Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziel, während andere uns helfen diese Website und ihre Erfahrung zu verbessern.


Seite 503 - 509

Umsetzung von Natura-2000-Zielsetzungen in Naturparken

Implementation of Natura 2000 objectives in nature parks

DOI: 10.19217/NuL2022-11-03 • Manuskripteinreichung: 16.11.2021, Annahme: 15.8.2022

Jörg Liesen, Kathrin Risthaus, Ulrike Franke und Dana Roberts

Zusammenfassung

Im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens (F + E-Vorhabens) „Umsetzung von Natura 2000 in Naturparken“, das der Verband Deutscher Naturparke e. V. (VDN) durchgeführt hat, wurde erstmalig ermittelt, welche Bedeutung und Verantwortung die Naturparke bei der Umsetzung des Natura-2000-Managements sowie für die Erhaltung der Lebensraumtypen und Arten der Fauna-Flora-Habitat(FFH)-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie haben. Das Vorhaben wurde von der Planungsgruppe Umwelt GbR und der BTE – Tourismus- und Regionalberatung begleitet, die u. a. eine GIS-gestützte fachliche Analyse durchgeführt und in 15 Modell-Naturparken gemeinsam mit dem VDN konkrete Maßnahmen zur Umsetzung von Schutz, Pflege und Entwicklung von Natura-2000-Gebieten erarbeitet haben. Das F + E-Vorhaben belegt, dass Naturparke beim Schutz und Management von Natura-2000-Gebieten eine wichtige Rolle spielen und sich je nach regionalen Zuständigkeiten in unterschiedlicher Form engagieren. Gleichzeitig stehen sie vor Ort häufig vor fachlichen und politischen Herausforderungen. Ein Handlungsleitfaden stellt die Ergebnisse des Projekts und viele gute Beispiele für ein erfolgreiches Natura-2000-Management in Naturparken zusammen.

Naturparke – Natura 2000 – Natura-2000-Management – Handlungsfelder – Handlungsleitfaden

Abstract

Within the framework of a research and development (R + D) project on “Implementation of Natura 2000 in nature parks” that was carried out by the Association of German Nature Parks (Verband Deutscher Naturparke, VDN), the importance and responsibility of nature parks in the implementation of Natura 2000 management and for the conservation of habitat types and species listed under the Habitats and Birds Directives was determined for the first time. The project was accompanied by Planungsgruppe Umwelt GbR and BTE – Tourismus- und Regionalberatung. Those two consultancies carried out, among other things, a GIS-based technical analysis and, together with the VDN, developed concrete measures for the protection, maintenance and development of Natura 2000 sites in 15 model nature parks. The R + D project proves that nature parks play an important role in the protection and management of Natura 2000 sites and are involved in different ways depending on regional responsibilities. At the same time, they often face technical and political challenges on the ground. A guide to action compiles the results of the project and many good examples of successful Natura 2000 management in nature parks.

Nature parks – Natura 2000 – Natura 2000 management – Fields of action – Guide to action

Inhalt

1 Einleitung

2 Methodik

3 Zentrale Ergebnisse des F + E-Vorhabens

4 Ausgewählte Analyseergebnisse auf Ebene des Bundes und der Bundesländer

5 Handlungsfelder von Naturparken bei der Umsetzung von Natura 2000

6 Good-Practice-Beispiele aus Naturparken zum Management von Natura-2000-Gebieten

6.1 Handlungsfeld „Maßnahmenumsetzung“

6.2 Handlungsfeld „Mittler und Koordinator“

6.3 Handlungsfeld „Naturschutzkonforme touristische Nutzung“

6.4 Handlungsfeld „Ideelle und/oder monetäre Inwertsetzung von Natura 2000“

6.5 Handlungsfeld „Maßnahmen im Kontext von Klimawandel und -anpassung“

7 Diskussion: Herausforderungen für Naturparke bei der Umsetzung von Natura 2000

7.1 Eine nicht ausreichende personelle Ausstattung und Finanzierung für das Management

7.2 Unklarheiten bezüglich Zuständigkeiten und Strukturen

7.3 Zu komplexe und komplizierte Förderbedingungen

8 Fazit und Empfehlungen

9 Literatur

Förderung

1 Einleitung

Die zurzeit 104 Naturparke in Deutschland bedecken rund 28 % der Landesfläche. Im Fokus der Naturparkarbeit stehen die in § 27 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und aufbauend darauf die vom Verband Deutscher Naturparke e. V. (VDN) formulierten Aufgaben und Ziele (VDN 2018): Naturschutz und Landschaftspflege, Erholungsvorsorge und nachhaltiger Tourismus, nachhaltige Regionalentwicklung sowie Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE).

Das Thema Natura 2000 (siehe Kasten 1) spielt in Naturparken eine wichtige und zunehmende Rolle: Etwa ein Drittel der deutschen terrestrischen Natura-2000-Gebietsfläche liegt in Naturparken (VDN 2021). Naturparke leisten bei Akzeptanzsteigerung, Erhaltung, Monitoring und Management von Natura-2000-Gebieten wichtige Beiträge. Um eine Übersicht über die bisherigen Aktivitäten der Naturparkträger in den genannten Bereichen zu erhalten und um zu analysieren, inwiefern die Naturparke auf der Ebene der Bundesländer in das Management und die Betreuung von Natura-2000-Gebieten eingebunden sind, wurde im zugrundeliegenden Forschungs- und Entwicklungsvorhaben (F + E-Vorhaben) „Umsetzung von Natura 2000 in Naturparken“ eine umfassende fachliche Analyse durchgeführt. Aufbauend darauf wurden in 15 Modell-Naturparken die Schwerpunkte zur Unterstützung von Natura-2000-Gebieten und die hierfür jeweils wichtigen Netzwerke vor Ort herausgearbeitet und gestärkt. Ziele des Vorhabens waren u. a.:

Kasten 1: Hintergrund zum Natura-2000-Netzwerk und zu aktuellen Entwicklungen.
Box 1: Background on the Natura 2000 network and current developments.

In den Jahren 1979 und 1992 wurden die wichtigsten europäischen Naturschutzrichtlinien erlassen, die sog. Vogelschutzrichtlinie (VS-RL) und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL). Sie begründeten die Einrichtung des europaweiten ökologischen Netzwerks Natura 2000, dem in der EU knapp 27.000 FFH-Gebiete (Sites of Community Importance – SCI) und Vogelschutzgebiete (Special Protection Areas – SPA) angehören. In Deutschland bedecken diese 15,5 % der terrestrischen Fläche (BfN 2020, 2021). Im sog. Refit-Prozess wurden 2014 – 2016 die FFH- und die VS-RL von der EU-Kommission überprüft und als geeignet bewertet, um die europaweit geschützten Arten und Lebensräume zu erhalten (Stein 2017).

Trotz intensiver Bemühungen in Deutschland verzeichnen zahlreiche FFH-Lebensraumtypen (FFH-LRT, z. B. artenreiche Grünlandlebensräume wie extensiv genutzte Mähwiesen, Magerrasen und Nasswiesen) sowohl in der Fläche als auch in ihrer Artenvielfalt starke Rückgänge; auch FFH-Arten und Arten der Vogelschutzrichtlinie sind z. T. stark vom Rückgang betroffen (Gerlach et al. 2019; BMU, BfN 2020). Wie die aktuellen Vogelschutz- und FFH-Berichte Deutschlands an die EU (BMU, BfN 2020) zeigen, setzt sich dieser Trend seit dem ersten nationalen FFH-Bericht aus dem Jahr 2001 ungebrochen fort. EU-Vertragsverletzungsverfahren und die Klage der EU-Kommission am Europäischen Gerichtshof gegen Deutschland zur Umsetzung von Natura 2000 zeigen auch, dass die bisherigen Ansätze zum Schutz von Natura 2000 in einzelnen Bundesländern noch nicht ausreichend sind.

    die Stärkung der Aktivitäten der Naturparke zur Unterstützung von Natura-2000-Gebieten,

    deren bessere Einbindung in vorhandene, auf Natura 2000 bezogene Akteursnetzwerke vor Ort sowie

    die stärkere Einbindung der Naturparke als Partner zur Umsetzung von Natura-2000-Zielen auf Ebene der Bundesländer.

Auf diese Weise leistet das Vorhaben einen wertvollen Beitrag zur Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt sowie zur EU-Biodiversitätsstrategie, deren Ziel die vollständige Umsetzung von Natura 2000 ist. Auch für den zu erstellenden „Aktionsplan Schutzgebiete“ zeigen die Ergebnisse dieses Vorhabens die Bedeutung der Naturparke für den Schutz und das Management von Natura-2000-Gebieten.

2 Methodik

In dem F + E-Vorhaben wurde mithilfe von Analysen, Workshops und Bereisungen herausgearbeitet, welcher der 15 Modell-Naturparke für welche Lebensraumtypen (LRT) und Arten der Fauna-Flora-Habitat(FFH)- und Vogelschutzrichtlinie in den Natura-2000-Gebieten einen besonderen Schwerpunkt bzw. eine besondere Verantwortung hat. Anschließend wurden die jeweiligen Handlungsmöglichkeiten der Naturparke zur Umsetzung von Natura 2000 aufgezeigt. Des Weiteren wurden in den ausgewählten 15 Modell-Naturparken Partnernetzwerke zum Engagement des jeweiligen Naturparks in einem oder mehreren Handlungsfeldern gestärkt. Das Vorhaben wurde von der Planungsgruppe Umwelt GbR und der BTE – Tourismus- und Regionalberatung begleitet. Die Ergebnisse des F + E-Vorhabens mündeten in dem Handlungsleitfaden „Umsetzung von Natura 2000 in Naturparken“, der verschiedene Aktivitäten und Handlungsfelder von Naturparken in Deutschland im Bereich Natura 2000 mit vielen Praxisbeispielen und anschaulichen Tipps vorstellt (Download unter https://www.naturparke.de/natura2000).

Um eine Übersicht über die bisherigen Aktivitäten der Naturparkträger im Bereich Akzeptanz, Erhaltung, Monitoring und Management von Natura-2000-Gebieten zu erhalten, wurde eine ausführliche fachliche Analyse durchgeführt. Diese Analyse umfasste u. a. eine Umfrage bei den Geschäftsstellen bzw. Verwaltungen der Naturparke, eine Umfrage bei den Landesministerien und -ämtern sowie eine Analyse ausgewählter Fragen der Qualitätsoffensive Naturparke (Liesen, Schäfer 2019).

Für die Gebietskulisse der Naturparke lagen vor Projektbeginn keine spezifischen Auswertungen bezüglich Natura-2000-Gebietskulissen sowie vorkommender LRT und Arten der FFH- und Vogelschutzrichtlinie vor. Um die Bedeutung der Naturparke für die Erhaltung, Umsetzung und Zielerreichung des europäischen Schutzgebietsnetzwerks Natura 2000 sowie für die LRT und betreffenden Arten zu ermitteln, war eine spezifische Analyse der Daten und Kartengrundlagen in Bezug auf die Naturparkkulissen zielführend. Es wurde u. a. mit einer GIS-Analyse geprüft, welche LRT und Arten der beiden Richtlinien in mehreren oder einzelnen Naturparken verstärkt vorkommen und für welche LRT und Arten somit eine besondere Verantwortung einzelner Naturparke für deren Erhaltung abgeleitet werden kann. Die Analyse der LRT und Arten diente dabei ebenso als Grundlage zur Erstellung und Bewertung regionalisierter Handlungsansätze in Naturparken. Grundlage der Geodatenanalyse waren die vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) zur Verfügung gestellten Geodaten der Naturparke, FFH-Gebiete (Sites of Community Importance – SCI) und Vogelschutzgebiete (Special Protection Areas – SPA) sowie die Natura-2000-Datenbank (Deutschland) mit weiterführenden Informationen zu den in den FFH- und SPA-Gebieten vorkommenden LRT und/oder Arten. Diese Datengrundlage beinhaltet von den Bundesländern im Zeitraum 2010 – 2017 an die EU gemeldete Daten.

3 Zentrale Ergebnisse des F + E-Vorhabens

Die Mitwirkung beim Management von Natura-2000-Gebieten hat in den letzten Jahren für Naturparke in Deutschland stark an Bedeutung gewonnen – genau wie das Thema Natur- und Landschaftsschutz als Aufgabenfeld allgemein (Umfrage im Rahmen des F + E-Vorhabens, Liesen et al. 2021; Ergebnisse aus der Qualitätsoffensive Naturparke 2011 – 2020, unveröffentlicht; Liesen et al. 2017; Liesen, Schäfer 2019; Weber et al. 2021).

Die Analysen im Rahmen des F + E-Vorhabens ergaben folgende zentrale Aussagen:

    Fast alle der befragten Naturparke führen Aktivitäten und Maßnahmen im Bereich Natura 2000 durch (vgl. Abb. 1).

    NuL_11_2022_Liesen_01.jpg
    Abb. 1: Aktivitäten und Maßnahmen der Naturparke im Bereich Natura 2000. Das Diagramm basiert auf den jeweils aktuellsten Daten, die von den Naturparken vorlagen (Stand: 2021). Das Diagramm stellt sowohl die Anzahl der Nennungen (Balkenbeschriftung) als auch den prozentualen Anteil (Beschriftung x-Achse) dar. Quellen sind die dritte Phase (2016 – 2020) der Qualitätsoffensive Naturparke (79 Naturparke), die zweite Phase (2011 – 2015) der Qualitätsoffensive Naturparke (6 Naturparke) bzw. die Biodiversitätsumfrage des Verbands Deutscher Naturparke im Jahr 2009 (10 Naturparke).
    Fig. 1: Activities and measures of the nature parks of relevance to Natura 2000. The diagram is based on the most recent data available from the nature parks (as of 2021). The diagram shows both the number of mentions (indicated in the bar chart) and the percentage share (labelled x-axis). Sources are the third phase (2016 – 2020) of the “Quality initiative nature parks” (79 nature parks); the second phase (2011 – 2015) of the “Quality initiative nature parks” (6 nature parks) and the biodiversity survey of the Association of German Nature Parks in 2009 (10 nature parks).
    Insgesamt übernehmen 31 % der Naturparke hoheitliche Aufgaben im Bereich Schutzgebietsmanagement oder wirken an deren Umsetzung mit (Angaben von 83 Naturparken in der 2. und 3. Phase der Qualitätsoffensive Naturparke 2011 – 2020). Bei den von den Ländern oder gemeinsam von Land und Landkreisen getragenen Naturparken übernehmen 70 % der Naturparke hoheitliche Aufgaben im Bereich des Schutzgebietsmanagements. Bei den als Zweckverband oder Verein organisierten Naturparken sind es nur jeweils 33 % bzw. 15 %. Damit wird deutlich, dass die Zuordnung zu Managementaufgaben von Natura 2000 im föderalen System Deutschlands sehr heterogen ist und Naturparke nicht in jedem Bundesland die gleichen Aufgaben wahrnehmen.
    Weiterhin ergab eine Umfrage unter Naturparken zum Thema Natura 2000, dass 63 % der Naturparke (n = 52) in die Entwicklung von FFH-Managementplänen eingebunden sind oder diese sogar als zuständige Behörde aufstellen.
    Insgesamt gaben 79 % der Naturparke an, als Schwerpunkte ihrer Aktivitäten Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen, die FFH-Arten oder SPA-Arten zugutekommen, selbst durchzuführen oder zu koordinieren (s. auch Abschnitt 5).
    Die Auswertung der Daten aus der Qualitätsoffensive Naturparke und einer Biodiversitätsumfrage des VDN zeigen außerdem, dass Naturparke wichtige Schnittstellen zu Landnutzerinnen bzw. Landnutzern und der Bevölkerung sind und diese entsprechend über Maßnahmen informieren und sensibilisieren (s. Abb. 1). Dies geschieht beispielsweise über gebietsbezogene Führungen durch Gebietsbetreuerinnen und Gebietsbetreuer, Rangerinnen und Ranger oder zertifizierte Natur- und Landschaftsführerinnen und -führer. Des Weiteren nehmen Naturparke bei Konflikten zwischen Naturschutz und Landnutzung oft eine vermittelnde Rolle ein und tragen so zu einer entsprechenden Lösung bei.

4 Ausgewählte Analyseergebnisse auf Ebene des Bundes und der Bundesländer

Etwa ein Drittel (32,3 %) der deutschen terrestrischen Natura-2000-Gebietsfläche liegt in Naturparken. Betrachtet man die FFH- und SPA-Flächen separat, zeigt sich, dass

    über ein Viertel (27 %) der deutschen terrestrischen FFH-Gebietsfläche und

    23 % der deutschen terrestrischen SPA-Gebietsfläche in Naturparken liegen;

    der Anteil der FFH-Fläche in den Bundesländern stark variiert: So liegen in Hessen 68 % der FFH-Fläche des Bundeslands in Naturparken, in Sachsen dagegen nur 13 %.

Insgesamt sind 18,5 % der Gesamtfläche der deutschen Naturparke als Natura-2000-Gebiete ausgewiesen – 12,0 % als FFH-Gebiete und 12,5 % als SPA-Gebiete (die Summe der Flächenanteile der beiden Gebietstypen liegt höher als der Flächenanteil der Natura-2000-Gebiete, da es Überlappungen gibt). Deutschlandweit liegen teilweise große Anteile der Flächen bestimmter FFH-LRT in Naturparken. So liegen beispielsweise

    77 % (5.823 ha) der artenreichen Borstgrasrasen (prioritärer LRT 6230*),

    77 % (9.632 ha) der Berg-Mähwiesen (LRT 6520) (s. Abb. 2) und

    NuL_11_2022_Liesen_02.jpg
    Abb. 2: Berg-Mähwiese (Lebensraumtyp – LRT 6520) im Naturpark Südschwarzwald.
    (Foto: Jörg Liesen)
    Fig. 2: Mountain meadow (habitat type 6520) in the Southern Black Forest nature park.

    60 % (123.758 ha) der Hainsimsen-Buchenwälder (LRT 9110)

deutschlandweit in Naturparken.

5 Handlungsfelder von Naturparken bei der Umsetzung von Natura 2000

Durch die intensive Arbeit in den 15 Modell-Naturparken (s. Tab. 1) konnten schwerpunktmäßige Aufgaben und Handlungsfelder der Naturparke zum Schutz und Management von Natura-2000-Gebieten identifiziert und anhand von Good-Practice-Beispielen im o. g. Handlungsleitfaden dargestellt werden. Tab. 2 gibt eine Übersicht über die Aufgaben der Naturparke im Rahmen der Umsetzung von Natura 2000 wieder.

Modell-Naturpark Bundesland Trägerschaft
Nossentiner/Schwinzer Heide
Mecklenburg-Vorpommern
Land, Landkreise
Am Stettiner Haff
Mecklenburg-Vorpommern
Land, Landkreise
Unteres Saaletal
Sachsen-Anhalt
Verein
Saale-Unstrut-Triasland
Sachsen-Anhalt
Verein
Niederlausitzer Landrücken
Brandenburg
Land
Niederlausitzer Heidelandschaft
Brandenburg
Land
Deutsch-Belgischer Naturpark Hohes Venn-Eifel (Teil Rheinland-Pfalz)
Rheinland-Pfalz
Verein
Sauerland Rothaargebirge
Nordrhein-Westfalen
Verein
Arnsberger Wald
Nordrhein-Westfalen
Zweckverband
Kellerwald-Edersee
Hessen
Zweckverband
Habichtswald
Hessen
Zweckverband
Thüringer Schiefergebirge/Obere Saale
Thüringen
Land
Obere Donau
Baden-Württemberg
Verein
Bayerischer Spessart
Bayern
Verein
Fichtelgebirge
Bayern
Verein
Tab. 1: Übersicht der Modell-Naturparke im Forschungs- und Entwicklungsvorhaben „Umsetzung von Natura 2000 in Naturparken“ mit Angabe zu Bundesland und Form der Trägerschaft.
Table 1: Overview of the model nature parks in the “Implementation of Natura 2000 in nature parks” research and development project with information on the state (Land) and form of sponsorship.
Aufgabe Bemerkung
Auswahl der Fauna-Flora-Habitat(FHH)-Gebiete und der Vogelschutzgebiete
Das Netz Natura 2000 wurde in Deutschland von 1996 bis 2006 aufgebaut. Mögliche Ergänzungen des Schutzgebietssystems können sich z. B. im Rahmen der Umsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 ergeben. Die Naturparke waren in unterschiedlicher Art und Weise beteiligt. Einige Naturparke (in Trägerschaft einer Landesverwaltung) haben Natura-2000-Gebiete direkt ausgewählt.
Gebietssicherung
Nach der Bestätigung der gemeldeten Gebiete durch die EU wurden die Natura-2000-Gebiete durch die Bundesländer als besondere Erhaltungsgebiete (BEG) ausgewiesen. Dies erfolgte auf unterschiedlichem Wege (z. B. Ausweisung als Naturschutzgebiet – NSG, Erhaltungszielverordnungen, vertragliche Regelungen). Einige Naturparke (in Trägerschaft einer Landesverwaltung) waren an der Gebietssicherung beteiligt, indem sie z. B. NSG-Verordnungen vorbereitet haben.
Berichtspflichten/Monitoring
Mit der Ausweisung der Natura-2000-Gebiete besteht die Verpflichtung, der EU regelmäßig über den Zustand der Schutzgüter zu berichten. Lebensraumtypen und Arten der FFH-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie werden regelmäßig erfasst und der Zustand bewertet. Teilweise beauftragen Naturparkverwaltungen derartige Kartierungen direkt, koordinieren Kartierungen Ehrenamtlicher oder Rangerinnen und Ranger der Naturparke führen diese Erfassungen eigenständig durch.
Festlegung von Maßnahmen
Die Festlegung von Maßnahmen erfolgt über Managementpläne oder andere Instrumente. Naturparke in Trägerschaft einer Landesverwaltung sind teilweise für die Aufstellung der Managementpläne verantwortlich und beauftragen diese.
Maßnahmenumsetzung
Die umzusetzenden Maßnahmen sind bezüglich Art und Umfang sehr unterschiedlich und umfassen bspw. Pflegemaßnahmen zur Erhaltung von Offenland-Lebensraumtypen, Beratung von Privatwaldbesitzerinnen und -besitzern bis hin zu komplexen Renaturierungsmaßnahmen an Gewässern. Bezüglich der Maßnahmenumsetzung sind Naturparke teilweise beratend tätig, sind Vertragsnaturschutzbetreuungsstellen oder Träger investiver Umsetzungsprojekte.
Öffentlichkeitsarbeit und Besucherinformation
Ziel sollte es sein, die Wertschätzung in der Bevölkerung für Natura-2000-Lebensraumtypen und -Arten zu fördern und das Thema Natura 2000 positiv zu besetzen. Naturparke übernehmen in dieser Hinsicht wertvolle Aufgaben, häufig auch unabhängig von der formellen  Zuständigkeit.
Tab. 2: Übersicht der Aufgaben im Rahmen von Schutz und Management von Natura-2000-Gebieten und Beteiligung der Naturparke an deren Umsetzung.
Table 2: Overview of tasks within the framework of protection and management of Natura 2000 sites and participation of nature parks in their performance.

Für praxistaugliche Schutz- und Managementmaßnahmen in Natura-2000-Gebieten in Naturparken wurden aufgrund der Praxiserfahrungen der 15 Modell-Naturparke sowie weiterer Naturparke für den o. g. Handlungsleitfaden folgende Handlungsfelder und Handlungskulissen näher beschrieben, mit Good-Practice-Beispielen und Literatur-Tipps sowie mit Handlungsempfehlungen hinterlegt:

    1.

    Managementplanung und -umsetzung,

    2.

    Maßnahmenumsetzung,

    3.

    Handlungskulisse der unterschiedlichen Lebensräume, insbesondere Wälder,

    4. Mittler und Koordinator mit Abstimmung von Maßnahmen, Vermittlung bei Konflikten und Kooperation mit Landnutzerinnen und Landnutzern,
    5.

    Öffentlichkeitsarbeit,

    6.

    naturschutzkonforme touristische Nutzung mit Besucherlenkung sowie Bildungs- und Naturerlebnisangebote,

    7.

    Inwertsetzung von Natura 2000, sowohl ideell als auch monetär,

    8.

    Maßnahmen im Kontext von Klimawandel und -anpassung.

Im Folgenden sind ausgewählte Handlungsfelder und Good-Practice-Beispiele aus der deutschlandweiten Naturparkarbeit aufgeführt, die verdeutlichen, welche Aufgaben Naturparke in Bezug auf Natura 2000 heute schon erfolgreich erfüllen. Dabei sind Übergänge zu anderen Handlungsfeldern fließend. Eine umfassende Übersicht ist im Handlungsleitfaden zu finden.

6 Good-Practice-Beispiele aus Naturparken zum Management von Natura-2000-Gebieten

6.1 Handlungsfeld „Maßnahmenumsetzung“

Naturparke sind vielfach an Pflegemaßnahmen und/oder investiven Naturschutzmaßnahmen in Natura-2000-Gebieten beteiligt oder übernehmen diese mit dem eigenen Betriebshof, als Träger eines Landschaftspflegeverbands oder in Kooperation mit Partnern. Eine enge Zusammenarbeit von Naturpark und Landschaftspflegeverbänden, am besten „unter einem Dach“, hat sich in der Praxis bewährt.

Beispiel: Geo-Naturpark Frau-Holle-Land als Landschaftspflegeverband

Im Herbst 2019 startete das vom Bund geförderte Projekt „Schaf schafft Landschaft“ des Geo-Naturparks Frau-Holle-Land, der auch gleichzeitig Träger des Landschaftspflegeverbands ist, in Kooperation mit der Universität Kassel und zahlreichen weiteren Kooperationspartnern. Dabei soll die Schafbeweidung mit all ihren Teilaspekten im Werratal mit Hohem Meißner und Kaufunger Wald optimiert werden und die Rahmenbedingungen für die Schäferei sollen verbessert werden. Mit dem Projekt können u. a. wertvolle Kalk-Halbtrockenrasen, Wacholderheiden und Streuobstwiesen effektiver geschützt werden. Neben dem Projekt „Schaf schafft Landschaft“ ist der Naturpark noch in weiteren FFH-Gebieten bzw. zu FFH-Themen aktiv. Weitere Infos finden sich unter https://www.schafland17.de.

6.2 Handlungsfeld „Mittler und Koordinator“

Wenn es um das Management von Natura-2000-Gebieten geht, sind meist viele Akteure beteiligt: u. a. Naturschutzbehörden, Landschaftspflegeverbände, Biologische Stationen oder Natura-2000-Stationen, Landnutzerinnen und Landnutzer, Eigentümerinnen und Eigentümer. In seiner Rolle als Mittler und Koordinator kann der Naturpark den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Beteiligten fördern, Konflikte reduzieren sowie gemeinsame Themen und Projekte initiieren und deren Umsetzung begleiten.

Beispiel: Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide als Mittler und Koordinator für den Natur- und Artenschutz

Im Rahmen eines Modellprojekts hat der Naturpark mit den Staatlichen Ämtern für Landwirtschaft und Umwelt (StÄLU), mit dem Forstamt und mit Landnutzerinnen bzw. Landnutzern die Optimierungsmöglichkeiten für die Umsetzung von Maßnahmen im FFH-Gebiet Drewitzer See besprochen. Durch Sinken des Wasserstands nimmt die Gewässerfläche des Klarwassersees (LRT 3140) immer mehr ab und die von hohem Wasserstand abhängigen FFH-LRT um den See (kalkreiche Niedermoore und Schwingrasenmoore) sind im Bestand bedroht. Neben Maßnahmen zur Offenhaltung der Uferbereiche und Einflussnahme auf den Wasserstand des Drewitzer Sees durch eine abgestimmte forstliche Bewirtschaftung wurden auch die Verminderung der Beeinträchtigungen durch ein benachbartes Autobahn-Regenrückhaltebecken und die See-Nutzungen (Fischerei, Angeln, Tourismus) thematisiert (Abb. 3). Weitere Infos finden sich unter http://naturpark-nossentiner-schwinzer-heide.mvonline.de.

/fileadmin/magazines/naturundlandschaft/current/2022_11/images/NuL_11_2022_Liesen_03.jpg _03-Liesen_ID40
Abb. 3: Der Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide setzt sich auf vielfältige Weise im Rahmen des Natura-2000-Managements dafür ein, einen Interessensausgleich von Nutzerinnen und Nutzern bspw. der zahlreichen Seen wie hier des Krakower Obersees mit seinen Uferbereichen zu erreichen.
(Foto: Ralf Koch)
Fig. 3: The Nossentiner/Schwinzer Heide nature park works in many ways within the framework of Natura 2000 management to reconcile the interests of the users of, for example, the numerous lakes, such as here the Krakower Obersee with its shore areas.

6.3 Handlungsfeld „Naturschutzkonforme touristische Nutzung“

Natura-2000-Gebiete sind häufig sensible Räume, aber gleichzeitig attraktiv für touristische Nutzungen. Geeignete Instrumente zur Besucherlenkung sowie Information und Akzeptanzsteigerung dienen dazu, Konflikte z. B. durch Störungen der Tier- und Pflanzenwelt oder durch Trittschäden zu vermeiden und die Besucherinnen und Besucher für die Belange der Natura-2000-Schutzgebiete zu sensibilisieren.

Beispiel: Klettern in der Fränkischen Schweiz

Um die Wünsche der Kletterfans in der Fränkischen Schweiz mit den Bedürfnissen der Tier- und Pflanzenwelt in Einklang zu bringen, haben Naturschutzbehörden, Naturschutzverbände, der Deutscher Alpenverein, die Interessengemeinschaft Klettern, Gemeinden und der Verein Naturpark Fränkische Schweiz-Frankenjura gemeinsam verschiedene Kletterkonzepte erarbeitet, die Naturschutz und Kletterspaß miteinander verbinden, sodass Arten und Lebensräume von Natura-2000-Gebieten nicht gefährdet werden. Kern dieser Konzepte ist die Zonierung der Felslebensräume in drei Zonen mit unterschiedlichen Schutz- und Nutzungsmöglichkeiten. Weitere Infos finden sich unter https://www.fsvf.de.

6.4 Handlungsfeld „Ideelle und/oder monetäre Inwertsetzung von Natura 2000“

Zur monetären Inwertsetzung von Natura 2000 gehören die Vermarktung regionaler Produkte und eine behutsame touristische Inwertsetzung. Erfolgreiche Beispiele wie die Heuvermarktung im Naturpark Thüringer Wald, Regionalmarken wie „Grünland Spessart“ oder „Echt! Solling-Vogler-Region“ zeigen, dass Naturparke gemeinsam mit landwirtschaftlichen Betrieben, Metzgereien, Gastronomie und anderen regionalen Akteuren Wertschöpfungsketten aufbauen und betreiben können, z. B. indem Erzeugnisse aus der Beweidung oder Mahd wertvoller Grünland-LRT vermarktet werden. Ziel der ideellen Inwertsetzung ist es, die Bevölkerung, Landnutzerinnen und Landnutzer sowie sonstige Beteiligte für das Thema Natura 2000 zu sensibilisieren und den Wert von Natura-2000-Gebieten, deren LRT und Arten sowie auch Einschränkungen zum Schutz dieser wertvollen Bestände positiv zu vermitteln. Weitere Infos finden sich unter https://gruenland-spessart.de, https://www.solling-vogler-region.de sowie https://www.naturpark-thueringer-wald.de.

6.5 Handlungsfeld „Maßnahmen im Kontext von Klimawandel und -anpassung“

Die Schutzgebiete in Deutschland werden in den kommenden Jahrzehnten durch den Klimawandel erheblichen Veränderungen unterworfen sein. Instrumente, die die Auswirkungen des Klimawandels auf die oft klimasensiblen Natura-2000-Gebiete und deren Arten berücksichtigen, sind die Managementpläne der Natura-2000-Gebiete und großräumigere Biotopverbundkonzepte. Auf der anderen Seite spielen viele Natura-2000-Gebiete, z. B. mit Moor- oder Wald-Ökosystemen, eine wichtige Rolle für den Klimaschutz, u. a. als Kohlenstoffspeicher oder bei der Minderung der Folgen des Klimawandels. Die Naturparke Diemelsee und Südschwarzwald haben sich der Thematik angenommen und etablieren u. a. einen Biotopverbund als Klimaanpassung für klimasensible Zielarten (Naturpark Diemelsee 2021) oder entwickeln Klimaanpassungsstrategien für Land- und Forstwirtschaft sowie zur Wasserspeicherung in der Landschaft (Südschwarzwald). Weitere Infos finden sich unter https://www.naturpark-diemelsee.de/flora-fauna/projekt-biotopverbund und https://www.naturpark-suedschwarzwald.de/eip/pages/klimaschutz.php.

7 Diskussion: Herausforderungen für Naturparke bei der Umsetzung von Natura 2000

Trotz der Unterschiede in den Trägerstrukturen und der Rolle der Naturparke in Bezug auf die fachlichen Zuständigkeiten und das Management von Natura-2000-Gebieten aufgrund der föderalen Strukturen zeigten sich im Projekt immer wieder dieselben fachlichen und politischen Herausforderungen, um Natura 2000 in den Regionen fachgerecht umzusetzen:

7.1 Eine nicht ausreichende personelle Ausstattung und Finanzierung für das Management

Den im Aufgabenbereich Natura 2000 tätigen Institutionen (neben Naturparken z. B. Landschaftspflegeverbände, Natura-2000-Stationen, Biologische Stationen o. ä.), aber auch den zuständigen Behörden fehlt es häufig an Personal und finanziellen Mitteln. Auch wechselnde Biotopbetreuerinnen und -betreuer oder befristete (Projekt)stellen in Naturparken erschweren die kontinuierliche Umsetzung von Natura-2000-Managementmaßnahmen.

7.2 Unklarheiten bezüglich Zuständigkeiten und Strukturen

Die Zuständigkeiten für das Management von Natura-2000-Flächen sind in den einzelnen Bundesländern und oft auch Regionen sehr unterschiedlich und vielfach auch unübersichtlich. Die hoheitlichen Zuständigkeiten variieren häufig je nach LRT (Wald oder Offenland). Außerdem kann innerhalb von Behörden ein Dezernat für die Planerstellung, ein anderes für die Maßnahmenumsetzung verantwortlich sein. Neben Naturschutz-, Forst- und weiteren Behörden sind viele andere nicht-hoheitliche Akteure, die oft „aus der Praxis kommen“ und die Gegebenheiten vor Ort gut kennen (Landschaftspflegeverbände, Landnutzerinnen und Landnutzer, Tierhalterinnen und Tierhalter, ehrenamtliche Naturschützerinnen und -schützer usw.), für die Erhaltung und Entwicklung von Natura-2000-Flächen aktiv und wichtige Partner v. a. bei der Pflege von Flächen.

7.3 Zu komplexe und komplizierte Förderbedingungen

Die Finanzierung von Maßnahmen in Natura-2000-Gebieten wird erschwert durch die häufig komplizierten Antrags- und Fördermodalitäten, durch zu geringe Personalkapazitäten vor Ort und in den Fachbehörden zur Beratung und Umsetzung von Maßnahmen, durch eine fehlende Anreizkomponente bei den Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) und durch das Rückzahlungsrisiko für erhaltene Fördergelder. Häufig fehlen auch Projektträger, die sowohl die Antragstellung und Abwicklung der Förderung als auch die Umsetzung der Maßnahmen realisieren können. Oftmals ist eine Vorfinanzierung von Projektmitteln gefragt sowie qualifiziertes Personal für die administrative Bewältigung der Antragstellung und der Projektabwicklung nötig. Beides ist für kleine Trägerstrukturen in vielen Fällen ein Problem. Eine stärkere praktische Ausrichtung und Flexibilität bei den Förderrichtlinien und Vorgaben (z. B. Bewirtschaftungsvorgaben) würden die Arbeit vereinfachen, denn die Rahmenbedingungen und Vorgaben passen vielfach nicht zu den Anforderungen an die praktische Umsetzung von Maßnahmen. Und natürlich sind die politischen Rahmenbedingungen auf EU-, Bundes- und Landesebene ein Dreh- und Angelpunkt für die erfolgreiche Umsetzung von Natura-2000-Maßnahmen.

8 Fazit und Empfehlungen

Naturparke spielen für die Umsetzung von Natura 2000 in Deutschland eine wichtige Rolle, die bisher häufig unterschätzt wird. Naturparke sind Ansprechpartner vor Ort und genießen als langjährige Partner Vertrauen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Naturparke kennen ihre Region, die Akteure und die naturschutzfachlichen Gegebenheiten in der Regel sehr gut und haben eine hohe Akzeptanz als neutrale Vermittler und praxisnahe Umsetzer. Die Naturschutzkompetenz der Naturparke ist in den zurückliegenden Jahren stark gewachsen. So leisten viele Naturparke im Rahmen ihrer querschnittsorientierten Aufgaben wertvolle Arbeit für das Natura-2000-Netzwerk.

Auf der anderen Seite stehen Naturparke beim Thema Natura 2000 vor vielen Hürden und praktischen Problemen. Der bürokratische Aufwand für Natura-2000-Projekte und -Maßnahmen ist hoch; das Finden von Partnern für die naturschutzgemäße Bewirtschaftung von Flächen in Natura-2000-Gebieten ist dadurch erschwert. Die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den Bundesländern führen zu einer Vielfalt an Strukturen und Zuständigkeiten für das Natura-2000-Management, die für die beteiligten Akteure oft nicht leicht zu verstehen sind.

Im Ergebnis stellen viele Beteiligte beim Management von Natura-2000-Gebieten eine große Kluft zwischen aufwändiger Planung und zu wenig Umsetzung und zu geringen praktischen Erfolgen fest. Naturparke sind aufgrund ihrer Praxisorientierung und ihrer umfangreichen Netzwerkarbeit besonders geeignet, zum Schließen dieser Kluft beizutragen und das Thema Natura 2000 vor Ort zu verankern. Hierzu könnte die Einrichtung von „Runden Tischen Natura 2000“ auf der lokalen bzw. regionalen Ebene einen wichtigen Beitrag leisten, der alle maßgeblichen Akteure wie Naturparke, Behörden, Forstverwaltungen, Landschaftspflegeverbände, Biologische Stationen, Naturschutzorganisationen und Landnutzerinnen bzw. Landnutzer einbindet und ein gemeinsames Forum für den allseitigen Austausch sowie zur Planung und Koordination von Maßnahmen schafft. Naturparke könnten hier als verbindendes Element eine zentrale Rolle spielen.

Um die Situation maßgeblich zu verbessern, müssen Strukturen für die Umsetzung von Natura-2000-Managementmaßnahmen optimiert, Förderprogramme praxisorientierter ausgerichtet, Aktivitäten und Beteiligte enger miteinander verzahnt werden und muss das Thema Natura 2000 als Gemeinschaftsaufgabe zur Erhaltung von Biodiversität und Vielfalt der Landschaft verstanden werden.

Um das Potenzial der Naturparke für die Natura-2000-Gebiete zukünftig stärker zu nutzen, sollte es das Ziel sein, dass

    das Engagement und die vielfältigen Aktivitäten der Naturparke für die Umsetzung der Natura-2000-Ziele weiterhin unterstützt und gefördert werden;
    die Rahmenbedingungen für diese Aktivitäten (z. B. Strukturen, Fördermodalitäten, Ausstattung) weiter verbessert und bürokratische Hürden abgebaut werden;
    die Naturparke als wertvoller Partner im Natura-2000-Netzwerk wahrgenommen und bei der Planung und Umsetzung von Natura-2000-Maßnahmen eingebunden werden, um so gemeinsam mit anderen Beteiligten die Natura-2000-Gebiete stärker in den Fokus zu nehmen (wenn Institutionen zur Umsetzung von Natura 2000 neu gegründet werden, sollte geprüft werden, ob Naturparke die Aufgaben dieser neuen Institutionen in ihrer Region übernehmen können);
    die Umsetzung von Natura-2000-Zielen noch mehr „Hand in Hand“ mit den unterschiedlichen Beteiligten erfolgt und pragmatische Lösungen ermöglicht werden (z. B. durch die Einführung „Runder Tische Natura 2000“).

9 Literatur

  BfN/Bundesamt für Naturschutz (2020): EU-Naturschutz-Richtlinien, Recht. https://www.bfn.de/eu-richtlinien (aufgerufen am 1.9.2022).

  BfN/Bundesamt für Naturschutz (2021): Meldestand der FFH-Gebiete in Deutschland und Meldestand der Vogelschutzgebiete in Deutschland. https://www.bfn.de/natura-2000-gebiete#anchor-2538 (aufgerufen am 3.11.2021).

  BMU, BfN/Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.) (2020): Die Lage der Natur in Deutschland. Ergebnisse von EU-Vogelschutz- und FFH-Bericht. BMU, BfN. Berlin, Bonn: 38 S.

  Gerlach B., Dröschmeister R. et al. (2019): Vögel in Deutschland. Übersichten zur Bestandssituation. Dachverband Deutscher Avifaunisten e. V. Münster: 63 S.

  Liesen J., Hoheisel D. et al. (2017): Entwicklungsperspektiven für die Naturparkplanung. Naturschutz und Landschaftsplanung 49(11): 355 – 362.

  Liesen J., Risthaus K. et al. (2021): F + E-Vorhaben Umsetzung von Natura 2000 in Naturparken. Abschlussbericht. VDN. Bonn: 88 S.

  Liesen J., Schäfer A. (2019): Qualität zählt! – Vorteile und Nutzen der Qualitätsoffensive Naturparke. Natur und Landschaft 94(9/10): 396 – 401.

  Naturpark Diemelsee (2021): Projekt Biotopverbund. https://www.naturpark-diemelsee.de/flora-fauna/projekt-biotopverbund/ (aufgerufen am 3.11.2021).

  Stein C. (2017): Natura 2000 – Europäisches Naturerbe in Bayern. ANLiegenNatur 39(2): 6 – 8.

  VDN/Verband Deutscher Naturparke (Hrsg.) (2018): Naturparke in Deutschland 2030 – Aufgaben und Ziele. VDN. Bonn: 27 S.

  VDN/Verband Deutscher Naturparke (Hrsg.) (2021): Umsetzung von Natura 2000 in Naturparken. Ein Leitfaden für die Praxis. VDN. Bonn: 60 S.

  Weber F., Liesen J. et al. (2021): Nachhaltige Regionalentwicklung in Naturparken – 10-Jahres-Rückblick und Zukunftsperspektiven. Raumforschung und Raumordnung 79(5): 518 – 533. DOI: 10.14512/rur.80

Förderung

Das F + E-Vorhaben „Umsetzung von Natura 2000 in Naturparken“ wurde vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesumweltministeriums (BMUV) gefördert.

Zurück zum Artikel

Jörg Liesen

Korrespondierender Autor

Dipl.-Forstwirt, Dipl.-Ing. (FH) Landschaftsplanung

Verband Deutscher Naturparke (VDN)

Holbeinstraße 12

53175 Bonn

E-Mail: joerg.liesen@naturparke.de

Seit 2004 ist der Autor beim Verband Deutscher Naturparke e. V. (VDN) tätig, zuerst als Fachreferent, seit 2013 als Stellvertretender Geschäftsführer. Er ist u. a. zuständig für Naturschutz, Regionalentwicklung, Agrarpolitik und Forstwirtschaft. Studium der Forstwissenschaften an der Universität Freiburg i. Br. und Ökologische Umwelt- und Landschaftsplanung an der FH Göttingen von 1989 bis 1997, danach freiberuflich tätig als Biotopkartierer und Ornithologe und von 2000 bis 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Eurosolar.

NuL_11_2022_Liesen_Vita.jpg

Kathrin Risthaus

M. A. (FH) Tourism and Destination Development

Verband Deutscher Naturparke (VDN)

Holbeinstraße 12

53175 Bonn

E-Mail: kathrin.risthaus@naturparke.de

Ulrike Franke

Dipl.-Ing. Landschafts- und Freiraumplanung

BTE – Tourismus- und Regionalberatung

Partnerschaftsgesellschaft mbB

Stiftstraße 12

30159 Hannover

E-Mail: franke@bte-tourismus.de

Dana Roberts

Dipl.-Kffr. (FH) Tourismuswirtschaft

BTE – Tourismus- und Regionalberatung

Partnerschaftsgesellschaft mbB

Friedrichswerther Straße 12

99820 Behringen bei Eisenach

E-Mail: roberts@bte-tourismus.de

Autoren

Ähnliche Artikel

  • Moore im Rechtssystem der Europäischen Union
    Weiterlesen...
  • Steuerung der Nutzung erneuerbarer Energien in Naturparken und Biosphärenreserva...
    Weiterlesen...
  • Renaturierung großflächiger subkontinentaler Sand-Ökosysteme ...
    Weiterlesen...
  • Waldfledermausschutz in Deutschland: sichern FFH-Gebiete und Alt- und Totholzkon...
    Weiterlesen...
  • Entwicklung, Stand und Herausforderungen der Naturparkarbeit in Deutschland ...
    Weiterlesen...
  • Was kann Deutschland von anderen europäischen Staaten für die Weiterentwicklung ...
    Weiterlesen...
  • Strukturelle Voraussetzungen einer erfolgreichen Naturparkarbeit ...
    Weiterlesen...
  • Qualität zählt! – Vorteile und Nutzen der Qualitätsoffensive Naturparke ...
    Weiterlesen...
  • Tourismus und nachhaltige Entwicklung in deutschen Naturparken ...
    Weiterlesen...
  • Schutzgebietsanteile der deutschen Naturparke und Überlegungen zur Weiterentwick...
    Weiterlesen...
  • Weiterentwicklung und Fortschreibung der Aufgaben und Ziele für die Naturparke i...
    Weiterlesen...
  • Netzwerk Natura 2000 - Plädoyer für eine dynamische Sichtweise ...
    Weiterlesen...
  • Landkauf oder Kompensation von Landwirtinnen und Landwirten? ...
    Weiterlesen...
  • Maßnahmenkonzepte zur Verbesserung des Erhaltungszustands ausgewählter Arten und...
    Weiterlesen...
  • Ermittlung und Bewertung kumulativer Beeinträchtigungen im Rahmen der FFH-Verträ...
    Weiterlesen...
  • Strategien und Maßnahmenprogramme der Bundesländer zur Erhaltung der biologische...
    Weiterlesen...
  • Wieviel Naturschutz steckt in der zweiten Säule – nur zweite Wahl? ...
    Weiterlesen...
  • 20 Jahre europäischer Naturschutz in Österreich
    Weiterlesen...
  • Essay: Land ohne Wildnis
    Weiterlesen...
  • Die Umsetzung des Naturschutzgroßprojekts „Saar-Blies-Gau/Auf der Lohe“ ...
    Weiterlesen...
  • Wälder des Nationalen Naturerbes
    Weiterlesen...
  • Bewertung des Erhaltungszustands von Lebensraumtypen und Arten in Österreich gem...
    Weiterlesen...
  • Fortschreibung der Maßnahmenprogramme und Bewirtschaftungspläne nach Wasserrahme...
    Weiterlesen...
  • Wildnis in Österreich
    Weiterlesen...
  • Natura 2000 und Wildnis auf ehemaligen Militärflächen
    Weiterlesen...
  • Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und klimainduzierte Waldveränderung – ein Widersp...
    Weiterlesen...
  • Digitalisierung in der Naturschutzbildung
    Weiterlesen...
  • Diskrepanz zwischen Anspruch und Praxis: Erkenntnisse aus der Umsetzung integrat...
    Weiterlesen...