Dirk Poggensee-Roweck und Svenja Störmer
Zusammenfassung
Praxisnahe Planungsprozesse und eine gute Kommunikation auf interdisziplinärer Ebene sind Faktoren für erfolgreiche Projekte. Vorhabentypen wie der Brückenersatzneubau müssen allerdings noch dahin entwickelt werden. Die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und
Verkehr (NLStBV) hat es sich anlässlich der großen Zahl neu zu bauender Brückenbauwerke im Straßennetz zur Aufgabe gemacht, diese Entwicklung anzugehen. Dafür hat sie auch die Erarbeitung eines Leitfadens veranlasst, der künftig die Beteiligten bei den Planungsprozessen von
Brückenersatzneubauvorhaben organisatorisch und inhaltlich unterstützen soll. Im vorliegenden Artikel werden zu Beginn die besonderen Anforderungen des Brückenersatzneubaus an den Planungsprozess und die interdisziplinäre Zusammenarbeit erläutert. Die Erkenntnisse aus einer
Problemanalyse dienen als Basis für das Verständnis, welche Veränderungen erforderlich sind, um den Planungsprozess und die Zusammenarbeit der Beteiligten zu optimieren. Mit Blick auf den Inhalt des Leitfadens werden anschließend die wichtigsten Maßnahmen zur Optimierung des
Planungsprozesses vorgestellt.
Planungsprozess – Straßenbau – Brückenersatzneubau – Konstruktiver Ingenieurbau – Interdisziplinarität – Zusammenarbeit – Eingriffsregelung – UmweltplanungAbstract
Practicable planning processes and good communication on an interdisciplinary level are factors for successful construction projects. However, projects such as bridge replacements are lacking in that area. In view of the large number of bridges needing renewal in the road
network, the Lower Saxony state authority for road construction and transport (NLStBV) has set itself the task of tackling this challenge. It has initiated the development of a guideline that is intended to provide organisational and substantive assistance to those involved in
planning processes for future bridge replacement projects. This article first explains the special requirements of such projects in terms of the planning process and interdisciplinary cooperation. The findings of an analysis of the current critical points serve as a basis for
understanding which changes are needed to optimise planning processes and collaboration between project participants. After an overview of the content of the guideline, the key measures for optimising planning processes are presented.
Planning process – Road construction – Bridge replacement construction – Structural engineering – Interdisciplinarity – Collaboration – Impact regulation – Environmental planningInhalt
1 Einleitung
Der Leitfaden Brückenersatzneubau (NLStBV 2022) wurde zur Optimierung des Planungsprozesses von Brückenersatzneubauvorhaben erstellt. Die Grundlage dafür bot eine Problemanalyse, die im Zuge der Arbeit „Planungshilfen für den
konstruktiven Ingenieurbau und die Umweltplanung bei der interdisziplinären Aufgabe des Brückenersatzneubaus“ (Rockmann 2016) aufgestellt worden war. Im Rahmen dieser wissenschaftlichen Arbeit wurde gemeinsam mit der
Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) der Austausch der Fachdisziplinen konstruktiver Ingenieurbau, Umweltplanung und Straßenbau bei der Planung von Brückenersatzneubauten untersucht. Die Untersuchung fokussierte sich auf den Planungsprozess, das
Genehmigungsverfahren und die Zusammenarbeit zwischen den Fachdisziplinen. Ziel der Arbeit war die Identifizierung der Faktoren, die zu planerischen Defiziten und Verzögerungen im Planungsprozess führten.
2 Problemanalyse
Die Straßenbauverwaltung und die an der Planung beteiligten Büros können auf fundierte Fachkenntnisse und viel Planungserfahrung aus dem Streckenneubau und bei umfassenden Streckenerneuerungen zurückgreifen. Bei den Neubaumaßnahmen liegt die Verantwortung für Integration und
Koordination der Fachplanungen bei der Objektplanung für die Straßenplanung. Eine der Fachplanungen wird von der Objektplanung der Ingenieurbauwerke erarbeitet. Die Objektplanung der Verkehrsanlage führt jedoch alle Fachplanungen zusammen und stellt die entsprechenden Unterlagen für
die baurechtlichen und finanztechnischen Freigaben zusammen.
Durch die Aufgabenstellung eines Brückenersatzneubaus werden nun die Planungsanteile anders gewichtet. Die Straßenplanung beschränkt sich auf die bestandsnahe Anschlussplanung im Umbaubereich. Der wesentliche Planungsanteil liegt bei der Objektplanung der
Ingenieurbauwerke. Damit liegt in diesen Projekten auch die Verantwortung für Integration und Koordination der Fachplanungen beim konstruktiven Ingenieurbau. Auf Grund geringer Erfahrungen mit dieser Aufgabe kam es im Planungsprozess zu Verzögerungen.
Die Untersuchung hat gezeigt, dass der Planungsablauf für den Streckenneubau nicht ohne Anpassungen auf Brückenersatzneubaumaßnahmen angewendet werden kann. Dadurch, dass der Fokus auf der Erneuerung des Bauwerks liegt, ist bei der Planung zu einem früheren Zeitpunkt eine größere
Planungstiefe erforderlich. Hierbei ist die Zusammenarbeit zwischen den Fachplanungen bedeutsam, um den Planungsablauf ausreichend effektiv zu gestalten. Der problem- und zielorientierte interdisziplinäre Austausch sowie die zielgerichtete, geeignete Kommunikation sind dafür wichtige
Werkzeuge.
3 Zielsetzung der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV)
Auf Basis der Problemanalyse wurde von der NLStBV entschieden, einen Leitfaden zu entwickeln, der Hilfestellungen für die Beantwortung fachlicher Fragen gibt und Möglichkeiten zur Optimierung des Planungsprozesses aufzeigt. Dabei liegt der Fokus darauf, eine klare
interdisziplinäre Kommunikation und Zusammenarbeit bei der Planung eines Brückenersatzneubaus zu erreichen. Der Leitfaden bezieht sich auf Vorhaben des Brückenersatzneubaus im Zuständigkeitsbereich der NLStBV. Brückenersatzneubauvorhaben im Sinne dieses Leitfadens sind in erster
Linie Vorhaben zur dauerhaften Brückenerneuerung (Ersatzneubau) für Brückenbauwerke gemäß DIN 1076. Er dient den Planungsbeteiligten als Orientierungshilfe im Planungsprozess und unterstützt den konstruktiven Ingenieurbau, die Straßen- und die Umweltplanung bei der Zusammenarbeit mit
den jeweils anderen Fachdisziplinen. Er ist als ein Hilfsmittel zu verstehen, das Wege aufzeigt, um Planungsabläufe und Abstimmungsprozesse zu optimieren. Darüber hinaus führt der Leitfaden zwingend und optional zu betrachtende Aspekte auf. Weiterhin stellt er Arbeitshilfen und
Checklisten zur direkten Anwendung bereit. Mit Hilfe des Leitfadens soll die Baumaßnahme eines Brückenersatzneubaus bestmöglich vorbereitet werden, da insbesondere bei diesen Vorhaben in der Regel eine schnelle Umsetzung erforderlich wird.
4 Aufbau des Leitfadens
Der Leitfaden (NLStBV 2022) orientiert sich in seinem Aufbau am Ablauf des Planungsprozesses in den Leistungsphasen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) Teil 3 (Objektplanung, Ingenieurbauwerke
und Verkehrsanlagen). Dabei werden in den Leistungsphasen allgemeine Hinweise zur Bearbeitung gegeben und die Besonderheiten der Planung des Brückenersatzneubaus beschrieben. Den Anwendern ist es damit möglich, das Vorhaben mit Hilfe des Leitfadens schrittweise und lückenlos
abzuarbeiten. Projektbeteiligten, die nicht durchgängig am Planungsprozess beteiligt sind, wird der (Wieder-)Einstieg in das Vorhaben erleichtert, da mit Hilfe des Leitfadens der erforderliche Planungsstand sowie die zu erbringenden Leistungen ermittelt werden können.
Als Grundlage für die Projektbearbeitung wird im Leitfaden zu Beginn die Projektorganisation erläutert. Es schließt sich der eigentliche Planungsprozess an, zu dessen Beginn die erforderlichen Planungsaufträge für einen Brückenersatzneubau vergeben werden. Der Bedarf für einen
Brückenersatzneubau ist demnach zu diesem Zeitpunkt bereits festgestellt.
Der Gesamtprozess teilt sich in den Planungsprozess und die sich daran anschließende Realisierungsphase (Abb. 1). Den Abschluss findet der Leitfaden mit dem Ende der Bauausführung. Das Dokument wird durch Arbeitshilfen und
Checklisten ergänzt. Die Arbeitshilfen enthalten Schemata, Entscheidungsbäume, Hintergrundinformationen, Tabellen und andere Vorlagen, die bei ausgewählten Fragestellungen, z. B. bei der Wahl des Zulassungsverfahrens und der Entwässerungsplanung, angewendet werden können. Die den
Kapiteln und Planungsschritten zugeordneten Checklisten dienen dem koordinierten und vollständigen Abarbeiten der einzelnen Arbeitsschritte und unterstützen die Nachvollziehbarkeit und Prüfbarkeit des Planungsverfahrens.
5 Beteiligte und ihre Rollen im interdisziplinären Planungsprozess
Die zentrale Rolle in der Planung nimmt das Projektmanagement ein, das durch die Projektleitung vertreten wird. Diese kann je nach Umfang der Maßnahme als Gesamtprojektleitung agieren und mehrere fachbezogen eingesetzte Projektleitungen koordinieren. Es muss gewährleistet sein,
dass die wesentlichen Informationen auf der Ebene der Projektleitung ausgetauscht werden. Grundsätzlich ist in jedem Projekt eine Zusammenarbeit der Planer für den Projekterfolg wichtig. Beim Brückenersatzneubau ist es auf Grund der oft hohen Dringlichkeit aber umso wichtiger, dass
die Gesamtplanung als gemeinsame Aufgabe verstanden wird, die in kurzer Zeit zu lösen und realisieren ist und die trotzdem inhaltlich möglichst widerspruchsfrei sein muss. Dieses Ziel gemeinsam mit den Fachplanungen zu verfolgen, ist eine wichtige Aufgabe der Projektleitung. Durch
das Projektmanagement ist zu gewährleisten, dass die richtigen Personen zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen inhaltlichen Fokus, der richtigen fachlichen Basis und den richtigen Fragen zusammenkommen. Dabei ist jedoch die Projektleitung auch darauf angewiesen, dass die zentralen
Fachplanungen sie unterstützen.
Die wichtigsten Fachplanungen beim Brückenersatzneubau sind der konstruktive Ingenieurbau (Objektplanung) und die Straßenplanung sowie die Umweltplanung. Der konstruktive Ingenieurbau ist Hauptakteur bei der Planung von Brückenbauwerken. Unter Berücksichtigung der
Aufgabenstellung des Auftraggebers werden von der Objektplanung die Grundlagen zusammengetragen und daraus Planungskonzepte und Lösungsmöglichkeiten entwickelt. Wichtig ist dabei, dass von Beginn an die Zusammenarbeit mit den an der Planung fachlich Beteiligten gesucht bzw. seitens
der Projektleitung eingefordert wird, damit Lösungsmöglichkeiten mit den Fachplanungen erörtert werden können. Erst im Austausch zwischen den Fachplanungen können die konstruktiven Überlegungen und ihr Einfluss auf die Verkehrsanlagenplanung und Umweltplanung ausreichend bewertet
werden.
Die Objektplanung der Verkehrsanlage begleitet die Projekte, da mindestens kleinräumig Anpassungen am Verkehrsweg im Rahmen des Ersatzneubaus notwendig werden. Außerdem ist eine Planung erforderlich, wenn Behelfsumfahrungen für die Umsetzung der Maßnahme notwendig sind. Anhand
der Aufgabenstellung des Auftraggebers erarbeitet die Straßenplanung mögliche Trassenvarianten für den Endzustand und ggf. auch für den Bauzustand. Bei notwendigen Anpassungen an der Lage, an der Gradiente oder am Querschnitt stimmt sie dazu Lösungsmöglichkeiten mit der Objektplanung
für das Ingenieurbauwerk und mit der Auftraggeberseite ab. Für diese Abstimmungen ist es erforderlich, dass aus den Fachplanungen die Randbedingungen für die Variantenuntersuchung bekannt sind. Es müssen daher auch erste Konzepte für die Planung des Ingenieurbauwerks vorliegen, da
sich daraus Einschränkungen für die Varianten der Verkehrsanlage ergeben können. Es können z. B. Lagevarianten wegfallen, weil sie sich durch ungünstige Stützweitenverhältnisse negativ auf die Brückenkonstruktion auswirken.
Die Umweltplanung hat die Aufgabe, das Vorhaben hinsichtlich natur- und umweltfachlicher Belange zur Genehmigungs-reife zu führen und es so zu gestalten, dass den geltenden Gesetzen nicht widersprochen wird. Sie dient auch dazu, die Belange des Natur- und Umweltschutzes im
Projekt zu vertreten sowie in die Planungsinhalte des Vorhabens zu integrieren. Die Auswirkungen der Planungen werden von der Umweltplanung gegenüber den anderen Fachplanungen erläutert und in der Maßnahmenplanung dargestellt.
Damit ein stetiger und flüssiger Projektablauf erreicht werden kann, muss eine gute, partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Objektplanung für das Ingenieurbauwerk und der Objektplanung für die Straßenplanung sowie der Umweltplanung erreicht werden. Basis dieser
Zusammenarbeit muss eine klare und gute Kommunikation sein.
6 Kommunikation im Projekt
Kommunikation im beruflichen Kontext hat grundsätzlich das Ziel, ein Ergebnis, eine Lösung zu erarbeiten. Im Planungsprozess gilt es, bei unterschiedlichen Planungsaufgaben, unterschiedlichen Planungswerkzeugen sowie unterschiedlichen planerischen und fachrechtlichen Grundlagen
gemeinsam eine Lösung zu entwickeln. Dabei treten die Beteiligten in ihrer eigenen Fachdisziplin als Expertin oder Experte und in den anderen Fachdisziplinen als Laiin oder Laie auf.
Zu einem interdisziplinären fachlichen Austausch, der Lösung planerischer Konflikte zwischen zwei Fachdisziplinen oder der Akzeptanz von Vorgaben einer anderen Fachdisziplin bedarf es eines Verständnisses von Inhalt und dessen Bedeutung. Im Austausch zwischen den Fachplanungen
ist einer der Gesprächspartner auf dem Fachgebiet des anderen ein Laie. Entsprechend ist er davon abhängig, dass die Expertin oder der Experte klar und verständlich erläutert, warum ein Thema betrachtet wird, was zu dessen Gestalt geführt hat, wie die Gestalt ist und welche
Auswirkungen es auf andere Bereiche der Planung hat. Dieser Austausch funktioniert leichter, wenn es bei den Beteiligten einen so genannten common ground, d. h. eine gemeinsame Basis des Fachwissens in allen Fachdisziplinen gibt. Das Basiswissen ermöglicht es den unterschiedlichen
Fachdisziplinen, in einem interdisziplinären Austausch gezielter Fragen zu stellen. Mit dem Leitfaden soll die Schaffung einer gemeinsamen Basis unterstützt werden.
Neben der internen Projektkommunikation wird im Leitfaden auch die hohe Relevanz der Projektkommunikation nach außen beschrieben. Die entsprechenden Schritte im Planungsablauf werden dargestellt. Unabhängig von der verpflichtenden Durchführung eines formellen
Beteiligungsverfahrens ist es oftmals sinnvoll, die Öffentlichkeit – gemeint sind hier Privatpersonen, Anwohner, Vereine und Nichtregierungsorganisationen – zu beteiligen. Durch eine transparente Projektarbeit kann eine Ablehnung des Projekts in der Bevölkerung frühzeitig
und nachhaltig vermieden werden. Die Beteiligung ermöglicht einen sachlichen Umgang mit den Anliegen der Akteure und bietet die Chance, mit diesen in direkten Austausch zu treten und Konflikte zu lösen.
7 Planungsprozess
Bei der Planung eines Brückenersatzneubaus steht das Bauwerk im Fokus. Dadurch unterscheidet sich die Planung wesentlich von der Planung für den Neubau einer Brücke, die in der Regel im Rahmen einer Straßenneubaumaßnahme oder eines umfangreichen Straßenumbaus durchgeführt wird
(vgl. Kasten 1). Die Objektplanung der Ingenieurbauwerke muss auf Grund ihrer zentralen Rolle zusätzliche Aufgaben bearbeiten, und es ergeben sich Verschiebungen im bekannten Planungsablauf von Straßenneubauvorhaben. Zu den Aufgaben
gehören die Integration und Koordination der weiteren, an der Planung fachlich Beteiligten und die frühzeitige Beteiligung von Externen.
Kasten 1: Unterscheidung der Planungsprozesse von Brückenneubauvorhaben und Brückenersatzneubauvorhaben (stark vereinfacht).
Box 1: Differentiation between the planning processes of new bridge construction and bridge replacement construction (highly simplified).
Neubau einer Brücke im Zuge eines Streckenneubaus
Die Planrechtsunterlage wird von der Verkehrsplanung aufgestellt und enthält die Entwurfsplanung des Straßenbaus.
Die darin einfließende Unterlage des Bauwerks befindet sich auf dem Stand der Vorplanung.
Brückenersatzneubau
Die Planrechtsunterlage wird von der Ingenieurbauplanung aufgestellt und enthält die Entwurfsplanung des Straßenbaus.
Die Unterlage für das Bauwerk befindet sich auf dem Stand der Vorplanung, jedoch müssen die genehmigungsrelevanten Inhalte durch die Brückenplanung in ausreichender Tiefe in die Planrechtsunterlage eingeflossen sein.
Die Verschiebung im Planungsablauf besteht darin, dass die Objektplanung für das Ingenieurbauwerk bereits zum Genehmigungsverfahren eine größere Planungstiefe erreicht haben muss, als es bei Straßenneubaumaßnahmen in der Regel der Fall ist. Wird keine erhebliche bauliche
Umgestaltung des Bauwerks und damit der Bundesfernstraße erforderlich, ist unter Berücksichtigung von § 17 Abs. 1 Satz 2 und 3 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) in Verbindung mit § 4 FStrG kein Baurechtsverfahren nach § 74 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) erforderlich. Bei allen
übrigen Maßnahmen ist davon auszugehen, dass ein Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren durchzuführen ist. Erst auf Grundlage einer aussagekräftigen Planung für den Brückenersatzneubau kann entschieden werden, ob es sich um eine Erhaltungsmaßnahme ohne erhebliche
Umgestaltung handelt oder nicht. Daher ist eine ausreichende Planungstiefe notwendig, um zu entscheiden, ob ein Planrechtsverfahren durchgeführt werden muss. Falls kein Verfahren erforderlich ist, bedeutet das jedoch nicht, dass keine Genehmigungen eingeholt werden müssen. Außerhalb
des Baurechtsverfahrens kann es im Projekt erforderlich sein, Einzelgenehmigungen z. B. nach Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) oder Wasserhaushaltsgesetz (WHG) zu erwirken.
Die Objektplanung der Ingenieurbauwerke muss deshalb die wesentlichen genehmigungsrelevanten Aspekte frühzeitig betrachten. Dazu gehören die Ermittlung des voraussichtlichen Bedarfs an Baustelleneinrichtungsflächen und die Beurteilung, ob durch das Vorhaben erhebliche nachteilige
Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten sind. In diesem Zusammenhang können auch das vorgesehene Abbruch- und Herstellungsverfahren, die Dauer der Bauarbeiten und die Empfindlichkeit des betroffenen Raums (z. B. Schutzgebiete, Nähe zur Wohnbebauung) Auswirkungen auf das
Genehmigungserfordernis und die Genehmigung haben. Dies erfordert eine Abstimmung und enge Zusammenarbeit zwischen Objektplanung und Umweltplanung. Der Leitfaden stellt hierfür mögliche Strategien nach dem Prinzip der Best-Case- und Worst-Case-Betrachtung für die Festlegung des
Untersuchungsraums vor.
Die Umweltplanung muss die Auswirkungen der Objektplanung auf Natur und Umwelt prüfen. Die Eingriffsregelung mit dem landschaftspflegerischen Begleitplan (LBP) stellt das Basiswerk der naturschutzfachlichen Gutachten dar. In den LBP fließen, sofern erforderlich, weitere
Teilgutachten wie der artenschutzrechtliche Fachbeitrag, der Bodenschutzbeitrag oder auch der Fachbeitrag zur Wasserrahmenrichtlinie ein. Die Fauna-Flora-Habitat(FFH)-Verträglichkeitsprüfung ist in der Regel ein eigenständiges Gutachten. Weitere fachplanerische Themen und Gutachten,
wie Entwässerungsplanung, Baugrundgutachten, Entsorgung und Baulärm, sind in den umweltfachlichen Prüfungen zu berücksichtigen. Die Ergebnisse dieser Prüfungen können über die Zulässigkeit eines Vorhabens entscheiden.
Alle Festlegungen, die im Zuge der Planungen bis hin zum ggf. erforderlichen Planrechtsverfahren getroffen werden, müssen auch in der Bauphase umgesetzt werden können. Änderungen am Bauverfahren, die eine größere Flächeninanspruchnahme zur Folge haben, sind ohne
Änderungsverfahren nicht umsetzbar. Daher ist bei genehmigungsrelevanten Themen eine entsprechende Planungstiefe für den konstruktiven Ingenieurbau bereits zur Genehmigungsplanung und damit zum Planrechtsverfahren erforderlich. Eingereicht werden die Unterlagen für das
Planrechtsverfahren nach den „Richtlinien zum Planungsprozess und für die einheitliche Gestaltung von Entwurfsunterlagen im Straßenbau“ (RE). Mit dem Abschluss der Genehmigungsplanung tritt die Maßnahme in die Realisierungsphase ein.
Eine ausreichende Information und ggf. die Beteiligung der Öffentlichkeit in der Planungs- und Realisierungsphase trägt erheblich zur Akzeptanz der Baumaßnahme bei. Die Durchführung des Brückenersatzneubaus unterscheidet sich allerdings in der Realisierungsphase nicht wesentlich
vom Brückenneubau. Trotzdem werden im Leitfaden Hinweise und Informationen von der Ausführungsplanung bis zur Fertigstellung der Maßnahme zur Verfügung gestellt.
8 Fazit
Der Leitfaden (NLStBV 2022) spricht alle Planungsbeteiligten eines Brückenersatzneubauvorhabens an. Die Inhalte des Leitfadens beruhen auf Erfahrungen aus der Planungs- und Baupraxis und wurden von einem interdisziplinären
Arbeitskreis erarbeitet, an dem verschiedene Dezernate der NLStBV sowie Planungsingenieure beteiligt waren. Es werden die jeweiligen Aufgaben sowie die planerischen Inhalte und Ziele beschrieben. Dabei wird herausgestellt, dass die interdisziplinäre Kommunikation zwischen den
zentralen Fachplanungen eine große Bedeutung für den Projekterfolg hat. Mit Blick auf den Projektdruck durch die große Anzahl an abgängigen Straßenbrücken legt der Leitfaden ein großes Augenmerk auf die Beschleunigung des Planungsprozesses. Der Leitfaden führt dafür u. a. auch die
zeitintensiven Arbeitsschritte zur Berücksichtigung im Projektzeitenplan auf.
Im Aufbau orientiert sich der Leitfaden an den Leistungsphasen der HOAI Teil 3. Zu den Planungsschritten wird auf weitere vertragliche Grundlagen wie das „Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau“ (BMVI 2019a, b) und auf relevante Richtlinien aus den verschiedenen Fachdisziplinen verwiesen. Mit dem Leitfaden wird von der NLStBV eine Arbeitshilfe zur Verfügung gestellt, die zur
Zusammenarbeit der Fachplanungen auffordert und sowohl Berufseinsteiger als auch erfahrene Planungsbeteiligte in der Projektbearbeitung unterstützen kann. Zur Erstellung des Leitfadens „Brückenersatzneubau“ wurden die Ausführungen in BMVI (2018, 2021) sowie in DIN (2019) als wesentliche Quellen genutzt.
9 Literatur
↑
BMVI/Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.) (2018): Leitfaden Großprojekte. BMVI. Berlin: 134 S.
↑
BMVI/Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Abteilung Bundesfernstraßen (2019a): Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA B-StB), Teil 1: Richtlinien für das Aufstellen der Vergabeunterlagen. BMVI. Berlin: 30 S.
↑
BMVI/Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Abteilung Bundesfernstraßen (2019b): Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA B-StB), Teil 2: Richtlinien für das Durchführen der Vergabeverfahren. BMVI. Berlin: 30 S.
↑
BMVI/Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Abteilung Bundesfernstraßen (2021): Handbuch für die Vergabe und Ausführung von freiberuflichen Leistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA F-StB). BMVI. Berlin: 135 S.
↑
DIN/Deutsches Institut für Normung e. V. (Hrsg.) (2019): VOB Gesamtausgabe 2019: Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen. Teil A (DIN 1960), Teil B (DIN 1961), Teil C (ATV). Beuth Verlag GmbH. Berlin: 1.146 S.
↑
NLStBV/Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (2022): Leitfaden Brückenersatzneubau, Fassung April 2022 (noch nicht veröffentlicht).
↑
Rockmann L. (2016): Planungshilfen für den konstruktiven Ingenieurbau und die Umweltplanung bei der interdisziplinären Aufgabe des Brückenersatzneubaus. Unveröffentlichte wissenschaftliche Arbeit in Zusammenarbeit mit der NLStBV. Hannover:
85 S.