).
(Fotos: Norbert R. Kowarsch)
1. Keimling bzw. erstes Laubblattstadium (Jk),
2. Sämling bzw. Jungpflanze mit wenigen kleinen Blättern (Js),
3. vegetative Pflanze, die ältere vegetative, prägenerative Stadien repräsentiert (Jv),
4. vegetative adulte Pflanze (Av).
Drei Erfassungsvarianten zur Ermittlung des Verhältnisses vegetativer zu generativer Trollius-Individuen wurden hinsichtlich ihrer Aussagekraft und ihres Arbeitsaufwands überprüft:
1. Die Anzahl von Keimlingen bzw. Individuen mit dem ersten Laubblatt (Jk), Sämlingen bzw. Jungpflanzen mit wenigen kleinen Blättern (Js) und älteren vegetativen, prägenerativen Pflanzen (Jv) wurde in Relation zur Anzahl der generativen Pflanzen gesetzt
(J/G-Wert). 2. Lediglich die Anzahl von Keimlingen bzw. Individuen mit dem ersten Laubblatt (Jk) und Sämlingen bzw. Jungpflanzen mit wenigen kleinen Blättern (Js) wurde in Relation zur Anzahl der generativen Pflanzen gesetzt (J2/G-Wert).
3. Die Anzahl aller vegetativen Trollius-Individuen wurde in Relation zur Anzahl der generativen Pflanzen gesetzt (V/G-Wert).
Parallel zur Aufnahme der Parameter der Populationsstruktur erfolgten auf 25-m²-Probeflächen Vegetationsaufnahmen gemäß Braun-Blanquet (1964). Zur Schätzung der Artmächtigkeit der aufgenommenen Gefäßpflanzenarten wurde die von Reichelt, Wilmanns (1973) erweiterte Braun-Blanquet-Skala verwendet (Tab. A im Online-Zusatzmaterial I).
Die Berechnung der mittleren Zeigerwerte nach Ellenberg erfolgte für die Feuchtezahl F und die Nährstoffzahl N (vgl. Ellenberg et al. 1992).
Zur Eruierung der Bewirtschaftung der Flächen wurden neben eigenen Beobachtungen insbesondere Informationen der Biologischen Station Hochsauerlandkreis, der Unteren Landschaftsbehörde des Hochsauerlandkreises sowie der Landbewirtschafterinnen und Landbewirtschafter
herangezogen. In den Jahren 2013, 2014 und 2015 erfolgte zusätzlich die Aufnahme sämtlicher blühender Individuen im Gesamtbestand.
3 Ergebnisse
Die von den Trollblumen besiedelten Areale der 14 untersuchten Bestände umfassten eine Fläche von 6.000 m². Für keine der untersuchten Populationen konnte für den Zeitraum 1996 – 2015 eine Bestandsvergrößerung oder Arealerweiterung festgestellt werden.
1996 waren auf diesen Flächen ca. 1.350 blühende Individuen anzutreffen gegenüber nur noch ca. 100 im Zeitraum 2013 – 2015 (Tab. 1); dies entspricht einem Rückgang auf 7 % des Bestands von
1996.
Tab. 1: Anzahl der generativen Individuen in den Beständen der Trollblume (Trollius europaeus) in den Jahren 1996, 2012, 2013, 2014, 2015 und 2016.
Table 1: Number of generative plants in the surveyed populations of globeflower (Trollius europaeus) in 1996, 2012, 2013, 2014, 2015 and 2016.
|
Standort
|
Dre
|
Hel
|
Son
|
Tro
|
Nuh
|
Bür
|
Elk
|
Lie1
|
Ork1
|
Ork2
|
Bre2
|
Lie2
|
Bre1
|
Ahr
| |
Fläche [m²] | 100 | 800 | 1.000 | 200 | 300 | 200 | 800 | 400 | 400 | 600 | 200 | 200 | 400 | 400 |
6.000
|
Anzahl der generativen Individuen 1996 | 67 | 113 | 33 | 75 | 100 | 67 | 22 | 50 | 29 | 51 | 64 | 300 | 132 | 250 |
1.353
|
Anzahl der generativen Individuen 2012 | — | 14 | 5 | — | — | — | — | — | 11 | — | 13 | 5 | — | 0 | — |
Anzahl der generativen Individuen 2013 | 0 | 14 | 3 | 8 | 7 | 8 | 6 | 3 | 17 | 20 | 3 | 4 | 0 | 1 |
94
|
Anzahl der generativen Individuen 2014 | 0 | 13 | 2 | 6 | 8 | 11 | 9 | 3 | 7 | 34 | 3 | 5 | 0 | 0 |
101
|
Anzahl der generativen Individuen 2015 | 0 | 9 | 1 | 1 | 10 | 16 | 1 | 3 | 8 | 37 | 0 | 4 | 0 | 0 |
90
|
Anzahl der generativen Individuen 2016 | — | 5 | 0 | 3 | 3 | 6 | 0 | — | 6 | 39 | — | — | — | — | — |
* Angabe der Summe nur für Jahre mit vollständiger Erhebung aller Probeflächen Dre = Dreisbachtal, Hel = Helletal, Son = Sonneborn, Tro = Trolliuswiese, Nuh = Nuhnetal, Bür = Büretal, Elk = Elkeringhausen, Lie1 = Liesetal1,
Ork1 = Orketal1, Ork2 = Orketal2, Bre2 = Bremketal2, Lie2 = Liesetal2, Bre1 = Bremketal1, Ahr = Ahretal |
Die dezimetergenauen Populationskartierungen wurden in den zentralen Bereichen der 14 Trollius-Bestände auf ca. 2.200 m² durchgeführt: Hier ergab sich ein Rückgang blühender Individuen von 518 (1996) auf 67 (2013), also eine Verminderung auf 13 %
des Bestands von 1996. Die Blütenanzahl reduzierte sich im selben Zeitraum auf 8 % des Bestands von 1996 (Rückgang von 3.730 auf 281 Blüten). Die wichtigsten populationsökologischen Parameter sind in Tab. 2
und 3 dargestellt. Der J/G-Wert variierte je nach Art und Intensität der Landnutzung. Auf den Intensivweiden waren die Bestände erloschen. Auf den Grünlandbrachen war entweder ein Aussterben der Trollius-Bestände festzustellen
oder der J/G-Wert betrug 0. Der J/G-Wert variierte auf den Wiesen zwischen 1,6 und 14,0, auf Extensivweiden zwischen 0,2 und 22,0 und auf Mähweiden zwischen 0,3 und 16,0.
Tab. 2: Ergebnisse der Bestands- und Populationsstrukturkartierungen der Trollblume (Trollius europaeus) im Jahr 1996 sowie Angaben zur Artenzahl der Gefäßpflanzen auf den 25 m² großen Aufnahmeflächen, zur mittleren Feuchtezahl und zur
mittleren Nährstoffzahl nach Ellenberg et al. (1992).
Table 2: Results of mapping the abundance and age stages of globeflower (Trollius europaeus) in 1996 as well as information about the number of vascular plant species on the 25 m² plots, about the mean moisture value and the mean nutrient value according
to Ellenberg et al. (1992).
|
Aufnahmen 1996
| |
Dre
|
Hel
|
Son
|
Tro
|
Nuh
|
Bür
|
Elk
|
Lie1
|
Ork1
|
Ork2
|
Bre2
|
Lie2
|
Bre1
|
Ahr
|
Art der Grünlandnutzung ** | B | B | B | B | B | W | W | M | M | MW | MW | MW | MW | MW |
Intensität der Grünlandnutzung *** | Keine | Keine | Keine | Keine | Keine | Ext. | Ext. | Ext. | Ext. | Ext. | Ext. | Ext. | Ext. | Ext. |
Gefäßpflanzenarten/25 m² | 45 | 28 | 48 | 30 | 27 | 56 | 39 | 53 | 45 | 40 | 41 | 33 | 48 | 25 |
Mittlere Feuchtezahl (mF) | 6,7 | 6,4 | 5,5 | 5,9 | 6,3 | 5,9 | 6,0 | 5,9 | 5,9 | 5,8 | 5,6 | 6,0 | 5,9 | 5,9 |
Mittlere Nährstoffzahl (mN) | 4,7 | 5,2 | 4,0 | 5,4 | 5,8 | 4,0 | 4,6 | 4,8 | 5,7 | 4,9 | 5,2 | 5,6 | 5,1 | 5,3 |
Höhenlage [m über NN] | 370 | 520 | 720 | 630 | 540 | 630 | 510 | 500 | 440 | 440 | 500 | 500 | 500 | 540 |
Erfassungsfläche [m²] | 25 | 650 | 336 | 25 | 25 | 100 | 600 | 25 | 150 | 25 | 25 | 25 | 180 | 25 |
Blütenanzahl auf Erfassungsfläche | 291 | 2.000 | 113 | 250 | 105 | 335 | 133 | 5 | 32 | 45 | 24 | 60 | 312 | 25 |
Anzahl der Individuen gesamt | 13 | 113 | 49 | 57 | 28 | 104 | 26 | 60 | 46 | 24 | 10 | 70 | 171 | 61 |
I) Anzahl generativer Individuen (G) | 12 | 112 | 27 | 52 | 18 | 67 | 22 | 4 | 16 | 11 | 8 | 45 | 107 | 17 |
II) Anzahl vegetativer Individuen gesamt (V) | 1 | 1 | 22 | 5 | 10 | 37 | 4 | 56 | 30 | 13 | 2 | 25 | 64 | 44 |
a) Anzahl Keimlinge, 1. Laubblattstadium (Jk) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | 0 | 6 | 1 |
b) Anzahl Sämlinge und vegetativer junger Pflanzen (Js) | 0 | 0 | 2 | 0 | 0 | 0 | 0 | 50 | 12 | 7 | 0 | 12 | 7 | 26 |
c) Anzahl vegetativer älterer Pflanzen (Jv) | 0 | 0 | 20 | 0 | 3 | 37 | 4 | 5 | 14 | 6 | 2 | 13 | 51 | 17 |
d) Anzahl vegetativer adulter Pflanzen (Av) | 1 | 1 | 0 | 5 | 7 | 0 | 0 | 0 | 4 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Individuendichte [m− 2] | 0,52 | 0,17 | 0,15 | 2,28 | 1,12 | 1,04 | 0,04 | 2,40 | 0,31 | 0,96 | 0,40 | 2,80 | 0,95 | 2,44 |
Dichte generativer Pflanzen [m− 2] | 0,48 | 0,17 | 0,08 | 2,08 | 0,72 | 0,67 | 0,04 | 0,16 | 0,11 | 0,44 | 0,32 | 1,80 | 0,59 | 0,68 |
Blütendichte [m− 2] | 11,64 | 3,08 | 0,34 | 10,00 | 4,20 | 3,35 | 0,22 | 0,20 | 0,21 | 1,80 | 0,96 | 2,40 | 1,73 | 1,00 |
Anzahl Blüten/Anzahl generativer Pflanzen | 24,3 | 17,9 | 4,2 | 4,8 | 5,8 | 5,0 | 6,0 | 1,3 | 2,0 | 4,1 | 3,0 | 1,3 | 2,9 | 1,5 |
J/G-Wert | 0,0 | 0,0 | 0,8 | 0,0 | 0,2 | 0,6 | 0,2 | 14,0 | 1,6 | 1,2 | 0,3 | 0,6 | 0,6 | 2,6 |
J2/G-Wert | 0,0 | 0,0 | 0,1 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 12,8 | 0,8 | 0,6 | 0,0 | 0,3 | 0,1 | 1,6 |
V/G-Wert | 0,1 | 0,0 | 0,8 | 0,1 | 0,6 | 0,6 | 0,2 | 14,0 | 1,9 | 1,2 | 0,3 | 0,6 | 0,6 | 2,6 |
* Abkürzungen der Standorte: siehe Tab. 1** B = Brache, M = Mahd, Wiese, MW = Mähweide, W = Weide *** Ext. = extensiv J/G-Wert = Verhältnis der Anzahl von Keimlingen/Individuen mit dem ersten Laubblatt (Jk), Sämlingen/Jungpflanzen mit wenigen kleinen Blättern (Js) und vegetativen älteren Pflanzen (Jv) zur Anzahl generativer Pflanzen (G) J2/G-Wert = Verhältnis der Anzahl von Keimlingen/Individuen mit dem ersten Laubblatt (Jk) und Sämlingen/Jungpflanzen mit wenigen kleinen Blättern (Js) zur Anzahl generativer Pflanzen (G) V/G-Wert = Verhältnis der Anzahl sämtlicher vegetativer Individuen (V) zur Anzahl generativer Pflanzen (G) |
Tab. 3: Ergebnisse der Bestands- und Populationsstrukturkartierungen der Trollblume (Trollius europaeus) im Jahr 2013 sowie Angaben zur Artenzahl der Gefäßpflanzen auf den 25 m² großen Aufnahmeflächen, zur mittleren Feuchtezahl und zur
mittleren Nährstoffzahl nach Ellenberg et al. (1992).
Table 3: Results of mapping the abundance and age stages of globeflower (Trollius europaeus) in 2013 as well as information about the number of vascular plant species on the 25 m² plots, about the mean moisture value and the mean nutrient value according
to Ellenberg et al. (1992).
|
Aufnahmen 2013
| |
Dre
|
Hel
|
Son
|
Tro
|
Nuh
|
Bür
|
Elk
|
Lie1
|
Ork1
|
Ork2
|
Bre2
|
Lie2
|
Bre1
|
Ahr
|
Art der Grünlandnutzung ** | B | B | B | W | W | W | W | W | M | MW | MW | MW | W | W |
Intensität der Grünlandnutzung *** | Keine | Keine | Keine | Ext. | Ext. | Ext. | Ext. | Ext. | Ext. | Ext. | Ext. | Ext. | Int. | Int. |
Gefäßpflanzenarten/25 m² | 37 | 27 | 39 | 38 | 36 | 52 | 48 | 37 | 37 | 37 | 37 | 31 | 31 | 34 |
Mittlere Feuchtezahl (mF) | 7,0 | 6,2 | 5,7 | 5,9 | 6,2 | 5,7 | 6,0 | 6,3 | 6,1 | 6,0 | 5,7 | 5,9 | 6,1 | 5,7 |
Mittlere Nährstoffzahl (mN) | 4,7 | 5,9 | 4,2 | 5,3 | 5,0 | 4,0 | 4,5 | 4,7 | 5,3 | 5,3 | 5,3 | 5,2 | 4,6 | 5,1 |
Höhenlage [m über NN] | 370 | 520 | 720 | 630 | 540 | 630 | 510 | 500 | 440 | 440 | 500 | 500 | 500 | 540 |
Erfassungsfläche [m²] | 25 | 650 | 336 | 25 | 25 | 100 | 600 | 25 | 150 | 25 | 25 | 25 | 180 | 25 |
Blütenanzahl auf Erfassungsfläche | 0 | 143 | 5 | 19 | 9 | 9 | 8 | 1 | 30 | 55 | 1 | 1 | 0 | 0 |
Anzahl der Individuen gesamt | 0 | 15 | 5 | 28 | 9 | 118 | 117 | 23 | 50 | 31 | 7 | 17 | 1 | 0 |
I) Anzahl generativer Individuen (G) | 0 | 13 | 1 | 7 | 4 | 8 | 6 | 1 | 13 | 12 | 1 | 1 | 0 | 0 |
II) Anzahl vegetativer Individuen gesamt (V) | 0 | 2 | 4 | 21 | 5 | 110 | 111 | 22 | 37 | 19 | 6 | 16 | 1 | 0 |
a) Anzahl Keimlinge, 1. Laubblattstadium (Jk) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 13 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
b) Anzahl Sämlinge und vegetativer junger Pflanzen (Js) | 0 | 0 | 1 | 7 | 2 | 70 | 85 | 21 | 11 | 6 | 0 | 8 | 0 | 0 |
c) Anzahl vegetativer älterer Pflanzen (Jv) | 0 | 0 | 0 | 6 | 3 | 27 | 26 | 1 | 11 | 13 | 6 | 8 | 1 | 0 |
d) Anzahl vegetativer adulter Pflanzen (Av) | 0 | 2 | 3 | 8 | 0 | 0 | 0 | 0 | 15 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Individuendichte [m− 2] | 0,00 | 0,02 | 0,01 | 1,12 | 0,36 | 1,18 | 0,20 | 0,92 | 0,33 | 1,24 | 0,28 | 0,68 | 0,01 | 0,00 |
Dichte generativer Pflanzen [m− 2] | 0,00 | 0,02 | 0,00 | 0,28 | 0,16 | 0,08 | 0,01 | 0,04 | 0,09 | 0,48 | 0,04 | 0,04 | 0,00 | 0,00 |
Blütendichte [m− 2] | 0,00 | 0,22 | 0,01 | 0,76 | 0,36 | 0,09 | 0,01 | 0,04 | 0,20 | 2,20 | 0,04 | 0,04 | 0,00 | 0,00 |
Anzahl Blüten/Anzahl generativer Pflanzen |
—
| 11,0 | 5,0 | 2,70 | 2,3 | 1,1 | 1,3 | 1,0 | 2,3 | 4,6 | 1,0 | 1,0 |
—
|
—
|
J/G-Wert |
—
| 0,0 | 1,0 | 1,9 | 1,3 | 13,8 | 18,5 | 22,0 | 1,7 | 1,6 | 6,0 | 16,0 |
—
|
—
|
J2/G-Wert |
—
| 0,0 | 1,0 | 1,0 | 0,5 | 10,4 | 14,2 | 21,0 | 0,8 | 0,5 | 0,0 | 8,0 |
—
|
—
|
V/G-Wert |
—
| 0,2 | 4,0 | 3,0 | 1,3 | 13,8 | 18,5 | 22,0 | 2,8 | 1,6 | 6,0 | 16,0 |
—
|
—
|
* Abkürzungen der Standorte: siehe Tab. 1** B = Brache, M = Mahd, Wiese, MW = Mähweide, W = Weide *** Ext. = extensiv, Int. = intensiv J/G-Wert = Verhältnis der Anzahl von Keimlingen/Individuen mit dem ersten Laubblatt (Jk), Sämlingen/Jungpflanzen mit wenigen kleinen Blättern (Js) und vegetativen älteren Pflanzen (Jv) zur Anzahl generativer Pflanzen (G) J2/G-Wert = Verhältnis der Anzahl von Keimlingen/Individuen mit dem ersten Laubblatt (Jk) und Sämlingen/Jungpflanzen mit wenigen kleinen Blättern (Js) zur Anzahl generativer Pflanzen (G) V/G-Wert = Verhältnis der Anzahl sämtlicher vegetativer Individuen (V) zur Anzahl generativer Pflanzen (G) |
Abb. 4, und Abb. 5, zeigen für die 14 untersuchten Grünlandstandorte die Veränderungen der räumlichen Verteilung der Trollius-Individuen, der Bestandsdichte
sowie der Struktur der Lebensaltersstadien im Zeitraum 1996 – 2013. Die Flächen Dreisbachtal (Dre) und Helletal (Hel) waren bereits 1996 hochstaudenreiche Grünlandbrachen mit zahlreichen, großen und vielblütigen Trollius-Altpflanzen. In beiden Beständen
war 1996 keine Verjüngung festzustellen. Der 1996 noch vorhandene Trollius-Dominanzbestand auf der Dre-Fläche war 2013 erloschen, der Trollius-Bestand auf der Hel-Fläche war 2013 gegenüber 1996 sehr stark dezimiert. Auf der durch Rehe „beweideten“
Grünlandbrache Sonneborn (Son) indiziert der J/G-Wert von 0,8 (2013: 1,0) ein ausgeglichenes Verhältnis von juvenilen zu generativen Pflanzen. 2012 und 2015 wurde auf einem Teil der Fläche ein Wildacker angelegt. Die 1996 noch mindestens 55 Individuen umfassende
Trollius-Population auf der Son-Fläche war 2016 erloschen. Die Grünlandbrachen Trolliuswiese (Tro) und Nuhnetal (Nuh) wiesen 1996 keine bzw. kaum Verjüngung auf. Auf der Nuh-Brache war 1996 eine Äsung durch Rehe zu beobachten, der J/G-Wert betrug
0,2. Nach 1996 wurden die Flächen regelmäßig mit Rindern beweidet. Eine Bestandsverjüngung bei gleichzeitig zurückgehender Dichte generativer Individuen war zu verzeichnen (J/G-Wert 2013: Tro 1,9; Nuh 1,3).
Abb. 4: Veränderungen der räumlichen Verteilung, der Bestandsdichte (auf 25-m²-Probeflächen) sowie der Struktur der Lebensaltersstadien der Trollblume (Trollius europaeus) auf den Untersuchungsflächen im Zeitraum 1996 – 2013, Teil 1
(Standorte: Dre, Hel, Son, Tro, Nuh, Bür, Elk; weitere Erläuterungen der Legende siehe Abb. 5).
Fig. 4: Changes in spatial distribution and population density (on 25 m² sample areas), and in the structure of the age stages of globeflower (
Trollius europaeus) on the plots surveyed in the period from 1996 to 2013, part 1 (locations: Dre,
Hel, Son, Tro, Nuh, Bür, Elk; for further explanations of the legend see
Fig. 5).
Abb. 5: Veränderungen der räumlichen Verteilung, der Bestandsdichte (auf 25-m²-Probeflächen) sowie der Struktur der Lebensaltersstadien der Trollblume (Trollius europaeus) auf den Untersuchungsflächen im Zeitraum 1996 – 2013, Teil 2
(Standorte: Lie1, Ork1, Ork2, Bre2, Lie2, Bre1, Ahr); für weitere Erläuterungen siehe Abb. 4.
Fig. 5: Changes in spatial distribution and population density (on 25 m² sample areas), and in the structure of the age stages of globeflower (
Trollius europaeus) on the plots surveyed in the period from 1996 to 2013, part 2 (locations: Lie1,
Ork1, Ork2, Bre2, Lie2, Bre1, Ahr); for further explanations see
Fig. 4.
Auf den schon vor 1996 extensiv beweideten Flächen Büretal (Bür) und Elkeringhausen (Elk) war 2013 im Vergleich zu 1996 eine zurückgehende Zahl generativer Individuen bei gleichzeitig starker Verjüngung zu verzeichnen (sehr hohe J/G-Werte: Bür 13,8; Elk
18,5). Sowohl die Goldhaferwiese (Geranio-Trisetetum) auf der Bür-Fläche als auch die Sumpfdotterblumenwiese (Calthion palustris, sehr nährstoffarme Variante) auf der Fläche in Elk waren 2013 bei annähernd gleichem Arteninventar noch erhalten (vgl. Tab. B im Online-Zusatzmaterial II). Die einschürig genutzte artenreiche Goldhaferwiese (53 Gefäßpflanzenarten) Liesetal1 (Lie1)
wies 1996 eine sehr starke Verjüngung auf (J/G-Wert: 14,0). Die mittlerweile rinderbeweidete Fläche wurde 2013 als feuchte Weidelgras-Weißkleeweide (Lolio-Cynosuretum lotetosum) klassifiziert und wies noch 37 Gefäßpflanzenarten/25 m² auf. Die Verjüngung war auch 2013 sehr
ausgeprägt (J/G-Wert: 22,0). Die Trollius-Individuendichte nahm bis 2013 ab.
Auf der durchgängig erst spät (Juli/August) einmal im Jahr gemähten Orketal1-Fläche (Ork1: Geranio-Trisetetum – in der Ausbildung von Angelica sylvestris mit starkem Brachecharakter) veränderte sich sowohl die Individuendichte als auch die
Populationsstruktur im Zeitraum 1996 – 2013 wenig. Die J/G-Werte 1,6 (1996) bzw. 1,7 (2013) indizieren Verjüngung auf der Fläche. Die Fläche Orketal2 (Ork2) zeigte 2013 bei gleichbleibender Mähweidenutzung (Mahd nach dem 1. Juli und späte Nachbeweidung mit
Rindern) eine gleichbleibende Struktur der Lebensaltersstadien bei ähnlicher Individuendichte wie im Jahr 1996. Im Gesamtbestand variierte die Anzahl blühender Pflanzen im Zeitraum 2014 – 2020 zwischen 31 und 41 Individuen. Auf der Mähweide
Bremketal2 (Bre2) war 2013 bei kaum veränderter Individuendichte eine Abnahme der generativen Individuen im Vergleich zu 1996 festzustellen. Auf der Fläche Liesetal2 (Lie2) nahm bei Mähweidenutzung von 1996 bis 2013 die Individuendichte von 2,8/m² auf 0,7/m² ab. Die
Anzahl generativer Pflanzen war noch stärker rückläufig.
Die 1996 als Mähweiden genutzten Bestände Bremketal1 (Bre1) und Ahretal (Ahr) wurden spätestens seit 2011 mit bis zu 4 GVE (Großvieheinheiten) pro ha jeweils ab Anfang Mai beweidet. Dieser Wechsel von einer Mähweidenutzung zu einer Nutzung als
Intensivweide führte zu starken Veränderungen in der Artenzusammensetzung und zum Erlöschen der Trollius-Bestände. Auf der Bre1-Fläche wandelte sich die artenreiche Goldhaferwiese (Geranio-Trisetetum) zu einer feuchten Weidelgras-Weißkleeweide (Lolio-Cynosuretum
lotetosum) – einhergehend mit einem deutlichen Rückgang der Zahl der Gefäßpflanzenarten (vgl. Tab. B im Online-Zusatzmaterial II). Der
1996 noch 132 blühende Trollius-Individuen zählende Bre1-Bestand war 2013 bis auf ein vegetatives Individuum erloschen (vgl. Tab. 1, und Tab. 3). Der
Ahr-Bestand, der 1996 noch 250 blühende Trollius-Individuen umfasste und eine starke Verjüngung (J/G-Wert: 2,6) aufwies, war 2014 erloschen (vgl. Tab. 1, 2).
4 Diskussion
4.1 Erfassung der Populationsstruktur der Trollblumen-Bestände
Für pflanzendemographische Studien sind Einteilungen in Lebensaltersstadien von größerer Bedeutung als eigentliche Altersbestimmungen, da einerseits das Alter der Individuen der meisten Pflanzenarten in der Natur nicht exakt bestimmt werden kann und andererseits das Alter der
Individuen an sich unzulänglich für die Charakterisierung einer Pflanzenpopulation ist (vgl. Schweingruber, Poschlod 2005). Individuen gleichen Alters in der gleichen Zönose können in ihrer Vitalität und Bedeutung für die Zönose beträchtlich
differieren (Rabotnov 1969; Gatsuk et al. 1980). So kann die Entwicklung von Trollius-Individuen unter gleichen klimatischen Bedingungen bei verschiedenen edaphischen Faktoren und
Konkurrenzbedingungen unterschiedlich schnell verlaufen. Linkola (1935) nennt für Trollius-Individuen in Finnland von der Keimung bis zur Blühreife eine Entwicklungszeit von neun Jahren; in entsprechenden Kulturbeeten im Freiland blühen
hingegen einige Trollius-Individuen bereits im dritten Sommer. In Deutschland kommt T. europaeus unter optimalen Kulturbedingungen bereits im ersten Jahr zur Blühreife, am natürlichen Standort wird bis zum Erreichen der Blühreife ein Zeitraum von ein bis mehr als vier
Jahren benötigt (eigene Beobachtungen).
Rabotnov (1945, 1969, 1985) unterscheidet vier Perioden des Lebensalters:
1. In der latenten Periode existieren die Individuen als dormante (ruhende) Samen im Boden.
2. Die virginale Periode beinhaltet den Entwicklungsbereich von der Samenkeimung bis zur Bildung generativer Knospen.
3. In der generativen Periode findet die Reproduktion über Samen statt.
4. Die senile Periode umfasst schließlich die postgenerativen, vegetativen Stadien.
Bei Trollius europaeus umfasst die latente Periode nur wenige Monate, da T. europaeus keine dauerhafte Diasporenbank aufbaut (vgl. Milberg 1994; Kowarsch 1997). Die virginale
Periode umfasst in Deutschland i. d. R. ein bis vier Jahre. Die generative Periode kann viele Jahre andauern. Nach eigenen Beobachtungen können Trollius-Individuen in Grünlandbrachen mindestens 50 Jahre alt werden. Serebryakov
(1952) schätzt das maximale Alter von T. europaeus auf 70 Jahre. Die senile Periode existiert bei den meisten krautigen Pflanzen nicht bzw. kann, wenn überhaupt, nur auf suboptimalen Standorten gefunden werden (eigene Beobachtungen; mündliche Auskunft Nina G.
Ulanova 2007). Der in der Hel-Population (Abb. 6) festgestellte kontinuierliche Rückgang der durchschnittlichen Blütenzahl je generativer Pflanze und der bei einzelnen Individuen zu beobachtende Wechsel von generativ zu vegetativ
und umgekehrt bis zum Tod der Pflanzen könnte dem von Molisch (1938) beschriebenen „death by exhaustion“ entsprechen (siehe Schweingruber, Poschlod 2005). Da dies aber nur bei einer
Trollius-Population dokumentiert werden konnte, bedarf es hier Untersuchungen an weiteren Populationen.
Abb. 6: Entwicklung der Bestände und der Populationsstruktur der Trollblume (Trollius europaeus) am Standort Helletal (Hel) im Zeitraum 1996 – 2020. a) Entwicklung der Anzahl der Trollius-Individuen insgesamt (Ordinate rechts), der
Anzahl blühender Individuen (Ordinate rechts) und der durchschnittlichen Anzahl der Blüten je generativer Pflanze (Ordinate links) in den Jahren 1996, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019 und 2020. b) Prozentuale Verteilung der Trollius-Lebensaltersstadien in
den Jahren 1996, 2012, 2014, 2016, 2018 und 2020 (Jk: Keimlinge bzw. erstes Laubblattstadium, Js: Sämlinge bzw. Jungpflanzen mit wenigen kleinen Blättern, Jv: ältere vegetative Pflanzen, die prägenerative Stadien repräsentieren, G: generative Pflanzen, Av: vegetative adulte
Pflanzen).
Fig. 6: Development of the population and population structure of globeflower (Trollius europaeus) at Helletal (Hel) in the period from 1996 to 2020. a) Development of the total number of Trollius individuals (ordinate right), the number of
flowering individuals (ordinate right) and the average number of flowers per generative plant (ordinate left) in 1996, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019 and 2020. b) Percentage distribution of Trollius age stages in 1996, 2012, 2014, 2016, 2018 and 2020 (Jk:
seedlings or first broadleaf stage, Js: seedlings or young plants with few small leaves, Jv: older vegetative plants representing pregenerative stages, G: generative plants, Av: vegetative adult plants).
Die in dieser Untersuchung praktizierte Erfassung von fünf Lebensaltersstadien (Jk, Js, Jv, G und Av) ermöglicht eine differenzierte Bewertung der Struktur der Lebensaltersstadien verschiedener Trollius-Populationen. Der J/G-Wert stellt eine die Populationsstruktur gut
kennzeichnende Größe dar. Der mit weniger Aufwand zu ermittelnde V/G-Wert führt in Brachen mit stark überalterten Trollius-Beständen (viele vegetative adulte Individuen) zu einer Überschätzung der Verjüngungssituation. Hiervon abgesehen ist er ebenfalls eine taugliche Kenngröße
zur Schnellerfassung der Populationsstruktur. Die Verwendung des J2/G-Werts führt beim Vorhandensein vieler Trollius-Individuen im Jv-Stadium zu einer deutlichen Unterschätzung der Verjüngungssituation. Der J2/G-Wert ist daher für die Erfassungspraxis weniger geeignet (weitere
Erläuterungen hierzu finden sich in Abschnitt 1 im Online-Zusatzmaterial I).
Die ermittelten J/G-Werte (vgl. Tab. 2, Tab. 3) lassen sich in Anlehnung an die drei Typen von Populationen nach Rabotnov (1945, 1969, 1985):
1. Populationen vom Invasions-Typ, in denen die Lebensaltersstadien früher Ontogenese dominieren,
2. Populationen vom Normal-Typ, die alle Lebensaltersstadien in verschiedenen Anteilen enthalten,
3. Populationen vom regressiven Typ, in denen die Lebensaltersstadien später Ontogenese dominant sind,
folgendermaßen einordnen: Zum einen gibt es Populationen, die deutlich mehr juvenile Pflanzen als generative adulte Individuen (Verhältnis juveniler zu generativen Pflanzen J/G-Wert > 2: Invasions-Typ) aufweisen, zum anderen Populationen, denen die Jugendstadien völlig
fehlen (J/G-Wert 0: Regressions-Typ), sowie intermediär im fließenden Übergang Populationen mit mehr oder weniger ausgeglichener Populationsstruktur (J/G-Wert 2 – 0,1: Normal-Typ).
Zur Beschreibung des Ist-Zustands einer Population ist es unabdingbar, Informationen zur momentanen Struktur und Dynamik der Population zur Verfügung zu haben (vgl. Jensch et al. 2001). Durch die langfristige Erfassung der
Populationsgröße und -dichte sowie der Struktur der Lebensaltersstadien sind Daten zu demographischen Veränderungen verfügbar, die es rechtzeitig ermöglichen, bei Bedarf Pflege- und Entwicklungspläne zu modifizieren bzw. bestandstützende Maßnahmen zu ergreifen.
4.2 Auswirkungen der Art und Intensität der Grünlandnutzung auf die Trollblumen-Bestände
Im nördlichen Rothaargebirge lässt sich keine deutliche Korrelation zwischen dem Rückgang der Trollius-Bestände und der Höhenlage der Bestände feststellen (Datengrundlage: Biologische Station Hochsauerlandkreis 2016; Höhenlage der
Trollius-Standorte zwischen 370 und 720 m über Normalnull [NN]; n = 125; r = − 0,228; Kowarsch 2020). Art und Intensität der Bewirtschaftung zeigen indes deutliche Effekte auf die
Trollius-Bestände.
4.2.1 Verbrachung als Rückgangsursache für Trollius europaeus
In Grünlandbrachen können sich Trollblumen zu großen und blütenreichen Individuen entwickeln. Sie können sich aber nicht verjüngen (vgl. Tab. 2, Tab. 3). Für den Hel-Bestand
wie auch für andere Trollius-Bestände ist festzustellen, dass die fehlende Verjüngung in den Brachen weder durch eine mangelnde Samenproduktion noch durch eine mangelnde Keimfähigkeit der Samen bedingt ist. Im Hel-Bestand waren 1996 durchschnittlich 224 nicht von
Chiastocheta-Larven (Gattung der Familie der Blumenfliegen) angefressene Samen je Sammelbalgfrucht und somit potenziell keimfähige Samen festzustellen; die Keimungsrate betrug 78 % (Kowarsch 1997). Auch die 2013 gesammelten
Samen wiesen hohe Keimungsraten (50 – 90 %) auf (Kowarsch et al. 2022). Die häufig mächtige Streuschicht in Feuchtwiesenbrachen scheint die Keimung der kurzlebigen Samen zu verhindern (vgl. Lemke, Salguero-Gómez 2016).
Die Hauptprädatoren der Trollius-Sämlinge sind Schnecken (Hitchmough 2003). Das Ausmaß des Schneckenfraßes an Trollblumen war in den Grünlandbrachen am größten. Schnecken halten sich vorzugsweise in den schattigeren und feuchteren
nicht gemähten Bereichen auf, sodass die Sämlingsmortalität in nicht gemähten Bereichen signifikant höher ist (Hitchmough 2003).
Die älteren Grünlandbrachen Dre, Hel und Nuh wiesen 1996 einerseits hohe Trollius-Deckungsgrade auf (vgl. Tab. B im Online-Zusatzmaterial II) und hatten andererseits vielblütige Trollblumen (durchschnittliche Blütenzahl je generativer Pflanze: Dre 24, Hel 18, Nuh 6). Auch Kostrakiewicz (2009) stellt eine
Zunahme der Anzahl der Blüten in den Brachestadien fest. Michalska-Hejduk, Kopeć (2012) beobachten in Südost-Polen bei Verbrachung über einen Zeitraum von 50 Jahren eine Zunahme des Deckungsgrads von T. europaeus. Kostrakiewicz-Gierałt et al. (2015a) konstatieren, dass trotz des Fehlens juveniler Pflanzen auf Flächen, die verschiedene Sukzessionsstadien eines Molinietum caeruleae (Pfeifengraswiese) repräsentieren, die Abundanz von T. europaeus
nicht zurückgeht.
Die Individuen des vermeintlich ältesten untersuchten und sich nicht verjüngenden Trollius-Bestands auf der Grünlandbrache Dre sind mittlerweile gestorben – der Bestand ist erloschen. Der Vergleich der Struktur der Lebensaltersstadien der Bestände Dre und
Hel 1996 und 2013 legt nahe, dass der Hel-Bestand 2013 in etwa das „Alter“ des Dre-Bestands im Jahr 1996 erreicht hatte (vgl. Abb. 4). Die fortgesetzte Kartierung der Lebensaltersstadien des
Hel-Bestands bis 2020 untermauert diese Einschätzung; im Zeitraum 2012 – 2020 war im Hel-Bestand der sukzessive Alterstod der Trollblumen bei ausbleibender Verjüngung zu beobachten (Abb. 6).
4.2.2 Extensive Weidenutzung auf reaktivierten Grünlandbrachen
Während in den Grünlandbrachen keine bzw. kaum Verjüngung stattfindet, fördert extensive Beweidung die Verjüngung bei gleichzeitig stark zurückgehender Dichte der generativen Individuen (Tab. 2, Tab. 3: Tro, Nuh). Die Wiederetablierung traditioneller Beweidungssysteme wird häufig zur Erhaltung halbnatürlicher Wiesen und Weiden herangezogen (Mitlacher et al. 2002). Beweidung schafft über
Trittstellen und Fraßstellen durch die Weidetiere mehr Störstellen als Mahd (vgl. Hitchmough 2003; Kochanowska, Gamrath 2007; Kostrakiewiecz-Gierałt 2012).
Trollius europaeus zählt zur Mehrzahl der Pflanzenarten, für die Vegetationslücken (Störstellen) hinsichtlich Keimung, Überleben der Sämlinge und Etablierung positiv wirken (eigene Beobachtungen) und damit die Populationsdynamik erhöhen.
4.2.3 Langjährige extensive Beweidung
Langjährige extensive Beweidung führt zu einer hohen Populationsdynamik, aber mit wenig generativen Pflanzen. Auf den über 20 Jahre hinweg extensiv beweideten Flächen ist eine zurückgehende Zahl generativer Individuen bei zeitweise starker Verjüngung zu verzeichnen (Tab. 3: Bür, Elk). Weidetieraktivitäten können zwar Etablierungsnischen schaffen, führen aber auch zu Individuenverlusten über Ausreißen von Trollblumen bzw. über Beschädigung der oberirdischen Teile der Pflanzen (eigene
Beobachtungen; Hulme 1994). Bei der trittempfindlichen Trollblume (Trittverträglichkeit 2: unverträglich bis empfindlich; Dierschke, Briemle 2002) kann Beweidung zu einem bedeutsamen Verlust an
Individuen führen. So stellen Lemke, Salguero-Gómez (2016) fest, dass auf beweideten Flächen Trollius-Populationen höhere Populationswachstumsraten aufweisen, aber mit geringerer individueller Überlebenswahrscheinlichkeit und geringerer
Lebenserwartung der Individuen; daraus resultieren insgesamt geringe Überlebensraten auf beweideten Flächen. Kostrakiewicz-Gierałt et al. (2015b) konnten bei extensiver Schafbeweidung über einen Zeitraum von sieben Jahren einen positiven
Effekt auf eine Population von T. europaeus var. transilvanicus in den Karpaten feststellen.
Neben der Intensität der Beweidung beeinflussen insbesondere die Dauer und der Zeitpunkt der Beweidung die Populationsentwicklung (vgl. Brys et al. 2004). So ist auf den Flächen Elk und Bür bei Rinderbeweidung mit
maximal 2 GVE/ha eine Verjüngung und ein Überleben generativer Trollblumen zu beobachten, wohingegen auf der Fläche Nuh die frühe Beweidung (ab Mai) mit maximal 2 GVE/ha in den letzten fünf Jahren zu einem Verschwinden der generativen Pflanzen führte
(2018 – 2020 konnten dort keine blühenden Pflanzen registriert werden).
4.2.4 Stabile Bestände über extensive Wiesennutzung bzw. Mähweidenutzung
Sowohl die Individuenanzahl als auch die Verteilung der Lebensaltersstadien können über längere Zeit konstant bleiben, wenn die Mahd nach dem 1. Juli und eine mögliche Nachbeweidung mit weniger als 2 GVE/ha erfolgt (Tab. 2, Tab. 3: Ork1, Ork2). Trollius europaeus ist nur mäßig schnittverträglich (Mahdverträglichkeitszahl 5 gemäß Briemle, Ellenberg 1994), so
dass Trollblumen auf Wiesen, auf denen die Anzahl von zwei Mahdterminen pro Jahr nicht überschritten wird und deren 1. Schnitt nicht vor Anfang Juli erfolgt, dauerhaft existieren können. Bedingt durch das unterirdische Rhizom sowie die dicht über dem Boden befindlichen
Erneuerungsknospen kann sich T. europaeus nach der Mahd rasch regenerieren (vgl. Strobel, Hölzel 1994; Kowarsch 1997).
Auf den gemähten Flächen sind die generativen Trollius-Individuen kleiner und haben weniger Blüten als in Grünlandbrachen. An die Ork1-Kartierfläche (einschürige Wiese) grenzen nicht gemähte Bereiche. In diesen Grünlandbrachen haben die generativen Trollblumen
durchschnittlich 5,2 ± 5,5 Blüten im Vergleich zu 2,3 ± 1,5 Blüten im gemähten Bereich (Daten aus Kowarsch 1997).
Der starke Rückgang der Trollblumen auf der Mähweide Lie2 (1996: 1,80 generative Pflanzen/m²; 2013: 0,04 generative Pflanzen/m²; Tab. 2, Tab. 3) könnte durch
mineralische Stickstoff(N)-Düngung bedingt sein. Im Juni 1996 erfuhr die Mähweide Lie2 eine starke mineralische Nitratdüngung (Kowarsch 1997). Der Vergleich der mittleren N-Zeigerwerte (mN) von 1996 (mN = 5,6;
Tab. 2) mit 2013 (mN = 5,2; Tab. 3) liefert hierzu allerdings keine Hinweise. Păcurar, Rotar (2011) stellten im rumänischen
Apuseni-Gebirge fest, dass mineralische Düngung mit Stickstoff, Phosphor und Kalium (NPK-Dünger) schon nach einem Jahr zu einer Abnahme der Abundanz von Trollius europaeus führt. Bei Mistdüngung (5 t/ha, 10 t/ha) hingegen konstatieren Rotar et al. (2011) eine Zunahme des Trollius-Anteils.
4.2.5 Nutzungsintensivierung als Rückgangsursache für Trollius europaeus
Auf Flächen intensiver landwirtschaftlicher Nutzung sind Trollblumen kaum zu finden. Für Trollius europaeus bedeutet Beweidung mehr Stress als Sommermahd (Ellenberg, Leuschner 2010). Nur wenn die durch Beweidung induzierten
Störereignisse nicht zu intensiv sind, können generative Trollblumen in gewissem Umfang bei gleichzeitiger Verjüngung überleben (Tab. 2, Tab. 3: Bür; Elk). Auf Grund ihrer
Giftigkeit für die Weidetiere erhält die Trollblume hinsichtlich der Weideverträglichkeit die Einstufung 7 (gut verträglich bzw. kaum betroffen) bei allerdings gleichzeitig hoher Trittempfindlichkeit (Trittverträglichkeit 2: unverträglich bis empfindlich; Dierschke, Briemle 2002). Zu hohe Weidetierbesatzdichten kombiniert mit ungeeigneten Weidezeitfenstern werden deshalb für Trollius-Bestände schnell bestandsbedrohend. So sind die 1996 noch großen Trollius-Bestände auf den als
Extensivmähweiden (Mahd nach dem 1. Juli, Beweidung mit max. 2 GVE/ha) genutzten Flächen Bre1 und Ahr nach Nutzungswechsel zur intensiveren Beweidung (Beweidung mit max. 4 GVE/ha im Zeitraum Anfang Mai bis Ende September) bereits in den 2010er-Jahren
erloschen.
5 Einordnung der Fallstudien und naturschutzfachliche Schlussfolgerungen
Die auf Basis dieser Untersuchungen in den Jahren 2014 und 2015 erfolgte erneute Kartierung sämtlicher 211 bereits im Zeitraum 1993 – 2013 im Hochsauerlandkreis kartierten Trollius-Bestände bestätigt die Repräsentanz der 14 Fallstudien: „Von
211 Standorten waren 2014/2015 bereits 123 verschwunden, und auch die verbliebenen sind teilweise stark in ihrem Bestand bedroht“ (Hochstein, Fedeli 2017). 47 % der 2014/2015 noch vorhandenen Trollius-Bestände müssen gemäß der
kreisweiten Erhebung von Hochstein, Fedeli (2017) als zurückgehend eingestuft werden. Die rückläufigen Trollius-Bestände waren wie in unserer Fallstudie vorwiegend auf Brachen oder auf Standweiden zu finden. Auf Standorten, auf denen
eine Zunahme von T. europaeus zu beobachten war, dominierte die einschürige Wiesennutzung (Hochstein, Fedeli 2017).
Wegener et al. (1998) bezeichnen eine Nutzung von Trollblumen-Feuchtwiesen jedes zweite Jahr als optimal, als suboptimal eine zweischürige Nutzung. Nach unseren Beobachtungen kann eine zweischürige Nutzung mit später erster Mahd
(nach dem 1. Juli) noch als Trollius-verträglich bezeichnet werden. Allerdings wird eine ein- bzw. zweischürige Wiesennutzung mit Heugewinnung unter den aktuellen agrarpolitischen Rahmenbedingungen von den Landwirtinnen und Landwirten immer weniger praktiziert –
alternativ wird auf diesen Flächen Mähweidenutzung bzw. extensive Beweidung durchgeführt. Mähweidenutzung in Kombination mit Silagegewinnung muss garantieren, dass die Trollius-Sammelbalgfrüchte bereits zum Schnittzeitpunkt ausgestreut haben, d. h. der erste
Schnitt sollte nicht vor dem 15. Juli erfolgen. Bei Beweidung sollten 2 GVE/ha nicht überschritten werden, da ansonsten die trittempfindlichen Trollblumen zu stark geschädigt werden. In extensiven Beweidungssystemen kann Trollius-Verjüngung stattfinden. Damit
genügend Jungpflanzen in die generative Phase gelangen, kann insbesondere bei sehr kleinen Populationen erwogen werden, Bereiche guter Trollius-Verjüngung zwei bis vier Jahre gegenüber den Weidetieren einzuzäunen. Auf der Bür-Fläche hat eine solche Einzäunung zu einer
Zunahme generativer Trollius-Individuen geführt (27 blühende Individuen im Jahr 2020 gegenüber 6 – 16 blühenden Individuen im Zeitraum 2013 – 2016). Wegener, Reichhoff (1989) merken an,
dass Trollius-Bestände im feuchten Berggrünland „am günstigsten durch späte Mahd im Wechsel mit Brachejahren zu erhalten [sind], wobei insbesondere 3 – 4 aufeinanderfolgende Brachejahre Massenvorkommen von Trollius initiieren“ (Empfehlungen zur
Grünlandbewirtschaftung auf Trollius-Standorten finden sich in Kasten 1).
Kasten 1: Empfehlungen zur Grünlandbewirtschaftung auf Trollblumen-Standorten.
Box 1: Recommendations for grassland management at globeflower locations.
Hinsichtlich der Nutzungsart ergibt sich für die trittempfindliche Trollblume (Trollius europaeus) folgende Eignungsreihung in absteigender Richtung: Wiese, Mähweide, Weide. Die Grünlandnutzung darf nicht vor dem 1. Juli (frühestmöglicher Zeitpunkt der Samenreife
und -ausstreu) erfolgen. Wird anstelle von Heu überwiegend Silage gewonnen, soll die Mahd nicht vor dem 15. Juli stattfinden. Die Wiesennutzung darf maximal zweischürig erfolgen. Bei Beweidung sollen 2 Großvieheinheiten (GVE) pro ha nicht überschritten werden und
die Beweidung soll nicht vor Juli erfolgen. Die Beweidung mit Schafen ist deutlich Trollius-verträglicher als die Beweidung mit Rindern. Auf brachgefallenem Grünland halten sich Trollblumen mehrere Jahrzehnte als große vielblütige Individuen, Verjüngung findet nicht statt. Nur
durch gelegentliche Mahd oder Beweidung können solche Bestände langfristig erhalten werden. Ein Nutzungsbeginn nach dem 15. Juli ist auf Trollius-Flächen generell zu bevorzugen.
Daraus resultiert folgende Eignungsreihung der Grünland-Bewirtschaftung (nach absteigender Eignung):
● einschürige Wiese (Mahd nach dem 1. Juli) mit ein bis vier „Brachejahren“,
● einschürige Wiese (Mahd nach dem 1. Juli),
● zweischürige Wiese (1. Mahd nach dem 1. Juli),
● Mähweide (Mahd nach dem 1. Juli, Nachbeweidung im Herbst, < 2 GVE/ha),
● Mähweide (Beweidung mit < 2 GVE/ha nach dem 1. Juli, Spätsommermahd),
● extensive Beweidung (mit < 2 GVE/ha nach dem 1. Juli).
Trollius europaeus kann Umweltveränderungen offensichtlich kaum kompensieren (Angaben zur Biologie von T. europaeus und daraus resultierende Anpassungspotenziale an Umweltveränderungen finden sich in Abschnitt 2 im Online-Zusatzmaterial I). Einzig und allein die Langlebigkeit der Stauden ermöglicht es, negative Lebensbedingungen zu
überdauern, so dass die Trollius-Bestände den für sie negativen standörtlichen Veränderungen zeitlich hinterherhinken (Resilienz durch Langlebigkeit der Individuen der Art T. europaeus: „extinction debt“; siehe Piqueray et al.
2011).
Für die mittlerweile sehr kleinen isolierten Trollius-Bestände im nördlichen Rothaargebirge stellt sich die Frage, ob diese langfristig überlebensfähig sind. Erste Ergebnisse populationsgenetischer Untersuchungen dieser kleinen Bestände deuten darauf hin, dass sie nicht
wesentlich genetisch verarmt sind (Kowarsch et al. 2022). Allerdings unterliegen kleine Populationen durch stochastische Umweltprozesse einem höheren Aussterberisiko (Menges 1992). Für solche
stark gefährdeten Trollius-Bestände im nördlichen Rothaargebirge werden daher bestandsstützende Ex-situ-/In-situ-Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt (Kowarsch et al. 2022).
Zusatzmaterial zum Beitrag
6 Literatur
↑
Abt K. (1991): Landschaftsökologische Auswirkungen des Agrarstrukturwandels im württembergischen Allgäu. Verlag Dr. Kovač. Hamburg: 151 S.
↑
Bartz R.-P., Bolbrinker P. et al. (1984): Zum Rückgang der Trollblume (Trollius europaeus L.) im Kreis Teterow im Zeitraum von 1972 bis 1983. Naturschutzarbeit in Mecklenburg 27(1):
39 – 41.
↑
Biologische Station Hochsauerlandkreis (2016): Trollius europaeus und Centaurea pseudophrygia im Hochsauerlandkreis. Bestandserfassung 2014 und 2015. Unveröff. Abschlussbericht. Naturschutzzentrum – Biologische Station –
Hochsauerlandkreis e. V. Brilon: 527 S.
↑
Biologische Station Rothaargebirge (1997): Effizienzuntersuchung des Vertragsnaturschutzes anhand der Leitarten Arnika und Trollblume. Kartierung im Kreis Siegen-Wittgenstein im Auftrag der LÖBF. Unveröff. Bericht. Biologische Station Rothaargebirge.
Erndtebrück: 7 S.
↑
Braun-Blanquet J. (1964): Pflanzensoziologie. Springer. Wien: 865 S.
↑
Briemle G., Ellenberg H. (1994): Zur Mahdverträglichkeit von Grünlandpflanzen. Natur und Landschaft 69(4): 139 – 147.
↑
Brys R., Jacquemyn H. et al. (2004): The effects of grassland management on plant performance and demography in the perennial herb
Primula veris. Journal of Applied Ecology 41(6): 1.080 – 1.091.
↑
Buse J., Boch S. et al. (2015): Conservation of threatened habitat types under future climate change – Lessons from plant-distribution
models and current extinction trends in southern Germany. Journal for Nature Conservation 27(1): 18 – 25.
↑
Dierschke H., Briemle G. (2002): Kulturgrasland. Verlag Eugen Ulmer. Stuttgart: 239 S.
↑
Ellenberg H., Leuschner C. (2010): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen. 6. Aufl. Verlag Eugen Ulmer. Stuttgart: 1.334 S.
↑
Ellenberg H., Weber H.E. et al. (1992): Zeigerwerte von Pflanzen in Mitteleuropa. 2. Aufl. Scripta Geobotanica, Bd. 18. Goltze-Verlag. Göttingen: 258 S.
↑
Espindola A., Pellissier L. et al. (2012): Predicting present and future intra-specific genetic structure through niche hindcasting across
24 millennia. Ecology Letters 15(7): 649 – 657.
↑
Finck P., Heinze S. et al. (2017): Rote Liste der gefährdeten Biotoptypen Deutschlands. 3., fortgeschr. Fassung. Naturschutz und Biologische Vielfalt 156: 637 S.
↑
Fischer K. (1994): Trollblume (Trollius europaeus). In: Fischer K., Kunz M. (1994):
Grünland-Leitarten des Westerwaldes: Verbreitung, Lebensraumansprüche, Gefährdung, Schutz. Gutachten im Auftrag des Landesamtes für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz. Oppenheim: 205 S.
↑
Gatsuk L.E., Smirnova O.V. et al. (1980): Age states of plants of various growth forms: A review. Journal of Ecology 68(2): 675 – 696.
↑
Götte R. (2007): Flora im östlichen Sauerland. Verein für Natur- und Vogelschutz e. V. Arnsberg: 600 S.
↑
Graffmann F. (2004): Neue Flora von Herborn und dem ehemaligen Dillkreis sowie ihre Entwicklung in den letzten 250 Jahren. Botanische Vereinigung für Naturschutz in Hessen e. V. Marburg: 414 S.
↑
Hitchmough J.D. (2003): Effects of sward height, gap size, and slug grazing on emergence and establishment of Trollius europaeus (Globeflower).
Restoration Ecology 11(1): 20 – 28.
↑
Hochstein J., Fedeli M. (2017): Die Trollblume im Hochsauerlandkreis. Natur in NRW 2/2017: 31 – 34.
↑
Hulme P.E. (1994): Seedling herbivory in grassland: Relative impact of vertebrate and invertebrate herbivores. Journal of Ecology 82(4): 873 – 880.
↑
Jensch D., Poschlod P., Schossau C. (2001): Überlegungen zur Zustandsbewertung und zu einem Monitoring von Pflanzenpopulationen im Rahmen der FFH-Richtlinie. In: Fartmann T., Gunnemann H. et al. (Hrsg.): Berichtspflichten in
Natura-2000-Gebieten – Empfehlungen zur Erfassung der Arten des Anhangs II und Charakterisierung der Lebensraumtypen des Anhangs I der FFH-Richtlinie. Angewandte Landschaftsökologie 42: 46 – 64.
↑
Kochanowska P., Gamrat R. (2007): Grass communities with globeflower (Trollius europaeus L.) in the river Chociel valley. Grassland Science in Poland 10: 119 – 129.
↑
Kostrakiewicz K. (2009): The influence of shadow created by adjacent plants on phenotypic plasticity of endangered species Trollius europaaus L. (Ranunculaceae). Polish Journal of Ecology 57(4):
625 – 634.
↑
Kostrakiewicz-Gierałt K. (2012): The impact of neighbourhood and gap character on seedling recruitment of Trollius europaeus L. and Iris sibirica L. in Molinietum
caeruleae meadows. Biodiversity: Research and Conservation 28: 37 – 44.
↑
Kostrakiewicz-Gierałt K., Kozak M., Kozłowska-Kozak K. (2015a): The effect of different habitat conditions on temporal and spatial variation in selected
population properties of the rare plant species Trollius europaeus L. Biodiversity Research Conservation 39: 67 – 78.
↑
Kostrakiewicz-Gierałt K., Kozak M., Kozłowska-Kozak K. (2015b): The impact of extensive sheep grazing on the population and individual traits of Trollius altissimus Crantz. Polish Journal of Ecology 63(4):
523 – 533.
↑
Kowarsch N.R. (1997): Standorts- und populationsökologische Untersuchungen an Trollius europaeus L. im nördlichen Rothaargebirge. Diplomarbeit. Wiss. Naturschutz II. Philipps-Universität Marburg. Marburg:
139 S.
↑
Kowarsch N.R. (2020): Gibt es bei Trollblumen-Beständen im Hochsauerlandkreis Zusammenhänge zwischen der Höhenlage und der Bestandsentwicklung? Unveröffentlicht.
↑
Kowarsch N.R., Ziegenhagen B. et al. (2022): Ex-situ-/In-situ-Erhaltungsmaßnahmen für gefährdete Bestände der Trollblume an ihrem nordwestlichen Verbreitungsrand. Ein Beitrag zur Erhaltung der Leitart Trollius europaeus im montanen
Grünland. Naturschutz und Landschaftsplanung 54(5): im Druck.
↑
Lemke T. (2011): The situation of Trollius europaeus L.
(Ranunculaceae) in the north-east of Central Europe – History, current changes and conservation. Plant Diversity and Evolution 129(3 – 4): 219 – 228.
↑
Lemke T., Salguero-Gómez R. (2016): Land use heterogeneity causes variation in demographic viability of a bioindicator of species-richness in protected fen
grasslands. Population Ecology 58(1): 165 – 178.
↑
Linkola K. (1935): Über die Dauer und Jahresklassenverhältnisse des Jugendstadiums bei einigen Wiesenstauden. Acta Forestalia Fennica 42(2): 1 – 56.
↑
Menges E.S. (1992): Stochastic modelling of extinction in plant populations. In: Fiedler P., Jain S.K. (Hrsg.): Conservation Biology: The theory and practice of nature conservation, preservation and management. Springer. New York:
253 – 275.
↑
Metzing D., Garve E., Matzke-Hajek G. (2018): Rote Liste und Gesamtartenliste der Farn- und Blütenpflanzen (Tracheophyta) Deutschlands. Naturschutz und Biologische Vielfalt 70(7): 13 – 358.
↑
Michalska-Hejduk D., Kopeć D. (2012): Dynamics of semi-natural vegetation with a focus on Molinion meadows
after 50 years of strict protection. Polish Journal of Environmental Studies 21(6): 1.731 – 1.741.
↑
Milberg P. (1994): Germination ecology of the polycarpic grassland perennials Primula veris and Trollius europaeus. Ecography 17(1):
3 – 8.
↑
Mitlacher K., Poschlod P. et al. (2002): Restoration of wooded meadows – A comparative analysis along a chronosequence on Öland
(Sweden). Applied Vegetation Science 5(1): 63 – 73.
↑
Molisch H. (1938): The longevity of plants. Science Press. Lancaster: 226 S.
↑
Myśliwy M., Bosiacka B. (2009): Disappearance of Molinio-Arrhenatheretea meadows diagnostic species in
the upper Płonia river valley (NW Poland). Polish Journal of Environmental Studies 18(3): 513 – 519.
↑
Oberdorfer E. (1994): Pflanzensoziologische Exkursionsflora. 7. Aufl. Verlag Eugen Ulmer. Stuttgart: 1.050 S.
↑
Păcurar F., Rotar I. (2011): The effect of low-input upon semi-natural grasslands of Apuseni Mountains. Lucrări ştiinţifice 54(2): 263 – 266.
↑
Piqueray J., Bisteau E. et al. (2011): Plant species extinction debt in a temperate biodiversity hotspot: Community, species and functional traits
approaches. Biological Conservation 144(5): 1.619 – 1.629.
↑
Poschlod P. (2017): Geschichte der Kulturlandschaft. 2. Aufl. Verlag Eugen Ulmer. Stuttgart: 320 S.
↑
Rabotnov, T.A. (1945): Biological observations on the subalpine meadows of the Northern Caucasus. Botaniceskij Zhurnal 30: 167 – 177.
↑
Rabotnov T.A. (1969): On coenopopulations of perennial herbaceous plants in natural coenoses. Vegetatio 19: 87 – 95.
↑
Rabotnov T.A. (1985): Dynamics of plant coenotic populations. In: White J. (Hrsg.): The population structure of vegetation. Handbook of vegetation science. Dr. W. Junk Publishers. Dordrecht: 121 – 142.
↑
Reichelt G., Wilmanns O. (1973): Vegetationsgeographie. Westermann. Braunschweig: 210 S.
↑
Ringler A. (1987): Gefährdete Landschaft: Lebensräume auf der Roten Liste. Eine Dokumentation in Bildvergleichen. BLV. München: 195 S.
↑
Rotar I., Păcurar F. et al. (2011): The organic fertilization and mulching from bear meadows. Lucrări ştiinţifice 54(2): 271 – 273.
↑
Sala O.E., Chapin F.S. et al. (2000): Global biodiversity scenarios for the year 2100. Science 287(5.459): 1.770 – 1.774.
↑
Schweingruber F., Poschlod P. (2005): Growth rings in herbs and shrubs: Life span, age determination and stem anatomy. Forest Snow and Landscape Research 79(3): 195 – 415.
↑
Serebryakov I.G. (1952): Morphology of vegetative organs of higher plants. Sovetskaya nauka. Moskau: 392 S.
↑
Strobel C., Hölzel N. (1994): Landschaftspflegekonzept Bayern. Lebensraumtyp Feuchtwiesen. Bd. II.6. Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen, Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege. München:
204 S.
↑
Wegener U., Jeschke L. et al. (1998): Wiesen und Weiden. In: Wegener U. (Hrsg.): Naturschutz in der Kulturlandschaft. Gustav-Fischer-Verlag. Jena: 281 – 313.
↑
Wegener U., Reichhoff L. (1989): Zustand, Entwicklungstendenzen und Pflege der Bergwiesen. Hercynia N. F. 26(2): 190 – 198.
↑
Weinert E. (1978): Karten der Pflanzenverbreitung in der DDR. Hercynia N. F. 15(3): 229 – 320.
Dank
Thomas Koch hat sich umfassend an den Trollius-Kartierungen beteiligt. Georg Kozulins hat zur Visualisierung der Trollius-Kartierungen beigetragen. Christine Schmiege hat maßgeblich an den Vegetationsaufnahmen und der Auswertung der Vegetationstabellen mitgewirkt.
Werner Schubert, Katharina Wrede und Nicole Fichna von der Biologischen Station des Hochsauerlandkreises haben Gebietskarten zur Verfügung gestellt, Informationen zur Bewirtschaftung der Bestände geliefert und die Betretungserlaubnisse für die Naturschutzgebiete organisiert. Allen sei
herzlichst gedankt – ohne ihr Mitwirken wären diese Untersuchungen nicht möglich gewesen!